Ameisen
von SandroAla
Kurzbeschreibung
Ein Vater kämpft gegen den Tod seiner Tochter an, die durch einen ihrer häufigen Anfälle im Hof zusammenbricht. So schlimm war es noch nie ...!
KurzgeschichteAllgemein / P12 / Gen
24.05.2023
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Blau. Das Gesicht ist blau, die Lippen rissig. Weiße Ränder, trocken. Apathisch liegt meine kleine Tochter vor mir am Boden. Reagiert nicht. Schon wieder ein Anfall. Der Nächste! Der Letzte? Verdreht die Augen. Blickt verloren links, rechts, links, rechts.... Sie sucht Halt. Ihr blondes Haar ist schweißnass. Ich streichle ihr zärtlich über die Stirn. „Ich liebe dich. Alles wird gut, ich bin da!" Bekommt sie es mit? Versteht sie, was geschieht? Die Arme aus Pudding, schlaff, sie lässt alles los. Es stinkt nach Urin und Kot. Ich könnte kotzen aber ich lächle, will ihr Sicherheit geben.
Der Sekundenzeiger rast im Kreis. Die Ameisen trampeln lautstark über die Pflastersteine. Moos erobert die Ritzen. Ich habe das noch nie bemerkt. Ich habe auch meine vierjährige Tochter noch nie so gesehen! So hilflos! Flehend, in sich gefangen. „Papa hilf mir!", sagen mir ihre Augen. Ich möchte weinen, sie soll mich aber nicht heulen sehen. Sie sollte diesen Anblick nicht als letztes Bild mitnehmen.
Wenn sie geht ... falls sie geht! Aber wohin? Sie soll bei mir bleiben. Sie hat ihr Ticket noch nicht gelöst, es ist noch nicht entwertet. Ich brauche sie, sie ist meine Herzensangelegenheit, mein Sonnenschein. Sie ist alles, was einmal von mir übrigbleiben wird. Kann ich mit ihr tauschen? Ich würde es, sie hat noch alles vor sich. Die ganzen Farben dieser Welt, so bunt wie ein Regenbogen. Das Leben: Immer da, aber niemals zu begreifen.
Wie geht das? Dreißigmal drücken und zweimal beatmen? Oder Zwanzigmal drücken und dreimal beatmen? Was kommt zuerst? Hätte ich nur besser aufgepasst ... Mein Gott, ich will nichts falsch machen! Wie fest muss ich drücken? Ich fühle nach ihrem Puls. Nichts! Verdammt, ich spüre nichts! Drücke ich die richtige Stelle am Handgelenk? Nochmal versuchen. Nichts... ich könnte laut schreien! Gott, verlass mich nicht! Wo bist du, wenn ich dich einmal brauche? Wie habe ich es gelernt? Ich kann diesen zerbrechlichen Körper doch nicht zerquetschen, die Rippen brechen. Oder das Brustbein ... zwei fingerbreit darunter? Nein es muss eine andere Möglichkeit geben! Ich will es nicht knacken hören!
Verdammt, wo ist mein scheiß Handy? Feuerwehr, Polizei, Rettung ... nach Alphabet ... 2, 3, 4 ... 144 ... Rettung! Ich wähle den Notruf. „Eins, vier, vier." Ich rede laut mit, als ob es dann schneller ginge. Beruhigt die Stimme meine kleine Tochter, die bleich vor mir liegt? Kann sie überhaupt was hören? Nimmt sie mich wahr? Ist sie bei mir?
Plötzlich spüre ich eine Kraft in mir. Ich werde konzentriert, fokussiert. Ich funktioniere! Ich werde ruhig, blende alles aus! Die Ameisen hören auf im Gleichschritt zu trampeln. Der Sekundenzeiger steht still. Ich sehe in die Seele meiner Tochter, fühle sie. Lege meine Hand auf ihren Brustkorb, will ihr meine Energie schenken. Ob es funktioniert? Habe ich eine Gabe dafür? Kann ich sie heilen, kann ich sie retten? Bin ich der Schaffner, der das Ticket kontrolliert? Ich bin bei meiner Tochter, so wie ich es noch nie war. So nah und doch so entfernt. Halte ihre eiskalte Hand, drücke sanft ihre zarten Finger.
Tuut, tuut, tuut ... ich habe das Handy zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt. „Notruf", meldet sich eine Stimme. Sie reißt mich aus den Gedanken, bin wieder im Hier. Die Pflastersteine schmerzen an den Knien. Eine Träne rinnt aus dem Augenwinkel meiner Tochter. Sagt sie „Tschüss Papa"? Ist es ein Abschied? Wie viele Ameisen kann diese Träne ertränken? Können Ameisen schwimmen?
Ich sage nur: „Sekunde bitte". Zuerst will ich meiner Tochter noch einen liebvollen Blick schenken, uns diesen Augenblick gönnen. Vielleicht der letzte ... und der soll der schönste und zärtlichste werden. Den soll sie mitnehmen. Dorthin, wo es keine Ameisen gibt ... aber einen bunten Regenbogen. Die Pupillen weiten sich, sieht sie ihn schon? Wir lächeln zum Abschied. Es kribbelt im Kopf, ich schalte ab. Ameisen überall... ich ertränke sie mit meinen Tränen. Sie können nicht schwimmen. Mir doch egal!
Der Sekundenzeiger rast im Kreis. Die Ameisen trampeln lautstark über die Pflastersteine. Moos erobert die Ritzen. Ich habe das noch nie bemerkt. Ich habe auch meine vierjährige Tochter noch nie so gesehen! So hilflos! Flehend, in sich gefangen. „Papa hilf mir!", sagen mir ihre Augen. Ich möchte weinen, sie soll mich aber nicht heulen sehen. Sie sollte diesen Anblick nicht als letztes Bild mitnehmen.
Wenn sie geht ... falls sie geht! Aber wohin? Sie soll bei mir bleiben. Sie hat ihr Ticket noch nicht gelöst, es ist noch nicht entwertet. Ich brauche sie, sie ist meine Herzensangelegenheit, mein Sonnenschein. Sie ist alles, was einmal von mir übrigbleiben wird. Kann ich mit ihr tauschen? Ich würde es, sie hat noch alles vor sich. Die ganzen Farben dieser Welt, so bunt wie ein Regenbogen. Das Leben: Immer da, aber niemals zu begreifen.
Wie geht das? Dreißigmal drücken und zweimal beatmen? Oder Zwanzigmal drücken und dreimal beatmen? Was kommt zuerst? Hätte ich nur besser aufgepasst ... Mein Gott, ich will nichts falsch machen! Wie fest muss ich drücken? Ich fühle nach ihrem Puls. Nichts! Verdammt, ich spüre nichts! Drücke ich die richtige Stelle am Handgelenk? Nochmal versuchen. Nichts... ich könnte laut schreien! Gott, verlass mich nicht! Wo bist du, wenn ich dich einmal brauche? Wie habe ich es gelernt? Ich kann diesen zerbrechlichen Körper doch nicht zerquetschen, die Rippen brechen. Oder das Brustbein ... zwei fingerbreit darunter? Nein es muss eine andere Möglichkeit geben! Ich will es nicht knacken hören!
Verdammt, wo ist mein scheiß Handy? Feuerwehr, Polizei, Rettung ... nach Alphabet ... 2, 3, 4 ... 144 ... Rettung! Ich wähle den Notruf. „Eins, vier, vier." Ich rede laut mit, als ob es dann schneller ginge. Beruhigt die Stimme meine kleine Tochter, die bleich vor mir liegt? Kann sie überhaupt was hören? Nimmt sie mich wahr? Ist sie bei mir?
Plötzlich spüre ich eine Kraft in mir. Ich werde konzentriert, fokussiert. Ich funktioniere! Ich werde ruhig, blende alles aus! Die Ameisen hören auf im Gleichschritt zu trampeln. Der Sekundenzeiger steht still. Ich sehe in die Seele meiner Tochter, fühle sie. Lege meine Hand auf ihren Brustkorb, will ihr meine Energie schenken. Ob es funktioniert? Habe ich eine Gabe dafür? Kann ich sie heilen, kann ich sie retten? Bin ich der Schaffner, der das Ticket kontrolliert? Ich bin bei meiner Tochter, so wie ich es noch nie war. So nah und doch so entfernt. Halte ihre eiskalte Hand, drücke sanft ihre zarten Finger.
Tuut, tuut, tuut ... ich habe das Handy zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt. „Notruf", meldet sich eine Stimme. Sie reißt mich aus den Gedanken, bin wieder im Hier. Die Pflastersteine schmerzen an den Knien. Eine Träne rinnt aus dem Augenwinkel meiner Tochter. Sagt sie „Tschüss Papa"? Ist es ein Abschied? Wie viele Ameisen kann diese Träne ertränken? Können Ameisen schwimmen?
Ich sage nur: „Sekunde bitte". Zuerst will ich meiner Tochter noch einen liebvollen Blick schenken, uns diesen Augenblick gönnen. Vielleicht der letzte ... und der soll der schönste und zärtlichste werden. Den soll sie mitnehmen. Dorthin, wo es keine Ameisen gibt ... aber einen bunten Regenbogen. Die Pupillen weiten sich, sieht sie ihn schon? Wir lächeln zum Abschied. Es kribbelt im Kopf, ich schalte ab. Ameisen überall... ich ertränke sie mit meinen Tränen. Sie können nicht schwimmen. Mir doch egal!