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Einsatz in Mali

von Keziah135
Kurzbeschreibung
GeschichteAllgemein / P12 / Gen
Dr. Kai Hoffmann
12.09.2023
19.09.2023
8
22.855
1
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Dieses Kapitel
1 Review
 
18.09.2023 2.690
 
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Kapitel 7 - Warten


Camp Castor, Gao, Mali, Tag 29, 0530 Uhr Zulu

"Herr Engel?"

Michael zuckte zusammen und fuhr hoch. Ein heftiger Schmerz durchfuhr seinen Nacken und Schultern. Er musste in einer sehr schlechten Stellung geschlafen haben. Mit Einsetzen der Erinnerung war der Schmerz vergessen. Er blickte auf das Bett vor sich.

Hoffmann sah unverändert schlecht aus. Noch immer atmete eine Maschine für ihn und es gab keine Fläche in der Größe einer Handfläche, die nicht mit einem Kabel, einer Nadel oder einem Verband versehen war.

"Herr Engel?", flüsterte die Stimme erneut.

Vorsichtig drehte Michael den Kopf und blickte Hauptfeldwebel Nowak an. "Ja?"

"Wir müssten -" sie zeigte auf Hoffmann und Michael verstand. Hastig trat er zur Seite. Er hatte dem Sanitätspersonal nie im Weg stehen wollen. Eigentlich hatte er nur nicht gewollt, dass Hoffmann alleine stirbt.

Er hielt inne. "Wie geht es ihm?"

"Er lebt", flüsterte Nowak mit einem unleserlichen Gesichtsausdruck. "Das ist mehr als irgendjemand vor ein paar Stunden noch geglaubt hatte."

"Ich -"

Nowak legte ihren Finger auf den Mund. Dann zeigte sie auf ein Feldbett, dass an der Wand stand. Dort lag Jäger und schlief. Einfach so, ohne Decke, ohne Kissen, ohne alles. "Wenn wir ihn zudecken würden", sagte Nowak, als ob sie Gedanken lesen konnte, "wacht er auf." Den Rest konnte sich Michael denken. Nach den letzten Tagen brauchte Jäger jeden Schlaf, den er bekommen konnte.

Michael verließ den Raum, während zwei weitere Krankenpfleger hineingingen. Er blickte sich um, aber Dr. Ruth sah er nirgendwo. Also machte er sich auf den Weg zurück in seinen Container. Er brauchte ein neues Shirt und musste prüfen, ob es in der Kantine noch etwas zu essen gab. Er hatte den Ausgang fast erreicht, als er es hörte. Das untrügliche Schluchzen eines Menschen in großer emotionaler Not.

Er blieb stehen. Nähe oder Distanz. In den letzten Tagen hatte er diese Frage schon oft abwägen müssen. Mit einem Gebet auf den Lippen entschied er sich diesmal zur Nähe und folgte dem nachlassenden Schluchzen.

Er fand Dr. Ruth zwischen zwei Regalen an die Wand gelehnt, ihre Knie angezogen und ihren Kopf tief verborgen dahinter.

Sein Rücken und die Schultern hatten ihm noch immer nicht verziehen, dass er an Hoffmanns Bett eingeschlafen war, und so mühte er sich möglichst schmerzfrei auf den Boden zu kommen. Ein Stöhnen konnte er nicht unterdrücken.

"Mir geht es gut", sagte Ruth ohne aufzublicken.

"Weinen tut tatsächlich gut. Wohl denen, die es können."

Ruth hob den Kopf und blickte ihn überrascht an. Ihre Augen waren zwar gerötet aber nicht verweint.

"Nicht jeder kann weinen. Nicht jeder erlaubt es sich." Michael lehnte sich gegen ein Regal und schwieg.

"Dafür bin ich nicht Ärztin geworden", sagte Ruth unvermittelt. "Dafür bin ich nicht zum Sanitätsdienst gegangen. Das rote Kreuz sollte ein Zeihen der Hilfe sein. Wir behandeln jeden, auch die, die gerade noch uns und unsere Kameraden beschossen haben." Sie schniefte. "Es sollte aber keine Zielmarkierung sein."

Michael erinnerte sich. In Afghanistan hatte die Einsatzleitung am Ende angefangen die Sanitätsfahrzeuge zu verschleiern und das Sanitätspersonal auf verschiedenen Fahrzeuge zu verteilen, damit genau der jetzige Fall nicht eintrat.

"Wissen Sie meine Eltern haben immer gemeint, dass die Bundeswehr nichts für mich ist. Ich wäre zu empfindlich dafür. Mein Vater meinte, dass ich mich nicht in eine Befehlsstruktur einfügen könnte." Ruth streckte ihre Beine aus und lehnte sich zurück. "Ich glaube langsam, dass sie recht haben."

"Ich kenne einige Soldaten, die ihnen ihr Leben zu verdanken haben."

"Auch wenn Dr. Hoffmann die Nacht überlebt hat, ist er noch immer nicht überm Berg." Sie schüttelte den Kopf. "Sein Bein müsste dringend richtig versorgt werden und auch die Brandwunden bräuchten eine Hauttransplantation damit sie besser verheilen und weniger langfristige Einschränkung bedeuten."

Michael war immer klar gewesen, dass die Verwundung schwerwiegend war und dennoch überraschte Ruths Ausführung ihn. "Gestern haben Sie noch geglaubt, dass der Oberfeldarzt stirbt, und heute machen Sie sich Sorgen um sein Bein und eine langfristige Heilung?"

Ruth lachte auf in einer Mischung aus Schluchzen und echter Freude. "Er lebt, also müssen wir uns um die anderen Verletzungen kümmern." Sie stand auf. "Auch wenn wir kein richtiges Krankenhaus sind, sind wir die einzigen hier."

Sie bot Michael die Hand an, der sie dankend annahm.

"Wissen Sie, Dr. Ruth, vielleicht haben Ihre Eltern recht. Vielleicht ist die Bundeswehr nichts für sie. Aber Sie sind definitiv etwas für die Bundeswehr."

* * *


Camp Castor, Gao, Mali, Tag 29, 1730 Uhr Zulu

Ohne es zu bemerken war Michael eingeteilt worden bei Dr. Hoffmann Wache zu halten. Er wusste nur nicht so genau, worin seine Aufgabe bestand. Aber jeder, der vorbeikam, schien zufrieden und glücklich zu sein, dass er da war.

Und wenn es das war, was die Männer und Frauen in Camp Castor jetzt brauchten, dann wollte er es ihnen gerne geben.

Es dauert nicht lange und er hatte sich an die Abläufe gewöhnt.

Spätestens alle zwei Stunden kamen die Krankenpfleger herein und lagerten ihren Patienten um, damit kein Wundliegen auftrat. Dafür durfte er bleiben. Wenn aber der Schleim, der sich in der Lunge durch die Beatmung bildete, abgesaugt werden musste, ging er freiwillig heraus. Dass er nicht dabei sein wollte, hatte er Hauptfeldwebel Nowak sofort geglaubt als sie ihm die Prozedur ausführlich beschrieb.

Stattdessen lernte er die verschiedenen Infusionsbeutel im Blick zu behalten und zu melden, wenn sich einer leerte. Vielleicht sollte er sich nützlich fühlen, vielleicht konnte er aber auch tatsächlich etwas Entlastung dadurch schaffen.

In der Zeit dazwischen erzählte er Hoffmann von seiner eigenen Familie oder er las ihm etwas vor. Manchmal schwieg er auch einfach. Der Raum war laut genug. Zwar hatten die Piep- und Warntöne nicht mehr das Crescendo erreicht, wie in der Nacht als er gerufen worden war, aber für einige Krisen und besorgtes Stirnrunzeln reichte es immer noch.

Wenn sie nicht gerade alarmiert worden waren, kamen Jäger, Ruth und die anderen Ärzte in unregelmäßigen Abständen herein. Nicht alle von ihnen waren an der Behandlung beteiligt, was niemand davon abhielt seine Anteilnahme zu zeigen.

Frau Hauptfeldwebel Nowak schien er allerdings wirklich zu helfen, in dem er das Telefon übernahm, sobald sie es ihm reichte. Das dankbare Lächeln, was auf dem ansonsten professionell-distanzierten Gesicht dann aufblitzte, sprach eine deutliche Sprache.

Und so erfuhr er, dass eine weitere A400M auf den Weg war, um Hoffmann nach Hause zu holen. Diesmal nur für ihn.

Er lernte, dass andere Schlagzeilen in Deutschland mehr Aufmerksamkeit erhalten hatten und wer sich nicht direkt für Mali interessierte vermutlich wieder nicht bemerkt hatte, was passiert war.

Am häufigsten aber sprach er mit einer Frau Major Dobenko. Sie rief regelmäßig an und Nowak reichte ihm genauso regelmäßig den Hörer, auch wenn er nie etwas anderes zu berichten hatte. "Er lebt noch. Nein, er ist noch immer zu instabil, um ausgeflogen zu werden. Er ist nicht wach. Ja, wir kümmern uns."

Dobenko rief fast stündlich an, dafür aber kurz und knapp. Dann stoppten die Anrufe und Nowak sah fast so als würde sie ein Dankgebet gen Himmel schicken.

Michael betete im Ernst, mit Bitte und Dank. Und er wartete, nahm Anrufe an und half den offiziellen und halboffiziellen Besuchern ihren Schock und Betroffenheit einen ihrer Kameraden so zu sehen, auszuhalten oder zu überwinden.

* * *


Camp Castor, Gao, Mali, Tag 30, 1630 Uhr Zulu

Michael setzte sich wieder neben Hoffmanns Bett.

Die A400M war erst vor kurzen sicher gelandet. Die leitende Ärztin an Bord, Frau Oberfeldarzt Nadja Voigt, allerdings war sofort gekommen, um nach Dr. Hoffmann zu sehen. Es würde ihre Entscheidung sein, wann und unter welchen Bedingungen sie bereit war den Transport zu wagen.

Nach einer kurzen Visite hatten sich die Ärzte zu einer Besprechung zurückgezogen. Stattdessen trat nun eine Majorin ein.

Michael blickte die Offizierin an und wusste plötzlich, warum die Anrufe aufgehört hatten. Major Dobenko brauchte nicht mehr anzurufen, weil sie selbst an Bord der A400M war.

Jetzt stand sie angespannt mit verschränkten Armen vor dem Bett und musterte Hoffmann als würde sie eine Inspektion vornehmen. Das Ergebnis schien ihr ganz und gar nicht zu gefallen.

"Es ist falsch ihn hier so liegen zu sehen." Auch sie schien zu wissen, wer er war.

Das konnte Michael nachvollziehen.

"Kai haut ihn nichts um. Wenn Sie wüssten, was wir schon miteinander erlebt haben, dann ... Er war immer unverwüstlich, oder zumindest hat er so gewirkt." Ihre Blicke glitten durch den Raum, nahmen alles wahr, was aufgefahren worden war, alleine um Hoffmann am Leben zu halten. "Ich habe wirklich geglaubt, dass ihm nichts passieren kann."

"Manche Menschen sind sehr gut darin so zu wirken." Sie konnten ihre Emotionen, Gedanken und Erinnerungen unter einem dicken Panzer verbergen. Michael hatte keinen Zweifel, dass Dr. Hoffmann sehr lange die Fassade aufrechterhalten konnte. Manchmal reichte diese Fähigkeit, um das dahinterliegende Gebäude zu stabilisieren oder neu zu mauern, aber manchmal brach aber auch alles mit einem großen Knall zusammen.

"Kennen Sie Dr. Hoffmann gut?"

Dobenkos Frage riss Michael aus seinen Gedanken. "Ich habe ein zweimal mit ihm gesprochen."

"Zweimal?" Dobenko ließ ihre Arme sinken. "Und das reicht aus, um stundenlang an seinem Bett zu sitzen?"

"Er hat mir von seinem Sohn erzählt. Und da ich selber zwei Söhne habe, dachte ich sollte ich ihn etwas Geschmack auf die Zukunft machten, damit er nicht vergisst, wofür sich dieser ganze Aufwand lohnt." Er zeigte auf die Geräte und die Beatmung. Nowak hatte ihm versichert, dass Hoffmann sich nicht an die mehrmals täglich stattfindenden Tests der Spontanatmung erinnern würde. Aber Michael erinnerte sich, wie unruhig Hoffmann wurde und an sein schmerzverzerrtes Gesicht, sobald sie die Sedierung auch nur reduzierten. Er wollte sich nicht einmal vorstellen, wie Hoffmann sich fühlen musste und wie sehr der Beatmungsschlauch störte.

"Und was erwartete ihn noch so alles?", fragte Dobenko.

"Oh, der erste Schultag, die erste Prügelei und nicht vergessen die ganzen Diskussionen über Handy und Bettgehzeiten. Das ist immer mein Lieblingsthema."

"Sie haben wirklich Kinder?" Der Blick der Majorin sprach Bände.

Michael lächelte geduldig. "Evangelisch. Wir können heiraten. Auch unser Rabbiner hat Kinder."

Die hochgezogene Augenbraue war auch eine Antwort.

"Wirklich, es gibt Militärrabbiner." Er stand auf und dehnte sich. Wie er es sich angewöhnt hat, beugte er sich zu Hoffmann herunter und klopfte ihm vorsichtig auf die Schulter, um zu vermeiden, dass er dabei den ZKV oder einen der Zugänge berührte. Diesmal war es die rechte Schulter, da Hoffmann durch Kissen gestützt auf seiner linken Seite lag. In ein paar Minuten wäre es wieder andersherum. "Ich bin gleich wieder da. Nicht weggehen."

Er ging voran und Dobenko folgte ihm. "Warum gehen wir?"

"Finden Sie es nicht unhöflich über jemanden zu sprechen, wenn er nicht antworten kann?"

Dobenko verzog die Mundwinkel. "Da steht er drüber."

"Sie kennen ihn wohl gut."

Die Majorin zögerte. "Ja, und weil ich ihn so gut kannte, habe ihn zu diesem Einsatz hier überredet." Sie schaute nicht weg, sondern stattdessen direkt zu Michael. "Das da -" Sie zeigte mit der ausgestreckten Hand zu dem Zimmer, was sie gerade erst verlassen hatten. "Das ist meine Verantwortung."

Michael lachte auf, obwohl ihm nicht zu lachen zumute war.

Irritiert und schon fast wütend starrte Dobenko ihn an.

"Wenn Sie wüssten, wer mir in den letzten Tagen alles erzählt hat, dass er Schuld sei. Aber keiner davon hat eine Mine verbuddelt. Keiner hatte das Ziel möglichst viele Bundeswehrsoldaten zu töten. Und wissen Sie was, Major - ich glaube nicht, dass Sie die Erste sind, auf die das zu trifft."

Sie verzog keine Miene. "Und was soll ich seiner Familie sagen? Dr. Weber wollte nicht, dass er geht. Sie hat alles versucht. Aber Hoffi …" Jetzt wandte Dobenko sich ab.

Michael führte die Majorin zur Kaffeemaschine. Seit er inoffiziell als Wache an Hoffmanns Bett eingeteilt war, hatte er auch Zugriff auf den gut geschützten Kaffeevorrat. Dobenko nahm dankbar den angebotenen Becher an.

"Ist seine Ex-Frau so kompliziert?", fragte Michael.

Auf ihren fragenden Blick fuhr er fort, "Dr. Hoffmann hat mich ebenfalls gefragt, was er der Mutter seines Sohnes sagen soll."

Dobenko zuckte mit den Schultern. "Eigentlich schienen die beiden gut zurechtzukommen." Sie grinste. "Sie ist die Chefärztin und damit sein Boss, aber -"

"Aber?"

"Sie war so gegen den Einsatz. Sie hat mir sogar von seinen Problemen, von seiner -" Dobenko brach ab. Also redete sie doch nicht über andere Menschen. "Und jetzt weiß ich nicht, wie sie reagieren wird, wenn all das, was nicht passieren sollte, eingetreten ist. Ich habe keine Ahnung, was ich sagen soll. Auch wenn es nicht meine Schuld ist ..." Dobenko blickte zu Michael mit einem Gesichtsausdruck, als würde sie diese Unterscheidung von schuldig und unschuldig stören, und fuhr fort, "so bin ich nicht unbeteiligt."

"Wenn Sie wollen, kann Ihnen ein paar andere Adressen heraussuchen. Vielleicht fällt ihnen dazu mehr ein." Michael holte tief Luft. "Da sind zum Beispiel Jens und Martina Pfeiffer in Dortmund. Zu diesen müssen Sie, um sich zu entschuldigen, dass Ihre Überzeugungsarbeit Pfeiffers Sohn Andreas das Leben gerettet hat. Oder vielleicht möchten Sie auch den Verlobten von Linda Maybach aufsuchen, um sich zu entschuldigen, dass Ihre Arbeit Linda ermöglicht weiterhin Kinder bekommen zu können."

Kraftvoll atmete Dobenko aus. "Das ist nicht dasselbe."

"Nein, aber die Frage danach warum etwas passiert ist, wird weder Ihnen noch Dr. Hoffmann helfen. Die tatsächlich wichtige Frage lautet eben - was nun?" Michael machte eine Pause. "Es ist, wie es ist. Aber wenn Sie gefragt werden, sollten Sie erzählen, was es Gutes bewirkt hat. Und Sie können den Blick auf die Zukunft richten und was sie anders machen würden."

Dobenko wirkte nicht überzeugt. Sie vermied es eine Antwort geben zu müssen, indem sie einen weiteren Schluck Kaffee trank.

"Dann muss ich Ihnen vielleicht eine andere Geschichte erzählen."

"Sie meinen von seinen Überraschungstests? Die kenne ich schon."

"Wissen Sie aber auch, dass sie auch schon ihren Nutzen gezeigt haben?" Michael wartete.

"Die Stichverletzung?"

Jetzt war Michael an der Reihe überrascht zu sein. "Sie sind gut informiert."

Dobenko schnaubte und zeigte auf ihre zitronengelbe Waffenfarbe. "Fernmelder."

Das erklärte es und vermutlich auch, wie sie es an Bord der A400M geschafft hatte. "Der Trupp konnte sofort die Blutung stoppen und der Obergefreite war sogar weiterhin in der Lage die FLW zu betätigen. Mehr Verteidigung."

Endlich schien es auch bei der Majorin angekommen zu sein, dass das Ergebnis eine Katastrophe war, aber Dr. Hoffmanns Einsatz dennoch bleibenden Nutzen für viele Menschen hatte.

"Hat sich denn seine Familie nicht nach ihm erkundigt? Keine Nachrichten verfolgt?" Michael kannte die Sorge der Angehörigen in Deutschland. Die meiste Zeit war er in der Heimat Militärseelsorger und sein Standardrat an die Familien war immer gewesen nur zweimal am Tag die Nachrichten zu prüfen. Aber jemand, der gar nicht verfolgte, was in Mali passierte, kannte er nicht.

Dobenko schüttelte den Kopf. "Seit Tagen ringe ich mit mir, ob ich sie anrufen muss."

Vielleicht hatte Hoffmanns Ex genau auf diesen Anruf gewartet; vielleicht hatte sie sich selbst eine Nachrichtensperre auferlegt, in der festen Überzeugung, dass sie schon informiert werden würde. Vielleicht war es die zu große Sorge anstelle der mangelnde Anteilnahme, die verhindert hatte, dass sie es schon wusste.

Plötzlich kam Bewegung auf. Jäger und Ruth marschierten an Dobenko und Michael vorbei. Im Schlepptau hatten sie eine ganze Crew an Sanitätssoldaten. Das Ende der Reihe bildete Nowak.

"Was ist los?", fragte Michael.

"Sie fliegen ihn heim."

Dobenko ballte eine Siegesfaust. So schnell hatte Michael keine Entscheidung erwartet. "Wann?"

"Sobald er zum Transport vorbereitet ist. Frau Oberfeldarzt Voigt hat noch eine Liste an Untersuchungen und Ergebnisse, die sie braucht." Nowak entschuldigte sich und betrat ebenfalls das Intensivzimmer.

Manche Entscheidungen dauerten ewig, und dann konnte es auch ganz schnell gehen. Ein letztes Mal betrat Michael das Zimmer. Offiziell würde er sich nicht verabschieden können, aber das war auch nicht notwendig. Er konnte auch aus der Entfernung für Hoffmann beten.

Als er das Zimmer verließ, sah er wie Jäger sich in unerwarteter Weise nach vorne beugen und Hoffmann auf die Schulter klopften. "Du hast es geschafft. Es geht nach Hause."

Auch wenn ihm nur die Beatmungsmaschine antwortet - mehr gab es nicht zu sagen.

* * *


Fortsetzung folgt ...

* * *


Glossar

Waffenfarbe - ist ein farbliches Merkmal an der Uniform, woran man die Zugehörigkeit zu einer Truppengattung erkennen kann; zitronengelb sind die Fernmelder, königsblau der Sanitätsdienst (sieht man auch am Ende der Folge 1023 an der Schulterklappe von Kai Hoffmann)

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