Tutorial: Wie schreibe ich eine Kampfszene? Teil 3: Die Variation des Kampfs
Vorwort
Herzlich willkommen zu den Tutorials zum Thema „Wie schreibe ich eine Kampfszene?”.
So schnell wie diese Überschrift formuliert ist, so umfassend ist doch das Thema. Kampfszenen können in jedem Genre und in jeder Art Geschichte in mannigfaltigen Varianten vorkommen. Von einer halbwegs freundschaftlichen 1:1-Situation in einem koordinierten Training bis hin zum epischen Schlachtengetümmel. Angefangen von der leeren Hand kann einfach alles zur Waffe werden und jede Waffe kann auf unterschiedliche Weisen verwendet werden. Die Möglichkeiten sind nahezu unerschöpflich!
Deshalb wird es hier keine konkrete Anleitung zum Schreiben geben, sondern vielmehr Tipps und Hinweise, was man vor, während und nach der Kampfszene schreiberisch bedenken sollte.
Kampfszenen sind ein großes Thema. Daher haben wir verschiedene Bereiche ausgewählt, die wir in vier einzelnen Tutorials behandeln wollen. Diese Tutorials nehmen zwar aufeinander Bezug, bauen aber nicht zwangsläufig aufeinander auf, sodass sie auch unabhängig voneinander bzw. einzeln für sich gelesen werden können.
Ihr befindet euch HIER:
Kampfszenen Teil 1: Das Erleben des Protagonisten
Kampfszenen Teil 2: Die Wahl der Qual
Kampfszenen Teil 3: Die Variation des Kampfs
Kampfszenen Teil 4: Die Kampfkunst aus dem Tintenfass
Die Variation des Kampfs
In den seltensten Fällen ist die Situation eines Kampfes ideal, das Kräfteverhältnis ausgeglichen, das Gelände perfekt, finden sich keine störenden Einflüsse von außen. Irgendeinen Haken gibt es immer.
Auch wenn dies für die Protagonisten massive Probleme bedeuten kann, so ist dies doch für die Erzählung als solche von Vorteil.
Diese Rahmenbedingungen bringen nämliche Unruhe, aber damit auch gleichzeitig Spannung in den Ablauf der Handlung. Denn wenn der Leser schon im Vorfeld vorhersehen kann, was geschehen und wie die Situation ausgehen wird, kann er den Abschnitt auch genauso gut überspringen.
Eine Szene wirkt realistischer, wenn nicht alles glatt geht, da die Wirklichkeit nun einmal ihre Ecken und Kanten besitzt.
Eine Vielzahl von Faktoren unterschiedlichster Natur ist möglich. Eine Auswahl davon soll im Folgenden beleuchtet werden.
Physikalische Einflüsse
Darunter kann alles zusammengefasst werden, was an Umwelteinflüssen auf die Kämpfenden einwirken kann. Dies kann die Sonne, die plötzlich aus der Wolkendecke hervorbricht und den Gegner blendet, ebenso sein, wie plötzliche Dunkelheit.
Die flackernde Glühbirne gab endgültig auf und sie standen in vollkommener Dunkelheit. Instinktiv wagte sie nicht, sich auch nur einen Schritt vorwärtszubewegen. Jeder Schritt würde dem anderen verraten, wo sie stand. Ihr Atem kam ihr unnatürlich laut vor und so hob sie, langsam, damit ihre Kleidung auf keinen Fall raschelte, die Hand vor den Mund, um dessen Geräusch zu dämpfen. Ihre Sinne waren bis zum Zerreißen gespannt. Sie konnte die Präsenz des anderen geradezu spüren.
Da hörte sie es. Ein angespanntes nur mühsam unterdrücktes Keuchen, welches langsam näherkam. Ein leises Scharren, als der Fuß des anderen einen kleinen Stein über den Boden kratzen ließ. Er konnte je kaum mehr als drei Meter entfernt sein. Noch zwei. Noch anderthalb. Sie setzte zum Sprung an.
Auch wenn die Finsternis nicht immer so abrupt und absolut ist wie im vorliegenden Beispiel, jeder Kampf, der unter schlechten Lichtverhältnissen stattfindet, ist erst einmal eine Herausforderung. Gefahren werden unter Umständen zu spät erkannt, auf der anderen Seite aber Geräusche viel intensiver wahrgenommen.
Ohnehin sind die Auswirkungen von Lärm nicht zu unterschätzen. Im Extremfall können sie die Nerven der Figur vollkommen blankliegen lassen.
Das Donnern der Geschosse war unbeschreiblich. Wieder und wieder schlugen sie in seiner unmittelbaren Nähe ein und hinterließen tiefe Krater. Die Luft war voll von beißendem Rauch. Menschen schrien. Holz splitterte. Pfeifend jagten Schüsse durch die Luft. Mehr als einer musste nur Millimeter an ihm vorbei gegangen sein. Seit Stunden ging dies so.
Es raubte ihm den Verstand. Diese ständige Angst. Der ganze Körper ständig bereit zur Flucht, zum Kampf und doch dazu verdammt, zusammengekauert dazuhocken und nichts tun zu können als zu beten, dass es ihn nicht erwischen möge. Er hielt es nicht mehr aus. Er konnte einfach nicht mehr.
Der Figur ist körperlich bislang noch nichts geschehen und doch kann die Situation seiner Psyche bereits so viel Schaden zugefügt haben, dass sie, wenn der Moment kommt, nicht mehr dazu in der Lage sein wird, den Kampf aufzunehmen oder sich in Sicherheit zu bringen. Von den Narben, die auf seiner Seele bleiben werden, gar nicht erst zu reden.
Hitze und Kälte können den Kämpfern ebenfalls zusetzen und sie physisch schnell an ihre Grenzen bringen. Nicht umsonst wird von körperlichen Anstrengungen in der sommerlichen Mittagshitze abgeraten. Unter Umständen wird dann die größere Widerstandskraft oder die der Witterung angepasste Ausrüstung zu dem kampfentscheidenden Faktor. Man stelle sich vor, was die Sonne mit einem Menschen anstellt, der von Kopf bis Fuß in einer metallenen Rüstung steckt.
Aber auch andere Wettereinflüsse können sich verheeren auswirken. Ein starker Regen etwa kann den Untergrund in ein zähe Schlammwüste verwandeln, sodass die Füße oder auch nur Schuhe der Kämpfenden darin stecken bleiben. Ebenso lässt er Kopfsteinpflaster rutschig werden.
Vielleicht ist jedoch das Gelände als solches schon von vorneherein tückisch. Herumliegende Steine oder Gegenstände, Wurzeln oder Bodenunebenheiten können zu gefährlichen Stolperfallen werden.
Ergo: Eine Szene, bzw. hier ein Kampfszene, findet niemals im luftleeren Raum statt und es verleiht ihr Kontur, wenn es der Autor Umgebung, Witterung etc. miteinbezieht.
Unterstützung und Ablehnung
Neben den „Umweltfaktoren” gehen viele der möglichen Einflüsse jedoch direkt von Menschen aus. Sei es dem Gegner selbst oder Umstehenden.
Ein nicht zu unterschätzender Faktor dabei ist, inwieweit es Zuschauer einer Auseinandersetzung gibt.
Damit ist jetzt weniger gemeint, ob zufällig einige Passanten Zeuge des Geschehens werden, sondern vielmehr darum, ob ein wie auch immer geartetes Publikum intensiv Anteil nimmt und Partei ergreift.
Dabei ist es gleichgültig, ob bei einer Keilerei auf dem Schulhof eine Gruppe von Kindern wahlweise den einen oder den anderen Kontrahenten anfeuert oder ob es tatsächlich um Leben und Tod geht.
„Gib's ihm! Mach ihn fertig! Den Zwerg schaffst du ja wohl mit links!” Die Rufe der anderen Kinder waren beinahe ebenso schlimm wie die Schläge, die auf ihn einprasselten. Keines von ihnen würde zu ihm halten. Ben konnte ihn nicht ausstehen, und daher taten es ihm alle gleich. Niemandem wäre es auch nur im Traum eingefallen, etwas zu tun, was Ben missfiel. Sie lachten und jubelten, wenn dieser einen Treffer landete.
„Be-hen, Be-hen!”, feuerten sie ihn an.
Ben verpasste ihm eine Ohrfeige, die sich gewaschen hatte. Am Anfang hatte er sich noch gewehrt, doch mehr und mehr erlahmte sein Widerstand. Er hatte doch ohnehin keine Chance.
„Gib's ihm! Mach ihn fertig! Den Zwerg schaffst du ja wohl mit links!” Die Rufe der anderen Kinder waren Musik in seinen Ohren. Natürlich hielten sie zu ihm und nicht zu diesem Idioten Tom. Ben konnte Tom nicht ausstehen. Also taten es ihm alle gleich. Niemand wäre es auch nur im Traum eingefallen, sich gegen ihn zu stellen, und so lachten und jubelten sie, wenn Ben einen Treffer landete.
„Be-hen, Be-hen!”, feuerten sie ihn an.
Ben verpasste Tom eine Ohrfeige, die sich gewaschen hatte. Am Anfang hatte jener sich noch gewehrt, doch mehr und mehr erlahmte sein Widerstand. Er hatte wohl endlich eingesehen, dass er ohnehin keine Chance hatte.
Dieselbe Szene, fast die gleichen Worte und doch zwei vollkommen verschiedene Sichtweisen. Der eine wird immer kleiner und kleiner, während der andere vor Großkotzigkeit fast platzt.
Natürlich kommt der Einfluss Umstehender bei weitem stärker zum Tragen, wenn das Kräfteverhältnis der Gegner eher ausgeglichen ist. Dann treten die sogenannten weichen Faktoren in den Vordergrund.
Aber auch ein eigentlich stärkerer Gegner kann, wenn er durch ein Publikum, welches gegen ihn steht, vollkommen verunsichert werden und somit ganz aus dem Konzept kommen, was wiederum seinem Gegner neue Chancen ermöglicht.
Freiwilligkeit und Zwang
Bei einem ausgeglichenen Kräfteverhältnis kommt es also vor allem darauf an, wie der Einzelne psychisch aufgestellt ist. Neben der moralischen Unterstützung anderer und der jeweiligen „Tagesform” spielt jedoch ebenfalls eine große Rolle, inwieweit die Entscheidung für oder gegen den Kampf in den Händen der Beteiligten liegt.
Jemand der freiwillig und aktiv die Auseinandersetzung mit einem anderen sucht, wird in der Regel überzeugt davon sein, als Sieger aus der Angelegenheit hervorzugehen, es sein denn, er neigt zum Masochismus oder hat Todessehnsucht. Er wird also aller Voraussicht nach mit Zuversicht in den Kampf gehen und somit bestens aufgestellt sein.
Heißt das also im Umkehrschluss, dass derjenige, der zu kämpfen gezwungen wird, zwangsläufig schlechte Karten besitzt?
Nicht unbedingt.
Wenn man etwa von der Situation in einer Arena ausgeht, in welcher ein Kampf auf Leben und Tod stattfinden soll, so hat sich wohl vermutlich keiner er Akteure freiwillig dazu entschieden.
Die folgenden Beispiele könnten die Gedanken dreier Gladiatoren im alten Rom kurz vor dem Betreten des Circus sein. Die Betroffenen wissen von langer Hand her, was sie erwartet. Sie haben sich darauf vorbereitet. Dennoch liegt es nicht in ihrer Entscheidung, ob sie kämpfen wollen oder nicht. Ebenso noch nicht einmal mit welchen Waffen oder gegen welchen Gegner.
Scheinbar besteht bei allen dreien die gleiche Ausgangslage. Doch wie sie in den Kampf gehen, kann vollkommen unterschiedlich sein.
Es ist lange her, dass er nervös vor einem Kampf war. Kämpfer wie ihn setze man ohnehin nur mit Sorgfalt gegen andere Veteranen ein. Und selbst wenn er verlor, war es unwahrscheinlich, dass die Zuschauer seinen Tod forderten, dafür war er zu beliebt.
Nein, er hatte nur wenig zu befürchten. Noch ein paar Kämpfe und er hatte genug Gold beisammen, um sich freizukaufen und den Rest seines Lebens geruhsam damit zu verbringen, für irgendeinem Popanz von Politiker den Leibwächter zu mimen.
Ihm war schlecht, fürchterlich schlecht. Das Einzige, was ihn davon anhielt, sich direkt vor seine Füße zu erbrechen, war die Furcht, dass seine Gegner ihn für noch schwächer halten würden als ohnehin schon. Wobei es wohl im Grunde genommen gleichgültig war. Am Ende des Tages würde er tot sein. Die Chance, auch nur einen seiner Kämpfe zu gewinnen, ging gegen Null. Und für einen namenlosen Niemand wie ihn würde wohl auch kein einziger der Zuschauer seinen Daumen nach oben wenden.
Ihre merkwürdigen Bräuche waren ihm ein Rätsel, aber ihm sollte es gleich sein. Sie wollten, dass er kämpfte, also würde er es tun. Kampf war das, wofür er geboren worden war. Die Götter hatten gewollt, dass er nicht in der Schlacht gefallen, sondern in ihre Hände geraten war. Wenn sie ihn zu niederer Arbeit gezwungen hätten, diese Schande hätte er nicht ertragen. Doch für ihre Unterhaltung zu kämpfen, war akzeptabel. Immerhin bot ihm dies die Chance auf einen ruhmreichen Tod, so dass er doch noch an der Seite seiner Ahnen an der Tafel der Götter platznehmen durfte.
Wie im Kapitel über die emotionalen Auswirkungen eines Kampfes bereits beschrieben, ist es wichtig, deutlich werden zu lassen, mit welchen Gefühlen die Figur in die Auseinandersetzung geht. Der Autor kann sich diese Gefühle zu Nutze machen, indem er etwa ungeahnte Kräfte für die Figur erwachsen, aber auch einen vermeintlich starken Gegner zusammenbrechen lässt.
Wer davon überzeugt ist, zu verlieren, wird es vermutlich auch. Wer sich aber dem Schicksal entgegenstemmt, und sei es nur aus Trotz, verbessert seine Karten erheblich.
Überlegenheit
Ganz unabhängig von äußeren Einflüssen jedweder Art ist einer der Hauptaspekte für einen ausgeglichenen bzw. unausgeglichenen Kampf ohne Frage das Kräfteverhältnis der Kontrahenten.
Am spannendsten für den Leser wird es sicherlich, wenn der Gegner dem Protagonisten ebenbürtig oder vielleicht sogar überlegen ist, da nicht bereits im Vorfeld klar ist, ob und wie sie/er sich aus der Situation wieder herauswinden kann.
Dabei ist ein Sieg des vermeintlich schwächeren nicht unbedingt gleich als unrealistisch anzusehen. David gegen Goliath kann tatsächlich gelingen, wenn der Autor die Figur klug agieren lässt und ihr das richtige Werkszeug an die Hand gibt.
Sein Gegner war wirklich furchteinflößend. Der Junge konnte durchaus verstehen, dass die anderen Angst vor ihm hatten. Er überragte die übrigen Männer, selbst die größten unter ihnen, um mehr als Haupteslänge und war in den Schultern fast doppelt so breit wie ein gewöhnlicher Krieger. Selbst seine prächtige Rüstung konnte die Muskelberge nicht verbergen, die seinen Körper zierten. Sein Schild hätte dem Jungen als Bettstatt dienen können und er bezweifelte, dass er das Schwert des anderen auch nur hätte anheben können.
Er selbst war ungerüstet. Der König hatte ihn mit dem Besten, was seine Waffenkammer hergab, ausstatten wollen, doch er hatte abgelehnt. Es gab dort nichts, was einem schmalen, halbwüchsigen Jungen wie ihm auch nur ansatzweise gepasst hätte. Auch Schwert oder Speer hatte er von sich gewiesen. Er hätte ohnehin nicht gewusst, wie er damit umgehen sollte.
So stand er nun allein vor diesem Riesen mit nichts als seiner Schleuder in der Hand.
Sein Gegenüber, ja das gesamte gegnerische Heer, schien sich schier vor Lachen ausschütten zu wollen, während seine eigenen Leute recht verzweifelt aussahen.
Es war merkwürdig, doch er verspürte keine Furcht. Wie oft hatte er schon allein einem Rudel Wölfe oder gar einem Löwen gegenübergestanden, die der Hunger zu seinen Schafen getrieben hatte.
Dieser ungeschlachte Kerl dort vor ihm war bei Licht betrachtet auch nicht grauenerweckender als ein brüllender Löwe. Und genau wie dieser würde er umfallen, wenn man ihn nur richtig traf.
Seine Schleuder mochte aussehen wie ein Spielzeug, doch sie war genauso schnell und genauso tödlich wie ein Pfeil.
Der Gigant hatte den Kopf in den Nacken gelegt und brüllte vor Lachen. In seiner Überheblichkeit machte er sich noch nicht einmal die Mühe, seinen unscheinbaren Gegner im Auge zu behalten.
Dies war für den Jungen die Gelegenheit, die er brauchte. Warum sollte er darauf warten, bis der andere beschloss, ihn endlich mit seiner vollen Aufmerksamkeit zu bedenken oder gar auf ihn loszugehen?
Ruhig legte er einen runden Stein in die Schleuder, ließ sie herumwirbeln und gab den Stein frei.
In leichten Bogen flog das Geschoss auf den Riesen zu und traf diesen mitten auf die Stirn.
Sein Lachen erstarb in einem ungläubigen Grunzen und unter dem Aufschrei des gesamten Heeres stürzte der Mann krachend zu Boden.
Nun weiß vermutlich jeder in diesem Kulturkreis, wie diese Geschichte ausging und ist daher von ihrem Ende nicht überrascht. Doch ohne diese Kenntnis hätte vermutlich niemand auch nur einen Cent auf den Hirtenjungen gesetzt.
Ein erfahrener Kämpfer gegen einen blutigen Anfänger kann eigentlich fast nur auf eine Art enden. Doch war in diesem Fall der Frischling keineswegs so unbedarft, wie es den Anschein hatte, und auf seine Weise ebenso wehrhaft wie der Berufssoldat. Dadurch, dass er sich keinen Kampf hatte aufzwingen lassen, in dem er keine Chance hatte zu bestehen, sondern seine individuellen Stärken ausgespielt hat, konnte er das Unmögliche möglich machen.
Prinzipiell ist es jedoch kein Drama, seine Figur auch einmal scheitern zu lassen. Die Entscheidung dafür oder dagegen hängt ja auch immer davon ab, welchen Zweck ein Kampf innerhalb eines Erzählstranges haben soll. Vielleicht ist es für die Handlung sogar unabdingbar, dass die Figur verliert.
Ein solches Scheitern kann etwa dazu genutzt werden, zu erklären, warum die Figur einen bestimmten Weg eingeschlagen hat oder warum ein starker Hass gegenüber einem anderen Charakter besteht.
Auch muss nicht zwangsläufig die Sympathie des Lesers beim Sieger liegen, in bestimmten Situationen wird sie sich eher dem Unterlegenen zuwenden.
Verzweifelt kniete sie neben dem Körper ihres Vaters. Die Trauer wollte sie niederdrücken und ließ bittere Tränen über ihre Wangen laufen. Dennoch zwang sie sich mit aller Gewalt, noch einmal den Kopf zu heben und ihren Blick auf den anderen zu richten. Der Mann – der Mörder! – ging, ohne sich noch einmal umzusehen, geschweige denn auf die kleine Gestalt neben seinem Opfer zu achten, zurück zu seinem Pferd. Er würde einfach aufsteigen und davonreiten – ungestraft.
Ihr Auge fiel auf das Schwert, welches den Händen ihres Vaters entglitten war. Sie vergaß, dass sie die Waffen kaum anheben und erst recht nicht führen konnte, dass sie klein und mager war und der Mann sie vermutlich ebenso leicht zerquetschen konnte, wie eine Fliege an der Wand. Das Einzige, was sie wusste, war dass sie dem Mann wehtun wollte, so fest wie es nur irgend ging.
Mit beiden Händen hob sie das Schwert auf und stolperte hinter dem Mann her. Mit aller Kraft, die sie besaß, holte sie aus uns, und die Klinge fuhr schlingernd auf den Rücken des Mannes zu.
Er machte sich noch nicht einmal die Mühe, erneut sein eigenes Schwert zu ziehen. Zwar hielt er inne, doch wehrte er ihren Hieb, ohne auch in ihre Richtung zu blicken, nachlässig mit seinem Schild ab.
Sie schrie, sie wütete, sie weinte. Wieder und wieder schlug sie auf den Mann ein, doch genauso gut hätte sie auch das Schwert gegen eine Felswand erheben können.
Jede traf Schlag traf seinen Schild, der jedoch noch nicht einmal einen einzigen Kratzer davon fortzutragen schien.
Schließlich konnte sie nicht mehr. Sie sank auf die Knie, das Schwert immer noch in ihren Händen, und ließ ihren Tränen freien Lauf.
Jetzt endlich wandte sich der Mann vollständig zu ihr um. Einen Moment lang blieb er vor ihr stehen, dann bückte er sich und zog ihr ohne Mühe das Schwert aus den Händen.
Angstvoll sah sie zu ihm auf. Jetzt würde sie sterben. Auf die gleiche Weise wie ihr Vater.
Doch der Mann schleuderte lediglich die Klinge weit von sich, irgendwo hinein in das hohe Gras der Wiese.
„Heute nicht, Mädchen”, knurrte er.
Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab und ritt davon.
Der Ausgang eines solchen „Kampfes” war vorhersehbar. Lediglich die Gnade des Mannes am Ende könnte überraschen.
Hätte der Autor dem Mädchen wie dem Hirtenjungen im oberen Beispiel einen Triumph über ihren so viel stärkeren Gegner einräumen wollen, dann wäre es doch recht schwierig geworden, einen plausiblen Ausweg zu finden. Mit Sicherheit hätte dieser jedoch nicht darin liegen können, dass das Mädchen aus dem Nichts heraus das Schwert perfekt zu führen weiß, sondern sie hätte sich ebenfalls eine unerwartete Lösung einfallen lassen müssen.
Indes... welche Steigerung sollte die Geschichte dann noch erfahren können?
So aber wird der Leser, selbst wenn er die Figur zuvor noch nicht kannte, ihr am Ende dieser Szene wohl kaum anders als mit Sympathie und Mitleid gegenüberstehen. Er würde ihr sicherlich gerne auf ihrem weiteren Weg folgen, auf welchem sie etwa das Schwert wieder an sich nehmen und den Vorsatz fassen könnte, nie wieder so hilflos sein zu wollen, um in den folgenden Jahren eine Meisterin dieser Waffe zu werden und dann irgendwann ein zweites Mal auf den Mörder ihres Vaters zu treffen.
Zugegeben, der Plot ist nicht gerade neu und wurde in ähnlicher Form immer wieder verwendet, aber es lässt sich eine spannende Geschichte daraus formen.
So mag eine Niederlage für die Figur selbst zwar eine Katastrophe sein, für die Erzählung jedoch nicht zwangsweise.
Ganz grundsätzlich ist es nie verkehrt, einer Figur Schwächen angedeihen zu lassen und sie nicht zu überlegend gestaltet. Ein Prinz Perfekt, der bei Nachmittagstee mit der Rechten gerade einen Drachen bekämpft, während er mit der linken Omas Miezi vom Baum rettet, ist langweilig und wird keinen Leser fesseln.
Mehrere Gegner
Ein Kampf gegen mehrere Gegner hat seine ganz besonderen Tücken. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Protagonist heil aus einer solchen Situation herauskommt, geht fast gegen Null.
Es sei denn, der Autor möchte es so darstellen, wie in den alten „Bud Spencer”-Filmen, in welchen während wohl jeder finalen Prügelei sich so viele Gegnern gleichzeitig auf den Schauspieler warfen, dass von diesem nichts mehr zu sehen war. Weniger Sekunden später aber richtete er sich dann plötzlich wieder auf und seine Angreifer flogen wie im Comic im hohen Bogen zu allen Seiten. Netter Effekt, in besagten Filmen auch ein unbedingtes Muss, aber mit Realismus hat dies natürlich nichts zu tun.
Zwei zu eins mag mit etwas Glück und/oder guter Technik noch gelingen, aber mit jedem zusätzlichen Gegner wird dies unwahrscheinlicher.
Außer die Figur bekommt unerwartet Hilfe oder sie hat die Gelegenheit durch einen guten Plan (die List ist eine nicht zu unterschätzende Waffe) die Gegner nacheinander und einzeln zu „erledigen”.
Die ist auch ganz allgemein bei Überzahl eine gute Taktik: Sich einen Gegner vornehmen, ihn innerhalb von wenigen Augenblicken kampfunfähig machen und sich dann mit vollem Einsatz dem Übriggebliebenen widmen. Auf wen dabei die Wahl fällt, kann sehr unterschiedlich gehandhabt werden. Der schwächste Gegner lässt sich natürlich am einfachsten besiegen und fällt danach nicht mehr in Gewicht. Bei dem stärksten kann es zwar länger dauern, aber unter Umständen verlässt die anderen dann der Mut, wenn sie sehen, was mit diesem geschehen ist. Beide Lösungen ergeben Sinn.
So oder so gilt aber: Leicht in der Theorie, jedoch weitaus schwieriger in der Praxis.
Nicht immer muss allerdings ein Kampf bis zum bitteren Ende geführt werden, wenn die Figur heil aus der Sache wieder herauskommen soll. Die Schwäche des Gegners erkennen, ihn schocken/verwirren und sein Heil in der Flucht suchen, sind absolut probate Mittel.
Langsam drehte er sich um seine eigene Achse, um keinen von ihnen aus den Augen zu verlieren. Sie hatten ihn in ihre Mitte genommen, doch noch hielten sie Abstand. Vier gegen einen. Wenn er sich auf solch einen Kampf einließ, würden sie ihn zweifelsohne nach allen Regeln der Kunst fertigmachen. Während er sich weiterbewegte, suchte sein Blick verzweifelt nach irgendeinem Schwachpunkt seiner Gegner. Er blieb an dem Kerl mit den grauen Sneakern hängen.
Täuschte er sich? Nein, er hatte eben schon das Gefühl gehabt, dass dieser das rechte Bein leicht nachzog. Doch jetzt ruhte sein Gewicht beinahe vollständig auf dem linken. Das war seine Chance.
Er machte einen Satz auf diesen zu, die Fäuste zum Schlag erhoben. Reflexartig riss auch der andere die seinen hoch, doch er kam diesem gar nicht so nah, als dass die Fäuste hätten zum Einsatz kommen können. In einer fließenden Bewegung verlagerte er sein Gleichgewicht gänzlich zur linken Seite, zog das rechte Bein an, ließ es aber sofort wieder gegen das Knie des anderen schnellen. Ein unheilvolles Knacken und ein schmerzvoller Aufschrei verrieten ihm, dass er gut getroffen hatte. Nun auch noch des unversehrten Beines beraubt krachte der Mann zu Boden. Ohne zu zögern, setze er über den anderen hinweg und stürzte davon. Hinter ihm brach die Hölle los. Die übrigen hatten nur Sekunden gebraucht, bevor sie sich von ihrer Überraschung erholt hatten und ihn nun mit wütendem Gebrüll verfolgten. Jetzt kam es darauf an, wer der bessere Läufer war.
Nichtmenschliche Gegner
Nicht immer gehört der Gegner zu der gleichen Spezies wie der Protagonist. Solange die Charaktere jedoch menschenähnlich, sprich humanoid sind, macht dies jedoch nur bedingt einen Unterschied. Zwar mag die andere Spezies deutlich stärker, schneller, geschickter oder auch klüger als ein Mensch sein, doch bedeutet dies für Beschreibung einer Kampfszene letztlich nichts anderes, als wenn zwei unterschiedlich starke Menschen miteinander kämpfen. Natürlich sind der anderen Spezies vielleicht Dinge möglich, zu denen ein Mensch nicht in der Lage wäre, zum Beispiel, den Gegner hochzuheben und durch die Luft zu schleudern, doch die Bewegungen als solches und auch die möglichen Techniken bleiben gleich, solange die Figur zwei Arme und zwei Beine hat.
Eine wichtige Rolle kann auf der psychologischen Ebene spielen, welchen Blick Menschen im Allgemeinen oder auch der Protagonist im Besonderen auf die Spezies seines Gegners hat.
Ist er sich etwa der Überlegenheit des anderen bewusst, kann dies natürlich einschüchternd wirken. Jedoch wäre es auch möglich, dass Ressentiments gegenüber der anderen Spezies bestehen und diese etwa als minderwertig oder so bösartig angesehen wird, dass sie zu bekämpfen oder gar zu töten als notwendig oder sogar erstrebenswert angesehen wird.
Ein interessanter Aspekt bei der Auseinandersetzung zwischen zwei verschieden Spezies kann die Motivation sein, mit der diese in die Auseinandersetzung gehen. Die Beweggründe für einen Kampf müssen nicht exakt die gleichen wie bei einem Menschen sein. Auch kann das, was für die eine Art als verwerflich gilt, für eine andere als adäquates Verhalten angesehen werden.
So gilt es bei Menschen im Allgemeinen als unmoralisch, Auseinandersetzungen zur persönlichen Bereicherung anzustreben (nicht, dass dieses Phänomen nicht dennoch weit verbreitet ist), jedoch könnte es bei einer Spezies, die den Profit als das höchste Maß aller Dinge sieht, sogar ein Vergehen sein, sich eine solche Gelegenheit entgehen zu lassen.
Es kann sehr reizvoll für die Geschichte sein, mit solchen Unterschieden zu spielen, besonders, wenn jede Figur davon ausgeht, dass sein Gegenüber ebenso urteilt wie er selbst.
Bis jetzt haben wir den Blick lediglich auf humanoide Gegner gerichtet. In vieler Hinsicht anders sieht es jedoch bei einem tierischen Gegner aus. Das Folgende bezieht sich auf real existierende Tiere. Bei fiktiven muss der Autor entscheiden, ob er sie tatsächlich wie ein Tier oder eher menschlich agieren lässt.
Im Gegensatz zu einem Menschen oder anderen Humanoiden, der unter gegebenen Umständen einen anderen einfach nur attackiert, weil er eben dazu in der Lage ist oder weil es ihm ein perverses Vergnügen bereitet, wird ein Tier dies niemals tun. Auch wird dieses niemals grundlos angreifen, auch wenn sich der Grund einem Menschen nicht erschließt.
Ein Tier kennt nicht gut oder böse, ebenso wenig richtig und falsch. Ein Tier handelt nach dem, was es für zuträglich oder notwendig erachtet, oder – im Falle eines zahmen Tieres – danach, was ihm ein Mensch als erwünschtes Verhalten beigebracht hat.
Ganz grundsätzlich gibt es kaum ein Tier, auf dessen Speiseplan explizit der Mensch steht. Zwar gibt es individuelle Ausnahmen, aber die Regel ist es nicht.
Ein Tier wird also vielmehr angreifen, wenn es sich selbst, die Mitglieder seiner Gruppe oder seine Ressourcen bedrängt oder bedroht sieht.
Auch für Tiere gilt, dass sie abwägen zwischen den Alternativen Flucht, Kampf oder Unterwerfung. Vielfach vermeiden Tiere wenn möglich eine Auseinandersetzung, da eine Verletzung für ein wildlebendes Tier den Tod bedeuten kann, selbst wenn diese per se harmlos ist.
Wenn jedoch die Möglichkeit zur Flucht fehlt, kann der Angriff von ungeahnter Heftigkeit sein.
Kein Tier kämpft wie das andere. Ein Hund etwa springt an und verbeißt sich (das heißt er hängt dann mit den Zähnen am Körper seines Kontrahenten und lässt nicht mehr los), während eine Katze eher nur kurz attackiert, zuschlägt oder beißt, sich zurückzieht und erneut angreift.
Eine auf dem Rücken liegende Katze ist übrigens keinesfalls wehrlos, sondern im Gegenteil erst recht gefährlich. In dieser Position kann sie alle vier Pfoten und die Zähne gleichzeitig einsetzen (Selbst bei Stubentigern nicht empfehlenswert dazwischen zu geraten, nur so am Rande).
Soll ein Kampf beschrieben werden, in den ein Tier verwickelt ist, empfiehlt es sich, wenn man mit der jeweiligen Art nicht sehr vertraut ist, sich die Art und Weise, wie sich das jeweilige Tier bewegt genauer anzusehen. Wenn möglich auch, wie es sich in einer Auseinandersetzung verhält.
Sie war bis in die hinterste Ecke des Raumes zurückgewichen. Stocksteif und geduckt stand sie da, den Schwanz so eng an den Bauch gezogen, dass er kaum noch zu erkennen war. In ihren Augen blanke Panik. Ihre Lefzen jedoch, die sich zuckend hoben und senkten und dabei einen Blick auf die Eckzähne freigaben, ließen keinen Zweifel: Sie hatte keineswegs aufgegeben.
Doch diese Menschen waren ebenso tumb wie alle übrigen ihrer Spezies. Sie verstanden erst, was ein Hund ihnen sagen wollte, wenn sie dessen Zähne zu spüren bekamen.
Dumpf begann sie zu grollen.
Als die Menschen jedoch auf ihre unmissverständliche Drohung nicht reagierten, sah sie keinen anderen Ausweg. Voller Verzweiflung griff sie an.
Ein Tier kommuniziert weit mehr über seine Körpersprache als über seine Stimme. Auch wenn es in der Geschichte keine größere Rolle spielen soll und nur für die Kampfszene von Relevanz ist, geben solche Details der Szene Farbe und Lebendigkeit.
Diskrepanz der Waffen
Sehr oft wird sich die Bewaffnung der Kontrahenten ähneln. Natürlich sind die Waffen auch dann meist nicht vollkommen identisch, hat die eine Vorteile gegenüber der anderen, aber letzten Endes ist die Bewaffnung also solches nicht ausschlaggebend für den Verlauf des Kampfes.
Wenn die Gegner jedoch mit vollkommen verschieden gearteten Waffen aufeinandertreffen, sehen die Dinge anders aus.
Im Extremfall wäre dann der Gegner bewaffnet, der Protagonist stünde jedoch mit leeren Händen da. Manchmal ist es gut möglich, die Figur auf die Schnelle etwas finden zu lassen, um sich zu verteidigen – so unorthodox diese „Waffen” dann auch sein mögen. Manchmal aber eben auch nicht.
Wenn die Hauptfigur dann nicht scheitern oder gar umkommen soll, braucht es Alternativlösungen, welche wie bei gegnerischer Überzahl etwa darin bestehen könnten, eine List anzuwenden oder sein Heil in der Flucht zu suchen.
Ähnlich sieht es aus, wenn die Waffe des Gegners deutlich stärker ist, zum Beispiel eine viel größere Reichweite besitzt, so dass die Waffen des Protagonisten gar nicht zum Einsatz kommen kann.
Diese Situation ergibt sich zum Beispiel beim Einsatz eines Bogens gegen einen Speer, eines Langspeers gegen ein Schwert oder auch eines Schwertes gegen einen Dolch.
In allen drei Fällen kann derjenige mit der größeren Reichweite den andern erst einmal bequem auf Abstand halten, ihn verletzen oder gar töten, ohne dass dieser eine Chance hat, selbst einen Treffer zu landen.
Gelingt es dem Protagonisten jedoch, eine gewisse Distanz zu unterschreiten, wendet sich das Blatt. Kann etwa der Schwertträger, den Speer seines Gegners nach unten drücken und dort blockieren, ist es ihm möglich, mit ein oder zwei Schritten an der Seite des anderen sein, wodurch dessen Waffe nutzlos wird. In diesem Falle hat jener natürlich schlechte Karten, es sei denn, er hat noch eine andere Waffe in petto.
In diesem Beispiel ist es eine gute Lösung, die Distanz zu überwinden und dadurch den Nachteil auszugleichen. Der Dolchkämpfer hingegen dürfte bei einem solchen Manöver schon regelrecht an seinem Gegner kleben, um nicht mehr vom Schwert getroffen zu werden. Sehr risikoreich also.
Bei einer Pistole sogar bleibt natürlich die Gefahr dieselbe, ganz gleich, wie nah die Figur auch herankommt.
Nun muss natürlich nicht zwangsläufig oder sofort die Konfrontation mit dem Gegner aufgenommen werden. Dies gilt fraglos besonders für Situation bewaffnet gegen unbewaffnet, aber selbst für einen geübten Nahkämpfer ist es nicht ohne Risiko, mit bloßen Händen einem bewaffneten Gegner entgegenzutreten. Natürlich kann man die Figur auch im wahrsten Sinne des Wortes ins offene Messer laufen lassen, aber der realistische Ausgang einer solchen Szene wäre dann wohl: Figur tot, Geschichte aus.
Was also tun?
Wie oben erwähnt, ist Flucht zumindest theoretisch immer eine Option. Diese Lösung funktioniert jedoch nicht in jedem Fall. Sei es, weil es der Persönlichkeit der Figur widerspricht – ein „Chuck Norris”-Typ verdrückt sich nicht einfach klammheimlich – sei es, weil der Gegner schneller sein würde oder seine Waffe selbst die Flucht vereiteln würde.
Wenn es das Setting erlaubt, kann der Autor jedoch jede Figur erst einmal Deckung suchen lassen. Eine eher ängstliche vielleicht, um sie tatsächlich den Versuch starten zu lassen, sich vor dem Gegner zu verbergen. Aber auch für eine toughe, im Kampf erfahrene Figur kann es sinnvoll sein, eine solche Atempause zu nutzen, um einen Plan zu erstellen, wie sie ihren Nachteil ausgleichen kann.
Am besten wäre es natürlich, den Gegner zu entwaffnen oder seine Waffe zumindest unbrauchbar zu machen.
Verdammt. Er wünschte, er hätte etwas anderes zu seiner Verteidigung als dieses armselige Messer. Zwar war dessen Klinge durchaus lang genug, um bei einem Gegner erheblichen Schaden anzurichten, aber dafür musste er erst einmal an ihn herankommen.
Zum dritten Mal peitschte ein Schuss durch die mittägliche Stille, doch erneut prallte das Geschoss jaulend von einem der Felsen ab.
Hatte er sich etwa blicken lassen? Die Steine waren eigentlich groß genug, um ihn ebenso vollständig dahinter zu verbergen wie den anderen auch.
Doch selbst wenn er seinen Gegner nicht sah, so konnte er doch ziemlich genau sagen, von wo die Schüsse kamen. Dort hinter dem dicken Brocken da drüben musste der andere liegen.
Allerdings hätte dieser auch genauso gut hinter dem Mond liegen können. Solange der andere seinen Revolver benutzen konnte, war es Selbstmord sich zu nähern.
Sechsmal lauerte der Tod in diesem unsäglichen Ding. Und dafür musste sein Gegner ihm weder nahe sein noch das Schießen unterbrechen.
Sein Messer hingegen konnte er zwar seinem Gegner entgegenschleudern, wenn er aber daneben traf, war es fort und er stand gänzlich ohne Waffen da.
Sie konnten nicht ewig hier liegen bleiben. Es war jetzt schon unerträglich heiß.
Der andere musste eigentlich nur warten, bis er sich aus der Deckung wagte, um ihn abzuknallen wie einen Hasen. Verdammt.
Seine Gedanken drehten sich im Kreis. Er hatte keine Idee, wie er hier wieder herauskommen sollte.
Er stoppte sich selbst... Es sei denn, der andere war dumm.
Ein guter Jäger würde abwarten, bis sich ein sicheres Ziel bot, ein schlechter hingegen sofort losballern, wenn er nur den Zipfel seiner Beute erkennen konnte.
Er hatte keine Wahl. Entweder er musste darauf hoffen, dass er länger in der Hitze aushielt als der andere und dann noch genug Kraft hatte, sich zu retten, oder sein Glück riskieren.
In jedem Fall musste er näher heran.
Der nächste Felsbrocken war nur etwa zwei Meter entfernt. Er schloss die Augen und atmete einmal tief durch, bevor er allen Mut zusammennahm und zu diesem hinüberhechtete.
Sand spritzte auf, wo die Kugel des anderen in den Boden einschlug.
Er schluckte hart. Gerade eben war er selbst dort noch gewesen. Doch immerhin hatte der andere nicht widerstehen können, den Köder zu schlucken, den er ihm gerade angeboten hatte.
Er nahm sein nächstes Ziel ins Visier und spurtete erneut los.
Wieder peitschte ein Schuss hinter ihm her, und dieses Mal hatte er das Gefühl, er hätte den Luftzug des Geschosses spüren können.
Schwer atmend presste er sich an den Stein.
Der Floh in seinem Plan war, dass er nicht wusste, ob der andere zwischendrin nachlud. Er hatte nur einen Revolver, soviel war sicher, aber in seinem Gürtel hatten viele Patronen gesteckt. Ein Revolver konnte zwar sechsmal hintereinander schießen, aber während des Nachladens war die Waffen unbrauchbar. Die meisten verschossen also lieber zunächst alle sechs Schuss, bevor sie sich ans Nachladen machten.
Es gab nur einen Weg, dies herauszufinden...
Er warf sich hinüber zu dem letzten Felsen, der ihn noch von dem anderen trennte.
Der sechste Schuss.
Er wartete nicht, sondern hetzte sofort hinüber zu dem Brocken, hinter dem sich der andere verbarg.
Er war direkt vor ihm, sah sein höhnisches Grinsen, blickte in die drohende Mündung des in der Sonne blinkenden Laufes.
Für eine Sekunde schien die Welt wie erstarrt.
Der andere krümmte den Finger, doch nichts war zu hören außer einem leisen metallischen Klick.
Mit einem Triumphschrei hob er sein Messer und warf sich auf seinen immer noch verblüfft dreinschauenden Gegner.
Auch für diesen Abschnitt gilt: Es kann nur ein grober Überblick sein, der aufzeigen soll, wie weit gefächert die Möglichkeiten sind, aus denen der Autor schöpfen kann. Für jedes Genre und Setting wird sich das passende finden.
Abschließend noch einmal das Wichtigste in Stichworten
- Für den Protagonisten ungünstige Bedingungen sorgen für Spannung.
- Schwierigkeiten und Unwägbares machen eine Situation realistisch.
- Der Protagonist muss nicht immer siegreich aus einer Auseinandersetzung hervorgehen.
- Auch eine Niederlage kann ein Gewinn für die Geschichte sein.
Mögliche Einflussfaktoren, die der Autor ins Spiel bringen kann:
- Physikalisch: schlechte Sichtverhältnisse, zermürbenden Geräuschkulisse.
- Unterstützung und Ablehnung durch Anwesende: Stärken/Schwächen der inneren Haltung und Entschlossenheit des Protagonisten.
- Zwang: Eine zu einer Auseinandersetzung gezwungene Figur, kann durch diesen Zwang Kampfes- und Siegeswillen verlieren, muss es aber nicht zwangsläufig.
- Deutliche Überlegenheit eines der Gegner in Kraft, Technik oder Erfahrung: In der Regel wird sich der/die Überlegene durchsetzen. Hat dieser Gegner aber einen Schwachpunkt, kann der Unterlegene dies u. U. nutzen, um die Situation zu seinen Gunsten zu wenden.
- Überzahl der Gegner: Ab einem gewissen Kräfteverhältnis ist ein Sieg für die schwächere Partei unrealistisch, wenn sie diesen Nachteil nicht durch andere Faktoren ausgleichen kann. Flucht bleibt oft als einziges Mittel.
- Nichtmenschliche Gegner: Können allein durch die Art ihrer Spezies die Figur verunsichern und/oder können andere Motivationen aufweisen als Menschen. Bei tierischen und tierähnlichen Gegnern sollte auf typische Verhaltensweisen und Bewegungsmuster wertgelegt werden.
- Verschiedene Arten der Bewaffnung: Können dazu führen, dass die Waffe, des einen Kombattanten quasi nutzlos ist. Die Figur ist genötigt, für einen Ausgleich zu sorgen.
Nachbemerkung
Hier geht es mit dem nächsten Teil zum Thema Kampfszenen weiter:
Wie schreibe ich eine Kampfszene? Teil 4: Die Kampfkunst aus dem Tintenfass