Tutorial: Was ist ein Plot und welche Plotstrukturen gibt es?
Plot vs. Story
Die Frage „Was ist ein Plot?” ist nicht zu beantworten, ohne auch zu klären, was eine Story ist. Denn obwohl beide Begriffe häufig wie Synonyme verwendet werden, meinen sie zwei vollkommen verschiedene Dinge.
Denn während die Story beschreibt, was passiert ist, so erklärt der Plot, wie es passiert ist. Die Story bildet das Grundgerüst für den späteren Plot, ohne den sich dieser gar nicht aufbauen lässt. Und genau deshalb ist es so wichtig, den Unterschied zu kennen. Denn nur wer die Story seines Textes kennt, kann daraus auch einen Plot bauen.
Story - Geschichten gibt es überall
Storys, also Geschichten, passieren jederzeit und überall. Die Story erklärt die wichtigsten Eckpunkte: Wer war beteiligt? Wo ist es passiert? Was ist passiert?
Das sind erstmal alles nur Ereignisse, die geschehen. Eine Story sind dann mehrere solcher Ereignisse, die zusammenhängen. Hier ein Beispiel:
Klingt nicht sonderlich spannend, ist aber erstmal eine Story. Das gilt auch für fiktive Storys. Die Story von „Drachenzähmen leicht gemacht” ist zum Beispiel folgende:
Die Story ist der Kern der Handlung, die Antwort auf die Frage: „Und worum geht es in der Geschichte?” Natürlich kann man die Story auch schon etwas ausführlicher aufschreiben. Ich will es an einem eigenen Beispiel deutlich machen:
Was an diesem Beispiel deutlich wird, ist ein ganz entscheidender Punkt: Storys sind immer in chronologischer Reihenfolge. Sie sind eine Aneinanderreihung von Ereignissen, wobei Ereignis A zu Ereignis B führt, was dann Ereignis C auslöst und so weiter. Die Story bildet den roten Faden der Geschichte und das macht sie so wichtig für die Orientierung. Besonders weil die Story auch den Kernfokus hervorhebt. Die fertige Geschichte würde ganz anders sein, wenn die Story folgendermaßen wäre:
Und schon ist die Story komplett anders, genau wie die fertige Geschichte, die wir später lesen werden. Sie ist nicht nur anders, es ist sogar eine komplett andere Story, aus der später eine ganz andere Geschichte entsteht. Doch wie wird aus der Story die komplette Geschichte? Nun dafür ist der Plot zuständig.
Plot - Die Kunst der Erzählens
Jeder, der schreibt, hat bestimmt schonmal den Begriff „plotten” gehört. Im Prinzip ist damit gemeint, dass die zuvor erlebte oder ausgedachte Story nun umgewandelt und ausgebaut wird, in die Art und Weise, in der sie erzählt wird. Denn während bei der Story auf Ereignis A, B und dann C folgt, so kann der Plot davon ganz anders erzählen. Der Plot erzählt erst von Ereignis C und berichtet dann von A und B. Ich will es an meinem Beispiel deutlich machen:
Wir wissen von der Story, dass wir die Kindheit der beiden Schwestern erleben, ihren Bruch, ihr erneutes Aufeinandertreffen und dann ihren Roadtrip, um ihre Mutter zu finden. Die Handlung, also der Plot, beginnt aber kurz vor dem Aufeinandertreffen der beiden Schwestern nach all den Jahren:
Natürlich kann auch der Plot in chronologischer Reihenfolge sein, muss es aber nicht. Grob zusammengefasst beschreibt der Plot das Wie, Wann und Warum. Das Hauptmerkmal ist dabei, dass ein Plot immer einen Anfang, eine Mitte und ein Ende hat. Am Anfang werden Handlungsort, Hauptfiguren und der Hauptkonflikt vorgestellt, in der Mitte nimmt die Geschichte Fahrt auf und erreicht ihren Höhepunkt und das Ende löst dann alle Konflikte auf. Das ist ganz grob die Aufteilung eines Plots, die immer zu finden sind. Welche unterschiedlichen Plotstrukturen es genau gibt, erzähle ich im nächsten Tutorial.
Welche Plotstrukturen gibt es?
Im ersten Teil meines Tutorials habe ich den zentralen Unterschied zwischen Story und Plot erklärt, um verständlich zu machen, was ein Plot ist. In diesem Teil erkläre ich die verschiedenen Handlungsstrukturen bzw. Plotstrukturen näher. Natürlich müsst ihr euch beim Schreiben nicht krampfhaft an diese Strukturen halten. Aber Plotstrukturen helfen dabei, den Spannungsbogen aufzubauen und sich nicht in unwichtige Storylines zu verstricken.
Auf der Suche nach Strukturen für Plots gibt es viele verschiedene Ansätze. Die meisten basieren jedoch auf dem gleichen Grundaufbau:
Die Drei-Akte-Struktur
Alle Plotstrukturen, die ich gefunden habe, sind im Kern ausführlichere Weiterentwicklungen der Drei-Akte Struktur. Die drei Akte sind gleichzusetzten mit Anfang-Mitte-Ende, einem sehr simplen, aber entscheidenden Aufbau.
Der erste Akt (Anfang) dient der Exposition der Figuren. Die handelnden Figuren werden vorgestellt, ebenso wie ihre Umgebung und die Konflikte und der Hauptkonflikt. Am Ende des ersten Aktes kommt es zum ersten Wendepunkt, der alle weiteren Ereignisse in Gang setzt und den Protagonisten oder die Protagonisten auf eine Reise schickt (wortwörtlich oder im übertragenen Sinne).
Im zweiten Akt (Mitte) verschärfen sich die Konflikte. Es kommt zum Höhepunkt der Handlung und meist auch zum Tiefpunkt des Helden.
Im dritten Akt (Ende) folgt die Auflösung. Alle Konflikte werden aufgelöst, die Helden überwinden ihren Tiefpunkt. Es kommt zum guten oder schlechten Ende.
Natürlich ist diese Aufteilung stark vereinfacht, aber sie kann gut zur ersten Orientierung dienen. Auch wird dieser Aufbau häufiger angewendet. Ein sehr aktuelles Beispiel dafür ist die Serie "Arcane". Die neun Folgen folgen klar der Drei-Akte-Struktur, wobei immer drei Folgen einen Akt bilden.
Plotstrukturen helfen in erste Linie dabei, einen Rahmen für die Handlung zu bilden. Um diesen Rahmen besser einzugrenzen, habe ich hier ein paar wichtige Punkte, die man beachten sollte:
Steige möglichst spät in die Handlung ein und lass den Hauptkonflikt so früh wie möglich beginnen. Niemand will einen Helden sehen, der die erste Hälfte der Geschichte seinem normalen und alltäglichen Leben nachgeht, bevor endlich die Sache eintritt, die sein Leben verändert. Am Ende von Akt 1 muss der Hauptkonflikt beginnen.
Steige möglichst früh aus der Handlung aus. Sobald der Hauptkonflikt aufgelöst wurde, sollte die Geschichte beendet werden. Natürlich darf in einem zusätzlichen Kapitel noch der Sieg gefeiert werden, aber es sollte nicht überhandnehmen. Vor allem sollte es nicht länger werden als der Hauptteil. Akt 3 ist das Ende, niemand braucht noch zehn Kapitel Abspann, in denen nichts passiert (Im Zweifel, falls ihr euren Fluff vom Ende nicht wegwerfen wollte, könnt ihr das immer noch als separaten Oneshot oder Ähnliches hochladen.)
Übertreibt nicht mit Nebenhandlungen. Kleine Nebenhandlungen bauen eine Welt erst aus und können sowohl die Beziehungen der Figuren zwischen einander als auch die Figuren selbst charakterisieren. Dennoch solltet ihr damit nicht übertreiben, denn der Fokus muss immer noch auf der Haupthandlung liegen.
Die fünf Akte des klassischen Dramas und die Sieben-Punkte-Struktur
Jeder hat es im Deutschunterricht bestimmt schonmal durchgekaut: Die fünf Akte des klassischen Dramas. Doch selbst wenn die Texte schon etwas älter sind, so ist der Spannungsaufbau etwas, an dem wir uns heute noch orientieren können. Die Fünf-Akte-Struktur ist im Kern eine Erweiterung der Drei-Akte-Struktur. Sie selbst wurde ebenfalls erweitert um eine Sieben-Punkte-Struktur. Um nicht alles zu wiederholen, werde ich beides zusammenfassen, wobei ich für die fünf Akte immer 1. Akt/ 2. Akt usw. schreiben werde und für die Sieben-Punkte-Struktur römische Zahlen verwenden werde. Da die Sieben-Punkte-Struktur aus dem Englischen kommt, werde ich die englische Bezeichnung dahinter schreiben.
- 1. Akt: Exposition/ I. Aufhänger (Hook)
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Im ersten Akt bzw. dem Aufhänger werden die Figuren vorgestellt und die ersten W-Fragen geklärt:
- Wer handelt?
- Wer sind die anderen beteiligten Figuren?
- Was wollen sie?
- Wo und wann spielt die Handlung?
Die Hauptfiguren werden in ihrer natürlichen Umgebung und ihrem Alltag gezeigt. Am Ende des ersten Akts wird der Konflikt vorgestellt oder eingeleitet.
- 2. Akt: Steigerung
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Die Handlung steigt und es gibt einen erregenden Moment (Katastase) in der sich die Situation verschärft. Die Sieben-Punkte-Struktur wird an dieser Stelle nochmal präziser:
II. Erste Wendung (Plot Turn 1)Bei der ersten Wendung wird der Konflikt vorgestellt. Die Welt des Protagonisten verändert sich und ein unerwartetes Ereignis drängt den Helden aus dem Alltag. Das ist auch der Punkt, an dem er zum ersten Mal scheitert.
III. Erster Kniff (Pinch 1)Der Protagonist erkennt, dass er etwas Grundlegendes ändern muss und schlägt neue Wege ein. Das bezieht sich sowohl auf das gewohnte Verhalten als auch auf die Persönlichkeit. Er verlässt seine vertraute Umgebung. Wichtig: Das Verlassen der vertrauten Umgebung kann auch symbolisch gemeint sein. Es bezieht sich mehr auf ein Verlassen der eigenen Komfortzone, denn nur so ist es möglich, den Konflikt zu lösen.
- 3. Akt: Höhepunkt (Peripetie)/ IV. Mittelpunkt (Midpoint)
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Die Handlung erreicht ihren Höhepunkt, die sogenannte Klimax. Der Protagonist kämpft weiterhin darum, sein Ziel zu erreichen. Der scheinbare Erfolg bröckelt jedoch, denn all die Bemühungen reichen nicht aus.
- 4. Akt: Fallende Handlung mit retardierendem Moment
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Die Handlung fällt und verlangsamt sich. In einem kurzen kleineren Höhepunkt (dem retardierenden Moment) zeichnet sich der Ausgang der Geschichte ab. Im klassischen Drama wird hier zwischen einer Katastrophe oder Auflösung entschieden. Der vierte Akt wird bei der Sieben-Punkte-Struktur erneut geteilt und zwar praktisch spiegelverkehrt zu den zwei Punkten aus dem bei der Fünf-Akt-Struktur, 2. Akt.
V. Zweiter Kniff (Pinch 2)Der Druck auf die Figuren wird größer, die Situation scheint hoffnungslos zu sein und der erste Plan geht schief.
VI. Zweite Wendung (Plot Turn 2)Der Protagonist erhält die letzte fehlende Sache, um zu gewinnen (einen Gegenstand, einen Helfer, einen Tipp, eine Erkenntnis oder etwas Ähnliches).
- 5. Akt: Auflösung/ VII. Auflösung (Resolution)
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Der Konflikt löst sich auf oder endet in einer Katastrophe (im klassischen Drama ist es meist eine Katastrophe, das beste Beispiel dafür ist Romeo und Julia). Das Ende der Geschichte bildet dabei eine Art gespiegeltes Bild zum Anfang: Alle Konflikte wurden gelöst, der Protagonist hat sich auf der Reise weiterentwickelt und ist nicht mehr dieselbe Figur wie am Anfang.
Wie bereits zu Beginn dieses Tutorials erklärt, muss man sich beim Schreiben nicht krampfhaft an die hier vorgestellten Handlungsstrukturen halten. Aber sie können eine gute Hilfestellung und Orientierung sein, vor allem wenn man zum ersten Mal längere Geschichten mit mehreren Kapiteln schreibt.