Tutorial: Was muss ich als Betaleser beachten?
Die Gründe, aus denen ein Autor einen Betaleser für seine Geschichte sucht, können vielfältig sein. Manch einer sucht jemanden, der mit Problemen bei Rechtschreibung und Grammatik hilft. Der nächste legt hierauf vielleicht weniger Wert, sucht aber einen Betaleser, der ein Auge auf Plot, Logiklücken oder Charakterdarstellung hat. Andere suchen wiederum ein Gesamtpaket aus allem.
Deshalb ist es immer wichtig, vorab zu kommunizieren, welche Erwartungen der Autor an seinen Betaleser stellt und ob der Beta diese erfüllen kann oder möchte. Nur so können beide Seiten wissen, worauf sie sich bei einer Zusammenarbeit einlassen. Kommunikation ist also das A und O.
Dieses Tutorial erhebt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, aber dennoch möchte ich aus meiner eigenen Erfahrung heraus versuchen, die wichtigsten Punkte zu umreißen.
Betaleser zu sein, bedeutet auch immer, sich auf sein Gegenüber einzulassen und als Team mit einem Autor zusammenzuarbeiten. Schließlich verfolgt ihr beide ein gemeinsames Ziel: Die Geschichte des Autors gemeinsam so gut wie möglich zu machen.
In meinen Augen erfordert dies vor allem Verlässlichkeit, Ehrlichkeit und Respekt.
- Projekt und Zeit - Die Rahmenbedingungen abstecken
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Zu Beginn ist es unabdingbar, die Rahmenbedingungen einer möglichen Zusammenarbeit abzustecken. Auch hier spielt die Kommunikation untereinander eine enorm wichtige Rolle. Sucht der Autor einen Beta für einen OS oder eine Kurzgeschichte? Oder wartet eine Geschichte mit 150 Kapiteln darauf, gelesen zu werden? Ist die Geschichte schon fertig geschrieben? Oder befindet sich der Autor mitten im Schreibprozess? Auch kann es sicherlich einen Unterschied machen, ob es sich bei dem Werk um eine freie Arbeit oder eine Fanfiktion handelt.
Natürlich bedeuten unterschiedliche Projekte auch immer unterschiedlichen Arbeitsaufwand. Wichtig ist, dass du als Beta genau erfragst, um was für ein Projekt es gehen soll, und dann verlässliche Aussagen triffst und deinem Autor gegenüber immer verbindlich bleibst.
Wenn eine große Geschichte also aktuell nicht in deine Zeitplanung passt, dann ist das völlig in Ordnung und niemand wird es dir übel nehmen, wenn du es ablehnst, in einem solchen Projekt als Beta tätig zu werden.
Wenn du aber eingewilligt hast, einen Autor bei seinem Projekt zu unterstützen, zählt auch in gewissem Maße die Erreichbarkeit zur Verlässlichkeit dazu. Jeder hat natürlich ein Privatleben, da bist du als Beta keine Ausnahme. Es kann also immer mal vorkommen, dass es beim Betalesen zu (ungeplanten) Verzögerungen kommt. Vielleicht hat dich die neueste Erkältungswelle ans Bett gefesselt, die Prüfungsphase an der Uni steht an oder du fährst für die nächsten Wochen in Urlaub. All das ist vollkommen normal und du musst als Beta niemals 24/7 erreichbar und verfügbar sein. Doch nichts ist für einen Autor schlimmer, als vergeblich auf die Rückmeldung zu einem Kapitel zu warten. Vor allem, wenn diese vorher angekündigt wurde.
Wenn du also absehen kannst, dass ein neues Projekt nicht in deine Zeitplanung passt oder dass du deine Tätigkeit als Beta für einige Zeit etwas zurückstecken und dein Autor mal etwas länger auf die Bearbeitung seiner Kapitel warten muss, dann solltest du ihm immer eine kurze und ehrliche Rückmeldung geben, damit auch dein Gegenüber weiß, woran es ist. Auf diese Weise kommt kein unnötiger Frust auf und dein Autor wird sicher gerne ein wenig länger auf deine Rückmeldung warten.
- Ihr seid euch einig - auf geht's!
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Nun hast du als Beta ein neues Projekt an Land gezogen, bei dem alle Rahmenbedingungen passen. Herzlichen Glückwunsch!
Verständlich, dass du dich direkt in die Arbeit stürzen willst. Halte dich dabei aber unbedingt an die vorherigen Absprachen zwischen dir und deinem Autor. Wenn dein Autor nur möchte, dass du ihn ausschließlich auf Rechtschreib- und Grammatikfehler hinweist, dann bleibe dabei. Der Vorteil ist, hier gibt es im Normalfall nur richtig oder falsch. Die Korrekturen, die du als Beta tätigst, bedürfen also in den wenigsten Fällen einer Diskussion. Aber auch hier gibt es bestimmte Ausnahmen.
Wusstest du zum Beispiel, dass das "ß" in der Schweiz gar nicht existiert? Aus "Straße" wird hier "Strasse", aus "draußen" wird "draussen". An dieser Stelle ist diese Schreibweise aber kein Fehler, der korrigiert werden muss, sondern einfach eine Besonderheit der Sprache. Wenn dein Autor dich nicht explizit darum bittet, diese "Abweichung" zu korrigieren, solltest du beim Lesen einfach darüber hinwegsehen.
Bei allen Änderungen, die du im Text deines Autors vornimmst, empfiehlt es sich (sofern nicht anders abgesprochen) immer nachvollziehbar zu arbeiten. Word bietet beispielsweise eine Korrekturfunktion mit Nachverfolgung an. Wenn du als Beta also "ihm" in "ihn" verwandelst oder ein fehlplatziertes Komma streichst, wird es deinem Autor immer angezeigt. Die Korrektur als solche anzunehmen, liegt dann letztendlich immer in seiner Hand und du bietest deinem Autor damit auch die Möglichkeit, aus den eingeschlichenen Fehlern zu lernen, damit sie zukünftig vermieden werden können.
- Auch "Nein" sagen ist eine Option
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Sollten gewisse Fehler dennoch immer wieder produziert werden und weiterhin gehäuft auftauchen, obwohl du bereits mehrfach darauf hingewiesen hast, steht es dir als Beta natürlich auch zu, deinem Autor ehrlich zu erklären, dass dich dieses Vorgehen (mit böser Zunge könnte man das auch Beratungsresistenz nennen) ärgert oder du dir wünschst, dass der Autor etwas mehr Eigeninitiative zeigt.
Um es an einem Beispiel festzumachen: Dein Autor neigt in einem extremen Fall vielleicht dazu, seine Sätze gerne und vor allem häufig mit "Ich" zu beginnen. Das ist natürlich völlig legitim, solange es in einem ausgewogenen Verhältnis angewendet wird. Sobald aber regelmäßig fünf Sätze hintereinander auf dieselbe Weise oder mit derselben Formulierung beginnen, liest es sich nicht nur unangenehm, es stellt auch keinen ausgefeilten Schreibstil dar. Du hast deinen Autor nun schon mehrfach darauf hingewiesen, vielleicht auch den Text mit seiner Zustimmung überarbeitet, und dennoch bekommst du beim nächsten Mal wieder ein Kapitel nach demselben Schema vorgesetzt. In einem solchen Fall kannst du auch gerne einmal die Bearbeitung des aktuellen Textes zurückweisen und verlangen, dass ein Kapitel noch mal überarbeitet wird, bevor du es gegenliest.
Denn auch als Beta bist du keine billige Arbeitskraft, die nur dazu da ist, Fehler auszumerzen, um die sich andere aus Faulheit nicht bemühen oder die aus anderen Gründen immer wieder gemacht werden. Beim Betalesen geht es um Zusammenarbeit und diese sollte immer von beiden Seiten erfolgen.
- Stil ist Geschmackssache - Finger weg vom Radiergummi
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Generell solltest du dich davor hüten, großflächige Änderungen im Text vorzunehmen. Insbesondere wenn Stil, Plot und Co. nicht zu eurer ursprünglichen Absprache gehören. Doch selbst dann gilt: Lösche niemals ganze Sätze oder Absätze aus einem Text heraus!
Du würdest sicherlich auch nicht wollen, dass jemand mit deinen Geschichten genauso umgeht. Das Stichwort hier lautet Respekt.
Denn in den meisten Fällen geht es hierbei um Stilfragen. Und Stil ist bekanntlich Geschmackssache. Ein Autor bevorzugt vielleicht kurze Sätze aus wenigen Worten, der nächste neigt zu endlosen Schachtelsätzen. Nur weil es nicht deinem persönlichen Geschmack entspricht oder es deinen eigenen Lesefluss vermeintlich stört, solltest du ohne Rücksprache niemals einfach Stiländerungen am Text vornehmen, geschweige denn Teile des Textes kommentarlos verschwinden lassen.
Denke immer daran: Es ist nicht deine Geschichte, um die es hier geht. Im besten Fall gefällt dir natürlich, was dein Autor dir zum betalesen schickt, aber es ist bei Weitem kein Muss. Die Geschichte muss es nicht in deine Favoriten schaffen, immerhin bist du hier nicht als begeisterter Fan und Leser dabei, sondern als möglichst neutraler Beta.
- Anmerkungen erwünscht - aber bitte konstruktiv!
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Dennoch solltest du deinen Stellenwert niemals unterschätzen oder dein Licht unter den Scheffel stellen. Immerhin hat der Autor dich dazu auserkoren, ihm zu helfen und seiner Geschichte den letzten Feinschliff zu geben. Du sitzt sozusagen direkt an seiner Seite und leistest deinen stillen Beitrag zur Optimierung der Geschichte.
Selbst wenn du nur für Rechtschreibung und Grammatik zuständig bist, sind die meisten Autoren dennoch dankbar, wenn du deine Eindrücke zum Text mit ihnen teilst. Das kann ein in den Text eingefügter Kommentar sein (Word bietet hier beispielsweise auch eine nützliche Kommentarfunktion), der klar als solcher zu erkennen ist oder du schreibst solche Anmerkungen als extra Nachricht an den Autor, wenn du seinen Text zurücksendest. Um beim Beispiel der zu kurzen bzw. endlosen Sätze zu bleiben - wenn dir so etwas im Text auffällt, dann weise deinen Autor gerne darauf hin. Achte dabei immer darauf, deine Anmerkungen konstruktiv zu äußern und Änderungen nicht einzufordern.
"Dieser Satz ist viel zu lang, das liest sich total beschissen. Das musst du kürzen."Mit solchen, zugegebenermaßen etwas überspitzten Aussagen tust du dir keinen Gefallen und sie sind auch schlichtweg nicht angebracht. Versuche vielmehr deine Eindrücke beim Lesen möglichst neutral zu vermitteln und vielleicht auch Verbesserungsvorschläge zu machen.
"Ich finde, dass in Abschnitt XY zu viele kurze Sätze aufeinander folgen. Dadurch wirkt der Abschnitt abgehackt und wie eine Aufzählung. Vielleicht könntest du versuchen, die Sätze miteinander zu verweben und aus mehreren kleinen Sätzen einen etwas längeren zu machen. Das würde dem Lesefluss bestimmt helfen."Im Anschluss kannst du besagten Satz gerne einmal so zusammensetzen, wie du es deinem Autor vorschlagen möchtest. Sozusagen als Anschauungsmaterial für deine Argumentation. Stehe im Nachgang auch immer für Diskussionen oder Nachfragen zur Verfügung, damit der Autor mit deiner Kritik arbeiten kann.
Dein Autor wird sich deine Anmerkungen sicher zu Herzen nehmen, sie sich durch den Kopf gehen lassen und kritisch hinterfragen. Nimm es ihm allerdings nicht übel, wenn du ein "Nein danke" als Antwort bekommst. Die Entscheidung für jede Stiländerung sollte letztendlich immer beim Autor liegen und das gilt es zu respektieren.
- Eine Frage des Vertrauens
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Die Zusammenarbeit zwischen Autor und Beta ist vor allem durch gegenseitiges Vertrauen geprägt. Immerhin gibt der Autor sein Allerheiligstes - nämlich seine Geschichte - in deine Hände. So ein Vertrauen muss man sich erarbeiten und es muss sich über die Zeit hinweg aufbauen, sofern ihr euch nicht schon vorher kanntet.
Wenn du dich beim Betalesen aber jederzeit verbindlich und respektvoll gegenüber der Geschichte und ihrem Verfasser zeigst und dich nicht scheust, deine ehrliche Meinung konstruktiv mitzuteilen, dann wird dein Autor das definitiv zu schätzen wissen.
Und wer weiß, vielleicht fragt dein Autor dich beim nächsten Problem dann ja sogar um Rat oder legt Wert auf deine Meinung, wenn die Storyline mal haken sollte.
Wenn es so weit ist, dann darfst du das als das allergrößte Lob auffassen und dann hast du als Beta alles richtig gemacht!