Profil von ihmisten Lykospir
Inhalt ist versteckt.
ihmisten Lykospir
Land:
Deutschland
Geschlecht:
weiblich
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Ich bin das Ergebnis meines Lebens. Dieses setzt sich aus Erlebnissen und Nicht-Erfahrungen zusammen. Das dürfte für die meisten nichts Neues sein. Doch was genau ist das Ergebnis? Nun, die einfachste Antwort wäre wohl: ich. Aber mit dieser Antwort würden wir uns im Kreis drehen.
Ich bin ein Mensch mit vielen Facetten. Die, die für euch wohl am interessantesten sein dürfte, ist neurotisch. Die Rede ist von meinem Schreiber-Ich.
Dieses Ich weigert sich vehement dagegen, Geschichten mit dem Computer zu schreiben, obwohl es damit viel einfacher und schneller ginge. Vor allem müsste das bereits Geschriebene nicht noch einmal abgetippt werden. Aber nein, dieses Ich möchte unbedingt mit Stift und Papier schreiben, sonst versiegt der Ideenfluss schlagartig, ohne dass ein Körnchen zurückbleibt. Aber selbst hier darf es nicht irgendein Stift oder irgendein Papier sein. Das Papier muss unbedingt kariert sein und einen Rand besitzen, auf liniertem Papier oder gar blanko Papier geht gar nichts.
Der Stift ist jedoch noch viel wichtiger. Wehe, es handelt sich beim Schreiben nicht um einen Füller! Bei diesem Versuch kann es im schlimmsten Fall passieren, dass sich das Schreiber-Ich für mehrere Wochen verabschiedet.
Beim letzten Mal mussten die anderen Ichs ihm sogar erst einen sündhaft teuren Füller kaufen, bis es sich endlich wieder beruhigte. Es bleibt nur zu hoffen, dass es auch noch mit den anderen Füllern schreibt, aber ausgetestet wurde das noch nicht.
Eine weitere Neurose dieses Ichs ist die Richtigkeit. Hat es auch nur einen kleinen Rechtschreibfehler gemacht oder einen kleinen Zusatz im Satz vergessen, wird die ganze Seite neu geschrieben. Oft genügt aber schon ein Buchstabe, der nicht ganz so schön ist, damit sich das Ich darüber aufregt und alles neu schreibt. Dadurch kommt es nicht selten vor, dass ein ganzer Collegeblock wegen einer Seite zu Grunde geht.
Dieses Ich ist also auch noch sehr perfektionistisch, was eigentlich recht seltsam ist, da all die anderen Ichs allesamt eine chaotische Veranlagung besitzen. Nun ja, genau genommen hat aber auch das Schreiber-Ich eine chaotische Seite. Es hält nämlich überhaupt nichts davon, nach Plan zu schreiben. Wird jedoch einer erstellt, kann man sich sicher sein, dass dieser spätestens nach dem zweiten Satz über den Haufen geworden wird.
Noch so ein kleiner Tick des Schreiber-Ichs ist es, dass es am liebsten während des Unterrichts in der Berufsschule schreibt. Dabei ist es vollkommend egal, ob die Sitznachbarin einem Blicke zuwirft, die in Frage stellen, dass noch alle Tassen vorhanden sind. Und diese Blicke gibt es oft. (Da! Schon wieder!) Dieses Verhalten ist eigentlich total paradox, da das Schreiber-Ich zudem der Meinung ist, die Sitznachbarin würde nur mitlesen, um die guten Sachen zu klauen (es ist schon gespannt darauf, wie sie reagiert, wenn sie diesen Satz liest) – was ein genauso blöder Gedanke ist, da es der Meinung ist, nichts Gutes zu Papier bringen zu können.
Zum Glück ist der Unterricht keine Zwangsvoraussetzung um schreiben zu können – sonst wäre es spätestens beim Examen ganz schon aufgeschmissen.
Ach ja, wenn wir schon bei Orten sind, kommen wir doch gleich zur Zeit. Ein weiterer Tick ist es, dass es mit Vorliebe die anderen Ichs mitten in der Nacht weckt und solange quält – das kann es besser als jedes Kleinkind – bis geschrieben wird. Geht man darauf nicht ein, will es den Tag über nicht mehr, beginnt aber in der Nacht das gleiche Spiel von vorne. Und zwar solange, bis sich die anderen Ichs mitten in der Nacht aufraffen.
So, zum Schluss kommen wir wohl zum Ergebnis, dass zumindest ein Teil von mir ziemlich lästig ist. Aber rückblickend gäbe es wohl die anderen Ichs nicht mehr, wenn dieses Ich nicht vorhanden wäre.
Das Schreiben kam mit dem Tod.
Ich saß auf dem Bett und starrte ins Dunkel. Die Tränen waren längst versiegt und hatten eine bleierne Leere hinterlassen, welche noch viel schlimmer war. Und dennoch war mein Verstand nach wie vor zu klein, um den Verlust wirklich im vollen Maß zu verstehen. Er sperrte sich dagegen, weigerte sich das Wissen darum aufzunehmen. Der Verstand sagte, dass es nicht möglich war, dass es einen derartigen Verlust nicht gab. Und es gab ihn doch. Die nächsten Jahre würde ich des Öfteren mit einem derartigen Verlust konfrontiert werden, aber in diesem Augenblick war ich zu klein, zu jung, um den Verlust wirklich aufnehmen zu können. Meine kleine Seele versprach mir, dass das alles ein böser Traum wäre und war trotzdem zerrissen. Denn, obwohl ich gerade mal sechs Jahre alt war, ein Teil in mir wusste bereits vom ersten Moment an, dass es sich hierbei um keine Lüge handelte.
In diesem Dunkel hielt ich mich über Wochen auf. Meiner Mutter jedoch schenkte ich ein Lächeln, denn ich wusste, wenn ich traurig war, war sie es auch. Und sie tat alles erdenkliche, damit ich nicht traurig war. Aber es dauerte lange, bis sanfte, tröstende Hände mein Gesicht berührten und es liebkosten. Als ich aufblickte war dort alles und doch nichts: Ich nahm Stift und Papier und begann zum ersten Mal, richtig zu schreiben, nicht ahnend, dass ich das für den Rest meines Lebens tun würde…
Ich bin ein Mensch mit vielen Facetten. Die, die für euch wohl am interessantesten sein dürfte, ist neurotisch. Die Rede ist von meinem Schreiber-Ich.
Dieses Ich weigert sich vehement dagegen, Geschichten mit dem Computer zu schreiben, obwohl es damit viel einfacher und schneller ginge. Vor allem müsste das bereits Geschriebene nicht noch einmal abgetippt werden. Aber nein, dieses Ich möchte unbedingt mit Stift und Papier schreiben, sonst versiegt der Ideenfluss schlagartig, ohne dass ein Körnchen zurückbleibt. Aber selbst hier darf es nicht irgendein Stift oder irgendein Papier sein. Das Papier muss unbedingt kariert sein und einen Rand besitzen, auf liniertem Papier oder gar blanko Papier geht gar nichts.
Der Stift ist jedoch noch viel wichtiger. Wehe, es handelt sich beim Schreiben nicht um einen Füller! Bei diesem Versuch kann es im schlimmsten Fall passieren, dass sich das Schreiber-Ich für mehrere Wochen verabschiedet.
Beim letzten Mal mussten die anderen Ichs ihm sogar erst einen sündhaft teuren Füller kaufen, bis es sich endlich wieder beruhigte. Es bleibt nur zu hoffen, dass es auch noch mit den anderen Füllern schreibt, aber ausgetestet wurde das noch nicht.
Eine weitere Neurose dieses Ichs ist die Richtigkeit. Hat es auch nur einen kleinen Rechtschreibfehler gemacht oder einen kleinen Zusatz im Satz vergessen, wird die ganze Seite neu geschrieben. Oft genügt aber schon ein Buchstabe, der nicht ganz so schön ist, damit sich das Ich darüber aufregt und alles neu schreibt. Dadurch kommt es nicht selten vor, dass ein ganzer Collegeblock wegen einer Seite zu Grunde geht.
Dieses Ich ist also auch noch sehr perfektionistisch, was eigentlich recht seltsam ist, da all die anderen Ichs allesamt eine chaotische Veranlagung besitzen. Nun ja, genau genommen hat aber auch das Schreiber-Ich eine chaotische Seite. Es hält nämlich überhaupt nichts davon, nach Plan zu schreiben. Wird jedoch einer erstellt, kann man sich sicher sein, dass dieser spätestens nach dem zweiten Satz über den Haufen geworden wird.
Noch so ein kleiner Tick des Schreiber-Ichs ist es, dass es am liebsten während des Unterrichts in der Berufsschule schreibt. Dabei ist es vollkommend egal, ob die Sitznachbarin einem Blicke zuwirft, die in Frage stellen, dass noch alle Tassen vorhanden sind. Und diese Blicke gibt es oft. (Da! Schon wieder!) Dieses Verhalten ist eigentlich total paradox, da das Schreiber-Ich zudem der Meinung ist, die Sitznachbarin würde nur mitlesen, um die guten Sachen zu klauen (es ist schon gespannt darauf, wie sie reagiert, wenn sie diesen Satz liest) – was ein genauso blöder Gedanke ist, da es der Meinung ist, nichts Gutes zu Papier bringen zu können.
Zum Glück ist der Unterricht keine Zwangsvoraussetzung um schreiben zu können – sonst wäre es spätestens beim Examen ganz schon aufgeschmissen.
Ach ja, wenn wir schon bei Orten sind, kommen wir doch gleich zur Zeit. Ein weiterer Tick ist es, dass es mit Vorliebe die anderen Ichs mitten in der Nacht weckt und solange quält – das kann es besser als jedes Kleinkind – bis geschrieben wird. Geht man darauf nicht ein, will es den Tag über nicht mehr, beginnt aber in der Nacht das gleiche Spiel von vorne. Und zwar solange, bis sich die anderen Ichs mitten in der Nacht aufraffen.
So, zum Schluss kommen wir wohl zum Ergebnis, dass zumindest ein Teil von mir ziemlich lästig ist. Aber rückblickend gäbe es wohl die anderen Ichs nicht mehr, wenn dieses Ich nicht vorhanden wäre.
Das Schreiben kam mit dem Tod.
Ich saß auf dem Bett und starrte ins Dunkel. Die Tränen waren längst versiegt und hatten eine bleierne Leere hinterlassen, welche noch viel schlimmer war. Und dennoch war mein Verstand nach wie vor zu klein, um den Verlust wirklich im vollen Maß zu verstehen. Er sperrte sich dagegen, weigerte sich das Wissen darum aufzunehmen. Der Verstand sagte, dass es nicht möglich war, dass es einen derartigen Verlust nicht gab. Und es gab ihn doch. Die nächsten Jahre würde ich des Öfteren mit einem derartigen Verlust konfrontiert werden, aber in diesem Augenblick war ich zu klein, zu jung, um den Verlust wirklich aufnehmen zu können. Meine kleine Seele versprach mir, dass das alles ein böser Traum wäre und war trotzdem zerrissen. Denn, obwohl ich gerade mal sechs Jahre alt war, ein Teil in mir wusste bereits vom ersten Moment an, dass es sich hierbei um keine Lüge handelte.
In diesem Dunkel hielt ich mich über Wochen auf. Meiner Mutter jedoch schenkte ich ein Lächeln, denn ich wusste, wenn ich traurig war, war sie es auch. Und sie tat alles erdenkliche, damit ich nicht traurig war. Aber es dauerte lange, bis sanfte, tröstende Hände mein Gesicht berührten und es liebkosten. Als ich aufblickte war dort alles und doch nichts: Ich nahm Stift und Papier und begann zum ersten Mal, richtig zu schreiben, nicht ahnend, dass ich das für den Rest meines Lebens tun würde…