Bloom into you: Kirschblüten im Herbst
von ThatGrumpyGerman
Kurzbeschreibung
Eine Geschichte über die Collegezeit von Riko Hakozaki und Miyako Kodama aus dem "Bloom into You"-Universum, die Anfänge ihrer nicht immer heimlichen Beziehung zueinander. Während Miyako sich ihrer Sache sehr sicher ist, ist die Situation für Riko neu und ungewohnt. Während sie lernen muss mit der Anziehungskraft Miyakos umzugehen wartet auf die routiniertere Miyako eine Prüfung der anderen Art, als sie bemerkt, dass die Beziehung zu Riko ihr mehr abverlangen wird, als sie eingangs erwartet hatte und da mehr zwischen ihnen steht, als nur ihre Familien oder die Gesellschaft.
GeschichteRomance, Erotik / P18 / FemSlash
Miyako Kodama
Riko Hakozaki
21.05.2023
11.07.2023
3
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21.05.2023
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Da waren sie nun also, hier wo alles begann, zwischen den Nebengebäuden auf dem Campus in der kleinen Raucherecke mit der schlichten Holzbank, die irgendwer hier eingerichtet hatte. Vielleicht ehemalige Studenten, vielleicht der Hausmeister selbst, vielleicht auch die Verwaltung, auch wenn sich Riko Hakozaki der Grund dafür nicht so recht erschließen mochte. Zwar konnte sie den Gedankengang nachvollziehen, dass weder herumfliegende Zigarettenstummel noch rauchende Studenten als Bild erwünscht waren, Vorbildfunktion und so, aber der Ort war derart weit abgelegen, dass außer ihnen beiden so gut wie niemand ihn aufsuchte. Seinerzeit hatte sie lediglich allein sein wollen, nachdenken, über sich selbst, ihren Ex, der sie gerade abserviert hatte und vor allem warum sie deswegen überhaupt weinte. Die große Liebe war er sowieso nicht gewesen mit seiner bevormundenden Art und seiner andauernden Kritik an ihrer aus seiner Sicht unweiblichen Art ihm zuweilen auch harsche Widerworte zu geben, wann immer er Dinge über ihren Kopf hinweg für sie entscheiden wollte. Von dem Ort hier hatte sie so wenig gewusst wie alle anderen auch und selbst wenn es anders gewesen wäre, sie war so durcheinander gewesen, dass sie nicht einmal bemerkt hatte, dass sie mit ihren Tränen nicht allein war.
Sie hatte Miyako Kodama, die sich hierher zum Rauchen zurückzog, nie wirklich gefragt, wie sie diesen Ort gefunden oder von ihm gehört hatte. Es erschien ihr nicht wichtig. Dass sie der Ruhe und Abgeschiedenheit den Vorzug gab gegenüber allzu geselligen Raucherrunden dann schon eher. Miyako war nicht unbedingt kontaktscheu, im Gegenteil, sie ging gerne auf andere zu und ließ sich auch gerne in Gespräche verwickeln, allerdings wie sie selbst offen zugab hörte sie lieber anderen zu, als sich selbst mit einer erfundenen oder auch nicht Geschichte in den Vordergrund zu drängen, wie es die meisten in solchen Gruppen taten, aber auch die beste Zuhörerin brauchte mal eine Auszeit für sich allein, um ihre Energie wieder aufzuladen. Um so peinlicher war es Riko gewesen sie von ihrem Platz zu vertreiben, zumindest fühlte es sich so an, als sie unvermittelt ihre Zigarette ausdrückte und ging, lediglich versichernd, dass es schon in Ordnung sei und sie sich Zeit nehmen solle. Irgendwie hatte sie sich deswegen schuldig gefühlt. Schuldig genug, um ihr das nächste mal als sie sie sah eine neue Packung zu spendieren, wenn auch die falsche. Was wusste sie als Nichtraucherin schon von Zigaretten? So hatten sie sich damals kennengelernt.
Bis auf einen Kurs, japanische Literatur, hatten sie nicht viel gemeinsam und so war Miyako mit ihrer stillen Art ihr auch bislang nicht wirklich aufgefallen. Sie schien beliebt, auf ihre Art, aber anders als Riko, die öfter mit früheren Klassenkameradinnen und Lehramtsstudentinnen abhing schien Miyako keinen festen Freundes- oder Bekanntenkreis auf dem Campus zu haben. Vielmehr passte sie sich mit ihrer Art an die sich wechselnden Lern- und Projektgruppen in ihrem Studiengang an und wenn man es nicht besser wüsste, dann hätte man nach wenigen Minuten den Eindruck gewinnen können, dass sie schon immer dazugehört hätte. Sie hatte ihren ganz eigenen Charme, etwas, das Riko laut ihrem Ex völlig abging, mit ihrem fein geschnittenen Gesicht und dem warmherzigen Lächeln, das sie umgab. Sie war geringfügig größer als Riko, aber ihre zierliche, fast schon knabenhafte Statur, die durch ihren Kleidungsstil aus Hose und locker übergeworfener Jacke nur noch verstärkt wurde, ließ sie zerbrechlich wirken, was ihrem Reiz aber gerade bei Männern wie ihrem Ex, die eine Ja-Sagerin zur Freundin wollten, keinen Abbruch tat. Im Gegenteil. Große Brüste und unterwürfig, die zwei Dinge, auf die die meisten hier ansprangen wie ein hungriger Löwe eine Gazelle. Wenn sie sich zusammen taten, dann hätten sie sich vor der völlig falschen Sorte von Verehrern wohl kaum retten können. Nun gut, so groß waren ihre nun auch wieder nicht, auch wenn ihr ihre alten B-Körbchen seit rund zwei Jahren nun eindeutig zu eng waren, aber sie sah doch die Blicke, die ihr und den anderen Frauen auf dem Campus nachfolgten. Aber zugegeben, Miyako war auch nicht halb so unterwürfig wie die meisten glauben mochten. Sie konnte ein ziemlich loses Mundwerk haben, wie Riko nach einigen Treffen zufrieden festgestellt hatte. Immerhin fühlte sie sich so mit ihrer direkten Art nicht mehr ganz so allein.
Mit Miyako zu reden war überaus angenehm, sie war tatsächlich gut im Zuhören und ihre witzige, zuweilen auch spitzen Bemerkungen, insbesondere wenn es um ihren Ex ging, sagten Riko überaus zu. Es tat gut wen zu haben, mit der man auch mal so richtig ablästern konnte, ohne andauernd gesagt zu bekommen, wie unattraktiv man damit wirkte. Sicher, die Beziehung fehlte ihr, genug um Miyako mal mit zu einem Speed-Dating zu schleifen, dort gab es immer zu wenig Frauen, aber dabei ging es ihr wohl eher um die Gewohnheit und nicht darum, dass sie sich einsam fühlte oder etwas in der Art. Der Abend war eine völlige Katastrophe gewesen. Wer hätte auch ahnen können, dass ausgerechnet ihr Ex ebenfalls dort auftauchen würde? So viel schlechtes Karma muss man erst mal anhäufen, auch wenn es durchaus witzig war mitanzuhören, wie Miyako am Nebentisch, von deren Freundschaft zu ihr er nichts wusste, ihn ein wenig aus der Reserve lockte, nur um ihn dann eiskalt abblitzen zu lassen. Dennoch, ihm danach an einem Tisch gegenüber zu sitzen hatte sich derart unangenehm angefühlt, dass sie den Abend nur noch hatte vergessen wollen. Nicht zuletzt auch weil es sie daran erinnert hatte, wie viel sie in diese Beziehung investiert hatte. Sie war immer wieder Kompromisse eingegangen, hatte ihn bei kleineren Streitigkeiten, die ihr nicht so wichtig waren, gewinnen lassen, um sein Ego ein wenig zu streicheln, sie hatte sogar seinem Drängen nachgegeben und mit ihm geschlafen, auch wenn nicht nur ihre Freundinnen, sondern auch sie selbst fanden, dass es zu früh dafür war. Zumindest hatte sie selbst nicht das Verlangen danach verspürt und so wie alles nach nicht einmal 20 Sekunden vorbei gewesen war wusste sie auch nicht so recht woraus genau ein solches Verlangen überhaupt entstehen sollte. Andererseits war es gerade dadurch auch keine allzu große Sache für sie gewesen und ihn schien es glücklich und ein wenig zahmer zu machen, also was soll's? Seine Art direkt danach einzuschlafen empfand sie zwar als befremdlich, wovon überhaupt bitteschön nach dem kurzen Intermezzo, aber so hatte sie den übrigen Abend über ihre Ruhe. Lieber eine halbe Minute lang Rein-Raus und 15 Minuten danach Duschen und wieder Anziehen, als einen ganzen Abend lang Rumgezanke. Dennoch, jetzt so im Nachhinein hätte sie lieber die Zankerei in Kauf genommen, als das Wissen, sich ihm hingegeben zu haben und dann als sie ihm zu unbequem wurde fallen gelassen worden zu sein. Vielleicht war das auch nur ihr Stolz, der da aus ihr sprach, was aber nicht bedeutete, dass dieser nicht recht hatte. Ihrer Selbstachtung hatte die Beziehung mit dem Bastard jedenfalls keinen guten Dienst erwiesen.
Um so mehr genoss sie die gemeinsame Zeit mit Miyako. Sie war beneidenswert unkompliziert, sie konnte sich für fast alles begeistern und gleich wie oft Riko sich in Tiraden über ihren Ex ergoss, sie hörte ihr gebannt zu, spendete Trost und wusste ihren mürrischen Worten den einen oder anderen frechen Kommentar hinzuzufügen. Kurzum sie fühlte sich wohl in ihrer Nähe, wohler als mit den meisten ehemaligen Klassenkameradinnen, auch wenn sie diese deutlich länger kannte. Zumindest hatte Miyako sie nie wegen ihrer Art zurechtgewiesen oder Häme über die gescheiterte Beziehung durchscheinen lassen wie diese. Eine Freundin wie Miyako war Gold wert, eine Freundin, die ihr keine Vorwürfe über den verpatzten Abend beim Dating machte, sondern sie daheim zum Trinken animierte. Nicht dass Riko große Übung darin hatte, die erste Dose Bier ging ja noch halbwegs gut runter, aber bereits bei der zweiten merkte sie, wie schwummrig ihr davon wurde. Miyako schlug sich deutlich wackerer, ihren sprichwörtlich nüchternen Kommentaren auf eine weitere von Rikos Tiraden darüber ertragend, dass ihre Art bei den Männern nicht gut ankäme, nach zu urteilen. Der Alkohol, Wut auf ihren Ex, verletzter Stolz, was es auch war, es hatte sie dazu verleitet Miyako herauszufordern. Nicht, dass es ihr nicht gefallen hatte, aus ihrem Mund süß genannt zu werden, immerhin war sie die süssere und beliebtere von ihnen beiden, aber eben darum wollte sie derlei auch nicht beiläufig dahingesagt hören und so hatte sie sie aufgefordert es zu beweisen. Wenn sie so süß sie wie sie sagte, warum küsste sie sie dann nicht einfach? Die Frage war als Scherz gemeint, mit dem sie sie aus der Reserve hatte locken wollen. Womit sie nicht gerechnet hatte war, dass Miyako darauf ansprang ihr tatsächlich einen kurzen, aber um so sanfteren Kuss direkt auf ihren Mund gab. Sie war so baff oder auch so betrunken gewesen, dass sie sich weder gewehrt noch gesträubt hatte, nicht mal irritiert war sie gewesen, während Miyako ihr ruhig erklärte, dass sie sie schon immer anziehend gefunden hatte und wenn dann höchstens davon, dass sich die Frage wer von ihnen beiden hier die Süße war überhaupt nicht stellte. Sie war einfach nur eingeschlafen, als der Abend und der Alkohol endgültig ihren Tribut einforderten.
Als sie am Morgen erwachte lag sie in Miyakos Bett, die ihrerseits in einem Gästefuton auf dem Boden genächtigt hatte. Was Riko aufrichtig leid tat, Miyako dagegen um so weniger. Auch wenn Rikos Kopf noch Karussell fuhr, genug um sich nicht an die Geschehnisse zu erinnern hatte sie noch lange nicht gehabt und Miyakos schlüpfriger Kommentar, dass es besser so sei, weil sie mehr als nur freundschaftlich an ihr interessiert war und sich selbst nicht sicher war, ob sie der Versuchung ihr auch körperlich näher zu kommen nicht doch nachgegeben hätte, hätten sie sich das Bett geteilt, waren da auch nicht hilfreich.
Für Riko indes war dies neu. Sicher, sie hatte schon von entsprechenden Paaren gehört, aber keine die sie kannte liebte Frauen oder war in einer Beziehung mit einer. Oder wenn doch, dann hatte sie keine Kenntnis davon. Es hatte ihr auch nie eine ihre Liebe oder zumindest ihr diesbezügliches Interesse an ihr gestanden, entsprechend hatte sie sich auch nie ernsthaft mit dem Gedanken auseinandergesetzt, was wäre, wenn sich eines Tages eine Frau in sie vergucken sollte. Sie hatte sich klar mit der Situation überfordert gefühlt, genug, um mit Miyako darüber reden zu wollen wie sie sich das jetzt eigentlich vorstellte. Riko selbst fühlte sich jedenfalls seltsam bei dem Gedanken. Sie fühlte sich überrascht, geradezu überrumpelt, aber es war vor allem ein verwirrendes Gefühl, kein unangenehmes. Dennoch wollte sie darüber reden und außer Miyako fiel ihr niemand ein mit der sie dies könnte. Zumindest war sie sich völlig sicher wie ihr übriges Umfeld reagieren würde. Sie würden ihr dazu raten sich von ihr fern zu halten. Genau das was sie am meisten hasste, andere die ihr vorschreiben wollten, wie sie ihr Leben zu leben hatte. So manche von ihnen würde über ihren Kuss die Nase rümpfen, auch wenn Riko sich selbst da unschuldig sah. Sicher, sie hatte sie dazu angestiftet, irgendwie jedenfalls, aber sie hatte diesen Kuss nicht gewollt und nicht forciert. Dennoch, wenn sie an demselben Abend noch mal genauso blau wäre, sie würde es wieder tun. Es war kompliziert. Irgendwie.
Kurzum sie hatte Redebedarf, aber seit diesem Abend schien Miyako ihr aus dem Weg zu gehen. Wann immer sie sie zum Mittagessen einladen oder sich abends mit ihr verabreden wollte hatte sie schon etwas anderes vor oder winkte ihr lediglich aus der Ferne zu und verschwand, noch ehe sie beide auch nur ein Wort miteinander wechseln konnte. Zu ihrer eigenen Überraschung empfand Riko das als überaus frustrierend. Sie wollte über diesen Kuss reden und auch darüber, wie es weitergehen sollte, aber vor allem hatte sie sich viel zu sehr an Miyakos Gesellschaft gewöhnt, als dass sie gewillt war, sie so einfach auf zu geben. Vielleicht war das auch nur ihr Dickschädel, der da aus ihr sprach. Dieser hatte zuweilen seinen ganz eigenen Willen.
Wie in diesem Fall. Es hatte ein paar Tage gedauert, bis sie Miyako in der Raucherecke hatte abpassen können, aber allein die Genugtuung, dass die Mühe sich am Ende ausgezahlt hatte, war es mehr als nur wert gewesen, auch wenn ihr Bullshit sie gehörig auf die Palme gebracht hatte. Wie so so da saß, in Selbstmitleid versunken, sich selbst völlig sicher, dass es zu Rikos Bestem war, wenn sie sich nicht mehr trafen, wenn sie sich einfach den nächsten Jungen angeln und mit ihm glücklich werden sollte, genau diese Art von Bevormundung, die sie zuvor noch nie aus ihrem Mund gehört hatte, brachte Riko zur Weißglut. Auch wenn sie selbst nicht annähernd so genau wie Miyako wusste was genau sie eigentlich wollte. Miyako war es auf jeden Fall ernst genug, um nicht zu einer reinen Freundschaft zurückkehren zu wollen und irgendwas in Riko empfand diese Bestimmtheit als durchaus angenehm. Zumindest hätte sie sich gewünscht, dass sie ebenfalls so genau wusste was sie von der anderen nicht erwartete, aber wollte. Aber auch trotz oder vielleicht auch ein Stück weit wegen dieser Zweifel, weil nicht alles in ihr danach schrie von ihr davonzulaufen, war sie gewillt es herauszufinden. Etwas mulmig war ihr zwar schon bei dem Gedanken, zwei Mädchen, wenn das herauskäme, dann gäbe das jede Menge Gerede und Anschuldigungen, Dinge auf die sie nur zu gerne verzichten konnte. Andererseits hatte sie noch nie das Bedürfnis verspürt ihr eigenes Glück dem anderer unterzuordnen. Ihre Eltern konnten da das eine oder andere Lied von singen. Ob ihr Glück in den feingliedrigen Händen Miyakos lag wusste sie zu dem Zeitpunkt beim besten Willen nicht zu sagen und offen gestanden war es auch viel zu früh, um dies wissen zu können. Aber sie war gewillt der Sache, hm, nein, das klang komisch wenn man es so nannte, andererseits fühlte es sich genauso komisch an, es eine Beziehung zu nennen, ach sie wusste auch nicht, es war eben kompliziert. Aber es ließ sich nicht leugnen, dass sie zumindest ein Stück weit interessiert war. Genug, um es auf einen Versuch ankommen zu lassen und das freudige Lächeln Miyakos, als diese ihre ausgestreckte Hand berührte, bestärkte ihren Entschluss nur noch.
Da waren sie nun also. Zwei Freundinnen, die sich geküsst hatten. Von denen eine nicht nur eine feste, sondern eine erwachsene Beziehung führen wollte. Das klang schon ein Stück weit verrückt, wenn man es so formulierte, aber wie Riko sich eingestehen musste, es klang nicht einfach nur aufregend und verrucht nach dem Reiz des Verbotenen, sondern irgendwie auch wohlig angenehm. Fast schon vertraut. Auch wenn Vertrautheit mit der Situation das letzte Wort wäre, mit dem sie diese beschrieben hätte.
Sie hatte Miyako Kodama, die sich hierher zum Rauchen zurückzog, nie wirklich gefragt, wie sie diesen Ort gefunden oder von ihm gehört hatte. Es erschien ihr nicht wichtig. Dass sie der Ruhe und Abgeschiedenheit den Vorzug gab gegenüber allzu geselligen Raucherrunden dann schon eher. Miyako war nicht unbedingt kontaktscheu, im Gegenteil, sie ging gerne auf andere zu und ließ sich auch gerne in Gespräche verwickeln, allerdings wie sie selbst offen zugab hörte sie lieber anderen zu, als sich selbst mit einer erfundenen oder auch nicht Geschichte in den Vordergrund zu drängen, wie es die meisten in solchen Gruppen taten, aber auch die beste Zuhörerin brauchte mal eine Auszeit für sich allein, um ihre Energie wieder aufzuladen. Um so peinlicher war es Riko gewesen sie von ihrem Platz zu vertreiben, zumindest fühlte es sich so an, als sie unvermittelt ihre Zigarette ausdrückte und ging, lediglich versichernd, dass es schon in Ordnung sei und sie sich Zeit nehmen solle. Irgendwie hatte sie sich deswegen schuldig gefühlt. Schuldig genug, um ihr das nächste mal als sie sie sah eine neue Packung zu spendieren, wenn auch die falsche. Was wusste sie als Nichtraucherin schon von Zigaretten? So hatten sie sich damals kennengelernt.
Bis auf einen Kurs, japanische Literatur, hatten sie nicht viel gemeinsam und so war Miyako mit ihrer stillen Art ihr auch bislang nicht wirklich aufgefallen. Sie schien beliebt, auf ihre Art, aber anders als Riko, die öfter mit früheren Klassenkameradinnen und Lehramtsstudentinnen abhing schien Miyako keinen festen Freundes- oder Bekanntenkreis auf dem Campus zu haben. Vielmehr passte sie sich mit ihrer Art an die sich wechselnden Lern- und Projektgruppen in ihrem Studiengang an und wenn man es nicht besser wüsste, dann hätte man nach wenigen Minuten den Eindruck gewinnen können, dass sie schon immer dazugehört hätte. Sie hatte ihren ganz eigenen Charme, etwas, das Riko laut ihrem Ex völlig abging, mit ihrem fein geschnittenen Gesicht und dem warmherzigen Lächeln, das sie umgab. Sie war geringfügig größer als Riko, aber ihre zierliche, fast schon knabenhafte Statur, die durch ihren Kleidungsstil aus Hose und locker übergeworfener Jacke nur noch verstärkt wurde, ließ sie zerbrechlich wirken, was ihrem Reiz aber gerade bei Männern wie ihrem Ex, die eine Ja-Sagerin zur Freundin wollten, keinen Abbruch tat. Im Gegenteil. Große Brüste und unterwürfig, die zwei Dinge, auf die die meisten hier ansprangen wie ein hungriger Löwe eine Gazelle. Wenn sie sich zusammen taten, dann hätten sie sich vor der völlig falschen Sorte von Verehrern wohl kaum retten können. Nun gut, so groß waren ihre nun auch wieder nicht, auch wenn ihr ihre alten B-Körbchen seit rund zwei Jahren nun eindeutig zu eng waren, aber sie sah doch die Blicke, die ihr und den anderen Frauen auf dem Campus nachfolgten. Aber zugegeben, Miyako war auch nicht halb so unterwürfig wie die meisten glauben mochten. Sie konnte ein ziemlich loses Mundwerk haben, wie Riko nach einigen Treffen zufrieden festgestellt hatte. Immerhin fühlte sie sich so mit ihrer direkten Art nicht mehr ganz so allein.
Mit Miyako zu reden war überaus angenehm, sie war tatsächlich gut im Zuhören und ihre witzige, zuweilen auch spitzen Bemerkungen, insbesondere wenn es um ihren Ex ging, sagten Riko überaus zu. Es tat gut wen zu haben, mit der man auch mal so richtig ablästern konnte, ohne andauernd gesagt zu bekommen, wie unattraktiv man damit wirkte. Sicher, die Beziehung fehlte ihr, genug um Miyako mal mit zu einem Speed-Dating zu schleifen, dort gab es immer zu wenig Frauen, aber dabei ging es ihr wohl eher um die Gewohnheit und nicht darum, dass sie sich einsam fühlte oder etwas in der Art. Der Abend war eine völlige Katastrophe gewesen. Wer hätte auch ahnen können, dass ausgerechnet ihr Ex ebenfalls dort auftauchen würde? So viel schlechtes Karma muss man erst mal anhäufen, auch wenn es durchaus witzig war mitanzuhören, wie Miyako am Nebentisch, von deren Freundschaft zu ihr er nichts wusste, ihn ein wenig aus der Reserve lockte, nur um ihn dann eiskalt abblitzen zu lassen. Dennoch, ihm danach an einem Tisch gegenüber zu sitzen hatte sich derart unangenehm angefühlt, dass sie den Abend nur noch hatte vergessen wollen. Nicht zuletzt auch weil es sie daran erinnert hatte, wie viel sie in diese Beziehung investiert hatte. Sie war immer wieder Kompromisse eingegangen, hatte ihn bei kleineren Streitigkeiten, die ihr nicht so wichtig waren, gewinnen lassen, um sein Ego ein wenig zu streicheln, sie hatte sogar seinem Drängen nachgegeben und mit ihm geschlafen, auch wenn nicht nur ihre Freundinnen, sondern auch sie selbst fanden, dass es zu früh dafür war. Zumindest hatte sie selbst nicht das Verlangen danach verspürt und so wie alles nach nicht einmal 20 Sekunden vorbei gewesen war wusste sie auch nicht so recht woraus genau ein solches Verlangen überhaupt entstehen sollte. Andererseits war es gerade dadurch auch keine allzu große Sache für sie gewesen und ihn schien es glücklich und ein wenig zahmer zu machen, also was soll's? Seine Art direkt danach einzuschlafen empfand sie zwar als befremdlich, wovon überhaupt bitteschön nach dem kurzen Intermezzo, aber so hatte sie den übrigen Abend über ihre Ruhe. Lieber eine halbe Minute lang Rein-Raus und 15 Minuten danach Duschen und wieder Anziehen, als einen ganzen Abend lang Rumgezanke. Dennoch, jetzt so im Nachhinein hätte sie lieber die Zankerei in Kauf genommen, als das Wissen, sich ihm hingegeben zu haben und dann als sie ihm zu unbequem wurde fallen gelassen worden zu sein. Vielleicht war das auch nur ihr Stolz, der da aus ihr sprach, was aber nicht bedeutete, dass dieser nicht recht hatte. Ihrer Selbstachtung hatte die Beziehung mit dem Bastard jedenfalls keinen guten Dienst erwiesen.
Um so mehr genoss sie die gemeinsame Zeit mit Miyako. Sie war beneidenswert unkompliziert, sie konnte sich für fast alles begeistern und gleich wie oft Riko sich in Tiraden über ihren Ex ergoss, sie hörte ihr gebannt zu, spendete Trost und wusste ihren mürrischen Worten den einen oder anderen frechen Kommentar hinzuzufügen. Kurzum sie fühlte sich wohl in ihrer Nähe, wohler als mit den meisten ehemaligen Klassenkameradinnen, auch wenn sie diese deutlich länger kannte. Zumindest hatte Miyako sie nie wegen ihrer Art zurechtgewiesen oder Häme über die gescheiterte Beziehung durchscheinen lassen wie diese. Eine Freundin wie Miyako war Gold wert, eine Freundin, die ihr keine Vorwürfe über den verpatzten Abend beim Dating machte, sondern sie daheim zum Trinken animierte. Nicht dass Riko große Übung darin hatte, die erste Dose Bier ging ja noch halbwegs gut runter, aber bereits bei der zweiten merkte sie, wie schwummrig ihr davon wurde. Miyako schlug sich deutlich wackerer, ihren sprichwörtlich nüchternen Kommentaren auf eine weitere von Rikos Tiraden darüber ertragend, dass ihre Art bei den Männern nicht gut ankäme, nach zu urteilen. Der Alkohol, Wut auf ihren Ex, verletzter Stolz, was es auch war, es hatte sie dazu verleitet Miyako herauszufordern. Nicht, dass es ihr nicht gefallen hatte, aus ihrem Mund süß genannt zu werden, immerhin war sie die süssere und beliebtere von ihnen beiden, aber eben darum wollte sie derlei auch nicht beiläufig dahingesagt hören und so hatte sie sie aufgefordert es zu beweisen. Wenn sie so süß sie wie sie sagte, warum küsste sie sie dann nicht einfach? Die Frage war als Scherz gemeint, mit dem sie sie aus der Reserve hatte locken wollen. Womit sie nicht gerechnet hatte war, dass Miyako darauf ansprang ihr tatsächlich einen kurzen, aber um so sanfteren Kuss direkt auf ihren Mund gab. Sie war so baff oder auch so betrunken gewesen, dass sie sich weder gewehrt noch gesträubt hatte, nicht mal irritiert war sie gewesen, während Miyako ihr ruhig erklärte, dass sie sie schon immer anziehend gefunden hatte und wenn dann höchstens davon, dass sich die Frage wer von ihnen beiden hier die Süße war überhaupt nicht stellte. Sie war einfach nur eingeschlafen, als der Abend und der Alkohol endgültig ihren Tribut einforderten.
Als sie am Morgen erwachte lag sie in Miyakos Bett, die ihrerseits in einem Gästefuton auf dem Boden genächtigt hatte. Was Riko aufrichtig leid tat, Miyako dagegen um so weniger. Auch wenn Rikos Kopf noch Karussell fuhr, genug um sich nicht an die Geschehnisse zu erinnern hatte sie noch lange nicht gehabt und Miyakos schlüpfriger Kommentar, dass es besser so sei, weil sie mehr als nur freundschaftlich an ihr interessiert war und sich selbst nicht sicher war, ob sie der Versuchung ihr auch körperlich näher zu kommen nicht doch nachgegeben hätte, hätten sie sich das Bett geteilt, waren da auch nicht hilfreich.
Für Riko indes war dies neu. Sicher, sie hatte schon von entsprechenden Paaren gehört, aber keine die sie kannte liebte Frauen oder war in einer Beziehung mit einer. Oder wenn doch, dann hatte sie keine Kenntnis davon. Es hatte ihr auch nie eine ihre Liebe oder zumindest ihr diesbezügliches Interesse an ihr gestanden, entsprechend hatte sie sich auch nie ernsthaft mit dem Gedanken auseinandergesetzt, was wäre, wenn sich eines Tages eine Frau in sie vergucken sollte. Sie hatte sich klar mit der Situation überfordert gefühlt, genug, um mit Miyako darüber reden zu wollen wie sie sich das jetzt eigentlich vorstellte. Riko selbst fühlte sich jedenfalls seltsam bei dem Gedanken. Sie fühlte sich überrascht, geradezu überrumpelt, aber es war vor allem ein verwirrendes Gefühl, kein unangenehmes. Dennoch wollte sie darüber reden und außer Miyako fiel ihr niemand ein mit der sie dies könnte. Zumindest war sie sich völlig sicher wie ihr übriges Umfeld reagieren würde. Sie würden ihr dazu raten sich von ihr fern zu halten. Genau das was sie am meisten hasste, andere die ihr vorschreiben wollten, wie sie ihr Leben zu leben hatte. So manche von ihnen würde über ihren Kuss die Nase rümpfen, auch wenn Riko sich selbst da unschuldig sah. Sicher, sie hatte sie dazu angestiftet, irgendwie jedenfalls, aber sie hatte diesen Kuss nicht gewollt und nicht forciert. Dennoch, wenn sie an demselben Abend noch mal genauso blau wäre, sie würde es wieder tun. Es war kompliziert. Irgendwie.
Kurzum sie hatte Redebedarf, aber seit diesem Abend schien Miyako ihr aus dem Weg zu gehen. Wann immer sie sie zum Mittagessen einladen oder sich abends mit ihr verabreden wollte hatte sie schon etwas anderes vor oder winkte ihr lediglich aus der Ferne zu und verschwand, noch ehe sie beide auch nur ein Wort miteinander wechseln konnte. Zu ihrer eigenen Überraschung empfand Riko das als überaus frustrierend. Sie wollte über diesen Kuss reden und auch darüber, wie es weitergehen sollte, aber vor allem hatte sie sich viel zu sehr an Miyakos Gesellschaft gewöhnt, als dass sie gewillt war, sie so einfach auf zu geben. Vielleicht war das auch nur ihr Dickschädel, der da aus ihr sprach. Dieser hatte zuweilen seinen ganz eigenen Willen.
Wie in diesem Fall. Es hatte ein paar Tage gedauert, bis sie Miyako in der Raucherecke hatte abpassen können, aber allein die Genugtuung, dass die Mühe sich am Ende ausgezahlt hatte, war es mehr als nur wert gewesen, auch wenn ihr Bullshit sie gehörig auf die Palme gebracht hatte. Wie so so da saß, in Selbstmitleid versunken, sich selbst völlig sicher, dass es zu Rikos Bestem war, wenn sie sich nicht mehr trafen, wenn sie sich einfach den nächsten Jungen angeln und mit ihm glücklich werden sollte, genau diese Art von Bevormundung, die sie zuvor noch nie aus ihrem Mund gehört hatte, brachte Riko zur Weißglut. Auch wenn sie selbst nicht annähernd so genau wie Miyako wusste was genau sie eigentlich wollte. Miyako war es auf jeden Fall ernst genug, um nicht zu einer reinen Freundschaft zurückkehren zu wollen und irgendwas in Riko empfand diese Bestimmtheit als durchaus angenehm. Zumindest hätte sie sich gewünscht, dass sie ebenfalls so genau wusste was sie von der anderen nicht erwartete, aber wollte. Aber auch trotz oder vielleicht auch ein Stück weit wegen dieser Zweifel, weil nicht alles in ihr danach schrie von ihr davonzulaufen, war sie gewillt es herauszufinden. Etwas mulmig war ihr zwar schon bei dem Gedanken, zwei Mädchen, wenn das herauskäme, dann gäbe das jede Menge Gerede und Anschuldigungen, Dinge auf die sie nur zu gerne verzichten konnte. Andererseits hatte sie noch nie das Bedürfnis verspürt ihr eigenes Glück dem anderer unterzuordnen. Ihre Eltern konnten da das eine oder andere Lied von singen. Ob ihr Glück in den feingliedrigen Händen Miyakos lag wusste sie zu dem Zeitpunkt beim besten Willen nicht zu sagen und offen gestanden war es auch viel zu früh, um dies wissen zu können. Aber sie war gewillt der Sache, hm, nein, das klang komisch wenn man es so nannte, andererseits fühlte es sich genauso komisch an, es eine Beziehung zu nennen, ach sie wusste auch nicht, es war eben kompliziert. Aber es ließ sich nicht leugnen, dass sie zumindest ein Stück weit interessiert war. Genug, um es auf einen Versuch ankommen zu lassen und das freudige Lächeln Miyakos, als diese ihre ausgestreckte Hand berührte, bestärkte ihren Entschluss nur noch.
Da waren sie nun also. Zwei Freundinnen, die sich geküsst hatten. Von denen eine nicht nur eine feste, sondern eine erwachsene Beziehung führen wollte. Das klang schon ein Stück weit verrückt, wenn man es so formulierte, aber wie Riko sich eingestehen musste, es klang nicht einfach nur aufregend und verrucht nach dem Reiz des Verbotenen, sondern irgendwie auch wohlig angenehm. Fast schon vertraut. Auch wenn Vertrautheit mit der Situation das letzte Wort wäre, mit dem sie diese beschrieben hätte.
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