Tutorial: Wie gehe ich mit kritischen Reviews um und arbeite an meiner Kritikfähigkeit?
Ich lese keine Kritiken. Sind sie gut, schnappt man über, sind sie schlecht, ist man drei Wochen deprimiert. Paul Newman
Auch wenn Paul Newman kein Autor war, so treffen seine Worte dennoch ziemlich präzise den Kern dieses Themas. Denn seien wir einmal ehrlich: Niemand mag gerne kritisiert werden oder Kritik entgegennehmen. Das ist völlig normal und komplett okay. Es kommt dabei nur darauf an, wie man auf geäußerte Kritik reagiert und inwieweit man bereit ist, sich mit ihr auseinander zu setzen.
Um den Begriff der Kritik besser zu verstehen und ihm den ersten Schrecken zu nehmen, hilft es vielleicht, sich zunächst einmal zu vergegenwärtigen, was Kritik bedeutet und ausmacht. Oftmals wird nämlich vergessen, dass Kritik nicht zwangsläufig als negative Rückmeldung daherkommen muss, sondern dass auch positive Kritik eine Form der Kritik ist. Man könnte das Wort "Kritik" also auch genauso gut durch die neutralere Bezeichnung "Feedback" ersetzen.
Natürlich ist es verständlich, dass jeder Autor liebend gerne positives Feedback auf seine Werke erhält und von den Lesern so die Rückmeldung bekommt, was ihnen besonders gut an seinen Texten gefallen hat. Ein positives Review gibt wohl jedem Anlass zur Freude und versüßt einem gerne mal den Tag. Doch ist ein kritisches Review deshalb gleich etwas Schlechtes? Diese Frage lässt sich wahrscheinlich nicht pauschal beantworten, doch es lässt sich definitiv festhalten, dass auch ein kritisches Review durchaus einen positiven Kern beinhalten kann. Ein Leser hat sich die Mühe gemacht, deine Geschichte "auseinanderzunehmen" und dir Fehler und Ungereimtheiten aufzuzeigen. Wieso hat er das getan? Ganz sicher nicht, weil er dir den Tag vermiesen und dich ärgern wollte, auch wenn es im ersten Augenblick vielleicht so erscheinen mag. Betrachte es doch einmal von einer anderen Seite: Der Leser hat etliche Minuten, vielleicht sogar Stunden seiner Zeit in deine Geschichte investiert, hat sich Gedanken gemacht und diese nun für dich in Worte gefasst. Auch wenn das Feedback nicht in eine Lobeshymne ausgeartet ist, so liegt dem Leser doch offenkundig etwas an deiner Geschichte, und er möchte dich mit seiner Kritik unterstützen und dir eine Form der Hilfe zur Verbesserung anbieten. Das im Hinterkopf zu behalten, hilft enorm, wenn man tatsächlich einmal ein kritisches Review erhalten sollte.
- Ich habe ein kritisches Review erhalten. Was nun?
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Zunächst einmal gilt es, Ruhe zu bewahren und die Kritik auf sich wirken zu lassen.
Niemand erwartet, dass du sofort eine Antwort verfasst und dich zu allem äußerst, also lass dir die Kritik ruhig einmal einen Tag (oder auch länger) durch den Kopf gehen. Sobald der erste Schock verdaut ist, kannst du dich schließlich ganz in Ruhe mit dem Feedback auseinandersetzen und versuchen zu verstehen, was der Leser dir mit diesem Review mitteilen wollte.
Was wird kritisiert? Enthält die Kritik Verbesserungsvorschläge? Werden objektive Mängel am Text angesprochen oder handelt es sich eher um eine persönliche Meinung des Lesers?
Kritik kann sehr vielschichtig sein und im besten Fall hat der Leser dir ein konstruktives Review hinterlassen, in dem er zwar einerseits seine Kritik äußert, dabei aber auch versucht, diese zu erklären, sie für dich nachvollziehbar zu gestalten und dir so einen Anhaltspunkt zu geben, an dem du dich verbessern kannst.
Versuche die einzelnen Aspekte der Kritik herauszukristallisieren und jeden für sich zu betrachten. Wurde vielleicht moniert, dass sich zu viele Rechtschreibfehler in den Text eingeschlichen haben? Das ist kein Drama, sondern tatsächlich eine objektive und angemessene kritische Äußerung. Hier könnte ein Schreibprogramm mit Rechtschreibprüfung helfen, um Abhilfe zu schaffen, oder vielleicht findet sich ein Betaleser, der den Text künftig vor dem Upload auf Fehler überprüft.
Wurde vielleicht der Schreibstil angekreidet, weil er zu holprig/detailliert/eintönig/etc. ausfällt? Stil ist zwar grundlegend eine Geschmackssache, doch es kann niemals schaden, sich andere Meinungen einzuholen und sich selbst offen und ehrlich zu hinterfragen, ob man sich in diesem Punkt nicht vielleicht doch noch verbessern könnte. Luft nach oben ist doch eigentlich immer da - bei jedem von uns.
Vielleicht wurde auch das Verhalten deiner Charaktere kritisiert oder die Ausgestaltung einer Szene als nicht gelungen empfunden? Hier gilt es genau zu differenzieren, was der Leser zu bemängeln hat. Hast du deinen Charakter vielleicht mit Absicht in ein Fettnäpfchen treten oder besonders kontrovers agieren lassen, weil du etwas Bestimmtes damit beabsichtigt hast? In dem Fall ist wahrscheinlich nicht das Verhalten des Charakters selbst das Problem, sondern dass der Leser anscheinend nicht nachvollziehen konnte, was du damit bezwecken wolltest. Du kannst dir also darüber Gedanken machen, ob du vielleicht noch mehr Informationen in den Text hättest einbauen können, damit keine Missverständnisse entstehen. Vielleicht klärt sich die Kontroverse aber auch in einem der folgenden Kapitel und du wolltest mit dieser Szene nur einen ersten Vorgeschmack auf Kommendes liefern und die Szene in diesem Augenblick noch gar nicht auflösen. Dann bedarf es vielleicht nicht einmal einer Änderung im Text und der Leser muss sich leider nur noch ein wenig gedulden.
All das sind Überlegungen, die du dir zu einem kritischen Review machen kannst und die dir dabei helfen werden, angemessen auf die Kritik zu reagieren. - Wie kann ich an meiner Kritikfähigkeit arbeiten?
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Leider reagieren viele Autoren auf negative Kritik oftmals aufbrausend, nehmen sie persönlich oder fühlen sich direkt in ihrer Autorenehre angegriffen. Eine Antwort erfolgt dann oft binnen kürzester Zeit. Die Reviewantwort wird dabei gerne dazu genutzt, den Kritiker mit herablassenden Äußerungen zu bedenken. Dann wird unmittelbar zum verbalen Rundumschlag ausgeholt, gemotzt und gezetert, um dem Leser den eigenen Unmut um die Ohren zu hauen oder mit dem allseits beliebten "Don't like, don't read" zurückgeschlagen.
All das ist weder besonnen, noch zeugt es von einer besonders hohen Kritikfähigkeit. Das muss jedoch nicht so sein. Es ist verständlich, wenn du im ersten Moment vielleicht aufgebracht bist, doch genau dann ist es besonders wichtig, die Finger von der Tastatur fernzuhalten und das Ganze erst einmal sacken zu lassen.
Werde dir darüber klar, was du beim Lesen des Reviews empfunden hast, und wie du am liebsten darauf reagieren würdest. Anschließend kannst und solltest du dich einmal ernsthaft fragen, ob diese Reaktion wirklich angemessen wäre und wie du dich fühlen würdest, wenn du als Kritiker eine solche Antwort erhalten würdest.
Es nützt nichts, wenn dem Kritiker von oben herab begegnet wird und man versucht, seinen Argumente mit fehlplatziertem Humor und persönlichen Sticheleien entgegen zu kommen.
"Mach du es doch erst mal besser" oder "Du hast doch überhaupt keine Ahnung" sind nicht nur unhöfliche Antworten, sie zeigen auch, dass sich der angesprochene Autor in keinster Weise mit der Kritik auseinandersetzen will. Ein solches Verhalten wird schnell als beratungsresistent empfunden. Gleiches gilt, wenn der Autor den Versuch unternimmt, sich aus allen Kritikpunkten pauschal herauszureden oder irgendwelche fadenscheinigen Ausreden zu Tage fördert. Eine Begründung wie "Ich schreibe nun mal am Handy und ich hab keinen freien Speicher mehr für Word, weil ich den für Snapchat und Insta und so brauche" ist keine wirkliche Begründung. Es ist eine Ausrede, um nichts ändern zu müssen und es wird das Problem einer mangelhaften Rechtschreibung nicht lösen.
Ebenso beliebt wie Ausreden, um die eigenen Fehler zu rechtfertigen, ist es, den Kritiker mit seinem angeblichen Neid zu konfrontieren. "Du sagst das ja nur, weil du neidisch auf meine Geschichten bist und selber keine Ideen hast". So schmerzhaft das jetzt auch klingen mag: Leider nein. In den seltensten Fällen wird Kritik an einer Geschichte geäußert, weil der Kritiker neidisch auf den Autor ist, und als Kritiker so eine Antwort zu erhalten, ist gleichermaßen frustrierend wie lächerlich.
Mangelnde Kritikfähigkeit erscheint oft nur als Versuch, sich hinter Abwehrmechanismen zu verstecken, und bevor man selber an sich arbeitet, teilen manche eben lieber aus und schlagen zurück. Wie schon gesagt, niemand möchte gerne kritisiert werden, aber den Spieß einfach umzudrehen und dem "bösen Kritiker" eins auszuwischen, ist auch keine Lösung.
Kritik wird oft fälschlicherweise als Angriff wahrgenommen. Als Versuch, einen anderen und seine Arbeit sowie seine Kreativität grundlos niederzumachen. Und von genau diesem Bild sollte man sich lösen, wenn man an seiner Kritikfähigkeit arbeiten möchte.
Probiere die Kritik an deiner Geschichte nicht als Gemeinheit oder persönlichen Angriff zu betrachten. Sieh sie lieber als eine Chance, als ein Sprungbrett, um dich ganz persönlich zu verbessern und dich und deine Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Denke immer daran, dass sich ein Leser nur für dich die Zeit genommen hat, um sich mit deiner Geschichte auseinanderzusetzen. Er hat versucht, dir zu helfen, dir aufzuzeigen, was du besser machen kannst. Er würde diesen Aufwand nicht betreiben, wenn er in dir und deiner Arbeit kein Potential sehen würde. Und genau darum geht es bei der Kritik und kritischen Reviews: Sie sollen in erster Linie Potentiale und Möglichkeiten zur Verbesserung aufzeigen.Wichtig ist in jedem Fall, dass du die Kritik nicht persönlich nimmst und versuchst, sie so neutral wie möglich zu betrachten. Mache dir wenn nötig ein paar Stichpunkte, um die geäußerten Kritikpunkte mit deinen eigenen Argumenten und Gedanken beantworten zu können. Tue Kritik nie einfach so ab, sondern gehe auf die angesprochenen Punkte ein. Wenn möglich auf jeden einzelnen. Wenn du möchtest, starte den Dialog mit dem Kritiker und frage nach, was er genau meint und wie du diesen oder jenen Kommentar verstehen kannst, damit es dir möglich wird, damit weiterzuarbeiten.
Du darfst dabei auch immer im Hinterkopf behalten, dass du Kritik nicht zwingend annehmen musst, wenn sie lediglich auf einer persönlichen Meinung beruht und du für dich festgestellt hast, dass sich der Kritikpunkt zu einem späteren Zeitpunkt in Wohlgefallen auflösen wird (siehe das Beispiel mit dem Verhalten des Charakters). In jedem Fall ist es aber wichtig, genau solche Überlegungen zu kommunizieren und in einer Reviewantwort zu erläutern. Wenn der Leser den Eindruck gewinnt, dass du dich wirklich mit seiner Kritik auseinandergesetzt hast, wird er es dir in der Regel auch nicht übelnehmen, dass du bei bestimmten Punkten auf deine Ausgestaltung der Geschichte bestehst. Du kannst hier gerne auch auf kommende Ereignisse hinweisen, die die Szene auflösen werden, ohne dabei spoilern zu müssen oder die Handlung vorwegzunehmen.
Setze dich in Ruhe mit dem Feedback auseinander. Kritik zu erhalten ist keine Schande, sondern eine Möglichkeit zur Verbesserung. Versuche daraus zu lernen und Hinweise anzunehmen bzw. sie als solche zu verstehen. Und schon ist ein kritisches Review nur noch halb so schlimm wie befürchtet.