Zwischen Waldgeistern und Heldensagen
von Kano
Kurzbeschreibung
Früher lebte Tiren zusammen mit seiner Mutter in einer kleine Hütte im Wald. Das Leben war schwer, aber sie hatten einander. Nach der Arbeit erzählte seine Mutter ihm immer etwas über die vielen Wesen, die ihre Welt bevölkerten. Es waren Geschichten über Elben, Feen, Trolle, Riesen und Drachen. Tiren wollte nichts lieber als Abenteuer mit diesen Wesen zu erleben. Doch die Magie, die einst ihre Welt durströmt hatte, wurde schwächer und die Anzahl der Wesen war sehr gering. Jetzt war Tiren 17, magische Wesen so gut wie keinem mehr bekannt, seine Mutter vor einigen Jahren gestorben und Tiren würde am liebsten seine Hütte nie verlassen. Durch eine unglückliche Begegnung wird er jedoch aus seinem Heim fortgerissen und sein Wissen über magische Wesen auf die Probe gestellt.
GeschichteAbenteuer, Fantasy / P6 / Het
30.08.2023
27.09.2023
6
16.418
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19.09.2023
2.408
Viele Menschen waren auf dem großem Platz unterwegs, an dessen Rand Kalet zum stehen gekommen war. Der Handel florierte in der jungen wachsenden Stadt. Die Lage war gut gewählt worden und trotz dessen, dass es noch lange nicht so viele Einwohner gab, wie in der Königsstadt Ansmadra, der großen Hafenstadt Selia oder den anderen großen Städten des Reiches, war schon jetzt abzusehen, dass auch diese Stadt seinen Namen bald zwischen diesen Großen einreihen durfte.
Kalet war zum ersten Mal in Kandre. Als junger Schmied, welcher gerade seine Ausbildung beendet hatte, war er lange von Stadt zu Stadt gereist, um einen Platz zu finden, wo er sich niederlassen konnte. Hier in Kandre hoffte er, einen solchen Ort gefunden zu haben. Das fröhliche Gemüt der Menschen ließ ihn sofort wohlfühlen. Bei den vielen reisenden Händlern sollten die Dienste eines Schmiedes gefragt sein. Blieb nur zu hoffen, dass der Bedarf an Schmieden nicht schon gedeckt war und seine Dienste ihm das nötige Gold einbringen würden. Ein wenig bedauerte er, dass die letzte große Schlacht noch vor seiner Geburt stattgefunden hatte. In der damaligen Zeit hätte er sich als Schmied nie Sorgen darum machen müssen, ob seine Dienste ihm das nötige Gold zum Leben einbringen würden.
Sein Reisegepäck schulternd drehte er sich ein letztes Mal zu den Händlern um, mit denen er die letzten Wochen gereist war, bedankte und verabschiedete sich. Die Händler würden ihn vermissen, denn Kalet war ein angenehmer Reisegefährte gewesen. Oft hatte er den Händlern mit seinem beschwingten Gemüt die dunklen Nächte mit seinen wilden Geschichten erheitert. Zudem ließ Kalet sich auch nicht davon abbringen, den Händlern mit der Last ihren vielen Waren behilflich zu sein.
Ein erfreutes lächeln auf den schmalen Lippen in dem geraden Gesicht ging Kalet nun voran und mischte sich unter die vielen Menschen. Der Marktplatz war größer als zuerst gedacht. Viele Buden oder provisorische Tische reihten sich aneinander. Manche Händler hatte ihre Waren gar nicht erst ausgeladen und verkauften diese aus ihren Wägen heraus. Viele fremdartige Gerüche hingen in der Luft und schmeichelten seiner Nase. Stoffe in bunten leuchtenden Farben wurden ebenso wie vielerlei nützlicher wie unnützer Dinge zur schau gestellt. Die Bauern verkauften ihre heimischen Lebensmittel neben reisenden Händlern mit Waren aus fernen Ländern, die Kalet noch nie zuvor zu Gesicht bekommen hatte und bei denen er sich zum Teil nicht mal vorstellen konnte wofür diese wohl von Nutzen waren. Laut durcheinander rufend forderten die Verkäufer die Vorbeilaufenden zum Kauf ihrer Waren auf. Jeder schien zu versuchen, die neben Männer noch zu übertönen, so dass der Lärm immer weiter anzuwachsen schien.
Gerne hätte Kalet sein Gesamtes kleines Vermögen für diese Dinge eingetauscht und konnte sich nur schwer zurückhalten, nicht hier und da doch etwas zu erwerben, was er am Ende nicht einmal gebrauchen konnte oder von dem er nicht einmal wusste, was es eigentlich war.
Als er einmal über den Markt gelaufen war, lehnte er sich an eines der Häuser, welche an den Platz grenzen und betrachtete noch einmal das Wilde treiben.
Kandre ist eine wundervolle Stadt, dachte Kalet sich glücklich.
Er stammte aus einer Stadt am Rande des Landes. Die Menschen dort waren meistens trostlos und müde. Viele Soldaten waren in seiner Heimatstadt untergebracht gewesen, um die Grenzen des Landes zu beschützen. Die Soldaten so nah bei sich zu haben hatte die Menschen in der Stadt immerzu daran erinnert, dass sie nicht in friedlichen Zeiten lebten und gerade viele der älteren Bewohner konnten sich noch an die letzten Kämpfe erinnern, in denen einige von ihnen sogar selbst hatten zum Schwert greifen müssen. Selten waren reisende Händler zu ihnen in die Stadt gekommen und nur die in den umliegenden Dörfern lebenden Bauern hatten versucht, das, was nicht durch Plünderer oder Söldner zerstört worden war, in der Stadt zu verkaufen.
Seine Familie war eine der wenigen, die es gut hatten. Da in seiner Familie schon seit Generationen das Schmieden gelehrt wurde, hatten die Waren eine besonders gute Qualität. Ihre Dienste wurden von vielen Soldaten für Waffen oder Rüstungen in Anspruch genommen. Da Kalets älterer Bruder die Schmiede übernehmen würde, sollte ihr Vater einmal nicht mehr die nötige Kraft besitzen, hätte Kalet bald den Truppen ihres Landes beitreten müssen. Seine Mutter hatte ihn jedoch angefleht dies nicht zu tun, da sie bereits ihren Bruder und ihren zweitgeborenen Sohn verloren hatte. Die einzige Möglichkeit, die Kalet blieb, um dem Wunsch seiner Mutter folge zu leisten und nicht den Truppen beizutreten, war es, die Stadt zu verlassen, in einer anderen sein Glück zu suchen und von den Soldaten unentdeckt zu leben. Der Gedanke sich jetzt, wo seine Mutter es nicht mehr mitbekommen würde, doch den Truppen anzuschließen war, seitdem er seine Heimat verlassen hatte, sein ständiger Begleiter. Nur wenn er auf seinen Reisen ein neues Dorf oder eine ihm unbekannte Stadt wie Kandre erkunden konnte, wurde der Gedanke weiter in den Hintergrund gedrängt.
Kalet hätte hier, am Rande des Platzes, noch ewig so stehen und einfach nur weiter die Atmosphäre in sich aufnehmen können. Doch war Kalet auch bewusst, dass er noch keine Bleibe für die Nacht hatte und sich, da die Sonne kurz davor stand, die Erde zu begrüßen, erst einmal darum kümmern musste, ein Gasthaus zu finden, welches noch ein freies Zimmer für diese Nacht bot.
Viele Stunden später musste er feststellen, dass dies ein schweres Unterfangen war. Viele der Gasthäuser waren heillos überlaufen und mit den ganzen Reisenden überfordert. Andere baldige Gasthäuser waren noch nicht vollständig errichtet worden und konnten noch keinen Gästen einen Schlafplatz bieten.
Noch immer durch die inzwischen dunklen Gassen laufend, ließ Kalet sich seine gute Laune trotz der aussichtslosen Suche nicht trüben. Während er mit den Händlern reiste, war es nicht selten vorgekommen, dass sie eine Nacht unter freiem Himmel verbringen mussten, da die nächste Stadt oder das nächste Dorf noch zu weit entfernt gewesen waren, als dass sie es noch vor Einbruch der Finsternis hätten erreichen können.
Aus einer Taverne, nicht weit von ihm, drang fröhliches Geplauder und Lachen zu ihm herüber. Selbst jetzt zu dieser späten Stunde war diese kleine Stadt mit Leben gefüllt. Kurzum entschied sich Kalet, die Taverne zu betreten und sich unter die gut gestimmten Menschen zu mischen.
Das Publikum der Taverne war bunt gemischt. Einheimische wie Reisende, Männer wie Frauen, Jung wie Alt tummelten sich um die herumstehenden Tische und die Bar. Viele waren am Trinken. An den hinteren Tischen entdeckte er ein paar Männer beim Glücksspiel. Einige wenige Besucher tanzten auch in der Mitte der Taverne zu der Musik eines Barden, der seine Lieder zum Besten gab. Kalet war nicht zum Tanzen, auch wenn die reizenden Bewegungen der Frauen ihn locken wollten. Ans Glücksspiel wollte er sich heute auch nicht wagen, war ihm bei solchen Spielen das Glück noch nie treu gewesen. So schlängelte er sich langsam seinen Weg durch die umherstehenden Tische und kam schließlich bei der Bar an.
"Neu in der Stadt? Was kann ich dir bringen, Bursche?", sprach ihn auch sogleich der aufmerksame Barmann an.
"Heute erst angekommen. Fällt es so sehr auf?", erwiderte Kalet mit einem Lachen in der Stimme, leicht überrascht, dass der bärtige Mann trotz des starken Andrangs an der Bar ihn sofort bediente.
"Kannst du etwas empfehlen?", fragte Kalet neugierig, was der untersetzte Mann ihm wohl empfehlen würde.
"Nimm ein Bier, das ist hier gut, außerdem gibt es auch nichts anderes", mischte sich der Mann neben ihm sogleich mit einem Lachen in das Gespräch ein. Kurz ließ Kalet seinen Blick über den Mann neben ihm gleiten. Er musste in seinem Alter sein. Vielleicht war sein Nebenmann auch etwas jünger. Sein Haar war blond und Grübchen zierten seine Wangen. Von der Kleidung her schien er ein Bauer zu sein oder etwas Vergleichbares, denn diese waren nicht ausgefallen und aus günstigem Stoff hergestellt. Der Blonde hielt sich an der Bar fest und schwankte leicht. Von dem Bier, welches er ihm empfohlen hatte, schien er selbst schon einige intus zu haben.
"Dann soll es ein Bier sein!", antwortete Kalet vergnügt dem Barmann. Der Blonde grinste. Scheinbar war er zufrieden, dass Kalet das nahm, was dieser ihm empfohlen hatte. Der Barmann nickte knapp und wandte sich sogleich ab, um das Bier für Kalet einzuschenken.
"Es liegt nicht an deinem Verhalten, dass man merkt, dass du neu hier bist. Jeder, den man hier noch nicht gesehen hat, ist neu hier oder nur auf der Durchreise. Es gibt in Kandre nicht viel mehr Einwohner als in einem Dorf und die Leute, die hier leben, kennen sich bereits oder haben sich mindestens zuvor schon mal gesehen", beantwortete der vermutlich Jüngere ihm nun auch noch seine andere Frage, welche Kalet dem Barmann gestellt hatte. Als der Barmann sah, dass Kalet nun einen neuen Gesprächspartner gefunden hatte, stellte er diesem das Bier hin und kassierte es nur noch kurz ab, ehe er sich schon dem nächsten durstigen Kunden widmete.
"Diese Stadt ist faszinierend. Ich bin lange mit einer Gruppe von Händlern gereist und habe auf dem Weg viele faszinierende Städte besucht. Doch Kandre hat mich bereits begeistert, als ich sie schon aus der Ferne gesehen hatte. Man hat schon an den vielen Menschen, die hinein und hinaus gestrebt sind, gesehen, wie lebendig sie ist", Kalet sagte dies und hob dabei seinen Krug, um mit seiner neuen Bekanntschaft anstoßen zu können. Der Blonde grinste erneut. Hob aufgrund von Kalets Geste ebenfalls seinen Krug und stieß seinen Schwungvoll gegen den von Kalet. Zusammen mit dem lauten Klack, welches die Gläser von sich gaben, prostete der Blonde ihm zu und setzte sogleich an, um seinen Krug um noch ein paar große Schlucke Bier zu erleichtern. Kalet tat es ihm gleich und nahm einen ersten Schluck. Er musste feststellen, dass sein Nebenmann recht hatte mit dem Bier. Es schmeckte vortrefflich. Nachdem er den ersten Zug noch zögerlich ob des unbekannten Geschmackes genommen hatte, nahm er gleich noch einen weiteren. Dieses Mal jedoch freute er sich schon zuvor auf den hefigen Geschmack des Bieres und konzentrierte sich für die Dauer des Zuges komplett darauf, das Bier zu genießen.
"Gut?", der Blonde hatte ihn beobachtet und grinste ihn wieder an und begann kehlig zu lachen, nachdem Kalet ihm mit einem knappen Nicken bestätigte. Das Lachen war sehr ansteckend und so stimmte Kalet mit ein. Nachdem das Lachen des Blonden sich wieder so weit gelegt hatte, dass nur noch das schon bekannte Grinsen seine Lippen zierte wandte er sich wieder zu Kalet um und musterte ihn.
"Du bist ziemlich kräftig. Du bist kein Händler, oder?", fragte er dann.
"Nein, gewiss nicht. Wäre ich ein Händler, würde ich die Waren vermutlich entweder selbst behalten wollen oder viel zu günstig verkaufen. Nach nicht mal einem Sommer wäre ich vermutlich schon verarmt. Ich habe meine Ausbildung zum Schmied zu Beginn des letzten Sommers beendet. Nun bin ich auf der Suche nach einer Stadt, in der ich bleiben kann und in der meine gelernten Fähigkeiten von Nutzen sind. Gibt es hier bereits viele Schmiede?"
"Schmied also." Der Blonde fasste sich ans Kinn und schien angestrengt zu überlegen. Kalet musste erneut schmunzeln, da der Blonde aufgrund seiner Trunkenheit zwei Anläufe gebraucht hatte, um sein Kinn zu treffen.
"Gut, dass du hierher gekommen bist. Ich denke nicht, dass es bereits genügend Schmiede hier gibt. Und wenn doch, musst du einfach besser sein als diese", sagte ihm der Blonde nun wieder grinsend.
"Dann kann ich auf jeden Fall hier bleiben. Denn ich bin der Beste", antwortete Kalet mit einem von sich selbst überzeugten Ton, welcher zum einen daher rührte, dass Kalet wirklich ein sehr begabter Schmied war, aber wohl auch zum Teil dem Alkohol zuzuschreiben war.
Während die jungen Männer sich unterhielten merkten sie nicht wie die Taverne sich langsam leerte. Beide hatten sich hin und wieder ein Bier nachbestellt und sich immer wieder fröhlich zugeprostet. Bald schon war auch Kalet betrunken und der Blonde konnte vermutlich nicht mal mehr stehen ohne den Tresen. Als außer ihnen Beiden nur noch drei weitere Gäste in der Schenke waren, beschloss der Barmann sein Geschäft für heute zu schließen. Als dieser seinen Entschluss, dass er nun schließen würde, verkündet hatte, leerte Kalet seinen letzten Krug mit einem langen Zug, schulterte wieder seine Tasche und drehte sich zu dem Blonden um. Dieser schien Probleme zu haben sich von der Bar zu lösen ohne umzufallen.
"He.. ähm… du! Hilf mir mal!" Kalet konnte sich ein erneutes Lachen nicht verkneifen im Anblick der Hilflosigkeit des Blonden.
"Kalet ist mein Name", sagte er und legte sich den Arm des etwas größeren Blonden um die Schultern. Der Blonde ließ sich sogleich von dem Stärkeren stützen.
"Danke Kal. Ich bin Ryke", antwortete Ryke erneut grinsend, schaute dabei aber leicht an Kalet vorbei.
"Kein Problem, Ryke", erwiderte Kalet nur und schleppte sowohl sich als auch seine neue Bekanntschaft nach draußen.
Ein kalter Wind empfing die beiden Trunkenbolde draußen und ließ zumindest Kalet sich wieder etwas klarer im Kopf fühlen.
"In welche Richtung liegt deine Wohnung?" Fragte Kalet unentschlossen in welche Richtung er nun gehen sollte. Von Ryke kam nur eine undeutliche Armbewegung, die wohl nach links deuten sollte. Mit einem Zucken der Schultern wandte Kalet sich also nach links und zog Ryke mit sich mit.
Nach ein paar ähnlich undeutlichen Angaben und kleineren Stopps, da der Blonde erbrechen musste, standen die Beiden nun vor einer kleinen Hütte am Rande der Stadt.
Seine Behausung wiedererkennend löste sich der Blonde nun von dem Braunhaarigen und lief voran in die dunkle Hütte. Kalet folgte ihm ins innere, da er immer noch keine Schlafstätte gefunden hatte, er müde und die Nacht eh schon halb vorbei war.
Im Inneren versuchte er, sich zurechtzufinden. Soweit er erkennen konnte, besaß die Hütte nur einen einzelnen Raum, in dem er aufgrund der Dunkelheit aber keine Einzelheiten ausmachen konnte. Aus der hinteren rechten Ecke erklang ein dumpfer Laut auf den ein zufrieden klingendes Schnaufen folgte und kurz darauf war in der Hütte ein leises Schnarchen zu vernehmen. Rykes Schlafstätte musste sich also dort befinden, sofern er sich nicht einfach auf den Boden zum Schlafen gelegt hatte. Zutrauen würde Kalet es ihm jedenfalls.
Nicht lange überlegend nahm Kalet sich seinen Umhang aus seiner Tasche und tastete sich vorsichtig bis zur nächstgelegenen Wand links von ihm vor. An dieser angekommen, ließ er sich erschöpft auf den Boden plumpsen und rollte sich in seinen warmen Umhang ein. Sogleich merkte er, wie müde und erschöpft er wirklich war. Erst die lange Reise, dann der große Markt, das Erkunden der neuen Stadt und die durchzechte Nacht in der Taverne. Kalet schlief mit einem Grinsen ein.
Kandre ist die perfekte Stadt für mich.
Kalet war zum ersten Mal in Kandre. Als junger Schmied, welcher gerade seine Ausbildung beendet hatte, war er lange von Stadt zu Stadt gereist, um einen Platz zu finden, wo er sich niederlassen konnte. Hier in Kandre hoffte er, einen solchen Ort gefunden zu haben. Das fröhliche Gemüt der Menschen ließ ihn sofort wohlfühlen. Bei den vielen reisenden Händlern sollten die Dienste eines Schmiedes gefragt sein. Blieb nur zu hoffen, dass der Bedarf an Schmieden nicht schon gedeckt war und seine Dienste ihm das nötige Gold einbringen würden. Ein wenig bedauerte er, dass die letzte große Schlacht noch vor seiner Geburt stattgefunden hatte. In der damaligen Zeit hätte er sich als Schmied nie Sorgen darum machen müssen, ob seine Dienste ihm das nötige Gold zum Leben einbringen würden.
Sein Reisegepäck schulternd drehte er sich ein letztes Mal zu den Händlern um, mit denen er die letzten Wochen gereist war, bedankte und verabschiedete sich. Die Händler würden ihn vermissen, denn Kalet war ein angenehmer Reisegefährte gewesen. Oft hatte er den Händlern mit seinem beschwingten Gemüt die dunklen Nächte mit seinen wilden Geschichten erheitert. Zudem ließ Kalet sich auch nicht davon abbringen, den Händlern mit der Last ihren vielen Waren behilflich zu sein.
Ein erfreutes lächeln auf den schmalen Lippen in dem geraden Gesicht ging Kalet nun voran und mischte sich unter die vielen Menschen. Der Marktplatz war größer als zuerst gedacht. Viele Buden oder provisorische Tische reihten sich aneinander. Manche Händler hatte ihre Waren gar nicht erst ausgeladen und verkauften diese aus ihren Wägen heraus. Viele fremdartige Gerüche hingen in der Luft und schmeichelten seiner Nase. Stoffe in bunten leuchtenden Farben wurden ebenso wie vielerlei nützlicher wie unnützer Dinge zur schau gestellt. Die Bauern verkauften ihre heimischen Lebensmittel neben reisenden Händlern mit Waren aus fernen Ländern, die Kalet noch nie zuvor zu Gesicht bekommen hatte und bei denen er sich zum Teil nicht mal vorstellen konnte wofür diese wohl von Nutzen waren. Laut durcheinander rufend forderten die Verkäufer die Vorbeilaufenden zum Kauf ihrer Waren auf. Jeder schien zu versuchen, die neben Männer noch zu übertönen, so dass der Lärm immer weiter anzuwachsen schien.
Gerne hätte Kalet sein Gesamtes kleines Vermögen für diese Dinge eingetauscht und konnte sich nur schwer zurückhalten, nicht hier und da doch etwas zu erwerben, was er am Ende nicht einmal gebrauchen konnte oder von dem er nicht einmal wusste, was es eigentlich war.
Als er einmal über den Markt gelaufen war, lehnte er sich an eines der Häuser, welche an den Platz grenzen und betrachtete noch einmal das Wilde treiben.
Kandre ist eine wundervolle Stadt, dachte Kalet sich glücklich.
Er stammte aus einer Stadt am Rande des Landes. Die Menschen dort waren meistens trostlos und müde. Viele Soldaten waren in seiner Heimatstadt untergebracht gewesen, um die Grenzen des Landes zu beschützen. Die Soldaten so nah bei sich zu haben hatte die Menschen in der Stadt immerzu daran erinnert, dass sie nicht in friedlichen Zeiten lebten und gerade viele der älteren Bewohner konnten sich noch an die letzten Kämpfe erinnern, in denen einige von ihnen sogar selbst hatten zum Schwert greifen müssen. Selten waren reisende Händler zu ihnen in die Stadt gekommen und nur die in den umliegenden Dörfern lebenden Bauern hatten versucht, das, was nicht durch Plünderer oder Söldner zerstört worden war, in der Stadt zu verkaufen.
Seine Familie war eine der wenigen, die es gut hatten. Da in seiner Familie schon seit Generationen das Schmieden gelehrt wurde, hatten die Waren eine besonders gute Qualität. Ihre Dienste wurden von vielen Soldaten für Waffen oder Rüstungen in Anspruch genommen. Da Kalets älterer Bruder die Schmiede übernehmen würde, sollte ihr Vater einmal nicht mehr die nötige Kraft besitzen, hätte Kalet bald den Truppen ihres Landes beitreten müssen. Seine Mutter hatte ihn jedoch angefleht dies nicht zu tun, da sie bereits ihren Bruder und ihren zweitgeborenen Sohn verloren hatte. Die einzige Möglichkeit, die Kalet blieb, um dem Wunsch seiner Mutter folge zu leisten und nicht den Truppen beizutreten, war es, die Stadt zu verlassen, in einer anderen sein Glück zu suchen und von den Soldaten unentdeckt zu leben. Der Gedanke sich jetzt, wo seine Mutter es nicht mehr mitbekommen würde, doch den Truppen anzuschließen war, seitdem er seine Heimat verlassen hatte, sein ständiger Begleiter. Nur wenn er auf seinen Reisen ein neues Dorf oder eine ihm unbekannte Stadt wie Kandre erkunden konnte, wurde der Gedanke weiter in den Hintergrund gedrängt.
Kalet hätte hier, am Rande des Platzes, noch ewig so stehen und einfach nur weiter die Atmosphäre in sich aufnehmen können. Doch war Kalet auch bewusst, dass er noch keine Bleibe für die Nacht hatte und sich, da die Sonne kurz davor stand, die Erde zu begrüßen, erst einmal darum kümmern musste, ein Gasthaus zu finden, welches noch ein freies Zimmer für diese Nacht bot.
Viele Stunden später musste er feststellen, dass dies ein schweres Unterfangen war. Viele der Gasthäuser waren heillos überlaufen und mit den ganzen Reisenden überfordert. Andere baldige Gasthäuser waren noch nicht vollständig errichtet worden und konnten noch keinen Gästen einen Schlafplatz bieten.
Noch immer durch die inzwischen dunklen Gassen laufend, ließ Kalet sich seine gute Laune trotz der aussichtslosen Suche nicht trüben. Während er mit den Händlern reiste, war es nicht selten vorgekommen, dass sie eine Nacht unter freiem Himmel verbringen mussten, da die nächste Stadt oder das nächste Dorf noch zu weit entfernt gewesen waren, als dass sie es noch vor Einbruch der Finsternis hätten erreichen können.
Aus einer Taverne, nicht weit von ihm, drang fröhliches Geplauder und Lachen zu ihm herüber. Selbst jetzt zu dieser späten Stunde war diese kleine Stadt mit Leben gefüllt. Kurzum entschied sich Kalet, die Taverne zu betreten und sich unter die gut gestimmten Menschen zu mischen.
Das Publikum der Taverne war bunt gemischt. Einheimische wie Reisende, Männer wie Frauen, Jung wie Alt tummelten sich um die herumstehenden Tische und die Bar. Viele waren am Trinken. An den hinteren Tischen entdeckte er ein paar Männer beim Glücksspiel. Einige wenige Besucher tanzten auch in der Mitte der Taverne zu der Musik eines Barden, der seine Lieder zum Besten gab. Kalet war nicht zum Tanzen, auch wenn die reizenden Bewegungen der Frauen ihn locken wollten. Ans Glücksspiel wollte er sich heute auch nicht wagen, war ihm bei solchen Spielen das Glück noch nie treu gewesen. So schlängelte er sich langsam seinen Weg durch die umherstehenden Tische und kam schließlich bei der Bar an.
"Neu in der Stadt? Was kann ich dir bringen, Bursche?", sprach ihn auch sogleich der aufmerksame Barmann an.
"Heute erst angekommen. Fällt es so sehr auf?", erwiderte Kalet mit einem Lachen in der Stimme, leicht überrascht, dass der bärtige Mann trotz des starken Andrangs an der Bar ihn sofort bediente.
"Kannst du etwas empfehlen?", fragte Kalet neugierig, was der untersetzte Mann ihm wohl empfehlen würde.
"Nimm ein Bier, das ist hier gut, außerdem gibt es auch nichts anderes", mischte sich der Mann neben ihm sogleich mit einem Lachen in das Gespräch ein. Kurz ließ Kalet seinen Blick über den Mann neben ihm gleiten. Er musste in seinem Alter sein. Vielleicht war sein Nebenmann auch etwas jünger. Sein Haar war blond und Grübchen zierten seine Wangen. Von der Kleidung her schien er ein Bauer zu sein oder etwas Vergleichbares, denn diese waren nicht ausgefallen und aus günstigem Stoff hergestellt. Der Blonde hielt sich an der Bar fest und schwankte leicht. Von dem Bier, welches er ihm empfohlen hatte, schien er selbst schon einige intus zu haben.
"Dann soll es ein Bier sein!", antwortete Kalet vergnügt dem Barmann. Der Blonde grinste. Scheinbar war er zufrieden, dass Kalet das nahm, was dieser ihm empfohlen hatte. Der Barmann nickte knapp und wandte sich sogleich ab, um das Bier für Kalet einzuschenken.
"Es liegt nicht an deinem Verhalten, dass man merkt, dass du neu hier bist. Jeder, den man hier noch nicht gesehen hat, ist neu hier oder nur auf der Durchreise. Es gibt in Kandre nicht viel mehr Einwohner als in einem Dorf und die Leute, die hier leben, kennen sich bereits oder haben sich mindestens zuvor schon mal gesehen", beantwortete der vermutlich Jüngere ihm nun auch noch seine andere Frage, welche Kalet dem Barmann gestellt hatte. Als der Barmann sah, dass Kalet nun einen neuen Gesprächspartner gefunden hatte, stellte er diesem das Bier hin und kassierte es nur noch kurz ab, ehe er sich schon dem nächsten durstigen Kunden widmete.
"Diese Stadt ist faszinierend. Ich bin lange mit einer Gruppe von Händlern gereist und habe auf dem Weg viele faszinierende Städte besucht. Doch Kandre hat mich bereits begeistert, als ich sie schon aus der Ferne gesehen hatte. Man hat schon an den vielen Menschen, die hinein und hinaus gestrebt sind, gesehen, wie lebendig sie ist", Kalet sagte dies und hob dabei seinen Krug, um mit seiner neuen Bekanntschaft anstoßen zu können. Der Blonde grinste erneut. Hob aufgrund von Kalets Geste ebenfalls seinen Krug und stieß seinen Schwungvoll gegen den von Kalet. Zusammen mit dem lauten Klack, welches die Gläser von sich gaben, prostete der Blonde ihm zu und setzte sogleich an, um seinen Krug um noch ein paar große Schlucke Bier zu erleichtern. Kalet tat es ihm gleich und nahm einen ersten Schluck. Er musste feststellen, dass sein Nebenmann recht hatte mit dem Bier. Es schmeckte vortrefflich. Nachdem er den ersten Zug noch zögerlich ob des unbekannten Geschmackes genommen hatte, nahm er gleich noch einen weiteren. Dieses Mal jedoch freute er sich schon zuvor auf den hefigen Geschmack des Bieres und konzentrierte sich für die Dauer des Zuges komplett darauf, das Bier zu genießen.
"Gut?", der Blonde hatte ihn beobachtet und grinste ihn wieder an und begann kehlig zu lachen, nachdem Kalet ihm mit einem knappen Nicken bestätigte. Das Lachen war sehr ansteckend und so stimmte Kalet mit ein. Nachdem das Lachen des Blonden sich wieder so weit gelegt hatte, dass nur noch das schon bekannte Grinsen seine Lippen zierte wandte er sich wieder zu Kalet um und musterte ihn.
"Du bist ziemlich kräftig. Du bist kein Händler, oder?", fragte er dann.
"Nein, gewiss nicht. Wäre ich ein Händler, würde ich die Waren vermutlich entweder selbst behalten wollen oder viel zu günstig verkaufen. Nach nicht mal einem Sommer wäre ich vermutlich schon verarmt. Ich habe meine Ausbildung zum Schmied zu Beginn des letzten Sommers beendet. Nun bin ich auf der Suche nach einer Stadt, in der ich bleiben kann und in der meine gelernten Fähigkeiten von Nutzen sind. Gibt es hier bereits viele Schmiede?"
"Schmied also." Der Blonde fasste sich ans Kinn und schien angestrengt zu überlegen. Kalet musste erneut schmunzeln, da der Blonde aufgrund seiner Trunkenheit zwei Anläufe gebraucht hatte, um sein Kinn zu treffen.
"Gut, dass du hierher gekommen bist. Ich denke nicht, dass es bereits genügend Schmiede hier gibt. Und wenn doch, musst du einfach besser sein als diese", sagte ihm der Blonde nun wieder grinsend.
"Dann kann ich auf jeden Fall hier bleiben. Denn ich bin der Beste", antwortete Kalet mit einem von sich selbst überzeugten Ton, welcher zum einen daher rührte, dass Kalet wirklich ein sehr begabter Schmied war, aber wohl auch zum Teil dem Alkohol zuzuschreiben war.
Während die jungen Männer sich unterhielten merkten sie nicht wie die Taverne sich langsam leerte. Beide hatten sich hin und wieder ein Bier nachbestellt und sich immer wieder fröhlich zugeprostet. Bald schon war auch Kalet betrunken und der Blonde konnte vermutlich nicht mal mehr stehen ohne den Tresen. Als außer ihnen Beiden nur noch drei weitere Gäste in der Schenke waren, beschloss der Barmann sein Geschäft für heute zu schließen. Als dieser seinen Entschluss, dass er nun schließen würde, verkündet hatte, leerte Kalet seinen letzten Krug mit einem langen Zug, schulterte wieder seine Tasche und drehte sich zu dem Blonden um. Dieser schien Probleme zu haben sich von der Bar zu lösen ohne umzufallen.
"He.. ähm… du! Hilf mir mal!" Kalet konnte sich ein erneutes Lachen nicht verkneifen im Anblick der Hilflosigkeit des Blonden.
"Kalet ist mein Name", sagte er und legte sich den Arm des etwas größeren Blonden um die Schultern. Der Blonde ließ sich sogleich von dem Stärkeren stützen.
"Danke Kal. Ich bin Ryke", antwortete Ryke erneut grinsend, schaute dabei aber leicht an Kalet vorbei.
"Kein Problem, Ryke", erwiderte Kalet nur und schleppte sowohl sich als auch seine neue Bekanntschaft nach draußen.
Ein kalter Wind empfing die beiden Trunkenbolde draußen und ließ zumindest Kalet sich wieder etwas klarer im Kopf fühlen.
"In welche Richtung liegt deine Wohnung?" Fragte Kalet unentschlossen in welche Richtung er nun gehen sollte. Von Ryke kam nur eine undeutliche Armbewegung, die wohl nach links deuten sollte. Mit einem Zucken der Schultern wandte Kalet sich also nach links und zog Ryke mit sich mit.
Nach ein paar ähnlich undeutlichen Angaben und kleineren Stopps, da der Blonde erbrechen musste, standen die Beiden nun vor einer kleinen Hütte am Rande der Stadt.
Seine Behausung wiedererkennend löste sich der Blonde nun von dem Braunhaarigen und lief voran in die dunkle Hütte. Kalet folgte ihm ins innere, da er immer noch keine Schlafstätte gefunden hatte, er müde und die Nacht eh schon halb vorbei war.
Im Inneren versuchte er, sich zurechtzufinden. Soweit er erkennen konnte, besaß die Hütte nur einen einzelnen Raum, in dem er aufgrund der Dunkelheit aber keine Einzelheiten ausmachen konnte. Aus der hinteren rechten Ecke erklang ein dumpfer Laut auf den ein zufrieden klingendes Schnaufen folgte und kurz darauf war in der Hütte ein leises Schnarchen zu vernehmen. Rykes Schlafstätte musste sich also dort befinden, sofern er sich nicht einfach auf den Boden zum Schlafen gelegt hatte. Zutrauen würde Kalet es ihm jedenfalls.
Nicht lange überlegend nahm Kalet sich seinen Umhang aus seiner Tasche und tastete sich vorsichtig bis zur nächstgelegenen Wand links von ihm vor. An dieser angekommen, ließ er sich erschöpft auf den Boden plumpsen und rollte sich in seinen warmen Umhang ein. Sogleich merkte er, wie müde und erschöpft er wirklich war. Erst die lange Reise, dann der große Markt, das Erkunden der neuen Stadt und die durchzechte Nacht in der Taverne. Kalet schlief mit einem Grinsen ein.
Kandre ist die perfekte Stadt für mich.