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Die Zeichnergilde nimmt Urlaub oder: das Badeseefiasko

von S-tothe-G
Kurzbeschreibung
GeschichteHumor / P12 / Gen
13.08.2023
13.08.2023
1
3.030
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13.08.2023 3.030
 
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Beitrag zum Bookshelf Schreibwettbewerb im Juli/August 2023. Die Aufgabe und das Setting sind hier zu finden: https://blog.fanfiktion.de/blog/11323/bookshelf-schreibwettbewerb-2023-2/
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Die Luft flimmert über dem heißen Asphalt, keine Menschenseele ist zu sehen und ein Steppenläufer rollt durch die leeren Straßen, während die Sonne bereits am Vormittag erbarmungslos auf die Erde niederbrennt. Nur aus einem nicht allzu weit entfernten Freibad sind bereits Kindergeschrei und Lachen zu vernehmen. Wie jedes Jahr zu dieser Zeit freut man sich nur an die zwei Wochen über die hochsommerlichen Temperaturen, bevor man sich doch lieber wünscht, man wäre ein Pinguin.
Nicht anders geht es da der Zeichnergilde von Fanfiktion.de.

„Sooo waaaarm …“ stöhnt W4rriorC4t kraftlos und presst sich noch näher an die Kellerwand, um etwas Kühle von den Steinen abzubekommen.
„Ihr habt eure eigenen Zimmer …“, grummelt Cylis, die verantwortungsvoll ihren Schimmel pflegt und sich dann wieder vor den einzigen Ventiltor setzt. Dank der Wärme und der hohen Luftfeuchtigkeit, für die Cylis in ihrer Ecke des Kellers sorgt, gedeihen ihre diversen Schimmelkulturen prächtig.
Weder Cylis noch Sleipnira zeigen sich begeistert darüber, dass ihr Keller von den meisten Mitzeichnerinnen okkupiert wurde, da hier die Temperaturen noch unter 30 Grad bleiben. Darüber hinaus hat Sleipnira diesem Umstand auch zu verdanken, dass der Rest der Zeichnergilde ein Brauverbot von Tränken jeder Art erlassen hat, für die Sleipnira den Kessel anheizen müsste.
„Ich habe Durst!“, jammert Arenja, zu energielos, um sich wirklich etwas zu trinken zu holen.
„In der Küche steht noch ein ganzer Kasten“, erwidert Sleipnira mit einem wehmütigen Blick auf die leeren Wasserflaschen, die im Keller verteilt liegen.
Moonys, die sich bereits vollständig verflüssigt hat, macht es nicht leichter. Leise plätschernd schwappt sie in kleinen Wellen an Arenja vorbei, wodurch diese sich nur noch durstiger fühlt.
„Wir könnten auch einfach Moonys trinken“, philosophiert die Zeichnerin und leckt sich über die trockenen Lippen.
„Hol doch einfach den Kasten Wasser aus der Küche“, seufzt W4rriorC4t und drückt unglücklich ihren leeren und überhaupt nicht mehr kühlen Edelstahltopf an sich. Die Packung ungekochter Nudeln darin knistert leise.
„Ich werde auf keinen Fall nach oben gehen!“ Schlagartig setzt die schwarzhaarige Zeichnerin sich aufrecht hin und schaut W4rriorC4t mit blitzenden Augen und bebenden Nasenflügeln an. „Falls du es vergessen hast, ich habe eine sehr ausgeprägte Sonnenallergie! Was, wenn jemand einen der Rollländen geöffnet hat?!“
Empört blickt Arenja in unbeeindruckte Gesichter und desinteressierte Mienen. Niemand kann es mehr hören, dass die junge Frau bei jeder Gelegenheit ihre Sonnenallergie anspricht oder vorschiebt. Sleipnira hingegen ist vielmehr damit beschäftigt, ihre Katzen im Dämmerlicht des Gewölbekellers zu suchen. Lediglich mit den Augen versteht sich, denn schon bloßes Aufstehen führt zu starkem Schwitzen. Doch die Fellknäule verstecken sich regelrecht vor ihrer Katzenmama. Ihnen ist viel zu warm zum Kuscheln. Sleinira seufzt und zuckt zusammen, wobei ihr die Tarokarten aus der Hand rutschen, als Arenja unerwartet loskreischt.
„Jemand HAT einen Rollladen geöffnet!“
Mit panisch aufgerissenen Augen deutet sie zur Treppe, über die gerade eine schwarze Gestalt hinunterschreitet. Kohlrabenschwarze Hände stützen sich auf dem Treppengeländer ab. Einfach alles an ihr ist schwarz – von den schulterlangen glatten Haaren, die ständig in einer leichten Brise zu wehen scheinen, über die mandelförmigen Augen mit den geschwungenen Wimpern bis hin zu den Zehennägeln. Wobei Fuyukko trotz der tiefen, undurchdringbaren Schwärze, die jede Zelle ihres Körpers bei direkter Sonneneinstrahlung annimmt, irgendwie auch ziemlich durchscheinend aussieht.
„Entspann dich, Ari“, unterbricht sie ihre Kollegin trocken und verzieht den Mund. „Bin selbst schuld. Dachte, ich könnte vor die Tür gehen. Ich bleib dann jetzt mal hier, bis ich wieder normal aussehe.“
Und damit verschmilzt Fuyukko mit den Schatten in einer der Kellerecken.
Nachdem sich damit nun fast alle Mitglieder der Zeichnergilde in dem doch eigentlich geräumigen Gewölbekeller versammelt haben, wird es auch hier langsam warm, stickig und vor allem laut. Während Cylis auf ihrem Bett sitzt, mit Musik in den Ohren an einer Skizze zeichnet und hin und wieder ihren Ventilator gegen die anderen verteidigt, sieht Sleipnira sich dem vollen Chaos ausgesetzt:
Einer jammernden Arenja, einer vor sich hin blubbernden Moonys und W4rriorC4t, die angefangen hat, die trockenen Nudeln klackernd zu sortieren und dabei leise mitzählt. Als wäre das nicht genug, wuselt Fuyukko in ihrer Geistergestalt in den Schatten des Kellers herum und führt scheinbar Selbstgespräche. Und inmitten dieses konstanten Gemurmels und Geraschels versucht Sleipnira, sich auf ihre Tarotkarten zu konzentrieren.
„RUHE JETZT!“
Augenblicklich herrscht Stille in dem Gewölbekeller. Alle Augen richten sich auf die Zeichnerin, von der man Ausbrüche dieser Art nur selten erlebt. Die blauen Augen der Hexe funkeln zurück.
„Raus aus dem Keller. Alle.“ Keiner regt sich. Arjena steht sogar der Mund offen. „SOFORT!“ Schlagartig wuseln W4rriorC4t, Arenja, Fuyukko und Moonys die Treppe nach oben, wobei Cylis von dem Strom mitgerissen wird.

„Und nun?“ Ratlos hat sich die Truppe auf dem Absatz der Kellertreppe versammelt und weiß nichts mit sich anzufangen.
„Wisst ihr was?“, frustriert schmeißt W4rriorC4t die Nudeln zurück in den Topf, in dem sie munter klimpern. „Was haltet ihr von Urlaub? Es ist viel zu heiß, um sich zu konzentrieren, mein Tablet ist permanent überhitzt und außerdem hatten wir noch nie Urlaub!“
Die anderen nicken mit vor Begeisterung glitzernden Augen.
„Und wie bekommen wir Urlaub?“, stellt schließlich Cylis die entscheidende Frage und das Glitzern erlischt.
„Habe ich da Urlaub gehört?“
LastDragonofoldtimes, die in ihrer Drachengestalt gut genug mit der Wärme klarkommt, dass sie nicht einmal die Rollläden in ihrem Zimmer schließt, kommt gerade die Treppe in ihrer Menschengestalt herunter und hat das Gespräch der anderen aufgeschnappt. Ohne ihre Mitzeichnerinnen weiter zu beachten, schreitet sie zu dem antiquierten Telefon, das auf einem Schränkchen im Flur steht. Sie dreht an der Wählscheibe, flucht, dreht erneut und hält sich dann den Hörer an das Ohr.
„Helge“, sagt Dragon nach einer kurzen Pause in den Hörer. „Wir hätten gerne Urlaub. Und zwar sofort.“
Der Rest rückt näher an Dragon heran, um Helges Antwort zu verstehen.
„Ihr wollt bitte was? Und wer macht dann die ganze Arbeit? Ich habe gerade achtzehn neue Anfragen für Buchrücken bekommen und das Design für die Preise des Schreibwettbewerbs nächsten Monat sind auch noch nicht fertig.“
Dragon hält kurz die Hand vor den Hörer, während Helge weiter aufzählt, warum er ihnen keinen Urlaub geben kann. Oder will.
„Wollen denn überhaupt alle mit?“, fragt sie flüsternd an Arenja gewandt.
„Also ich gehe ganz bestimmt nicht mit!“, echauffiert diese sich direkt lautstark und wirft die Hände in die Luft.
„Ich bleibe auch hier“, tönt es aus dem Keller, zusammen mit dem Geräusch von knisternden Holzscheiten und klirrenden Trankfläschchen.
Auch Fuyukko schließt sich an, die lieber an dem Ort bleibt, an dem sie beschworen wurde. Außerdem schauen die Leute immer so komisch.
„Helge“, unterbricht LastDragonofoldtimes den Redeschwall des Mannes. „Arenja, Fuyukko und Sleipnira würden auf den sofortigen Urlaub verzichten. Sie können ganz normal weiterarbeiten. Also kann der Rest von uns ja wohl auf der Stelle Urlaub haben.“
Dragons Gesichtsausdruck nach zu urteilen sieht Helge das anders. Doch sie gibt nicht auf und hält gegen die Argumente des Administrators der Zeichnergilde.
„Es gibt einen gesetzlichen Anspruch und der besagt, dass …“
„Ist ja gut“, gibt Helge sich schließlich mit einem Seufzen geschlagen. „Ihr habt Urlaub. Es ist viel zu warm zum Diskutieren …“ Und damit legt er auf.
Cylis sieht kurz aus, als würde sie vor Freude durch das Haus hüpfen wollen, entschließt sich in Anbetracht der Hitze jedoch dagegen. Auch Moonys, W4rriorC4t und Dragon lächeln matt, aber zufrieden. Trotz der Wärme schaffen die Zeichnerinnen es, in Rekordzeit eine Tasche mit Handtüchern, Badesachen, Sonnencreme und Wasser zu packen.
„Hat jemand meine Taucherbrille gesehen?“
Auch Carakreativ hat ihr durch dicke Farbschichten gut isoliertes Zimmer verlassen und ist mit von der Partie, um den Urlaub mit den anderen zu genießen. Letztlich denkt noch jemand an Picknickdecken und etwas zu essen und für Moonys hat sich ein Eimer gefunden, in dem Cylis sie nun trägt. Dann macht sich die kleine Gruppe schon auf den Weg zu einem nahegelegenen Bahnhof. Ihr Ziel: Ein großer Badesee, ungefähr eine halbe Stunde Zugfahrt entfernt. Eine halbe Stunde, die in dem gut klimatisierten Abteil sehr genossen wird.

Als die fünf aus dem Zug steigen, trifft sie eine Wand aus Hitze. Die Temperaturen haben es geschafft, noch mehr zu steigen. Moonys schwappt aufgeregt in ihrem Eimer.
„Langsam“, ermahnt Cylis sie, während die Truppe sich dem Ufer des Sees nähert. Wie zu erwarten war, sind sie nicht die Einzigen, welche die Idee mit dem Badesee hatten. Doch dank Dragon und ihrer großen Gestalt, sowie etwas Ellebogeneinsatz und Gefauche, schafft es die Gruppe, sich ein freies Plätzchen auf der großen Wiese zu ergattern.
Cylis schüttet Moonys vorsichtig in den See und lediglich anhand des Kielwassers ist erkennbar, wie sie in rasantem Tempo durch das Wasser pflügt. Nachdem Cara und Cylis sich gegenseitig mit Sonnencreme eingecremt haben, machen die beiden sich auf, um Moonys Gesellschaft zu leisten. Dragon zieht es lieber vor, am Ufer entlangzulaufen und neue Errungenschaften für ihren Hort zu suchen und W4rriorC4t füllt ihren Topf mit Wasser aus dem See. Der Versuch, das Wasser in dem Topf durch die Sonne und heiße Steine zum Kochen zu bringen, erscheint nicht einmal besonders abwegig.
„Dragon, W4rriorC4t, kommt auch in den See!“, ruft Carakreativ fröhlich winkend, während neben ihr ein zierlicher hellblauer Seehund auftaucht und ebenfalls mit der Flosse winkt. Wie sich herausstellt, hat Cylis sich, nachdem sie in das Seewasser eingetaucht ist, in diesen verwandelt. Auf Caras anderer Seite winkt enthusiastisch eine kleine Welle – Moonys.
Also gesellen sich auch die anderen beiden Zeichnerinnen im Wasser dazu und alle planschen fröhlich durch das erfrischende Nass.

Eine Stunde später liegen die vier Zeichnerinnen, und Moonys in ihrem Eimer, wieder auf ihrer Picknickdecke und lassen sich von der Sonne trocknen.
„Haben wir etwas zu essen dabei?“, fragt Carakreativ und blickt zu der großen Tasche. Das Schwimmen und Herumplanschen hat die junge Frau hungrig gemacht. Auch die anderen bemerken nun ihren Hunger und so wird der Inhalt der Tasche geplündert. Zum Vorschein kommen Chips, Marschmallows, Cracker und Schokolade, aber auch Gemüse und Kräuterbaguette.
„Ist denn kein Käse oder Fleisch dabei?“, fragt Dragon sichtlich enttäuscht und rümpft die Nase beim Anblick des Gemüses. Doch die Wahrheit ist, dass es bei der Hitze nicht leicht ist, keine Lebensmittel einzupacken, die schnell verderben könnten.
„Schokolade war auch keine gute Idee …“, bemerkt Carakreativ und hält die geschmolzene Tafel Schokolade hoch, deren Verpackung sich über ihre Handflächen nach unten biegt.
„Oh Mann, dabei hatte ich mich so auf S’Mores  gefreut …“
Betrübt blickt W4rriorC4t auf die Marshmallows, doch fast augenblicklich wird sie von einer Familie auf einer nahegelegenen Picknickdecke abgelenkt, die eine Schüssel Nudelsalat auspackt.
„Aber wollen wir das jetzt einfach roh essen?“, merkt Cylis an und hält das ungebackene Baguette in der Hand. Wie die Sonnenblumen zur Sonne drehen sich alle Köpfe nun zu Dragon. Abwehrend hebt diese beide Hände.
„Denkt nicht einmal daran. Ich kann auch nichts dafür, dass niemand an einen Grill gedacht hat.“
„Wir haben nicht einmal einen Grill“, bemerkt W4rriorC4t, die mit einer kleinen Schüssel Nudeln zurückkommt. „Außerdem haben wir auch nie einen gebraucht. Sonst stellst du dich auch nicht so an.“
„Entschuldige?“ Entrüstet schnaubt LastDragonofoldtimes und verschränkt die Arme. „Sonst sind wir auch nicht an einem öffentlichen See zwischen hundert anderen Menschen. Und außerdem ist es sehr kränkend, dass ihr mich wie selbstverständlich als eure persönliche Grillmeisterin anseht!“

Eine halbe Stunde und drei Hundeblicke später hat schließlich jeder einen gegrillten Maiskolben in der Hand, ein etwas dunkles Kräuterbaguette liegt in der Mitte auf der Decke und Dragon versucht unauffällig die Rauchschwaden loszuwerden, die ihr aus Mund und Nase kommen. Und so verbringt die Zeichnergilde ihren ersten Urlaubstag badend im kühlen See, umständlich S’Mores essend und entspannt dösend in der Nachmittagssonne oder im Schatten der Bäume. Langsam aber sicher geht dieser schöne und entspannende Tag seinem Ende entgegen – denken die Zeichnerinnen. Denn gerade als Dragon vom Ufer aus nach Cylis, Moonys, W4rriorC4t und Carakreativ ruft, ob sie nicht bald nach Hause gehen möchten, zieht eine Unruhe am angrenzenden Parkplatz ihre Aufmerksamkeit auf sich. Irritiert zieht Dragon eine silberne Augenbraue hoch, denn die Truppe, die Staub aufwirbelnd auf den See zustürmt, sieht nach vielem aus, aber nicht nach einer Gruppe Badegäste. Nun haben auch die anderen dieses seltsame Schauspiel bemerkt und kommen aus dem Wasser. Doch gerade als Cylis etwas dazu sagen will, hat der Mob sie erreicht und umzingelt.
„Wow, das ist W4rriorC4t, ich glaube es ja nicht! Sie hat sogar ihren Topf mit Nudeln dabei!“
„Und das muss LastDragonofoldtimes sein! Viel größer als ich erwartet hatte!“
„Carakreativ, bitte male etwas auf das Shirt hier!“
Rücken an Rücken stehend haben die Zeichnerinnen nicht wirklich eine Chance, der Meute zu entkommen und erst nach und nach wird ihnen bewusst, wen sie hier vor sich haben: Das sind alles Autorinnen und Autoren von Fanfiktion.de! Aber was machen sie hier an dem See? Doch bevor jemand diese Frage stellen kann, werden Carakreativ ein T-Shirt und ein Edding ins Gesicht gedrückt, Dragon wird am Arm davongezogen, auch W4rriorC4t wird mit Blättern und Stiften ausstaffiert und Cylis bedrängen einige weibliche Fans, ob sie nicht in ihrer Robbengestalt Kunststücke vorführen kann. Moonys ist die Einzige, die das kalt lässt, da niemand sie erkennt. Also verdrückt sie sich unauffällig in den See und wird eins mit dem Wasser.
„Bitte, wir haben heute einen freien Tag!“, versucht Dragon die Menge verzweifelt zu beruhigen, doch sie hat keine Chance. Gerade als sie einen Block samt Stift zu seinem Besitzer zurückschiebt, kommt eine große Brünette auf sie zu und schüttelt enthusiastisch ihre Hand.
„Richtig cool dich kennenzulernen, LastDragonofoldtimes!“
„Dragon reicht völlig“, murmelt die Zeichnerin und versucht, ihre Hand wiederzubekommen.
„Ich bin S, also, S-tothe-G! Ganz ehrlich, ich liiiiiebe dein Artwork. Und als wir gehört haben, dass ihr hier seid, musste ich natürlich herkommen. Ich wollte dich nämlich fragen, würdest du mir ein Tattoo entwerfen? Es soll hier her …“
Ungefragt krempelt die junge Frau ihr Shirt hoch und zeigt auf ihren nackten Rücken. Absolut perplex steht Dragon da und kann nichts anders mehr tun, als verstört zu nicken. Doch S plappert munter weiter.
„Ich dachte so an fünfzehn Zentimeter von der Größe, was meinst du? Oh man, ich kann es noch gar nicht glauben. Eigentlich haben wir das alles KatieC zu verdanken, sie hat die Busse organisiert.“
S krempelt ihr Shirt wieder runter und deutet erst in Richtung des Parkplatzes, auf dem drei Reisebusse stehen, und dann auf eine weitere Brünette in der Menge.
Besagte KatieC steht derweil bei W4rriorC4t und hält ihr eine fröhlich schlabbernde französische Bulldogge in das Gesicht.
„Kannst du mir bitte ein Bild von meinem Hund malen? Auf Leinwand. Für mein Wohnzimmer, weißt du?“
Suchend blickt sie sich um.
„Schatz?!“ Ein fehl am Platz wirkender Mann taucht aus der Masse von Menschen auf und balanciert dabei eine Auswahl verschieden großer Leinwände.
„Hätte es nicht eine Leinwand auch getan?“, fragt er atemlos, doch KatieC hört ihm gar nicht zu. Sie erklärt der Zeichnerin mit Begeisterung, wie sie sich das Bild von ihrem Hund, ihrem Mann und sich vorstellt.

Eine gefühlte Ewigkeit später hört Dragon, wie KatieC die Menge zusammentrommelt.
„Liebe Zeichnerinnen, macht bitte die letzten Striche und Schattierungen! Die Busse warten. Liebe Autorinnen und Autoren, bitte findet euch auch wieder an dem Bus ein, mit dem ihr hergekommen seid, danke! In fünfzehn Minuten ist Abfahrt!“
Gemurmel macht sich breit, Cylis werden ein Stift und das halbfertige Bild eines Einhorns abgenommen, letzte Selfies werden gemacht und Hände geschüttelt. Und dann sind die Autorinnen und Autoren von Fanfiktion.de unter der Führung der jungen Frau namens KatieC wieder genauso schnell verschwunden, wie sie aufgetaucht waren.
Verdutzt bleiben vier atemlose Zeichnerinnen zurück, die sich schließlich erschöpft auf den Boden fallen lassen.
„Ich habe eine halbe Stunde lang Saltos im Wasser machen müssen.“ Cylis ist vor Erschöpfung den Tränen nahe.
„Jemand bat mich, ihm den Oberschenkel zu signieren…“, fährt W4rriorC4t fort und verzieht das Gesicht.
Carakreativ schnipst vor Dragons Gesicht, die völlig weggetreten scheint. „Wo ist eigentlich Moonys?“
Moonys hat sich wieder in ihrem Eimer eingefunden und wogt gelassen vor und zurück. Sie freut sich darauf zuhause, wenn es dunkel und kühler ist, erst einmal eine Runde Grillen zu jagen.
Es fängt bereits an zu dämmern, doch die Zeichnerinnen fühlen sich noch nicht bereit, zusammenzupacken.
„Wie?“, ist das Einzige, das Dragon schließlich sagt. Die anderen zucken nur mit den Schultern.
Niemand von ihnen sieht Helge, der hinter dem Gebüsch am Rand des Parkplatzes hockt. Zufrieden schließt er den Blog von Fanfiktion.de, auf dem er wenige Stunden zuvor den Urlaubsort der Zeichnerinnen verkündet hatte. Er reibt sich die Hände angesichts seines gelungenen Plans, dann ist er verschwunden.

Völlig ausgelaugt und erschöpft kommen Dragon, Cara, W4rriorC4t und Cylis schließlich wieder zuhause an. Moonys, die mittlerweile wieder eine feste Form angenommen hat, pfeift gut gelaunt vor sich hin und verschwindet im Garten des Hauses, um Grillen zu jagen.
„Wie war euer Tag?“, fragt Sleipnira, die gerade in der Küche steht und glücklich ihre Katzen auf der Theke füttert.
Carakreativ und Dragon verschwinden nur wortlos die Treppe nach oben in ihre Zimmer und Cylis drückt ihre Mitbewohnerin. Fragend schaut Sleipnira zu W4rriorC4t.
„Das willst du nicht wissen“, sagt diese, als unerwartet das Telefon klingelt.
„Ja?“
„Helge hier“, klingt es von Besagtem durch den Hörer. „Ich dachte, ich erkundige mich mal, wie euer erster Urlaubstag so war. Habt ihr euch gut erholen können? Ihr glaubt es ja gar nicht, wie sich hier bei mir die Anfragen stapeln. Ich …“
W4rriorC4t legt wortlos auf und seufzt. Damit ist dann auch klar, wer den seltsamsten Überfall heute zu verantworten hat.
„Glaub mir“, sie blickt um das Eck in die Küche zu Sleipnira, die Cylis‘ Kopf streichelt, „du möchtest keinen Urlaub. Helge schafft es, dass ein Tag Urlaub schlimmer wird als eine Woche Arbeit.“
Und damit verschwindet die Zeichnerin ebenfalls in ihr Zimmer. Verblüfft bleibt Sleinira zurück.
„Cylis, was …?“ Doch ihre Freundin ist an ihrer Schulter eingeschlummert und so bleibt Sleipnira nur mit einem Haufen Fragen darüber zurück, was die Gruppe an diesem Tag bloß erlebt hat.

Im Fanfiktion.de Headquarter hört Helge nur das Tuten der unterbrochenen Verbindung. Grinsend lehnt er sich in seinem Sessel zurück, streichelt den roten Kater auf seinem Schoß und beglückwünscht sich zu dem genialen Plan. So schnell würde die Zeichnergilde sicherlich keinen Urlaub mehr beantragen wollen.
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