Tutorial: Hilfe, ich bin beim Schreiben vom geplanten Plot abgekommen, was nun?
Einleitung
Wer kennt es nicht: Man hat einen guten Plan, wie der Plot der bzw. wie die Geschichte weitergehen soll und im nächsten Moment findet man sich in einer fesselnden Liebesgeschichte zwischen Nebencharakteren wieder. Spätestens dann sollte einem klar sein: Irgendwas ist falsch gelaufen.
Um es genauer zu fassen: Man ist so weit vom Plot abgekommen, dass man gar nicht mehr weiß, wie man zurück zur Hauptstory kommt.
Genau dieses Problem soll in diesem Tutorial behandelt werden. Mit Beispielen und Erklärungen soll illustriert werden, wie das Abweichen vom Plot überhaupt zustande kommt, wie man seine Fehler ausmerzt und wie man in Zukunft das Ganze verhindern kann.
Was für Probleme entstehen, wenn man vom Plot abweicht?
Die Frage mag zwar banal wirken, doch ist es wichtig, dass wir sie behandeln, um zu verstehen, womit wir hier zu kämpfen haben. Es ist nämlich überraschenderweise schwer, seinen Finger darauf zu legen.
Rotkäppchen bekommt Leckereien von ihrer Mutter, die sie ihrer totkranken Großmutter übergeben sollte. Jedoch bläute sie ihrer Tochter eine wichtige Regel ein: „Gehe niemals vom Weg ab!”
Auf dem Weg zu ihrer Großmutter begegnet Rotkäppchen einem Wolf, mit welchem sie sich auf ein Gespräch einlässt. Nachdem sie dem Wolf in einem recht unbeholfenem Gespräch den Wohnort ihrer Großmutter verrät, lässt sie sich dazu überreden, noch einen Blumenstrauß zu pflücken. Rotkäppchen begann eine Blume zu pflücken, als sie in der Ferne noch schönere Blumen entdeckte. Also ging sie noch weiter vom Weg ab und dadurch immer tiefer in den Wald hinein.
Soweit so gut. Der Hauptplot würde nun folgendermaßen ablaufen:
- Rotkäppchen pflückt Blumen, bis sie einen guten Blumenstrauß hat.
- Sie geht zu ihrer Oma, die mittlerweile vom Wolf gefressen wurde.
- Rotkäppchen wird als Nachspeise aufgegessen.
- Im Anschluss erscheint der Jäger und rettet sie.
Jedoch fehlt mir das Gewisse etwas zwischen: „Rotkäppchen pflückt Blumen” und „Sie geht zur ihrer Großmutter” Also muss ein wenig Spannung her.
Doch je mehr Blumen Rotkäppchen im Wald sammelte, desto mehr Zeit verging, und bevor sich Rotkäppchen versah, schien die Sonne schon unterzugehen. Schnell erinnerte sie sich wieder daran, dass sie doch eigentlich ihre Großmutter besuchen wollte und versuchte, den Weg zurückzugehen, als sie bemerkte: Sie konnte sich nicht mehr erinnern, wo es entlang ging! Panisch ging das Mädchen im Wald herum, um zurück zum Weg zu finden, doch nach kurzer Zeit schlug die Uhr schon Abend und die Dunkelheit begann einzubrechen. Rotkäppchen wurde immer unruhiger, als sie schon das Geheule einiger Wölfe vernahm, die bemerkten, dass ein junges, zartes Mädchen sich im gefährlichen Wald verirrt hatte.
Gerade als einer der Bestien aus dem Schatten des Waldes heraussprang und nach Rotkäppchen beißen wollte-
Stopp! Halt! Spätestens jetzt sollte einem klar sein: Irgendwas ist falsch! Was eigentlich harmlos begonnen hatte mit: „Rotkäppchen pflückt etwas länger Blumen”, endete in: „Rotkäppchen wird angegriffen von einem Wolf!”
Die Hauptproblematik besteht hierbei weniger darin, dass Rotkäppchen angegriffen wird, sondern dass ich als Autor ganz ehrlich nicht mehr weiß, wie ich zurück zu der Hauptgeschichte komme. Rein theoretisch könnte ich das hier schreiben:
Jedoch ist das erstens unglaublich abrupt, zweitens äußerst fragwürdig und drittens fühlt sich der „Rotkäppchen wird angegriffen”-Abschnitt absolut unnötig an.
Punkt Eins und Zwei erklärt sich von selbst, aber Punkt Drei ist derjenige, der meistens unter dem Radar vergessen wird. Wann immer man eine Geschichte liest und den Eindruck bekommt, dass eine Szene nichts zu der Story beiträgt, dann ist sie unnötig und gehört gekürzt.Jedoch würde das in meinem Falle heißen, dass ich ganze Kapitel löschen und neu schreiben müsste, und darauf würde ich liebend gerne verzichten.
Jetzt, da wir die Hauptproblematik identifiziert haben, nämlich: „Wie gelange ich zum Hauptplot zurück”, beschäftigen wir uns kurz damit, wie das Abkommen passiert, damit wir verstehen, was man dagegen tun kann.
Wie passiert das überhaupt?
Des Öfteren weicht man nicht vom Plot ab, weil man es unbedingt will. Der Traum wäre wohl sicherlich, dass man einen konkreten Plan hat und jenen befolgt, aber die Realität sieht meist anders aus. Zumeist hat man während des Schreibens eine Idee, die man unbedingt umsetzen möchte und hat zu jenem Zeitpunkt das Ausmaß dieses Subplots noch nicht wirklich begriffen. Doch ein paar Seiten später findet man sich leider in einer Sackgasse wieder, aus der sichtlich kein Weg zurückführt.
Ich nenne hier also ein paar häufige Gründe, warum man vom Plot abkommt, damit man selbst etwas aufmerksamer auf sie wird.
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Fehlende Planung und spontane Entscheidungen
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Nicht jeder plant seine Story bis ins kleinste Detail und mag es lieber, einen groben Überblick über die Handlung zu haben, um einfach drauf loszuschreiben. Das ist ein Stil, den auch ich sehr gerne anwende, weshalb es nahezu unabdingbar ist, dass ich mich in vielen Sackgassen wiederfinde.
„Oh, ich habe hier eine gute Idee!” oder „Ich würde gerne das hier versuchen!” kann zu dem absoluten Highlight der Story führen oder aber auch zu 50 unnötigen Seiten.
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Die beiden Nebencharaktere würden supergut zusammen passen!
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Romanze! Sie kann wirklich aufregend und gut sein oder man wünscht sich, dass sie so schnell wie möglich zugrunde geht. Zumindest in Fanfictions. Prinzipiell steht es einem Autor frei, was für Pairings/Shippings er einführt und oder sogar in Form mehrerer Seiten ausformulieren möchte. Jedoch muss man sich immer fragen: „Brauche ich das wirklich?” Sollte das Geschriebene einen sinnvollen Nutzen gegenüber der Haupthandlung haben, steht dem nichts im Weg, ist dem aber nicht so, stellt sich die Frage, ob man es nicht lieber als Nebengeschichte am Ende der Story hinzufügt, anstatt die Haupthandlung unnötig in die Länge zu strecken.
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Der Charakter braucht mehr Aufmerksamkeit!
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Was ein nobler Gedanke ist und zeigt, dass man Screentime angemessen verteilen sollte, kann aber auch gleichzeitig eine absolute Fallgrube sein. Tendenziell ist nichts gegen Charakterentwicklung einzuwenden, besonders wenn sie integral für den Fortschritt der Geschichte ist. Nichtsdestotrotz muss man hierbei vorsichtig sein und gut abwägen, ob das auch der richtige Zeitpunkt dafür ist.
Des Öfteren verliert man sich nämlich in dem Ausgraben der Vergangenheit und vergisst dabei den Bezug auf die momentane Situation. Es bringt einem nichts, einen Charakter zum Wachsen zu bringen, wenn er es zu jenem Zeitpunkt nicht sollte!
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Was nun?
Nach der drei Kapitel langen Einleitung wird es nun Zeit, die Hauptfrage des Tutorials zu beantworten: „Hilfe, ich bin beim Schreiben vom geplanten Plot abgekommen, was nun?”
Die Antwort darauf ist leider nicht so einfach, wie man es sich erhofft, da es sehr stark vom geplanten Plot und dem Ausmaß an „Ich bin vom Plot abgekommen” abhängt. Nichtsdestotrotz gibt es mehrere Herangehensweisen, wie man sich aus der misslichen Situation befreien kann.
- Schritt 1: Mach einen Schritt zurück
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Das Schlimmste was man in der Situation machen könnte, ist panisch werden und den „unnötigen” Teil einfach zu löschen. Innerhalb diesem „unnötigen” Bereich könnten sich brillante Ideen befinden, die im Verlauf der Geschichte integrierbar wären. Dementsprechend empfehle ich, einen Schritt zurückzumachen und später mit einem kühlen Kopf an die Sache heranzugehen.
- Schritt 2: Identifiziere die Problemstelle
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Bevor man sich damit beschäftigt, wie man sich aus seiner misslichen Lage befreit, sollte man darüber nachdenken: „Ab wann ist alles eigentlich schiefgelaufen?”
Dieser Schritt dreht sich sehr viel um Schadenskontrolle. Niemand möchte Seiten voller harter Schreibarbeit löschen, weswegen es wichtig ist zu wissen: „Was kann ich behalten und was muss vielleicht in den Schredder?”
- Schritt 2.5: Muss ich wirklich zum Schredder?
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Löschen sollte meiner Meinung nach nicht die erste Option sein. Erst wenn man realisiert, dass der Abschnitt nicht mehr zu retten ist, sollte man ihn aus seinem Dokument entfernen und in ein neues Dokument speichern. Wichtiger Hinweis: Löscht niemals lange und besonders aufwendige Storyabschnitte! Man weiß nie, wann man sie doch mal gebrauchen könnte.
- Schritt 3: Wäge deine Optionen ab
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Es gibt einen wichtigen Grundsatz, wenn es um das Erzählen/Schreiben einer Geschichte geht: „Alles muss gerechtfertigt sein!”
Das heißt: Jedes Mal, wenn man etwas Neues einführt, muss man sich die Frage stellen „Warum tue ich das?” und „Inwiefern hilft das der Geschichte?” Mit diesen Fragen kann man den „unnötigen” Teil inspizieren und genau identifizieren, welche Abschnitte tatsächlich unbrauchbar sind und welche noch verwendet werden können!
Und ab hier gibt es zwei Möglichkeiten:
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Kehre zur Problemstelle zurück und beginne von dort erneut
- Das kann sehr demoralisierend sein, da man einen großen Teil entfernen musste. Nichtsdestotrotz möchte ich hierbei erwähnen, dass das alles dazu dient, deine Geschichte besser zu machen. Nur durch Überarbeitung und intensiver Reflexion kann eine Story zu einem Meisterwerk werden. Das ist der erste Schritt in die richtige Richtung.
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Finde einen Weg zur Hauptstory
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Sollte man das Gefühl haben, dass in dem „unnötigen” Teil genug Rechtfertigung enthalten ist, um ihn in der Geschichte bleiben zu lassen, man aber trotzdem nicht weiß, wie es weitergeht, kann man auch versuchen, aus dem „Abkommen vom Weg” einen „Umweg” zu gestalten.
Wichtig ist, dass man nicht abrupt die Haupthandlung einführt. Versuche daher außerhalb der Box zu denken: Kann man vielleicht das Ende dieses Abschnittes mit der Hauptstory verknüpfen?
Und das ist beispielsweise bei meinem Rotkäppchen-Abklatsch möglich!
[...] Gerade als eine der Bestien aus dem Schatten des Waldes heraussprang und nach Rotkäppchen beißen wollte, war ein lauter Knall zu hören, worauf der Wolf leblos zu Boden sank. Als das Mädchen schockiert und panisch vor Angst zu der Geräuschquelle sah, erblickte es einen Jäger, der das aggressive Tier erlegt hatte. „Kleine Kinder sollten nicht zu der Uhrzeit im Wald spazieren.”
„E-Es tut mir leid”, sah das Mädchen zu Boden, woraufhin der Mann ihm eine Hand auf die Schulter legte.
„Zumindest bist du jetzt sicher. Komm, ich bring dich heim. Wohin musst du?”
Rotkäppchen erinnerte sich wieder daran, dass es noch den Korb voller Leckereien zu seiner Oma bringen musste und erzählte es dem Jäger auch: „Ich muss zu meiner Oma, aber ich hab‘ mich im Wald verlaufen. Wenn ich auf dem Hauptweg wäre, wüsste ich, wo es lang geht...”
Leicht schmunzelnd nahm der Mann seine kleine Hand und führte sie in Richtung Hauptweg. „Ich bring dich hin. Bei mir bist du sicher.”
Das verändert die Haupthandlung durchaus ein wenig, aber dadurch wird Rotkäppchen zu seiner Großmutter gehen, während der Jäger höflichst draußen wartet. Im Anschluss wird der Wolf das Mädchen verschlingen und der Jäger nach einer Zeit skeptisch und der Rest der Geschichte schreibt sich von selbst!
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Wie verhindere ich das in der Zukunft?
Der ein oder andere mag nach dieser Erklärung eventuell nicht sonderlich viel Lust besitzen, dieses Vorgehen immer und immer wieder zu wiederholen. Es ist immerhin nicht untypisch, beim Schreiben den roten Faden der Geschichte zu verlieren. Deswegen muss in diesem Abschnitt diskutiert werden: Wie verhindere ich das in der Zukunft?
Der erste Schritt hierbei nennt sich Planung. Sollte man eine gute Karte und eine klare Weganweisung haben, ist es nahezu unmöglich, von dem Weg, also dem Plot, abzukommen. Jedoch erwartet hierbei niemand, dass jedes einzelne Detail unbedingt durchgeplant werden muss, immerhin wäre das unrealistisch. Eher besteht die Forderung, sich gut zu überlegen, wie der Plot auszusehen hat. Je klarer das Bild, desto einfacher ist es auch, bei der Hauptstory zu bleiben.
Der zweite Schritt ist Nachdenken! Sollte einem Autor eine wunderbare Idee einfallen, die seine Geschichte sicherlich bereichern würde, dann empfehle ich, zuerst einmal darüber nachzudenken. „Wie sehr weicht diese Idee von der Hauptgeschichte ab?”, „Wie kann ich einen flüssigen Übergang ins Hauptgeschehen bewerkstelligen?”, oder „Ist sie wirklich notwendig?” sind ein paar Denkanstöße für Fragen, die man sich stellen sollte, bevor man sich in die unbekannten Tiefen einer Sidestory verirrt. Diese könnte sich als unglaublich bereichernd für die Geschichte etablieren, oder aber auch komplett unnötig und hierbei gilt der schöne Spruch: „Vorsicht ist besser als Nachsicht”
Der dritte und letzte Schritt ist, regelmäßige Kontrollen durchzuführen. Die meisten sind absolut kein Fan davon, aber es ist wie bei der Buchhaltung: Teilweise echt langweilig, aber absolut essentiell. Im Rausch des Schreibens macht in dem Kopf des Autors alles unglaublich viel Sinn und Fehler sind äußerst leicht zu übersehen. Deswegen ist es nicht untypisch, dass man im Nachhinein noch einmal in seine Geschichte eintauchen muss, um etwaige Fehler, Logikfehler und Formulierungen umzugestalten. Und mit genau den Kontrollen ist es frühzeitig möglich, Plotabweichungen zu erkennen. Das mag zwar zu Beginn anstrengend sein, aber man erspart sich langfristig gesehen unglaublich viel Korrekturarbeit.
Fazit
Und damit sind wir schon am Ende dieses Tutorials angelangt. In diesem Abschnitt möchte ich die diskutierten Ergebnisse kurz und knapp zusammenfassen.
Was sind die Probleme?
- Beeinträchtigung der Leseerfahrung durch fragwürdige Abweichungen von der Hauptgeschichte.
- Der Autor verliert den roten Faden der Geschichte.
Wie passiert es?
- Fehlende Planung.
- Spontane Ideen, die eine gute Sidestory darstellen, aber nicht in den Mainplot passen.
- Fokussierung auf bestimmte Charaktere, wenn es absolut nicht sein muss.
Was nun?
- Mit einem kühlen Kopf an die Sache herangehen, Panik bringt niemanden etwas.
- Die Problemstelle identifizieren.
- Abwägen der Optionen: Alles neu schreiben oder einen flüssigen Übergang in die Hauptgeschichte zu finden.
- Anhand der gewählten Option die Geschichte bearbeiten!
Wie verhindere ich es in der Zukunft?
- Planung.
- Nachdenken, bevor man eine spontane Idee einarbeitet.
- Regelmäßige Kontrollen.
Und damit möchte ich das Tutorial auch hiermit beenden. Vom Plot abzukommen ist ein sehr häufiges Problem und ich hoffe, dass ihr aus diesem Tutorial auch für die Zukunft und nicht für den Moment etwas mitnehmen könnt. Bewahrt einfach einen kühlen Kopf und dann wird eure Geschichte sicherlich etwas werden, worauf ihr stolz sein könnt.
Demnach wünsche ich euch alles Gute und viel Erfolg beim Schreiben!