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The Best Day

von Xyliah
Kurzbeschreibung
KurzgeschichteDrama, Liebesgeschichte / P16 / Het
31.07.2023
31.07.2023
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4.061
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31.07.2023 4.061
 
A/N: Die Idee hierzu ist mir spontan gekommen, als ich am 7.7 Speak Now (Taylor's Version) gehört habe. Ich hoffe, das Ergebnis gefällt euch ^^
Die Charaktere Ilaria und Killian habe ich mir von Sammy ausleihen dürfen, nach dem ich ebenfalls einen Charakter benannt habe. Danke dir, dafür und für alles andere ♡

─────

„Bist du schon zu Brautzilla geworden, oder darf ich kurz reinkommen?“
Der Klang von Adrianos Stimme zaubert mir sofort ein Lächeln ins Gesicht. Im Spiegel vor mir sehe ich ihn hinter mir stehen. Er lächelt mich mit diesem unheimlich vertrauten Blick an, dank dem ich mich sofort ruhiger fühle.
„Da bist du ja.“
Vorsichtig, um nicht auf mein Kleid zu treten, drehe ich mich in seine Richtung. Adriano ist mit wenigen großen Schritten bei mir und zieht mich sofort in seine Arme.
Ich schließe genießerisch meine Augen, atme tief seinen Duft mit leichter Grapefruitnote ein und lehne mich gegen ihn.
Mein zuvor nervös pochendes Herz beruhigt sich langsam, während ich seinem gleichmäßigen Herzschlag lausche, und meine Gedanken ordnen sich wieder. Adriano ist und bleibt der Einzige, der solch eine Reaktion in mir auslöst.
„Glaubst du echt, du triffst gerade die richtige Entscheidung?“
Besorgnis schwingt in seiner Stimme mit, sodass ich einen Schritt zurücktrete und in seine Augen schaue, die schon so viele Teile meines Lebens mit angesehen haben.
Ich bemühe mich, mein Lächeln aufrecht zu erhalten. Genau diese Frage habe ich mir heute schon unzählige Male selbst gestellt. Doch ich bin immer noch hier, gekleidet in einem wunderschönen Kleid, und warte nur noch auf Ilaria, als Zeichen, dass es bald losgeht. Und dass, obwohl alles in mir danach schreit, jetzt einfach Adrianos Hand zu greifen und mit ihm davonzulaufen.
„Wir haben doch darüber gesprochen, Adriano. Es ist zu spät, um jetzt noch einen Rückzieher zu machen.“ Ich streiche mir eine Strähne aus den Augen, die mein Friseur Sammy nicht mit in die Hochsteckfrisur gebunden hat, ohne dabei den Blickkontakt abzubrechen.
Adrianos Stimme wird leiser und tiefer. „Ich bin da, solltest du es dir doch noch anders überlegen“, raunt er schon fast, die Stimme voller unterdrückter Emotionen.
Unfähig etwas zu sagen, nicke ich und richte dabei sein Einstecktuch. Ich weiß genau, welche Gedanken durch seinen Kopf schießen und welche Gefühle in ihm brodeln.
Adriano zieht mich wieder näher an sich und platziert vorsichtig sein Kinn auf meinem Kopf. Ohne etwas zu sagen, verharren wir so.
Erst als es an der Tür klopft, bringen wir mehr Distanz zwischen uns. Noch nie ist es mir so schwergefallen, nicht zu ihm zu schauen, wie in diesem Moment, als Ilaria den Raum betritt und mich enthusiastisch anlächelt.
„Wie schauts aus, Kat? Bereit für deinen großen Auftritt?“ Erst jetzt fällt ihr Blick auf Adriano, wodurch sich ihre dezent geschminkten Lippen überrascht zu einem ‚O‘ formen. „Ich wusste nicht, dass du noch Besuch hast.“
Adriano sieht noch einmal zu mir, dann dreht er sich um und läuft in Richtung Zimmertür. „Ich wollte sowieso gerade gehen. Bis später, Katie.“ Meinen Namen betont er auf seine ganz eigene Art, sodass es sich so anfühlt, als stünde er noch dicht neben mir, auch als er den Raum schon verlassen hat.
Ilaria klatscht zweimal in die Hände und holt mich damit zurück in die Realität. Ihr verblüffter Gesichtsausdruck ist wieder ihrem strahlenden Lächeln gewichen, mit dem sie sich vor einer gefühlten Ewigkeit in mein Herz geschlichen hat.
„Es ist so weit, Kat.“ Sie läuft einmal um mich herum und zupft an der ein oder anderen Stelle an meinem Kleid, bis es mehr als nur perfekt sitzt. Der weiße Stoff fließt nahezu an meinem Körper herab und liegt am Oberkörper eng an, nur um sich von der Hüfte aus abwärts aufzubauschen. Durch den Schlitz auf der linken Seite, wird bei jedem Schritt mein Bein sichtbar. Wenn ich einen besonders weiten Schritt mache, sieht man sogar den unteren Rand meines Strumpfbandes, wenn man weiß, dass es da ist. „Bist du bereit?“
Ich nehme einen tiefen Atemzug und nicke. Wie ich schon zu Adriano gesagt habe: jetzt ist es zu spät für einen Rückzieher.
Ilaria reicht mir meinen Blumenstrauß, bestehend aus weißen Rosen, Rittersporne und noch weitere Blumen.
Noch ein kurzer Wackel- und Hüpftest, ob meine Frisur auch bombenfest sitzt, und wir verlassen den Raum. Wir begeben uns eine Etage tiefer ins Erdgeschoss – eine echte Herausforderung mit langem Kleid und hohen Schuhen. Die Tür in Richtung Garten ist geöffnet und die Geräusche der sich unterhaltenden Gäste schwappen zu uns hinein. Noch läuft Pianomusik über die Musikanlage, für das Hineinlaufen wird Ilarias Freund selbst etwas auf seiner Gitarre spielen.
Viel Zeit, um mir darüber Gedanken zu machen, bleibt mir nicht, denn Ilaria möchte sicherstellen, dass für den großen Auftritt gleich alles perfekt ist.
„Fühlst du dich bereit, oder brauchst du noch was? Mundspray, Deo, Taschentuch?“ Während ihrer Aufzählung wühlt Ilaria bereits in ihrer weißen Handtasche herum.
Nur halb im Scherz frage ich: „Hast du da zufällig auch Killians Autoschlüssel drin?“
Kaum hat die letzte Silbe meinen Mund verlassen, steht Ilaria kerzengerade da und starrt mich fassungslos an, dass ich sofort ein schlechtes Gewissen bekomme. Für sie wirkt das hier wie die absolute Traumhochzeit, um die sich seit Wochen meine ganze Welt dreht. Aber kalte Füße zu bekommen, gehört doch selbst zur meist gewünschten Hochzeit, oder nicht?
Glücklicherweise bleibt mir eine Rechtfertigung erspart, denn auf einmal erklingen schnelle Schritte und ein aufgeregtes Kichern.
„Kitkat!“ Mit einem vor Freude strahlenden Lächeln, umarmt Rose mich und reicht mir dabei gerade so bis zur Hüfte.
Sie ist die Schwester von Sebastian und wohnt bei ihm und meiner guten Freundin Gracelyn, die es heute aber leider nicht zur Hochzeit geschafft haben. Roses Wunsch, als Blumenmädchen voranzugehen, haben sie ihr trotzdem erfüllt und sie werden die Kleine auch später abholen.
„Na du.“ Ich stupse ihr gegen die Nase, was sie zum Kichern bringt. „Bist du schon aufgeregt?“
Rose löst sich von mir und guckt mich so ernst wie sie kann an, was so putzig aussieht, dass ich mir ein leises Lachen verkneifen muss.
„Warum sollte ich aufgeregt sein, Kitkat? Wir haben doch geübt! Ich werde das beste Blumenmädchen sein, das du dir nur vorstellen kannst!“
Nun muss ich doch leise lachen. Rose ist einfach nur zauberhaft. „Das glaube ich dir aufs Wort. Jetzt heißt es nur noch kurz warten.“
„Wenn du bereit bist, kann ich Killian Bescheid geben, dass wir anfangen können“, schaltet Ilaria sich ein.
Meine Gedanken springen für einen kurzen Moment zurück zu meinem Gespräch mit Adriano. Wie hat er gemeint, er sei da, wenn ich es mir doch noch anders überlege?
Eine Sekunde bin ich wirklich versucht, Ilaria darum zu bitten, Adriano herauszuholen. Doch dann formt sich ein anderes Bild vor meinem inneren Auge: John, wie er am anderen Ende des Ganges steht und auf mich wartet
Nein, ich kann jetzt keinen Rückzieher mehr machen. Ich mache mich bestimmt nur umsonst total nervös.
„Ich bin mehr als nur bereit“, höre ich mich selbst sagen und klinge scheinbar sehr überzeugend, denn Ilaria nickt mit einem aufgeregten Lächeln, ehe sie davonhuscht, um ihrem Freund Killian das besprochene Zeichen zu geben.
Unruhig spiele ich an meinem Verlobungsring herum und starre auf die Blütenblätter in Roses Korb, ohne sie so richtig wahrzunehmen. Während der wochenlangen Planung habe ich mir nicht ausmalen können, wie sehr mir die Nervosität auf den Magen schlagen wird. Aber gut, wie auch nicht? Eine noch so kleine Sache, die schiefgeht, würde die ganze Planung nichtig machen.
Ilaria rettet mich davor, in möglichen Ausgängen des heutigen Tages verloren zu gehen. Wieder klatscht sie zweimal in die Hände.
„Zeit zum Aufstellen. Es geht jeden Augenblick los, meine Lieben.“
Tatsächlich geht es mit einem Mal ganz schnell. Wir stellen uns in die richtige Reihenfolge: ganz vorne Rose, dann Ilaria und zum Schluss ich selbst. Johns Trauzeuge steht schon mit ihm gemeinsam vorne, sodass keiner von uns mit einer Begleitung einläuft.
Jetzt ist es so weit. Nicht mehr lange und ich werde John gegenüberstehen, in seine blassblauen Augen schauen und den Worten des Trauredners lauschen, bis die Zeit für meinen Einsatz kommt.
„Rose, du weißt, was du zu tun hast?“, fragt Ilaria mein Blumenmädchen, das enthusiastisch nickt.
„Was für eine Frage!“
Ich zweifle nicht daran, schließlich ist bei den Proben alles gut gegangen, und auch Ilaria wirkt zufrieden.
Allgemein gibt Ilaria alles, damit die Trauung so perfekt wie nur irgendwie möglich von statten geht. Dafür bin ich ihr mehr als nur dankbar. Ich muss mir echt ein großes Dankeschön für sie überlegen, sobald der Tag vorbei ist.
Ilaria schafft es noch, meine Haare noch einmal richtig zu legen, ehe die Musik beginnt.
Vor meinem inneren Auge stelle ich mir vor, wie in diesem Moment jeder Gast im Garten aufsteht und sich in Richtung Haus wendet – über einhundert Menschen, die extra für John und mich heute hergefunden haben.
Meine Mundwinkel zucken nach oben und mit einem Mal wird mein Körper von einer allumfassenden Ruhe erfasst. Ganz egal, was auch passiert, und ganz egal, wie unsicher ich bis zuletzt gewesen bin: alles, was heute geschehen wird, hat seine Richtigkeit.
Rose macht den Anfang. Passend zu den Akzenten unserer Farbauswahl, trägt sie ein blaues Kleid mit einer süßen Schleife um die Hüfte und zwei kleinen Schleifen im Haar, die ihre geflochtenen Zöpfe halten.
Ich stelle mir kurz vor, wie an ihrer Stelle mein eigenes Kind den Part des Blumenmädchens übernimmt. Vorausgesetzt, ich entscheide mich in einigen Jahren dazu, welche zu bekommen.
John hat das Thema schon ein- oder zweimal angesprochen, doch bisher habe ich es jedes Mal geschafft, schnell das Thema zu wechseln. Alles andere geht schon schnell genug zwischen uns, da braucht es nicht auch noch eine überstürzte Kinderplanung.
Ilaria wirft mir noch einen Blick zu, den ich mit einem Lächeln erwidere, bevor sie Rose folgt. Ihre blau gefärbten Haare fließen über ihren Rücken und wippen leicht hin und her. Sie sieht unglaublich hübsch aus.
Ich folge ihr mit meinem Blick, bis sie aus meinem Sichtfeld verschwindet. Als nächstes bin ich dran und werde ich auf John zulaufen.
Leicht abwesend drehe ich meinen Blumenstrauß hin und her. Er ist wundervoll und ich weiß, ohne arrogant zu sein, dass ich heute genauso wunderschön aussehe.
Mit neu erwachtem Selbstbewusstsein richte ich mich auf und drücke den Rücken durch.
Die Musik ändert sich, von der klassischen Marschmusik hin zu Taylor Swifts Daylight. Mein Zeichen, mich in den Garten zu bewegen.
Langsam setze ich mich in Bewegung. Es sind nur wenige Schritte nach draußen, die sich wie eine Ewigkeit anfühlen. Doch kaum sehe ich die ersten Gäste, die alle zu mir schauen, geht alles ganz schnell.
Der Garten ist wunderschön geschmückt. Die Stühle sind alle in Holzoptik gehalten und mit weiß-blauen Blumen verziert, wie auch die Bäume und Büsche ringsherum. Auch auf dem langen Buffettisch am Rand und den Stehtischen stehen Blumengestecke, sodass sich die von mir gewählte Farbkombination durch den ganzen Tag ziehen wird.
Mein Blick fällt auf John, der ganz vorne steht und einen hellblauen Anzug trägt, passend zur Deko und seiner Augenfarbe. Selbst auf die Entfernung fühlt es sich an, als würde er mir direkt in die Seele schauen.
Mein Griff um den Blumenstrauß wird fester, doch mein Lächeln bleibt weiterhin strahlend. Trotz der hohen Schuhe schaffe ich es, nicht zu stolpern und gerade zu gehen. Das hat mich so einige Zeit der Übung gekostet. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich lieber meine weißen Turnschuhe angezogen.
Den Großteil der Gäste blende ich einfach aus, lediglich Adriano fällt mir auf. Er hat mich zwar vorhin schon im Kleid gesehen, doch sein Blick gibt mir das Gefühl, als wäre ich eine Liebesgöttin, die gerade zum ersten Mal vor ihm steht.
Weiter vorne fallen mir Ilaria und Rose ins Sichtfeld, die beide wunderschön aussehen in ihren blauen Kleidern. Aus den Augenwinkeln erkenne ich, dass Killian zwar auf seine Gitarre konzentriert ist, aber auch immer wieder zu seiner Freundin sieht.
Auf der anderen Seite, neben John, steht sein Trauzeuge, dessen Name ich mir absolut nicht merken kann und mit dem ich so meine Probleme habe. So abfällig, wie er mich mustert, beruht die Abneigung jedoch auf Gegenseitigkeit.
Zuletzt sehe ich wieder zu John und ehe ich mich versehe, stehe ich auch schon neben ihm und die Musik verstummt langsam.
„Hallo, meine wunderschöne Braut“, flüstert John mir zu, greift nach meinen Händen und gibt mir jeweils einen Kuss auf die Handrücken.
Ich kichere und lächle ihn strahlend an. „Hallo, du attraktiver Bräutigam.“
Unsere Blicke verhaken sich ineinander, blassblau trifft auf dunkelgrün. Erst als der Trauredner sich räuspert, wenden wir uns voneinander ab und drehen uns in seine Richtung. John lässt meine Hand dabei nicht los und streift mir bedächtig mit den Daumen über meine Handrücken. Trotzdem streift mein Blick den von Adriano, der in der zweiten Reihe sitzt und mich, wie eigentlich immer, anlächelt.
Allein schon, dass er heute mit dabei ist, vermittelt mir ein unheimlich starkes Gefühl der Sicherheit. Er ist die eine Person im Raum, der ich ohne zu zögern mein Leben anvertrauen und deren Rat ich in jeder Situation ohne Fragen zu stellen folgen würde. Ohne ihn würde ich jetzt in diesem Moment nicht neben John stehen.
Der Anblick des Trauredners reißt mich weg von meinen gedanklichen Ausschweifungen und zurück in die Gegenwart, in der es so still ist, dass ich mein eigenes Herz regelmäßig pochen höre.
„Wir haben uns heute hier versammelt, um Zeuge des schönsten Geschenks des Lebens zu werden: der Liebe. John und Katie haben sie nicht gesucht, aber gefunden, und so ist aus zwei Hälften wieder ein Ganzes geworden.“
Oh, verdammt. So anstrengend und kitschig habe ich den Redner gar nicht im Sinn gehabt.
Aus den Augenwinkeln schiele ich zu Ilaria, die schon jetzt sichtlich berührt lächelt. Und glänzen ihre Augen da etwa schon?
Ob es das wohl schon einmal gegeben hat, dass die Brautjungfer emotionaler ist als die Braut selbst? Eigentlich soll ich so reagieren wie sie und schon jetzt fast in Tränen ausbrechen, weil ich ja so ergriffen von allem bin. Stattdessen zähle ich innerlich die Minuten, bis das hier vorbei ist. Ich hätte das hier ganz anders geplant.
„Bei der Liebe spielt die Zeit keine Rolle, und das haben auch John und Katie erkannt. Ohne sich von anderen in ihre Beziehung reinreden zu lassen, sind diese beiden ihren Weg gegangen. Nur aus diesem Grund, weil sie auf ihre Herzen gehört und der Liebe eine Chance gegeben haben, konnten wir hier heute alle zusammenkommen. Mit ihren Liebsten als Zeugen, wollen sie nun in den Bund der Ehe treten und ihre Lebenswege bis zum Ende ihres Daseins miteinander verknüpfen.“
Meine Ohren zucken leicht, als es aus den Reihen der Gäste leise raschelt. Scheinbar werden die ersten Taschentücher herumgereicht.
„John und Katie, könnt ihr beide bestätigen, dass es das ist, was ihr wollt?“
Johns blassblaue Augen richten sich auf mich und seine Lippen verziehen sich zu einem Lächeln. „Ja, genau das möchte ich.“
Ich erwidere sein Lächeln. „Ja, genau das möchte ich.“
Wir drehen uns wieder zum Trauredner, der zufrieden nickt. „Dann kommen wir nun zu den–“ Er wird unterbrochen vom typischen Apple-Benachrichtigungston. Auch ohne mich umzudrehen, weiß ich, dass es Adrianos Handy ist. Und tatsächlich, nur wenige Sekunden später erklingt seine Stimme mit dem vertrauten Akzent: „Entschuldigt bitte.“
Ein aufgeregtes Kribbeln breitet sich nach seinen Worten in meinem ganzen Körper aus. Endlich. Die Nachricht, auf die wir so lange gewartet haben. Jetzt hat alles hier bald ein Ende.
Nur um auf Nummer sicher zu gehen, drehe ich den Kopf leicht in Adrianos Richtung, und tatsächlich, er hat das Einstecktuch aus seiner Anzugsjacke genommen, unser vereinbartes Zeichen.
Schnell drehe ich mich wieder komplett nach vorne. Von der Seite spüre ich Johns Blick auf mir ruhen, sodass ich mich doch zu ihm drehe und ihm ein Lächeln schenke, während der Trauredner seinen roten Faden wieder aufnimmt.
„Dann wird es jetzt Zeit für die Ehegelübde. John, fangen Sie bitte an.“
John wendet sich jetzt mit dem ganzen Körper in meine Richtung. „Katie. Normal ist definitiv das falsche Wort, um uns und unsere Beziehung zu beschreiben. ‚Nicht gesucht, aber gefunden‘ trifft bei uns am besten zu. Jetzt weiß ich, dass ich unbewusst immer nach dir gesucht habe – meiner Traumfrau, meinem Gegenstück. Ich will dich nicht mehr missen und verspreche dir hiermit, dich ein Leben lang auf Händen zu tragen und dich wie meine Königin zu behandeln.“
Ich halte mein Lächeln und den Blickkontakt aufrecht. Das Strumpfband an meinem Oberschenkel wird mir deutlich bewusst, doch noch ist es zu früh dafür, es loszuwerden. Hätte ich mich nur doch dagegen entschieden. Jetzt muss ich es einfach aushalten.
„John. Ich werde nie mehr den Tag vergessen, an dem ich dich zum ersten Mal getroffen habe. Du bist mir sofort aufgefallen und ich wusste direkt, dich muss ich kennenlernen. Und zum Glück hattest du das gleiche Interesse. Sonst würden wir jetzt nicht hier stehen. Und dafür bin ich dir mehr als nur dankbar. Ich wüsste nicht, wo ich jetzt ohne dich sein würde.“
Kein Wort davon ist gelogen. Nur etwas anders gemeint, als John es wahrscheinlich auffasst.
Wir drehen uns gemeinsam in Richtung der Gäste, als der Priester sich mit seiner nächsten Frage an sie richtet.
„Ist einem der Gäste ein Grund bekannt, warum diese beiden Liebenden nicht in den Bund der Ehe treten sollten? Falls ja, so möge er jetzt sprechen, oder aber für immer schweigen.“
Stille. Natürlich, wer soll schon einen Einwand haben? Mir fällt dazu nur eine Person ein – die sich just in diesem Moment von ihrem Platz erhebt.
„Ich habe tatsächlich einen Einwand“, spricht Adriano und tritt in den Mittelgang, den ich vor einer gefühlten Ewigkeit langgelaufen bin.
John lässt meine Hände los, nur um seine eigenen zu Fäusten zu ballen. „Was willst du schon für einen Einwand haben?“ Er tritt Adriano entgegen und entfernt sich damit einige Schritte von mir. Meine Chance.
Adrenalin jagt durch meinen Körper. Ich werfe einen kurzen Blick auf Ilaria, die komplett verwirrt aussieht und sich instinktiv vor Rose gestellt hat, und schicke ein Stoßgebet gen Himmel, dass sie mir verzeiht. Im selben Atemzug greife ich an mein Strumpfband, nehme meine Waffe aus der Halterung und richte sie auf Johns Rücken.
Ein lautes Schnappen nach Luft seitens Ilaria und alle Blicke sind auf mich gerichtet – auch Johns.
„John Myers, du bist hiermit verhaftet wegen Organ- und Menschenhandel. Alles, was du sagst, kann und wird gegen dich verwendet. Du hast das Recht auf einen Anwalt. Solltest du dir keinen leisten können, wird dir einer gestellt.“ Auch wenn ein Anwalt bei der Beweislage nichts mehr tun können wird.
Ich habe damit gerechnet, dass er die Schuld von sich weist, dass er wütend wird und tobt, doch John schweigt und wehrt sich auch nicht, als Adriano seine Arme hinter den Rücken dreht und ihm Handschellen umlegt.
Vorher wirft er mir gekonnt ein zweites Paar Handschellen zu, sodass ich das gleiche beim Trauzeugen machen kann, nachdem ich meine Waffe wieder in die Halterung gesteckt habe. Auch er macht keine Anstalt zu Flucht und begnügt sich mit enttäuschten Blicken in Richtung seines Bosses.
„Ich hab’s ihm gesagt“, zischt er, was nur ich hören kann. Ich gehe gar nicht erst darauf ein und stoße ihn lediglich an, damit er sich in Richtung des Mittelgangs bewegt.
Zum genau richtigen Zeitpunkt tritt unsere Verstärkung ein. Sie werden sich für den Moment um die restlichen Kollegen von John und die ‚normalen‘ Gäste kümmern, denen mit Sicherheit nur ein Gedanke durch den Kopf schwirrt: Was zum Teufel ist hier soeben passiert?
Ich ignoriere alle Menschen um mich herum und blende alle Geräusche aus. Eine Fähigkeit, die ich mir im Laufe meiner Dienstzeit angeeignet habe.
Adriano schafft John aus dem Garten, durch das Haus nach draußen, um ihn dort in einen der bereitstehenden Streifenwagen unserer Verstärkung zu verfrachten, und ich folge den Beiden, noch immer im Hochzeitskleid.
Die Personen, die sagen, der Hochzeitstag bleibt einem immer im Gedächtnis, haben ganz eindeutig Recht. Eine Hochzeit wie diese, die man eher in einer Telenovela oder einer Crimeserie vermuten würde, bleibt den Gästen bestimmt ein Leben lang im Sinn.
Hoffentlich habe ich damit nur nicht Ilaria und Rose für ihre eigenen Hochzeiten in naher und sehr ferner Zukunft traumatisiert.
* * *
„Wieso hat es mich eigentlich nicht gewundert, dass du es extra dramatisch wolltest?“, frage ich Adriano, während ich meine Haare durchbürste und innerlich Sammy verfluche, wann immer es schmerzhaft ziept. Wie viel Haarspray hat er bitte in meine Frisur gesprüht?
Während Adriano sich lediglich die Anzugsjacke ausgezogen hat, habe ich mich komplett umgezogen und das Brautkleid gegen eine schwarze Jeans und ein schlichtes, dunkelblaues Shirt getauscht.
Adriano lächelt mich charmant an. „Principessa, ich bin Italiener und Skorpion – wir stehen nun einmal auf große Showeinlagen.“
Spielerisch verdrehe ich die Augen und kommentiere seine Aussage nicht weiter. Gerade gibt es eindeutig Wichtigeres zu klären.
„Gab es irgendwelche Komplikationen?“
Ein Kopfschütteln ist meine Antwort. „Es lief alles wie geplant. Und du hast wahrhaft fabulöse Arbeit geleistet, Principessa. Vergiss nicht, ohne dich wäre das gar nicht erst möglich gewesen.“
Mir fällt ein Stein vom Herzen, von dem ich nicht gewusst habe, dass er existiert. Wir, nein, ich habe es geschafft, und jetzt hat der Spuk rund um John Myers ein Ende.
Monatelange Undercoverarbeit und bis zum Schluss weiß man nie, ob alles gut geht. In diesem Fall haben wir Glück gehabt, dass nichts schiefgelaufen ist.
„Es tut gut, endlich wieder Kathryn und nicht mehr nur Katie zu sein.“
Fast ein Jahr habe ich in meiner Undercoverrolle gelebt und habe kaum eine Möglichkeit gehabt, mal so richtig abzuschalten.
„Nur noch die Anhörung, und du kannst in deinen wohlverdienten Urlaub, Principessa.“ Adriano lächelt mich liebevoll und mit schief gelegtem Kopf an. In der Pose erinnert er mich immer ein wenig an einen schwarzen Labrador.
Ich lasse mich auf den Stuhl neben ihm fallen und lege meinen Kopf auf seiner Schulter ab. „Du hast was vergessen: das Gespräch mit Ilaria.“ Bei dem Gedanken an meine gute Freundin seufze ich. Aber naja, ich habe mich schließlich selbst dafür entschieden, sie bei der Planung und dem großen Tag dabei haben zu wollen. Ohne ihre mentale Unterstützung, wäre ich John früher oder später an die Gurgel gegangen.
Adrianos warmer Körper vibriert vor Lachen. „Wenn du es mit einem berüchtigten Organ- und Menschenhändler aufnehmen kannst, schaffst du auch das Gespräch mit Ilaria.“
Recht hat er auf jeden Fall.
John Myers ist uns schon seit Jahren ein Begriff gewesen und wir haben ihn immer als Kopf mehrerer Ringe von Organ- und Menschenhändler verdächtigt, doch leider hat er sich in seinen Kreisen solch eine Macht angeeignet, dass es fast unmöglich geschienen hat, genug Beweise zu finden, damit mir ihn dingfest machen können. Dadurch ist die Idee meiner Undercoverarbeit entstanden, und siehe da – es hat funktioniert. Mein Einsatz ist nicht umsonst gewesen.
„Ich brauche gleich erstmal eine Dusche. Oder vielleicht auch zehn.“ Dann kann ich auch endlich die zweite Tonne Haarspray loswerden, die meine Haare immer noch verklebt. Zwar bin ich mittlerweile in der Lage dazu, mein Dasein als Katie getrennt zu betrachten, doch trotzdem ist es kein leichter Job und ich habe nicht nur einmal überlegt, aufzugeben. Aber ich habe John Myers unbedingt hinter Gittern sehen wollen, und dafür hat sich das Weitermachen gelohnt.
Adriano strubbelt mir durch die Haare – oder versucht es zumindest. „Fahr nach Hause, Principessa. Die Kollegen übernehmen den Rest. Geh duschen oder sogar baden, entspann dich heute Abend, und trink ein Glas Wein. Morgen kannst du dann in Ruhe mit Ilaria reden und ihr alles erklären.“
„Fährst du mich?“
„Aber natürlich.“
Adriano zieht mich hoch und reicht mir seine Anzugjacke, die ich mir überlege. Auf andere wirken wir oft wie ein Paar, und neue Kollegen sind immer sehr verwirrt, wenn sie uns zum ersten Mal erleben, aber wir sind einfach nur beste Freunde, die sich schon hin und wieder gegenseitig das Leben gerettet haben.
„Principessa.“ Ganz wie ein richtiger Gentleman hält Adriano mir die Beifahrertür auf, sodass ich mich direkt hinsetzen kann. Er selbst läuft nochmal um das Auto herum und setzt sich dann neben mich. Ohne zu fragen, schaltet er die Heizung an, weil er genau weiß, dass ich schnell friere.
Dankbar lächle ich ihn an und kuschle mich während der Fahrt in seine Anzugjacke. Das Schweigen zwischen uns ist angenehm und ich weiß zum ersten Mal seit Beginn meines Einsatzes, dass ich hundertprozentig sicher bin. Ehe ich mich versehe, werden meine Augen schwerer, bis sie ganz zufallen. Das letzte, was ich wahrnehme, ist wie Adriano leise unseren gemeinsamen Spotify-Mix anmacht.
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