Tutorial: Wie erstellt man ein alternatives Universum (AU), das in sich schlüssig ist?
Alternative Universen erfreuen sich nicht nur in RPGs (Role-Playing Games) großer Beliebtheit, sondern werden auch bei Schreiber_innen von Fanfiktions immer bekannter und begehrter. Doch was steckt hinter der Faszination "AU"? Und wie genau werden eben jene lückenlos aufgebaut? Mit diesen Fragen wird sich dieses Tutorium mittels eines Beispiels aus dem Marvel Cinematic Universe (MCU) beschäftigen.
Ich habe mich für die Nutzung dieses Beispiels entschieden, da es sich hierbei um eines der beliebtesten Fandoms auf dieser Website handelt. Jegliche Figuren und Orte, die in diesem Tutorium erwähnt werden, gehören nicht mir. Ich leihe sie mir lediglich aus und verdiene hiermit kein Geld. Ich möchte an dieser Stelle außerdem auf Spoiler für die folgenden Filme hinweisen: Iron Man, Captain America: The First Avenger, Captain America: Civil War. Weiterhin werden diverse andere Details aus dem MCU aufgegriffen und thematisiert.
Welche Methoden gibt es, um ein alternatives Universum aufzubauen?
Ich persönlich habe in all der Zeit, in der ich alternative Universen nun schon für mich nutze und mit viel Spaß immer wieder neu konstruiere, drei Methoden für AUs ausmachen können, die ich hier nun kurz beschreiben möchte.
Die erste und leichteste Methode, die nicht viel Überlegung, Planung und Übung braucht, sondern mit der schlichtweg einfach drauflos geschrieben werden kann, ist die, bekannte Charaktere zu verwenden, sie aber einfach in ein komplett neues Setting zu setzen und ihre Charaktereigenschaften, ihr Aussehen und ihre Interessen so anzupassen, dass sie als Protagonist oder Nebenfigur für die jeweilige Fanfiktion funktionieren.
Beispiel:
Wer Steve Rogers nun kennt (alternativ kann als Vergleichswert auch ein Bild von ihm bei Google gesucht werden), merkt, dass diese Beschreibung dem ungefähren Gegenteil seines eigentlichen Aussehens und seines Lebenskonzepts entspricht. Natürlich beschreibt das ganze trotzdem ein AU, dennoch bleibt von dem eigentlichen Charakter quasi nichts mehr übrig. Es wird lediglich der Name genommen und für einen komplett eigenen Charakter verwendet.
Die zweite Methode ein AU aufzubauen, ist viel näher am Original zu verorten, wobei lediglich ein kleines Detail abgewandelt, alles Übrige allerdings beibehalten wird.
Beispiel:
Es ändert sich also lediglich der Umstand ihrer Beziehung zueinander. Anstatt sie als beste Freunde zu sehen, werden sie in diesem AU in einen romantischen Kontext zueinander gesetzt, wodurch sich die Motivation einiger Canon-Handlungen verschiebt, die Handlungen selbst allerdings vorhanden bleiben (so beispielsweise die Tatsache, dass Steve versucht, Bucky in "Captain America: Civil War" zu retten).
Dieser Aufbau eines alternativen Universums ist ähnlich leicht umzusetzen, wie der, den ich bereits vorgestellt habe. Sämtliche Vorannahmen, die aus dem Original resultieren, werden beibehalten und lediglich ein Detail wird abgewandelt, wodurch allerdings die grundlegende Handlung in den meisten Fällen nicht beeinflusst wird.
Die dritte und letzte Methode ist die, die meiner Meinung nach die meiste Planung voraussetzt. Sie ist ähnlich aufgebaut wie die zweite vorgestellte Methode, allerdings mit dem Unterschied, dass nicht lediglich ein kleines Detail abgewandelt wird, sondern eine der Grundannahmen, auf der das Original basiert. Im Marvel Cinematic Universe wäre eine solche Grundannahme beispielsweise die, dass die Figuren Superkräfte haben. Um es weiter zu veranschaulichen, wäre eine solche Grundannahme bei Harry Potter beispielsweise, dass die Figuren Zauberkräfte besitzen.
Beispiel:
Ihr seht also, dass die Figur Steve Rogers einerseits in einen völlig neuen Kontext gesetzt wird, ich aber dennoch versuche, seine Charakterzüge und die Erlebnisse aus dem Original, die ihn im Wesentlichen ausmachen, zu rekonstruieren und in den neuen Kontext einzuarbeiten. Bei meiner Konstruktion alternativer Universen erdenke ich mir eine solche Geschichte für jede einzelne der Figuren, die ich in meiner Fanfiktion verwenden will.
Beispiel:
Anschließend erdenke ich ein Szenario, in dem diese beiden Charaktere so aufeinandertreffen könnten, dass keine logischen Fehler entstehen.
Beispiel:
Das grundlegend Wichtige an einem alternativen Universum ist also meiner Meinung nach, dass die Schreiber_innen versuchen sollten, die genutzten Figuren nicht zu sehr zu verfremden, um ihnen weiterhin gerecht zu werden und sie möglichst originalgetreu darzustellen. Hierbei können Settings, Handlungsstränge, Grundannahmen, kleine Details, etc. abgewandelt werden. Trotzdem sollten sich die Schreibenden bei jeder Abwandlung mit der Frage konfrontieren, wie diese Abwandlung logisch in den Kontext eingearbeitet und erklärt werden kann, wie es zu diesen neuen Settings, Grundannahmen, Charakterzügen, etc. kommen konnte, in welcher Beziehung die Figuren nun zueinander stehen (wenn die Avengers beispielsweise keine Superkräfte haben, ist ein logischer Schluss daraus, dass es die Avengers nicht gibt - wie lernen die einzelnen Figuren sich also kennen?) und wie die einzelnen Figuren auf die erdachte Situation reagieren. Mir persönlich hilft es stets am meisten, wenn ich über eine Erklärung für jedes Detail nachdenke und versuche, dieses möglichst logisch innerhalb des alternativen Universums zu erklären, um eine in sich geschlossene Welt zu konstruieren.