Sinners
von Usagichan
Kurzbeschreibung
Pater Levi Ackermann, Exorzist des Vatikans, muss nach Irland um einen jungen Priester bei einem harten Fall zu helfen. Kein Problem für den erfahrenen Exorzisten doch leider stellt sich das irische Kloster als Tor zur Hölle heraus und die beiden bekommen es mit ihren eigenen Dämonen zu tun? Oder steckt da mehr hinter? Lest selbst .:) Riren, Ereri, LevixEren
GeschichteMystery, Erotik / P18 / MaleSlash
Eren Jäger
Irvin / Erwin Smith
Levi Ackermann / Rivaille
31.07.2023
27.09.2023
9
31.947
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Dieses Kapitel
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18.09.2023
3.288
Engel
»Ob ich Gebete kenne?« Erwin Smith sah ihn mit seinen blauen Augen an und wirkte mehr als verwirrt. Levi nickte.
»Gebete. Das Ave Maria?«, hakte er nach und Erwin verneinte mit einem Kopfschütteln. »Ich kann das Vater unser. Geht das auch?« Es war nicht, das beste Gebet für einen Exorzismus aber besser als nichts.
»In – und auswendig?«, horchte er nach.
»Mehr oder weniger« , schmunzelte der Blonde und Levi konnte nur mit seinem Kopf schütteln. Hatte er nicht erzählt, dass er Christ war? Wieso in Gottes Namen konnte er dann keines der einfachsten Gebete?
»Hat man Ihnen denn in der Schule gar nichts beigebracht?«
Ein schelmisches Grinsen legte sich auf die schmalen, fein geschwungenen Lippen seins Gegenübers und verlieh ihm einen beinahe jugendlichen Ausdruck. »Im Religionsunterricht hab ich öfter mal ein Nickerchen gemacht aber in allen anderen Fächern war ich gut!« Als der diese Aussage hörte, wandte er sich kopfschüttelnd ab und richtete seinen Blick auf Eren, der ihn mit großen Augen ansah.
»Wir bleiben hier vor der Tür und beten für Rose`s Seele«, er zeigte auf einen vorbereiteten Stuhl, direkt neben der Zimmertür.
»Wäre es nicht besser wenn wir uns im Zimmer befinden?«
Abermals schüttelte der Schwarzhaarige seinen Kopf und sagte mit ernster Stimme: »So lange wir den Namen nicht haben, versuchen wir den Dämon in diesen vier Wänden zu halten. Die Gefahr ist zu groß, dass er in einen von uns fährt!« Abwartend ließ er seinen Blick zwischen Erwin und Eren hin und her wandern. Beide Männer nickten zustimmend. »Verstanden!« Kam es vom Hausverwalter, der sich gleich auf den Stuhl setzte, seinen vorbereiteten Rosenkranz aus der Hosentasche zupfte und die Hände ineinander faltete.
»Ich fange an! Sie beide sollten sich auf die Suche nach dem Namen machen!« Levi hob anerkennend seine Augenbrauen und nickte zustimmend. Der Mann hatte Eier – das musste er ihm lassen. Ohne zu zögern, hatte er sich bereit erklärt, einen Kampf gegen das Böse zu bestreiten. Nicht viele Menschen würden den Schneid haben so etwas zu tun.
»Sehr gut«, entgegnete Levi ihm.
»Trotzdem würde ich mich später noch mal mit Ihnen gerne unterhalten, wir wurden gestern ja unterbrochen«, Erwin war ihm sehr nahegekommen und sah im ernst in die Augen. Seine Stimme war leiser geworden und kurz schweifte sein Blick ab. Levi folgte diesem und erkannte, dass Erwin dem jungen Priester einen sehr ... missbilligenden Blick zuwarf.
»Sicher«, antwortete Levi und da richtete sich Erwins Augenmerk wieder auf ihn. »Wenn Pater Eren an der Reihe ist, reden wir!« Dann wandte er sich Eren zu, der ihn mit wachen Augen ansah.
»Wir gehen in die Bibliothek«, sagte er zu seinem jungen Mitstreiter, welcher sich nickend in Bewegung setzte und neben ihm herlief. Levi warf einen Blick nach hinten über seine Schulter, um sicherzugehen, dass Erwin brav betete – was er auch tat. Dennoch ... irgendwas war seltsam an der ganzen Sache. Doch es wollte ihm nicht einfallen, was es war.
Die Hauseigene, kirchliche Bibliothek befand sich im Untergeschoss, zwischen Gemeinschaftsraum und Bastelraum. Als Levi sie betrat, konnte er feststellen, dass sich hier, schon seit Ewigkeiten nichts mehr getan zu haben schien. Sehr viele Bücher lagen aufgeklappt herum, Bücher Stapel waren umgefallen, und in den Regalen hatte sich eine dicke Staubschicht gebildet. Verwundert darüber blickte er sich um und fuhr mit seinem Finger eine lange Kommode entlang, um den Staub dort zu entfernen. Er hob seine Hand und warf einen Blick auf die schmutzigen Finger. Mit Daumen und Zeigefinger verrieb er den Staub und schüttelte ihn dann schließlich ab. Er wandte sich an seinen jungen Priester Kollegen und sah ihn neugierig an.
»Wann ist die Bibliothek das letzte Mal benutzt worden?« Der Junge mit den
großen Augen, sah ihn an und hob bloß seine Schultern. Er schien genauso ahnungslos zu sein wie Levi selbst.
»Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich bin ja noch nicht allzu lange hier und diese ganzen Geschehnisse, laufen ja schon eine ganze Weile. Es kann sein, dass die Äbtissin die letzte war, die sich in dem Raum hier aufgehalten hat«,
erklärte Eren und sah ihn entschuldigend an. So, als ob er sagen wollte, dass es ihm leidtat, dass er keine nützlichere Information zu bieten hatte.
»Ah«, ein weiteres Mal sah sich Levi noch mal um, bevor er sagte: »Verstehe.« Doch im Grunde genommen verstand er rein gar nichts. Alles in und an diesem Haus war ihm ein großes Rätsel.
Die Bibliothek war gut gefüllt, und wenn sie aufgeräumt wäre, würde Levi sich hier durchaus wohl fühlen. Es gab eine Menge theologische Fachliteratur zu lesen und auch die ein oder anderen kirchlichen Romane waren vor zu finden. Doch das war zweitrangig, das konnte er sich anschauen, wenn das alles vorbei war. Wie heiß es so schön? Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Zielstrebig lief er auf ein Regal zu, in dem er das gewünschte Buch vermutete.
Mit seinen Augen suchte er Reihe für Reihe ab, und in der untersten fand er schließlich das gesuchte Werk. Langsam ging er in die Hocke, ums aus dem Regal zu nehmen. Auch hier lag eine sehr dicke Staubschicht drauf und kurz fragte Levi sich, weshalb die Äbtissin sich nicht diesem Buch zugewandt hatte. Es war das Buch Henoch. Jedenfalls eine einzelne Ausgabe davon. In diesem Buch waren sehr viele Erzählungen und Überlieferung der gefallenen Engel, Dämonen und Nephilim zu finden. Levi schlug die erste Seite auf und wunderte sich kurz darüber, dass sie vollgekritzelt war. Er konnte überhaupt nicht erkennen, was das Gekrakel darstellen sollte. Kurz ärgerte er sich darüber, dass ein so wichtiges Buch als Malvorlage gedient hatte aber das musste er hinten anstellen. Er nahm das Buch und ging zu einem der vielen Tische. Eren und er setzen sich an den Tisch und Levi begann zu blättern.
Sie hatten Glück. Das hier war sogar eins der Exemplare, die mit Bildern und Grafiken versehen worden war.
»Schaust du bitte noch nach, was es noch unter Dämonologie zu finden gibt«, wies er seinen jüngeren Kollegen an, der sich sofort erhob und sich auf den Weg machte. In der Zwischenzeit las Levi die ersten Zeilen. Es gab nichts, was er aus diesem Buch noch nicht kannte. Er fand es sehr interessant. Denn in diesem Buch ging es wirklich nur um den Fall der Engel und die darauf folgenden Resultate.
Es gehörte nicht zur Bibel und umfasste eine umfangreiche Sammlung und Traditionen apokalyptischen Ausmaßes samt Entstehungsdaten.
Dies ist der Tatsache zu verdanken, dass das Buch Teil des biblischen Kanons der äthiopischen Kirche ist. Die äthiopische Übersetzung beruhte auf griechischen und aramäischen Henoch Schriften. In den jüdischen Kanon oder denjenigen anderer christlicher Kirchen wurde das Werk nicht aufgenommen. Was Levi wirklich sehr schade fand, denn es beinhaltete unglaublich interessante Geschichten. Auch hier war vieles natürlich Interpretations- und Auslegungssache, genau wie es mit der Bibel der Fall war. Dennoch zählte es zu Levis Lieblingswerken.
Nach nur wenigen Augenblicken war Eren zurückgekehrt - mit drei weiteren Büchern im Schlepptau.
»Ich habe hier zwei Lexika der Dämonen gefunden, eins davon scheint sehr alt zu sein und das andere ist eine These zu der Offenbarung. Vielleicht kann uns das irgendwie weiterhelfen«, erklärte der Junge, und Levi nickte zustimmend. Er deutete ihn mit einem Kopfnicken an, dass er sich setzen sollte. »Schau du dir das Lexikon an und schreib dir bitte alles auf was auf unseren Dämon zu treffen könnte«, meinte Levi und widmete sich wieder seiner Lektüre. »Kein Problem, das kriege ich hin!«
Levi war froh, dass sein Kollege so fleißig und engagiert war.
Eine ganze Weile saßen die beiden schweigend da. Hin und wieder war nur das Umblättern einer Seite zu hören und das Geräusch, welches ein Kugelschreiber machte, wenn man auf einem Blatt Papier etwas aufschrieb. Ansonsten herrschte eine wohltuende Stille um sie herum. Levi genoss es sehr und versuchte, sich wirklich zu beeilen, aber seine Müdigkeit, schien ihn immer mehr zu übermannen. Seine Augen brannten und er kämpfte gegen ein Gähnen an. Er wollte dem Jungen nicht zeigen, dass er erschöpft war und eigentlich ins Bett gehörte.
»Ich glaube, ich brauche kurz eine Pause«, sagte er und hielt sich die Hand vor den Mund, weil er gähnen musste. Dabei machte sein Kiefergelenk ein unangenehmes Geräusch. Er war wirklich angespannt.
»Ja es ist ungemein anstrengend, die ganze Zeit auf gedruckte Buchstaben zu starren. Ich hab auch noch nichts nennenswertes gefunden. Tatsächlich treffen viele Attribute unseres Dämons auf sehr viele mächtige Gefallene Engel zurück. Aber ich kann noch keinen Unterschied erkennen, leider!«
Eren schien frustriert darüber zu sein, aber Levi ermutigte ihn, in dem er sagte: »Wir werden herausfinden, wer uns hier das Leben zur Hölle macht und dann werden wir dafür sorgen, dass er uns alle für alle Male in Ruhe lässt!« Levi war wirklich davon überzeugt, dass sie es schaffen konnten. Denn das war sein Job und er war ziemlich gut darin. Das hier war nicht der erste mächtige Dämon, mit dem er es zutun hatte, und würde auch nicht der letzte bleiben.
Eren schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln und senkte seinen Blick. Er schien über irgendetwas nachzudenken, und öffnete immer wieder seinen Mund, schloss ihn sogleich. Doch schließlich fasste der Junge sich ein Herz und stellte Levi eine Frage: »Was hat der Dämon eigentlich zu Ihnen gesagt? Das haben sie uns gar nicht erzählt.«
Überrascht von dieser Frage, lehnte Levi sich zurück und verschränkte seine Arme vor seiner Brust. Da hatte der Junge recht. Er hatte ihnen wirklich nicht erzählt, was der Dämon zu ihm gesagt hatte. Warum er das nicht getan hatte? Er konnte es nicht genau sagen. Es war ja nichts dabei. Die Bestie hatte ihm lediglich gedroht und Blödsinn von sich gegeben. Nichts Neues für ihn.
»Er hat wirres Zeug gesprochen und hat versucht, mir weiß zu machen, dass er stärker als ich sei«, fing er an zu erzählen. Dann stürzte er sich mit den Unterarmen auf dem Tisch ab und richtete seinen Blick auf seinen jungen Kollegen, der ihn neugierig ansah. Er hörte ihm aufmerksam zu, das konnte Levi an der Art, wir er ihn ansah Gut erkennen.
»Dann hat er noch gemeint, dass er meinetwegen hier wäre und dass meine Seele und uns alles, was mich ausmacht, ihm gehören würde – sogar mein Herz«, schmunzelte Levi etwas.
Das hörte sich wirklich verrückt an. Auch auf Erens Lippen schlich sich ein süffisantes Lächeln.
»Man könnte ja fast glauben, der Dämon sei in Sie verliebt«, sagte er leise. Levis Mundwinkel zuckten etwas nach oben. Das war wirklich das Verrückteste, was er je gehört hatte. Absurder ging es in seinen Augen nicht mehr. Eine äußerst wahnwitzige Vorstellung.
»Verliebt? Ein Dämon?«
Jetzt war es Eren, der sich entspannt zurücklehnte und seine Arme vor seiner Brust verschränkte. Er blickte nach oben, studierte den Kronleuchter, der sich direkt über ihnen befand, und nagte an seiner Unterlippe herum. Das konnte Levi sehr gut erkennen. Dann sah der Junge ihn wieder an und sagte: »Er ist ein gefallener Engel. Engel können lieben, sie können sogar sehr eifersüchtig sein«, sagte Eren mit einer so ernsten Stimme, dass Levis Mundwinkel sich wieder nach unten zogen. Er meinte es wirklich ernst.
»Ist das so?«
Eren nickte und sah ihn unverwandt an.
»Warum sollten wir das den Dämonen abstreiten? Sie alle sind nur aus dem Himmel geworfen worden, weil sie zu menschlich geworden waren. Weil sie ihre Liebe teilen und nicht nur Gott allein schenken wollten. Sie streiten, sie sind eifersüchtig und lieben genauso inbrünstig wie ein Mensch«, erzählte der Junge seine Theorie und Levi fand es gleichermaßen interessant wie abstoßend, dass ein junger Priester so über Dämonen dachte. Er selbst hatte sich noch nie über die Gefühle eines gefallenen Engels Gedanken gemacht. Wieso auch? Sie waren nicht umsonst aus dem Himmel verbannt worden.
Dann beugte auch Eren sich etwas vor, die Unterarme auf der Tischkante abstützend und sah Levi verheißungsvoll an.
»Wer sind wir, dass wir über Gottes Geschöpfe zu richten dürfen? Sind wir besser als sie? Sind du oder ich ohne Sünde?«
Als Levi diese Worte hörte, spürte er, wie sich ein dicker Kloß in seinem Hals bildete. Nein, er war ganz bestimmt nicht ohne Sünde. Gerade jetzt nicht. Nicht in diesem Moment, in dem er sich mit Eren alleine in einer Bibliothek befand. Wieder richtete sich sein Blick auf Erens volle Lippen, die so wunderschön, rötlich, fast schon rosig glänzten. Die Augen, so leuchtend grün wie die einer Katze. Wunderschöne hohe Wangenknochen, verliehen dem hübschen Gesicht, ein fast engelsgleiches Aussehen. Nein, er war wirklich nicht ohne Sünde. Doch er wusste ganz genau, dass es falsch war, diese Art von Gedanken zu haben. Dass es nicht richtig war, seinen Kollegen so anzusehen. Nicht, weil sie beide Männer waren. Das war absoluter Schwachsinn. Liebe war Liebe. Dass nur Mann und Frau, sich lieben und aneinander hingeben dürfen, war noch ein altertümlicher Gedanke, der sich Gott sei Dank, so langsam, aber sicher aus den Köpfen der Menschen verabschiedete. Die Sünde war, dass Levi und Eren sich Gott verschworen haben und er selbst hatte keine bessere Idee, als sich in diesen schweren Zeiten an den Gedanken zu laben, wie es wohl wäre, diese wunderschöne Lippen mit den seinen zu verschließen.
»Sie wurden nicht umsonst aus dem Himmel vertrieben«, wandte Levi sehr ernst ein. Er musste wirklich auf andere Gedanken kommen.
»Diese Engel, die jetzt Dämonen sind, die unter Luzifer dienen, hatten so schädliche Sachen getan, die man nicht mal aussprechen konnte. Unter dem Einfluss der Engel, die sich mit Menschen zusammen getan, Geschlechtsverkehr mit ihnen hatten, ob Mann oder Frau, haben sich so viele Perversionen gebildet… Die man eigentlich gar nicht aufzählen darf«, erwähnte Levi und spürte, wie ihm die Hitze ins Gesicht stieg.
»Wer entscheidet denn was pervers ist? Solange beide Parteien damit einverstanden sind, ist doch alles gut?«
Levi glaubte, sich verhört zu haben. Meinte der Bengel das ernst?
»Es gibt ethische Regeln, die nicht zu brechen sind. Es gibt Gesetze, die bestimmte Handlungen verurteilen weil sie verboten sind«, meinte er schnell. Er spürte, wie ihn dieses ganze Thema irgendwie aufwühlte.
»Ist es verboten, wenn zwei Männer sich lieben? Ist das pervers?« Levis Augen weiteten sich minimal, doch er ließ seine Maske der Gleichgültigkeit auf. Eren sollte nicht merken, dass gerade dieses Thema sehr schwierig für Levi war. Dass er selbst Männer gut fand und früher begehrt hatte.
»Ich rede nicht von Homosexualität. Es gibt so viele Dinge, die dämonischer Natur sind. Sex mit Tieren, mit Kindern und all das. Es ist nicht normal, wenn sich jemand an einer Leiche vergeht. Es ist abartig, wenn ein erwachsener Mensch, schmutzige Gedanken einem Kleinkind gegenüber hat«, sagte Levi deutlich.
»Natürlich, das verstehe ich. Dagegen sage ich nichts. Dafür gibt es Richter, die sich darum kümmern und diese Menschen bestrafen. Wovon ich spreche, ist von dem, was die Bibel uns auferlegt hat. Zum Beispiel das, dass Männer nicht bei Männer liegen sollen. Frauen nicht bei einer anderen Frau. Was ist mit dem Zölibat? Warum ist es uns Priestern nicht gestattet, einen anderen Menschen mindestens genauso sehr zu lieben wie Gott? Ich habe das nie wirklich verstanden und ich verstehe es auch bis heute nicht. Schauen Sie doch sich einfach mal die evangelische Kirche an oder die Protestanten. Pastoren heiraten und gründen Familien. Das ist alles kein Problem. Warum werden wir Katholiken so in unserer Menschlichkeit beschnitten?«
Levi presste seine Lippen aufeinander und legte sich seine nächsten Worte zurecht. Doch eigentlich hatte er dem nichts entgegenzusetzen. Selbstverständlich hatte er sich das auch sehr oft gefragt. Es war nicht so, dass er sich rumhuren wollte. Dass er leichten Sex mit irgendeinem Mann in einer Bar haben wollte. Doch auch er sehnte sich manchmal nach körperlicher Nähe. Nach einem Menschen, dem er vertrauen und all seine Probleme und Sorgen erzählen konnte. Nach einem Menschen, bei dem er sich fallen lassen konnte. Sicher, Levi hatte gute Freunde, ging oft zur Beichte und konnte dort als seine Last, die ihn auf seinen Schultern ruhte, loswerden. Aber es war nicht das gleiche wie mit einem festen Partner.
Ein bitteres Lächeln zeichnete sich auf den Lippen von Eren ab. Levi erkannte, dass der Junge zweifelte. Dass er sich ebenso nach jemanden sehnte, wie er selbst. Er griff nach Erens Hand und drückte sie.
»Ich weiß, dass es für einen so jungen Mann wie dich, nicht immer einfach ist. Dass sehr viele Versuchungen an jeder Ecke lauern-«
Eren lachte frustriert auf.
»Sie glauben gar nicht was für große Versuchungen«, hauchte er und senkte wieder seinen Blick. Levi nickte zustimmend. Er wusste genau, wie Eren sich fühlte. Jeder Priester hinterfragte im Laufe seines Lebens seine Entscheidung. Das war normal. Es war menschlich.
»Du hast ein Gelübde abgelegt, doch du kannst dich immer noch dagegen entscheiden. Nur bist du dann kein Priester mehr«, schlug er Eren vor. Der junge schüttelte seinen Kopf.
»Ich will doch Priester sein. Wirklich. Ich liebe diesen Beruf, und ich denke, ich bin dafür gemacht. Ich liebe Gott«, sagte er und lächelte Levi breit an. Als sich ihre Blicke trafen, fuhr ein heftiger Ruck durch Levis Körper. Erens Augen waren so wunderschön und er drohte jeden Moment darin zu versinken.
»Wo ist also dann dein Problem? Ich meine, wenn du möchtest, dann kannst du mit mir darüber reden. Du musst es auch nicht als Beichte sehen, ich bin ein guter Zuhörer und wenn ich kann, dann werde ich dir mit Rat und Tat zur Seite stehen«, bot Levi selbstlos an. Dabei wusste er, dass es für ihn nicht gut war, sich in Erens Nähe aufzuhalten.
In Erens Augen blitzte etwas auf. Levi konnte nicht ganz genau benennen, was es war. Einen Moment lang schauten sie sich einfach nur an. Er hatte das Gefühl, dass die Zeit zwischen stehen geblieben war. Dass die Luft um sie herum vibrierte und surrte. Es war elektrisierend. Der schwarzhaarige Priester spürte eine enorme Anziehungskraft, dem Jungen gegenüber, und zum ersten Mal hatte er das Gefühl, dass es seinem Gegenüber nicht anders erging. Denn ohne viel Federlesen, rückte der Junge näher und näher und Levi wich nicht aus. Er blieb einfach sitzen und wartete ab. Eren in die Augen schauend, spürte er seinen heftigen Herzschlag.
»Ich…«, begann der Junge und schluckte schwer. Er leckte sich über die vollen Lippen und Levi hatte das Gefühl von innen heraus zu verbrennen. Sein Blut floss wie kochendes Wasser durch seine Adern, und er spürte, wie ihm immer heißer wurde. Die Kratzer im Nacken juckten unangenehm, doch er wagte es nicht, sich zu bewegen. Zu heftig war dieser eine Moment, in dem er sich jetzt befand.
»Ja?«, hauchte Levi und spürte, dass er selbst näher an Eren herangerückt war. Plötzlich war da eine Hand auf Levi’s Knie. Er senkte seinen Blick, sah die schönen, filigranen Finger, die auf seinem Bein ruhten und sich nicht bewegten. Wieder tat er nichts dagegen. Er ließ es zu und wusste nicht mehr, wo oben und unten war, als er Erens Atem gegen seinen Lippen hauchen spürte.
»ich möchte es so sehr«, die Stimme des Jungen war so leise, so frustriert und unterdrückt. Doch Levi hatte jedes Wort verstanden. Jedes einzelne Wort hatte es auf seine Körpermitte abgesehen und zielte darauf.
»Was möchtest du«, stellte Levi die Fragen aller Fragen, obwohl er die Antwort längst wusste. Eren hob seinen Blick und der Ältere spürte, wie er zu flüssigem Wachs wurde. Die Augen, so unglaublich leuchtend und verführerisch. Noch nie hatte er so schöne Augen gesehen. Noch nie hatte er ein engelsgleiches Gesicht gesehen wie das von Eren. Er war perfekt. Wie ein Gemälde oder eine in steingemeißelte engelsgleiche Figur. Der ältere Priester fiel immer mehr für den Jungen und konnte sich der Kraft der Anziehung nicht entziehen. Wollte er das überhaupt? Er sollte es zumindest versuchen. Da war jedoch eine kleine düstere Stimme in ihm, die ihm sagte, dass er sich das nehmen sollte was er begehrte.
»Dich«, wisperte der junge Priester, bevor er seine Lippen gegen die von Levi drückte.
»Ob ich Gebete kenne?« Erwin Smith sah ihn mit seinen blauen Augen an und wirkte mehr als verwirrt. Levi nickte.
»Gebete. Das Ave Maria?«, hakte er nach und Erwin verneinte mit einem Kopfschütteln. »Ich kann das Vater unser. Geht das auch?« Es war nicht, das beste Gebet für einen Exorzismus aber besser als nichts.
»In – und auswendig?«, horchte er nach.
»Mehr oder weniger« , schmunzelte der Blonde und Levi konnte nur mit seinem Kopf schütteln. Hatte er nicht erzählt, dass er Christ war? Wieso in Gottes Namen konnte er dann keines der einfachsten Gebete?
»Hat man Ihnen denn in der Schule gar nichts beigebracht?«
Ein schelmisches Grinsen legte sich auf die schmalen, fein geschwungenen Lippen seins Gegenübers und verlieh ihm einen beinahe jugendlichen Ausdruck. »Im Religionsunterricht hab ich öfter mal ein Nickerchen gemacht aber in allen anderen Fächern war ich gut!« Als der diese Aussage hörte, wandte er sich kopfschüttelnd ab und richtete seinen Blick auf Eren, der ihn mit großen Augen ansah.
»Wir bleiben hier vor der Tür und beten für Rose`s Seele«, er zeigte auf einen vorbereiteten Stuhl, direkt neben der Zimmertür.
»Wäre es nicht besser wenn wir uns im Zimmer befinden?«
Abermals schüttelte der Schwarzhaarige seinen Kopf und sagte mit ernster Stimme: »So lange wir den Namen nicht haben, versuchen wir den Dämon in diesen vier Wänden zu halten. Die Gefahr ist zu groß, dass er in einen von uns fährt!« Abwartend ließ er seinen Blick zwischen Erwin und Eren hin und her wandern. Beide Männer nickten zustimmend. »Verstanden!« Kam es vom Hausverwalter, der sich gleich auf den Stuhl setzte, seinen vorbereiteten Rosenkranz aus der Hosentasche zupfte und die Hände ineinander faltete.
»Ich fange an! Sie beide sollten sich auf die Suche nach dem Namen machen!« Levi hob anerkennend seine Augenbrauen und nickte zustimmend. Der Mann hatte Eier – das musste er ihm lassen. Ohne zu zögern, hatte er sich bereit erklärt, einen Kampf gegen das Böse zu bestreiten. Nicht viele Menschen würden den Schneid haben so etwas zu tun.
»Sehr gut«, entgegnete Levi ihm.
»Trotzdem würde ich mich später noch mal mit Ihnen gerne unterhalten, wir wurden gestern ja unterbrochen«, Erwin war ihm sehr nahegekommen und sah im ernst in die Augen. Seine Stimme war leiser geworden und kurz schweifte sein Blick ab. Levi folgte diesem und erkannte, dass Erwin dem jungen Priester einen sehr ... missbilligenden Blick zuwarf.
»Sicher«, antwortete Levi und da richtete sich Erwins Augenmerk wieder auf ihn. »Wenn Pater Eren an der Reihe ist, reden wir!« Dann wandte er sich Eren zu, der ihn mit wachen Augen ansah.
»Wir gehen in die Bibliothek«, sagte er zu seinem jungen Mitstreiter, welcher sich nickend in Bewegung setzte und neben ihm herlief. Levi warf einen Blick nach hinten über seine Schulter, um sicherzugehen, dass Erwin brav betete – was er auch tat. Dennoch ... irgendwas war seltsam an der ganzen Sache. Doch es wollte ihm nicht einfallen, was es war.
Die Hauseigene, kirchliche Bibliothek befand sich im Untergeschoss, zwischen Gemeinschaftsraum und Bastelraum. Als Levi sie betrat, konnte er feststellen, dass sich hier, schon seit Ewigkeiten nichts mehr getan zu haben schien. Sehr viele Bücher lagen aufgeklappt herum, Bücher Stapel waren umgefallen, und in den Regalen hatte sich eine dicke Staubschicht gebildet. Verwundert darüber blickte er sich um und fuhr mit seinem Finger eine lange Kommode entlang, um den Staub dort zu entfernen. Er hob seine Hand und warf einen Blick auf die schmutzigen Finger. Mit Daumen und Zeigefinger verrieb er den Staub und schüttelte ihn dann schließlich ab. Er wandte sich an seinen jungen Priester Kollegen und sah ihn neugierig an.
»Wann ist die Bibliothek das letzte Mal benutzt worden?« Der Junge mit den
großen Augen, sah ihn an und hob bloß seine Schultern. Er schien genauso ahnungslos zu sein wie Levi selbst.
»Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich bin ja noch nicht allzu lange hier und diese ganzen Geschehnisse, laufen ja schon eine ganze Weile. Es kann sein, dass die Äbtissin die letzte war, die sich in dem Raum hier aufgehalten hat«,
erklärte Eren und sah ihn entschuldigend an. So, als ob er sagen wollte, dass es ihm leidtat, dass er keine nützlichere Information zu bieten hatte.
»Ah«, ein weiteres Mal sah sich Levi noch mal um, bevor er sagte: »Verstehe.« Doch im Grunde genommen verstand er rein gar nichts. Alles in und an diesem Haus war ihm ein großes Rätsel.
Die Bibliothek war gut gefüllt, und wenn sie aufgeräumt wäre, würde Levi sich hier durchaus wohl fühlen. Es gab eine Menge theologische Fachliteratur zu lesen und auch die ein oder anderen kirchlichen Romane waren vor zu finden. Doch das war zweitrangig, das konnte er sich anschauen, wenn das alles vorbei war. Wie heiß es so schön? Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Zielstrebig lief er auf ein Regal zu, in dem er das gewünschte Buch vermutete.
Mit seinen Augen suchte er Reihe für Reihe ab, und in der untersten fand er schließlich das gesuchte Werk. Langsam ging er in die Hocke, ums aus dem Regal zu nehmen. Auch hier lag eine sehr dicke Staubschicht drauf und kurz fragte Levi sich, weshalb die Äbtissin sich nicht diesem Buch zugewandt hatte. Es war das Buch Henoch. Jedenfalls eine einzelne Ausgabe davon. In diesem Buch waren sehr viele Erzählungen und Überlieferung der gefallenen Engel, Dämonen und Nephilim zu finden. Levi schlug die erste Seite auf und wunderte sich kurz darüber, dass sie vollgekritzelt war. Er konnte überhaupt nicht erkennen, was das Gekrakel darstellen sollte. Kurz ärgerte er sich darüber, dass ein so wichtiges Buch als Malvorlage gedient hatte aber das musste er hinten anstellen. Er nahm das Buch und ging zu einem der vielen Tische. Eren und er setzen sich an den Tisch und Levi begann zu blättern.
Sie hatten Glück. Das hier war sogar eins der Exemplare, die mit Bildern und Grafiken versehen worden war.
»Schaust du bitte noch nach, was es noch unter Dämonologie zu finden gibt«, wies er seinen jüngeren Kollegen an, der sich sofort erhob und sich auf den Weg machte. In der Zwischenzeit las Levi die ersten Zeilen. Es gab nichts, was er aus diesem Buch noch nicht kannte. Er fand es sehr interessant. Denn in diesem Buch ging es wirklich nur um den Fall der Engel und die darauf folgenden Resultate.
Es gehörte nicht zur Bibel und umfasste eine umfangreiche Sammlung und Traditionen apokalyptischen Ausmaßes samt Entstehungsdaten.
Dies ist der Tatsache zu verdanken, dass das Buch Teil des biblischen Kanons der äthiopischen Kirche ist. Die äthiopische Übersetzung beruhte auf griechischen und aramäischen Henoch Schriften. In den jüdischen Kanon oder denjenigen anderer christlicher Kirchen wurde das Werk nicht aufgenommen. Was Levi wirklich sehr schade fand, denn es beinhaltete unglaublich interessante Geschichten. Auch hier war vieles natürlich Interpretations- und Auslegungssache, genau wie es mit der Bibel der Fall war. Dennoch zählte es zu Levis Lieblingswerken.
Nach nur wenigen Augenblicken war Eren zurückgekehrt - mit drei weiteren Büchern im Schlepptau.
»Ich habe hier zwei Lexika der Dämonen gefunden, eins davon scheint sehr alt zu sein und das andere ist eine These zu der Offenbarung. Vielleicht kann uns das irgendwie weiterhelfen«, erklärte der Junge, und Levi nickte zustimmend. Er deutete ihn mit einem Kopfnicken an, dass er sich setzen sollte. »Schau du dir das Lexikon an und schreib dir bitte alles auf was auf unseren Dämon zu treffen könnte«, meinte Levi und widmete sich wieder seiner Lektüre. »Kein Problem, das kriege ich hin!«
Levi war froh, dass sein Kollege so fleißig und engagiert war.
Eine ganze Weile saßen die beiden schweigend da. Hin und wieder war nur das Umblättern einer Seite zu hören und das Geräusch, welches ein Kugelschreiber machte, wenn man auf einem Blatt Papier etwas aufschrieb. Ansonsten herrschte eine wohltuende Stille um sie herum. Levi genoss es sehr und versuchte, sich wirklich zu beeilen, aber seine Müdigkeit, schien ihn immer mehr zu übermannen. Seine Augen brannten und er kämpfte gegen ein Gähnen an. Er wollte dem Jungen nicht zeigen, dass er erschöpft war und eigentlich ins Bett gehörte.
»Ich glaube, ich brauche kurz eine Pause«, sagte er und hielt sich die Hand vor den Mund, weil er gähnen musste. Dabei machte sein Kiefergelenk ein unangenehmes Geräusch. Er war wirklich angespannt.
»Ja es ist ungemein anstrengend, die ganze Zeit auf gedruckte Buchstaben zu starren. Ich hab auch noch nichts nennenswertes gefunden. Tatsächlich treffen viele Attribute unseres Dämons auf sehr viele mächtige Gefallene Engel zurück. Aber ich kann noch keinen Unterschied erkennen, leider!«
Eren schien frustriert darüber zu sein, aber Levi ermutigte ihn, in dem er sagte: »Wir werden herausfinden, wer uns hier das Leben zur Hölle macht und dann werden wir dafür sorgen, dass er uns alle für alle Male in Ruhe lässt!« Levi war wirklich davon überzeugt, dass sie es schaffen konnten. Denn das war sein Job und er war ziemlich gut darin. Das hier war nicht der erste mächtige Dämon, mit dem er es zutun hatte, und würde auch nicht der letzte bleiben.
Eren schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln und senkte seinen Blick. Er schien über irgendetwas nachzudenken, und öffnete immer wieder seinen Mund, schloss ihn sogleich. Doch schließlich fasste der Junge sich ein Herz und stellte Levi eine Frage: »Was hat der Dämon eigentlich zu Ihnen gesagt? Das haben sie uns gar nicht erzählt.«
Überrascht von dieser Frage, lehnte Levi sich zurück und verschränkte seine Arme vor seiner Brust. Da hatte der Junge recht. Er hatte ihnen wirklich nicht erzählt, was der Dämon zu ihm gesagt hatte. Warum er das nicht getan hatte? Er konnte es nicht genau sagen. Es war ja nichts dabei. Die Bestie hatte ihm lediglich gedroht und Blödsinn von sich gegeben. Nichts Neues für ihn.
»Er hat wirres Zeug gesprochen und hat versucht, mir weiß zu machen, dass er stärker als ich sei«, fing er an zu erzählen. Dann stürzte er sich mit den Unterarmen auf dem Tisch ab und richtete seinen Blick auf seinen jungen Kollegen, der ihn neugierig ansah. Er hörte ihm aufmerksam zu, das konnte Levi an der Art, wir er ihn ansah Gut erkennen.
»Dann hat er noch gemeint, dass er meinetwegen hier wäre und dass meine Seele und uns alles, was mich ausmacht, ihm gehören würde – sogar mein Herz«, schmunzelte Levi etwas.
Das hörte sich wirklich verrückt an. Auch auf Erens Lippen schlich sich ein süffisantes Lächeln.
»Man könnte ja fast glauben, der Dämon sei in Sie verliebt«, sagte er leise. Levis Mundwinkel zuckten etwas nach oben. Das war wirklich das Verrückteste, was er je gehört hatte. Absurder ging es in seinen Augen nicht mehr. Eine äußerst wahnwitzige Vorstellung.
»Verliebt? Ein Dämon?«
Jetzt war es Eren, der sich entspannt zurücklehnte und seine Arme vor seiner Brust verschränkte. Er blickte nach oben, studierte den Kronleuchter, der sich direkt über ihnen befand, und nagte an seiner Unterlippe herum. Das konnte Levi sehr gut erkennen. Dann sah der Junge ihn wieder an und sagte: »Er ist ein gefallener Engel. Engel können lieben, sie können sogar sehr eifersüchtig sein«, sagte Eren mit einer so ernsten Stimme, dass Levis Mundwinkel sich wieder nach unten zogen. Er meinte es wirklich ernst.
»Ist das so?«
Eren nickte und sah ihn unverwandt an.
»Warum sollten wir das den Dämonen abstreiten? Sie alle sind nur aus dem Himmel geworfen worden, weil sie zu menschlich geworden waren. Weil sie ihre Liebe teilen und nicht nur Gott allein schenken wollten. Sie streiten, sie sind eifersüchtig und lieben genauso inbrünstig wie ein Mensch«, erzählte der Junge seine Theorie und Levi fand es gleichermaßen interessant wie abstoßend, dass ein junger Priester so über Dämonen dachte. Er selbst hatte sich noch nie über die Gefühle eines gefallenen Engels Gedanken gemacht. Wieso auch? Sie waren nicht umsonst aus dem Himmel verbannt worden.
Dann beugte auch Eren sich etwas vor, die Unterarme auf der Tischkante abstützend und sah Levi verheißungsvoll an.
»Wer sind wir, dass wir über Gottes Geschöpfe zu richten dürfen? Sind wir besser als sie? Sind du oder ich ohne Sünde?«
Als Levi diese Worte hörte, spürte er, wie sich ein dicker Kloß in seinem Hals bildete. Nein, er war ganz bestimmt nicht ohne Sünde. Gerade jetzt nicht. Nicht in diesem Moment, in dem er sich mit Eren alleine in einer Bibliothek befand. Wieder richtete sich sein Blick auf Erens volle Lippen, die so wunderschön, rötlich, fast schon rosig glänzten. Die Augen, so leuchtend grün wie die einer Katze. Wunderschöne hohe Wangenknochen, verliehen dem hübschen Gesicht, ein fast engelsgleiches Aussehen. Nein, er war wirklich nicht ohne Sünde. Doch er wusste ganz genau, dass es falsch war, diese Art von Gedanken zu haben. Dass es nicht richtig war, seinen Kollegen so anzusehen. Nicht, weil sie beide Männer waren. Das war absoluter Schwachsinn. Liebe war Liebe. Dass nur Mann und Frau, sich lieben und aneinander hingeben dürfen, war noch ein altertümlicher Gedanke, der sich Gott sei Dank, so langsam, aber sicher aus den Köpfen der Menschen verabschiedete. Die Sünde war, dass Levi und Eren sich Gott verschworen haben und er selbst hatte keine bessere Idee, als sich in diesen schweren Zeiten an den Gedanken zu laben, wie es wohl wäre, diese wunderschöne Lippen mit den seinen zu verschließen.
»Sie wurden nicht umsonst aus dem Himmel vertrieben«, wandte Levi sehr ernst ein. Er musste wirklich auf andere Gedanken kommen.
»Diese Engel, die jetzt Dämonen sind, die unter Luzifer dienen, hatten so schädliche Sachen getan, die man nicht mal aussprechen konnte. Unter dem Einfluss der Engel, die sich mit Menschen zusammen getan, Geschlechtsverkehr mit ihnen hatten, ob Mann oder Frau, haben sich so viele Perversionen gebildet… Die man eigentlich gar nicht aufzählen darf«, erwähnte Levi und spürte, wie ihm die Hitze ins Gesicht stieg.
»Wer entscheidet denn was pervers ist? Solange beide Parteien damit einverstanden sind, ist doch alles gut?«
Levi glaubte, sich verhört zu haben. Meinte der Bengel das ernst?
»Es gibt ethische Regeln, die nicht zu brechen sind. Es gibt Gesetze, die bestimmte Handlungen verurteilen weil sie verboten sind«, meinte er schnell. Er spürte, wie ihn dieses ganze Thema irgendwie aufwühlte.
»Ist es verboten, wenn zwei Männer sich lieben? Ist das pervers?« Levis Augen weiteten sich minimal, doch er ließ seine Maske der Gleichgültigkeit auf. Eren sollte nicht merken, dass gerade dieses Thema sehr schwierig für Levi war. Dass er selbst Männer gut fand und früher begehrt hatte.
»Ich rede nicht von Homosexualität. Es gibt so viele Dinge, die dämonischer Natur sind. Sex mit Tieren, mit Kindern und all das. Es ist nicht normal, wenn sich jemand an einer Leiche vergeht. Es ist abartig, wenn ein erwachsener Mensch, schmutzige Gedanken einem Kleinkind gegenüber hat«, sagte Levi deutlich.
»Natürlich, das verstehe ich. Dagegen sage ich nichts. Dafür gibt es Richter, die sich darum kümmern und diese Menschen bestrafen. Wovon ich spreche, ist von dem, was die Bibel uns auferlegt hat. Zum Beispiel das, dass Männer nicht bei Männer liegen sollen. Frauen nicht bei einer anderen Frau. Was ist mit dem Zölibat? Warum ist es uns Priestern nicht gestattet, einen anderen Menschen mindestens genauso sehr zu lieben wie Gott? Ich habe das nie wirklich verstanden und ich verstehe es auch bis heute nicht. Schauen Sie doch sich einfach mal die evangelische Kirche an oder die Protestanten. Pastoren heiraten und gründen Familien. Das ist alles kein Problem. Warum werden wir Katholiken so in unserer Menschlichkeit beschnitten?«
Levi presste seine Lippen aufeinander und legte sich seine nächsten Worte zurecht. Doch eigentlich hatte er dem nichts entgegenzusetzen. Selbstverständlich hatte er sich das auch sehr oft gefragt. Es war nicht so, dass er sich rumhuren wollte. Dass er leichten Sex mit irgendeinem Mann in einer Bar haben wollte. Doch auch er sehnte sich manchmal nach körperlicher Nähe. Nach einem Menschen, dem er vertrauen und all seine Probleme und Sorgen erzählen konnte. Nach einem Menschen, bei dem er sich fallen lassen konnte. Sicher, Levi hatte gute Freunde, ging oft zur Beichte und konnte dort als seine Last, die ihn auf seinen Schultern ruhte, loswerden. Aber es war nicht das gleiche wie mit einem festen Partner.
Ein bitteres Lächeln zeichnete sich auf den Lippen von Eren ab. Levi erkannte, dass der Junge zweifelte. Dass er sich ebenso nach jemanden sehnte, wie er selbst. Er griff nach Erens Hand und drückte sie.
»Ich weiß, dass es für einen so jungen Mann wie dich, nicht immer einfach ist. Dass sehr viele Versuchungen an jeder Ecke lauern-«
Eren lachte frustriert auf.
»Sie glauben gar nicht was für große Versuchungen«, hauchte er und senkte wieder seinen Blick. Levi nickte zustimmend. Er wusste genau, wie Eren sich fühlte. Jeder Priester hinterfragte im Laufe seines Lebens seine Entscheidung. Das war normal. Es war menschlich.
»Du hast ein Gelübde abgelegt, doch du kannst dich immer noch dagegen entscheiden. Nur bist du dann kein Priester mehr«, schlug er Eren vor. Der junge schüttelte seinen Kopf.
»Ich will doch Priester sein. Wirklich. Ich liebe diesen Beruf, und ich denke, ich bin dafür gemacht. Ich liebe Gott«, sagte er und lächelte Levi breit an. Als sich ihre Blicke trafen, fuhr ein heftiger Ruck durch Levis Körper. Erens Augen waren so wunderschön und er drohte jeden Moment darin zu versinken.
»Wo ist also dann dein Problem? Ich meine, wenn du möchtest, dann kannst du mit mir darüber reden. Du musst es auch nicht als Beichte sehen, ich bin ein guter Zuhörer und wenn ich kann, dann werde ich dir mit Rat und Tat zur Seite stehen«, bot Levi selbstlos an. Dabei wusste er, dass es für ihn nicht gut war, sich in Erens Nähe aufzuhalten.
In Erens Augen blitzte etwas auf. Levi konnte nicht ganz genau benennen, was es war. Einen Moment lang schauten sie sich einfach nur an. Er hatte das Gefühl, dass die Zeit zwischen stehen geblieben war. Dass die Luft um sie herum vibrierte und surrte. Es war elektrisierend. Der schwarzhaarige Priester spürte eine enorme Anziehungskraft, dem Jungen gegenüber, und zum ersten Mal hatte er das Gefühl, dass es seinem Gegenüber nicht anders erging. Denn ohne viel Federlesen, rückte der Junge näher und näher und Levi wich nicht aus. Er blieb einfach sitzen und wartete ab. Eren in die Augen schauend, spürte er seinen heftigen Herzschlag.
»Ich…«, begann der Junge und schluckte schwer. Er leckte sich über die vollen Lippen und Levi hatte das Gefühl von innen heraus zu verbrennen. Sein Blut floss wie kochendes Wasser durch seine Adern, und er spürte, wie ihm immer heißer wurde. Die Kratzer im Nacken juckten unangenehm, doch er wagte es nicht, sich zu bewegen. Zu heftig war dieser eine Moment, in dem er sich jetzt befand.
»Ja?«, hauchte Levi und spürte, dass er selbst näher an Eren herangerückt war. Plötzlich war da eine Hand auf Levi’s Knie. Er senkte seinen Blick, sah die schönen, filigranen Finger, die auf seinem Bein ruhten und sich nicht bewegten. Wieder tat er nichts dagegen. Er ließ es zu und wusste nicht mehr, wo oben und unten war, als er Erens Atem gegen seinen Lippen hauchen spürte.
»ich möchte es so sehr«, die Stimme des Jungen war so leise, so frustriert und unterdrückt. Doch Levi hatte jedes Wort verstanden. Jedes einzelne Wort hatte es auf seine Körpermitte abgesehen und zielte darauf.
»Was möchtest du«, stellte Levi die Fragen aller Fragen, obwohl er die Antwort längst wusste. Eren hob seinen Blick und der Ältere spürte, wie er zu flüssigem Wachs wurde. Die Augen, so unglaublich leuchtend und verführerisch. Noch nie hatte er so schöne Augen gesehen. Noch nie hatte er ein engelsgleiches Gesicht gesehen wie das von Eren. Er war perfekt. Wie ein Gemälde oder eine in steingemeißelte engelsgleiche Figur. Der ältere Priester fiel immer mehr für den Jungen und konnte sich der Kraft der Anziehung nicht entziehen. Wollte er das überhaupt? Er sollte es zumindest versuchen. Da war jedoch eine kleine düstere Stimme in ihm, die ihm sagte, dass er sich das nehmen sollte was er begehrte.
»Dich«, wisperte der junge Priester, bevor er seine Lippen gegen die von Levi drückte.