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Wolfratshausen international

von Mujuchu
Kurzbeschreibung
GeschichteKrimi, Action / P12 / Het
Cristina Bayer Franz Hubert Martin Riedl Reimund Girwidz Sabine Kaiser
09.09.2023
30.09.2023
7
10.199
3
Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
2 Reviews
 
18.09.2023 1.243
 
Nach dem Essen zogen die Franzosen an die Bar um und der jungen Lieutenant Selon forderte Christina zum Tanz auf. Frau Kaiser versuchte sich mit dem Capitaine Lassalle per Übersetzungs-App zu unterhalten, während sich der Girwidz zwischen die beiden älteren Lieutenants Ducret und Pau gesetzt hatte und mit Ihnen ein Glas Rotwein nach dem anderen trank. Sie schienen sich auch ohne Worte zu verstehen. Hubert und Riedl hielten sich abseits und bestellten sich jeder ein Bier.

“Des schmeckt ja greislich”, seufzte Hubert, nachdem er einen Schluck getrunken hatte, und stellte das Glas geräuschvoll vor sich ab. Er lehnt sich auf seinem Stuhl zurück und streckte seinen kleinen Bauch heraus. Riedl rührte sein Bier nicht an. Er verfolgte die tanzende Christina mit seinen Augen und schaute eifersüchtig zu, wie Cédric Selon sie über die Tanzfläche führte.

Hubert, der dem Blick seines Kollegen gefolgt war, meinte: “Du kannst net nur bleed umeinander sitzen, wennst was von der Christina wuist! Geh hin und tanz mit ihr!”

Doch Riedl schaute verschämt auf den Boden und unternahm wie immer nichts. Hubert war müde und so verschwand er bald in seinem Zimmer. Der Mond schien durchs Fenster und erhellte den Raum. Es war still und die Klimaanlage sorgte für einen angenehme Raumtemperatur. Hubert stellte sich unter die Dusche und ließ das Wasser über seinen Körper rieseln. Er musste zugeben, dass diese Dusche um Längen besser war als das antike Schmuckstück in seinem Haus. Das Wasser hatte von Anfang an die richtige Temperatur und er nutzte die Zeit seine Haare zu waschen. Jetzt fühlten sie sich viel weicher an. Nur mit einer Boxershorts bekleidet, legte er sich nach dem Zähne putzen ins Bett und hoffte, dass der Kollege Girwidz die Nacht mit den Franzosen durchmachen würde.

Doch kurz nach Mitternacht wachte Hubert auf. Ein aufgekratzter Girwidz stand mit Schuhen in der Hand im Flur.

“Ach, habe ich Sie aufgeweckt? Das war ein Abend”, schwärmte er und ein seliges Grinsen lag auf seinem Gesicht, “endlich mal Leute wie ich, die Stil haben und einen guten Tropfen zu schätzen wissen!”

“Des kann scho sei, aber jetzt san’S bitte still, i wui schlafn!”, brummte Hubert.

“Hubert, Sie waren so früh verschwunden! Es ist wichtig, sich auch mit anderen Kollegen auszutauschen!”, tadelte er seinen Kollegen. Kurz verschwand er im Bad. “Ich freue mich schon auf morgen”, ertönte bald darauf wieder seine Stimme, “das wird bestimmt aufregend. Hoffentlich gibt es auch Übersetzer!”

Das hoffte Hubert insgeheim auch.  

Endlich gab Girwidz Ruhe, aber dafür begann er nun zu schnarchen, als ob er den gesamten Wolfratshausener Forst abholzen wollte.

“Ah na!”, stöhnte Hubert und legte sich das Kissen aufs Gesicht.

Dadurch wurde ihm aber viel zu heiß und er stand schließlich auf. Aus dem Schrank zog er einen Bademantel, auf dem das Emblem des Hotels eingestickt war. Nach kurzem Nachdenken erinnerte er sich an Riedls Zimmernummer und schlich den Gang entlang zu dessen Zimmer. Es war bereits ein Uhr in der Nacht, als er an Riedls Tür klopfte.

“Riedl”, rief er im Flüsterton und klopfte lauter.

Verschlafen öffnete ihm der junge Mann und murmelte: “Was’n los?”

“Nix”, erwiderte Hubert und drängte sich an ihm vorbei ins Zimmer.

“Hey!”, versuchte sich Riedl zu wehren, aber Hubert hatte bereits den Bademantel abgelegt und sich auf das einzige Bett gesetzt. Er reichte dem verdutzten Kollegen seine Schlüsselkarte und sagte: “I halt des oifach nimmer aus! Schlaf du beim Girwidz!” Müde machte er es sich auf dem Bett bequem und schloss die Augen. “Mach’s Licht aus, wennst gehst!”, brummte er und kuschelte sich auf das Kissen.

Perplex stand Riedl an der Tür und schaute auf die Schlüsselkarte in seiner Hand. Er zuckte mit den Schultern und machte sich auf den Weg in Huberts altes Zimmer. Schon vor der Tür hörte er das Schnarchen des Kollegen. Tief seufzte er auf und hielt die Karte vor das Schloss. Unbemerkt trat er ein und legte sich in das freie Bett und schnarchte bald im Chor mit dem ehemaligen Revierleiter um die Wette.  

Hubert, der von Frau Kaiser zum Sprecher ernannt worden war, sollte schon vor dem Frühstück im Konferenzsaal erscheinen. Etwa zwanzig Länder aus der ganzen westlichen Welt waren hier vertreten. Hubert setzte sich hinter sein Namenschild mit der deutschen Flagge darauf und sah sich um. Capitaine Lassalle, der in der Reihe vor ihm saß, drehte sich zu ihm um und grüßte ihn freundlich. Hubert nickte nur. Der Mann war ihm irgendwie unsympathisch, aber das war nicht ungewöhnlich. Er traf selten auf einen Menschen, der ihm auf Anhieb sympathisch war. Genauer gesagt, war ihm das in seinem gesamten Leben nur zwei Mal passiert: Einmal bei einer Frau und einmal bei einem Mann.

Pünktlich um 7.30 Uhr eröffnete der Pietro Farini das Treffen. Er leitete das Büro von Interpol in Neapel und leitete die Konferenz.

“Buongiorno”, begrüßte er die Anwesenden und stellte sich kurz vor.

Dabei sprach er italienisch, das simultan ins Englische übersetzt wurde. Zuerst sprach er über die Sicherheits- und Verhaltensregeln der Konferenz und Hubert versuchte sich den Inhalt zusammen zu reimen, in dem er sowohl dem Italienischen wie auch dem Englischen den Sinn zu entnehmen versuchte, was ihm nur so leidlich gelang. Er verstand nur so viel, dass der Inhalt der Konferenz vertraulich war und es nicht erlaubt war, mit der Presse darüber zu sprechen. Außerdem sei es erwünscht, miteinander auch außerhalb der Veranstaltungen ins Gespräch zu kommen. Besuche von nicht-teilnehmenden Personen waren untersagt. Das Personal des Hotels war von Interpol für die Dauer der Konferenz gestellt worden und alle Teilnehmer mussten ihre ID-Karten immer bei sich tragen, damit der Sicherheitsdienst jederzeit überprüfen konnte, wer dazugehörte und wer nicht. Dann bekam jeder Sprecher seines Landes die ID-Karten seiner Kollegen ausgeteilt und die Informationsveranstaltung war beendet.

Lassalle schloss sich Hubert an und ging mit ihm gemeinsam in den Speisesaal.

“Sie sprekken kein François, n’est-ce pas?”, radebrechte er in Deutsch.

“Na”, brummte Hubert.

“Ik sprekke etwas Allemand. Ik freue mir auf die näkksten Tagge Sie und Ihre Collegues kennenlernen”, fügte er hinzu und lächelte gewinnend.

“Von mir aus”, erwiderte Hubert und stellte sich an der Schlange zum Buffet an.

“Ah, Café et croissants et du marmelade! Was fruhtuckt man in Bavière?”, versuchte er das Gespräch in Gang zu halten, doch Hubert zuckte nur mit den Schultern und belud seinen Teller.

Schließlich gab der Franzose auf und kümmerte sich um sein Frühstück. Plötzlich war seine Miene nicht mehr freundlich, sondern eher verkniffen. Erst als er Sabine Kaiser sah, erhellte sich sein Gesicht wieder und er unterhielt sich mit der attraktiven Revierleiterin, die ihm und seinem gebrochenen Deutsch mehr Aufmerksamkeit schenkte.

Als er sich schließlich seinen französischen Kollegen zuwandte und ihnen die ID-Karten aushändigte, fragte Sabine Kaiser Hubert:

“Was haben Sie heute morgen erfahren?”

Hubert verschluckte sich an seinem Kaffee und Riedl schlug ihm hilfsbereit auf den Rücken. Doch das half dem Polizisten nicht wirklich, denn der junge Kollege meinte es zu gut, so dass Hubert für einen Moment die Luft wegblieb.

“Spinnst du”, keuchte er und sah Riedl wütend an.

Er setze die Kaffeetasse ab und räusperte sich. Dann zog er die laminierten ID-Karten aus seiner Gesäßtasche und bog sie zurecht.

“Die müsset mir tragen, sonst wer mer nausgschmissn”, erklärte er und teilte sie aus. Riedl knipste seine Karte stolz an seinen Gürtel, während die Damen und Girwidz ihre Karten in Brusthöhe festklemmten. Hubert steckte seine einfach wieder zurück in seine Gesäßtasche, was ihm schon wieder einen missbilligenden Blick seiner Chefin einbrachte.
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