Nautilus
von MissMischief
Kurzbeschreibung
Sich mit fast dreißig Mann auf engstem Raum zu befinden, mitten auf dem Meer und das über mehrere Wochen hinweg, ist ohnehin schon eine Herausforderung. Eine noch viel größere wird es allerdings, wenn man sich dabei mit ausgerechnet einer Person nicht gut versteht. Man kann sich nicht aus dem Weg gehen, Platz für Konflikte gibt es nicht und unbemerkt bliebt das Ganze natürlich auch nicht - wie auch Eren sehr schnell feststellen muss. (Levi x Eren / Lemon / AU)
GeschichteHumor, Liebesgeschichte / P18 / MaleSlash
Connie Springer
Eren Jäger
Furlan Church
Irvin / Erwin Smith
Levi Ackermann / Rivaille
Ymir
10.04.2023
18.09.2023
21
110.230
38
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200 Reviews
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Dieses Kapitel
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18.09.2023
4.623
Hallo!
Nach der Ernüchterung im letzten Kapitel schauen wir jetzt mal, wie es Eren so geht und wie seine Gedanke zu all dem sind. Vielleicht gibt euch das wieder ein bisschen Hoffnung ;)
Viel Spaß mit Eren und Jean und bis nächste Woche. Da wartet dann ein langes Kapitel mit sehr viel ersehnter Ereri-Interaktion auf euch #teaser
„Das klingt doch nach einer erwachsenen Entscheidung”, befand Jean, während sie gemeinsam aus dem Starbucks schlenderten, der nur zwei Gehminuten vom Hotel entfernt lag. Es war Erens Idee gewesen, hier vorbeizuschneien und Jean hatte mit einem halbherzigen Augenrollen zugestimmt. Hauptgrund war, dass er seinem Freund brühwarm von dem Gespräch mit Levi erzählen wollte, um es sich sofort von der Seele zu reden – möglichst ohne dabei von anderen Kameraden belauscht zu werden, die allmählich nach und nach zum Frühstück getröpfelt kamen. Dass er aber nun, mit ein klein wenig Herzschmerz, Lust auf einen überteuerten Caramel Frappuccino hatte, spielte auch eine nicht gerade unerhebliche Rolle. Er sollte seinen Zuckerkonsum allmählich anfangen runterzufahren, sonst machte er sich seine Trainingserfolge der letzten Jahre langsam aber sicher zunichte. Normalerweise hatten Connie und er auch gerne im U-Boot die Freischichten genutzt, um sich ein wenig körperlich zu betätigen, doch bei dieser Überfahrt hatten sowohl Seegang als auch seine Krankheit ihm da einen fetten Strich durch die Rechnung gemacht. Stattdessen hatte Levi ihn so regelmäßig mit Snickers versorgt, dass Eren schon befürchtete, ihm würde seine Lieblingssüßigkeit bald zum Hals raushängen. Doch dieser Fall war nicht eingetreten und nun vermisste er den Schokoriegel hier in England sogar ein wenig. Er könnte sich natürlich auch in den nächsten Supermarkt begeben und sich welche holen, aber … es war irgendwie nicht dasselbe, wenn es nicht Levi war, der ihm einen Riegel zusteckte. Der Gedanke ließ ihn nur ein weiteres Mal seufzen.
„Mhm”, machte er, als Antwort auf Jeans Feststellung.
Jean nahm einen Schluck durch den Strohhalm von seinem Cold Brew und runzelte die Stirn. „Schmeckt ja gar nicht mal so gut”, murmelte er, mehr zu selber, als zu Eren.
„Was hast du denn erwartet? Das ist einfach nur kalter Kaffee mit Eiswürfeln”, erwiderte er und war selber völlig zufrieden mit seinem klebrigsüßen, tröstlich schmeckenden Getränk, das auch noch Sahne on top hatte.
„Ja, ach was, du Schlauberger!”, schnappte Jean zurück. „Aber wenn ich knapp sechs Pfund für so etwas bezahle, dann erhoffe ich mir auch schon ein bisschen Qualität.”
„Niemand hat dich gezwungen, mit mir hier hinzugehen”, murrte Eren daraufhin.
Jean warf ihm einen schiefen Blick zu, schien diese Aussage gerne beanstanden zu wollen, entschied sich dann aber dagegen.
Ein paar Schritte legten sie schweigend zurück, ehe Jean doch wieder das Wort erhob. „Aber du bist nicht zufrieden mit der Entscheidung von Levi oder?”, lenkte er das Thema wieder zurück, als hätte ihre kleine Kaffee-Diskussion gar nicht stattgefunden.
Eren ließ sich Zeit mit der Antwort, obwohl ihm ein deutliches 'Nein' bereits auf der Zunge lag. Auf der anderen Seite konnte er aber auch nicht abstreiten, dass Levis Handhabung mit dieser Situation durchaus vernünftig und erwachsen war. Seine Punkte, warum es jetzt gerade nicht passte, auch nur irgendetwas zwischen ihnen in eine tiefere Richtung wandern zu lassen, klangen plausibel. Eren verstand das wirklich. Würde einer seiner Freunde sich in einer derartigen Situation befinden, würde er es auch als 'vernünftige Entscheidung' abnicken. Allerdings … „Nee. Zufrieden bin ich nun wirklich nicht.”
Jean wirkte nicht überrascht. „Liebeskummer ist immer große Scheiße, aber das vergeht. Meiner Meinung nach ist es aktuell der bessere Weg, dass ihr nichts miteinander startet”, meinte sein Freund, nun wieder mit völlig ruhiger Stimme. „Wenn er schon selber sagt, dass er sich unsicher ist, weil seine letzte Beziehung noch nicht lange zurückliegt … dann ist das immer ein ziemlich schlechtes Zeichen.”
„Mag sein”, stimmte Eren nur leise zu.
Jean seufzte und blieb auf dem Gehweg stehen. „Lass mich raten – du gibst ihn trotzdem noch nicht auf.”
So geknickt er sich nach diesem Gespräch mit Levi auch fühlte und so groß die Aussicht auf noch viel schwereren Liebeskummer war – in ihm war trotzdem noch dieser kleine Samen Entschlossenheit, der anfing seine Wurzeln sehr beharrlich in die Erde zu schlagen. Levi hatte ihn selber gesät, indem er ausgesprochen hatte, dass er etwas für ihn fühlte. Dass da eindeutig etwas zwischen ihnen war. Eren wollte das nicht einfach wegschmeißen, als sei es nicht der Rede wert oder es gar ignorieren. Es fühlte sich nicht richtig an. Und er war sich ziemlich sicher, dass es sich auch für Levi nicht vollkommen richtig anfühlte. Ja, vielleicht war es vernünftiger und besser, die Finger voneinander zu lassen. Aber wenn man den jeweils anderen doch so mochte? Und sich so wohl in der Nähe fühlte? Musste da denn immer die vernünftige Entscheidung die Oberhand haben, weil möglicherweise diese oder jene Situation eintreten könnte?
Eren war kein Fan von so etwas. Er wollte sich nicht vor jeder Entscheidung tausend Gedanken machen, ob es nun positiv oder negativ enden könnte, wenn es sich doch für ihn selber gut anfühlte. Er war auch nicht der Mensch dafür, alles mögliche erst mal abzuwägen – dafür war er wohl schlichtweg zu impulsiv. Levi allerdings nicht. Das war ihm bewusst.
Ebenso bewusst war ihm natürlich auch, dass er nichts erzwingen konnte. Wenn Levi diese Grenze zwischen ihnen neu aufstellte, nachdem sie gestern Nacht kurzzeitig gefallen war, dann musste Eren das akzeptieren. Nur fühlte es sich im Moment, trotz Levis Worten, noch nicht so an. Für ihn wirkte es so, als wäre sein Kommandant selber etwas am Hadern. Seine Aussage, dass es in den nächsten Jahren anders aussehen könnte, dass dann möglicherweise ein besserer Zeitpunkt für etwas Tieferes zwischen ihnen wäre, mochte für die meisten wohl wie ein nettgemeinter, kleiner Trost am Rande wirken, der aber eigentlich alles nur schlimmer machte. Doch Eren war Levis fast schon melancholischen Gesichtsausdruck bei diesen Worten nicht entgangen. Die Art, wie er dabei hinauf zum Glasdach geblickt hatte, als würde er sich selber wünschen, dass es anders wäre. Alleine das machte es Eren sehr schwer, diese Abfuhr hinzunehmen.
Also nein – er wollte Levi noch nicht aufgeben, genau, wie Jean es schon richtig festgestellt hatte. Zumindest nicht sofort. Obwohl er der Aussage Männer, die nicht wissen was sie wollen, sorgen für nichts als Stress, nur zustimmen konnte. Er hatte schon mehr als genug Erfahrung mit solchen Exemplaren sammeln dürfen und in der ein oder anderen schlaflosen Nacht, völlig verloren in seinen eigenen, teils auch negativen Gedanken, war in seinem Kopf auch mal die Frage aufgetaucht, ob er nicht vielleicht selber zu dieser Sorte gehörte. Seine ziemlich wechselnden Bettpartner sprachen zumindest dafür und einer davon hatte ihm sogar mal ein ziemliches angepisstes „Du weißt auch nicht, was du willst!”, an den Kopf geworfen, nachdem Eren nach einem zweiten Treffen kein weiteres mehr wollte. Im ersten Moment hatte ihn das getroffen, doch im nächsten war ihm klar geworden, dass er, entgegen dieser Aussage, eigentlich sehr genau wusste, was er wollte. Nur fand er es nicht ansatzweise so oft, wie er es sich wünschte und verschwendete demnach auch keine weitere Zeit mit Männern, mit denen er nicht auf eine Wellenlänge kam. Oder die ihm nicht das geben konnten, was er brauchte und wollte.
Ob Levi das konnte, war natürlich auch nicht mit Sicherheit zu sagen. Aber zumindest menschlich war der Funke übergesprungen. Und das ziemlich schnell, nachdem die ersten Mauern zwischen ihnen gesprengt waren.
„Dein Schweigen deute ich jetzt Mal als 'Nein'”, riss Jean ihn aus seinen Gedanken. Er klang ein wenig resigniert und Eren war froh, dass es dabei blieb. Er hätte mit etwas mehr Gegenwind gerechnet, denn dass sein Kamerad recht wenig davon hielt, sich Levi weiter anzunähern, war mehr als offensichtlich.
„Ich werde mich ihm nicht aufdrängen, falls du das befürchtest”, gab er zurück. „Ich will nur … deutlich machen, dass ich trotzdem noch Interesse habe.”
„Dann hoffe ich mal, dass du das nicht vor dem Manöver vorhast.”
Eren schnaubte. „Natürlich nicht, ich bin doch nicht vollkommen hohl.” Er stieß Jean den Ellenbogen gegen die Seite, als dieser bei seinen Worten ein Geräusch von sich gab, als würde er das hochgradig bezweifeln. „Da werde ich völlig normal mit ihm umgehen. Das kriege ich hin. Aber alles was außerhalb vom Boot ist, ist … nun mal außerhalb vom Boot.”
Es war gar nicht seine Intention, auch nur irgendwas an Bord kippen zu lassen. Sei es nun seine eigene Stimmung, als auch die der Besatzung. Er war sich sicher, dass er dort normal mit Levi interagieren konnte. Etwas anderes blieb ihm im Grunde auch nicht übrig.
„Ich bin mir ja nicht so sicher, ob du da wirklich die Grenze ziehen kannst”, gab Jean zu Bedenken. „Zwischen Arbeit und Privat, meine ich. Levi kann das, davon gehe ich aus. Aber du? Du hast die letzten zwei Jahre damit verbracht, unseren Kommandanten mehr oder weniger zu ignorieren. Und glaub mal nicht, dass das unbemerkt geblieben ist.”
Manchmal hasste Eren es, wie deutlich Jean doch unangenehme Dinge aussprechen konnte, die auch noch richtig waren. „Dann sind die zwei Tage für das Manöver halt ein Probelauf. Dann merke ich ja selber, ob ich damit klarkomme oder nicht. Und du kannst mir sagen, wie ich mich geschlagen habe”, meinte er, nachdem er für einen Moment über Jeans Worte nachgedacht und den erstbesten, angefressenen Kommentar zurückgehalten hatte.
„Von mir aus”, stimmte dieser mit einem eher gleichmütigen Schulterzucken zu und Eren hakte das Thema 'Levi' damit vorerst ab.
Sie gingen nicht auf direktem Weg zurück ins Hotel, obwohl das Wetter nach wie vor zu wünschen übrig ließ. Der Regenschauer von vorhin hatte sich zwar verausgabt, doch es war trotzdem noch ungemütlich und stürmisch draußen.
Jean beschwerte sich allerdings nicht, als sie gemeinsam durch einen kleinen Park schlenderten. Ihre Plastikbecher waren mittlerweile leer und sein Freund blieb stehen, um sich eine Zigarette anzustecken.
„Wie läuft's eigentlich mit Marco?” Eren hatte bei seinem eigenen Gefühlschaos völlig vergessen, sich auch mal nach der etwas wankenden Beziehung seines Nebenmanns zu erkundigen. Im Boot hatten sie nicht oft die Möglichkeit gehabt, mal länger zu sprechen – und wenn, dann waren immer noch einige andere Leute dabei gewesen, weshalb er das Thema nicht aufgebracht hatte. Gestern Nacht, als Jean und er noch eine halbe Stunde gemeinsam an der Hotelbar gesessen hatten, war ihr Gespräch auch nicht in diese Richtung gewandert. Sie hatten über Jeans Fehler gesprochen und wie mies es ihm doch deswegen ergangen war und es sonst eher bei leichter Kost gehalten. Eren war auch noch viel zu aufgewühlt gewesen, um sich wirklich auf etwas Ernstes zu konzentrieren.
„Wir haben uns nochmal zusammengerauft”, gab Jean zurück, nachdem er einen Zug von seiner Kippe genommen hatte. „Aber es war ziemlich knapp.”
Jean und Marco waren schon eine halbe Ewigkeit zusammen – zumindest kam es Eren so vor. Und er war immer sehr fest davon ausgegangen, dass die beiden wohl nichts trennen konnte, so gut, wie sie miteinander funktionierten und so problemlos, wie sie diese (mehr oder weniger) Fernbeziehung wuppten. Doch offenbar war es doch nicht so unüblich, dass auch nach vielen Jahren, die man miteinander verbracht hatte, noch diverse Schwierigkeiten auf einen zusteuerten. Während Jean und Marco bei ihrem gemeinsamen Norwegen-Urlaub - den Eren fast ausschließlich mit schlechter Laune und Streit mit seinem Ex verbracht hatte -, noch ein Herz und eine Seele waren, war vor einigen Wochen eher das Gegenteil der Fall gewesen. Zunächst hatte Sasha, die Jeans beste Freundin war, ein paar besorgte Andeutungen gemacht. Und dann Jean selber, als sie für die gemeinsame Schulung nach Hamburg gefahren waren.
„Dass es bei euch mal knapp wird, hätte ich nie gedacht”, murmelte Eren nur.
„Ich auch nicht”, gab sein Freund zurück. „Aber das kommt davon, wenn man sich einfach auf seiner Beziehung ausruht. Es ist immer Arbeit, auch nach Jahren noch. Ich hab's aber erst richtig geschnallt, als es schon fast vorbei war.”
„Und wie habt ihr es wieder hinbekommen?”
„Indem wir uns zusammengesetzt und offen darüber gesprochen haben, ob eine Trennung wirklich die einzige Lösung für uns ist. Und siehe da, wenn man bereit ist, sich aufeinander zuzubewegen tun sich doch noch so einige Kompromisse und Wege auf.”
Eren nickte verstehend, auch wenn er selber an einem solchen Punkt noch nie gewesen war. Dafür hatten seine Beziehungen auch nie lange genug gehalten und waren bei weitem auch nicht so fest gewesen.
„Man darf das 'Wir' einfach nicht aus den Augen lassen. Klar ist es schwer, dass bei dieser ständigen Entfernung hinzukriegen, aber wir haben es die letzten Jahre geschafft und werden es auch weiterhin hinbekommen”, sprach Jean weiter.
„Ich bin echt froh, dass ihr den Karren wieder aus dem Dreck bekommen habt.” Eren lächelte und versuchte wirklich, diese positiven Nachrichten auf sich und seine eher durchwachsene Laune zu übertragen. Klappten wollte das aber nur bedingt.
„Und ich erst. So jemanden wie Marco finde ich nie wieder”, meinte Jean mit vollkommen ernster Stimme. Dem war nichts entgegenzusetzen – Eren war sich selber ziemlich sicher, dass es Menschen wie Marco nicht sehr oft auf dieser Welt gab. Immer herzensgut, konnte jederzeit und mit einer Engelsgeduld mit jemand so launischen wie Jean umgehen und schien sowieso für jeden die richtigen Worte parat zu haben. Und er war bereit, seinen Partner immer wieder ziehen zu lassen und hatte ihm diesbezüglich noch nie Steine in den Weg gelegt.
„Da kannst du dich wirklich glücklich schätzen, dass ihr euch habt”, sagte er, als sie gemächlich weitergingen. „Ich bin manchmal echt ein wenig neidisch, muss ich zugeben.”
„Ich hoffe mal, dass Neid nicht der Grund ist, dass du dich jetzt plötzlich in irgendwas mit unserem Kommandanten stürzen willst”, gab Jean nur zurück.
Eren rollte mit den Augen. „Das mit Levi ist was völlig anderes.”
Er hatte nicht gelogen damit, dass er ihn vor über drei Jahren, als sie sich am Marinestützpunkt zum allerersten Mal begegnet waren, bereits attraktiv gefunden hatte. Das war ja auch fast schon unvermeidbar – rein äußerlich fiel Levi schließlich in sein Schema. Zwar hatte Eren ein Faible für Männer, die größer waren als er selber, doch bei Levi war dies ein Punkt, der ihn überhaupt nicht störte. Auch damals schon nicht, wenn er so darüber nachdachte. Trotzdem hatte er dieser sich anbahnenden Schwärmerei Einhalt geboten, bevor sie überhaupt in seinem Kopf Fuß fassen konnte. Einerseits gut – denn da war Levi noch in festen Händen gewesen und Eren wäre wohl geradewegs in eine einseitige, unglückliche Verliebtheit gestolpert. Andererseits auch schlecht, denn dafür hatte es ihn jetzt eingeholt und glücklich verliebt war er noch immer nicht.
Es war ihm selber ein kleines Rätsel, wie erfolgreich sein Kopf es doch geschafft hatte, den Kommandanten - trotz seiner ständigen Anwesenheit -, soweit auszublenden, dass es fast schon zu Problemen zwischen ihnen geführt hätte. Dass Eren ihn teilweise sogar schon als unsympathisch eingestuft hatte. Doch trotz allem hatte sich das Blatt rasendschnell gewendet. Die Anziehung, die Levi ausstrahlte, war einfach viel zu stark, als dass es hätte anders laufen können. Vermutlich hätte Eren immer angefangen, Gefühle für ihn zu entwickeln – egal welchen Weg er auch eingeschlagen hätte.
„Er ist zumindest anders als Floch, der Pisser”, bemerkte Jean nebenbei. „Hast du von dem eigentlich nochmal was gehört?”
Eren rümpfte die Nase bei der Erwähnung von seinem Ex. „Er hat mir vor zwei Monaten mal geschrieben. Einfach nur 'hey'.”
„Sag mir bitte, dass du nicht geantwortet hast, sonst-”
„Hab ich nicht.”
„Gelobt sei der Herr, du kannst ja auch mal was richtig machen!” Jean grinste und blieb an einer Parkbank stehen, um den Rest seiner Zigarette an einem Mülleimer auszudrücken.
Eren verschwieg, dass er ganz kurz darüber nachgedacht hatte ihm zu antworten (hin und wieder wurde die Einsamkeit nämlich sehr laut), doch ein Blick in die Instagram-Storys von seinem Ex hatte ihn eines Besseren belehrt. Zu dem Zeitpunkt, als das schlichte 'hey' auf seinem Handy aufgeploppt war, war es mitten in der Nacht und Floch offenbar mit reichlich Alkohol am Feiern gewesen. Möglicherweise war er ja wieder Single und hatte sich dann gedacht, dass er stattdessen bei ihm antanzen konnte. Eren hatte sich zwar schon so einiges von Männern, insbesondere von ihm, gefallen lassen, doch für so etwas besaß er keinerlei Nerven mehr. Nicht für seinen Ex.
Wie viele Nerven er allerdings an Levi verlieren wollte, musste er noch sehen. Auf ein paar würde es vermutlich hinauslaufen und ob es das dann überhaupt Wert war, ließ sich auch unmöglich feststellen, aber … er hatte Blut geleckt. Und er wollte wissen, was ihn möglicherweise erwartete, wenn er die Spur verfolgte. Dafür opferte er gerne ein wenig von sich selbst.
Zurück im Hotel klopfte Erens Herz um einiges schneller, als er sich durch die Lobby bewegte und anschließend die Treppe bis zum dritten Stock hinaufstieg. Ganz automatisch hatte er sich nach Levi umgeguckt, fast schon erwartet, ihn durch die Glastür hindurch noch am Tisch beim Frühstück sitzen zu sehen oder in einem der bequemen Sessel im Empfangsbereich des Hotels, wo man besonders gutes W-LAN hatte. Doch das war nicht der Fall gewesen; sowohl er, als auch Kapitän Smith schienen sich zurückgezogen zu haben. Was Levi wohl den Rest des Tages noch vorhatte? Nur zu gerne hätte Eren ihn genau das per Nachricht gefragt. Doch zumindest die nächsten Tage wollte er den Abstand wahren – beim Manöver, das den kompletten Tag, bis spätabends lief, würden sie noch genug aufeinanderhocken. Bis dahin wollte Eren sich nicht all zu sehr in seinen Gedanken über ihn verlieren.
„Ob Connie schon wach ist?”, mutmaßte Jean, als sie schließlich in ihrem Stockwerk angekommen waren. „Wann war er eigentlich wieder da, hast du das mitbekommen?”
Eren schnaubte belustigt. „Mitbekommen … der war gut. Ich dachte, ein SEK-Kommando will das Hotelzimmer stürmen, weil es so gepoltert hat. Der hat die Tür nicht aufbekommen.”
Daraufhin lachte Jean auf und Eren ließ sich schließlich davon anstecken (auch wenn er es um vier Uhr morgens weitaus weniger lustig gefunden hatten). Connie hatte scheinbar die Schlüsselkarte mit seinem Handy zusammen in der Hosentasche behalten und dass das keine gute Kombination war, war ihm wohl entfallen. Alkohol war dabei natürlich auch in keiner Weise hilfreich und sein bester Freund hatte ziemlich verzweifelt an der Klinke gerüttelt, als würde die Tür sich dann einfach durch Zauberhand öffnen … was ja auch passiert war, nur leider nicht mithilfe der Schlüsselkarte.
„Connie war auf jeden Fall völlig hinüber. Also nein, ich glaube nicht, dass er schon wach ist”, fuhr er fort und zückte dann seine eigene Schlüsselkarte, als sie die richtige Zimmertür erreicht hatten. Die von Jean und Thomas war direkt daneben.
„Und genau deshalb trinke ich kaum noch was”, meinte Jean, der noch immer ein wenig grinste. „Das endet nie gut.”
Im Grunde ließ sich dem nur zustimmen, doch Eren konnte trotzdem nicht abstreiten, dass er sich schon auf das ein oder andere Gläschen am Abend freute, sobald die Antibiotika aus seinem System raus waren.
Als ihm beim Betreten des Zimmers eine sehr deutliche Mischung aus abgestandener Luft und Bier entgegenwehte, überdachte er seine Vorfreude nochmal. Connie lag noch immer genauso schnarchend in seinem Bett, wie Eren ihn heute Morgen zurückgelassen hatte. Die Arme seltsam abgewinkelt und ein Bein unter der Bettdecke heraushängend. Schnurstracks durchquerte er das Zimmer, riss beide Fenster auf und griff sich dann sein Handy, das er auf einem der Stühle liegen gelassen hatte. Connie schien seine Anwesenheit überhaupt nicht zu bemerken, er pennte einfach weiter, obwohl Eren sich keinerlei Mühe machte leise zu sein.
Sein Display zeigte ihm ein paar Nachrichten an, unter anderem auch von Ymir, die schon wach war. Eren hatte ihr gestern Nacht noch geschrieben, dass er mit Jean nachhause fuhr und ihr dann später alles erzählen würde. Dass sie auf das 'später' kaum noch warten konnte, war klar. Er wäre an ihrer Stelle wohl genauso neugierig.
Außerdem war da auch noch eine Nachricht von Armin – ein nicht mehr all zu häufiger, aber immer gern gelesener Name. Dabei verspürte Eren ein weiteres Mal den großen Wunsch, mit ihm zu sprechen. Armin war in allen Lebenslagen einer seiner wichtigsten und auch liebsten Ansprechpartner. Vor allem jetzt, was diese ganze Situation mit Levi betraf, würde Eren nur zu gerne mit ihm darüber reden. Er hatte das zwar bereits mit Jean getan und dieser war auch ein guter und aufmerksamer Zuhörer, der zudem gestern Abend zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen war, aber mit Armin war es einfach etwas komplett anderes. Nicht etwa, weil dieser all seine Entscheidungen und Meinungen ohne es weiter zu hinterfragen vertrat, sondern weil er der wohl empathischste Mensch war, den Eren je kennenlernen durfte. Das fehlte ihm manchmal zwischen seinen Freunden, die er innerhalb der Besatzung hatte. Sie waren alle toll und er liebte sie sehr, aber niemand war wie Armin.
Deshalb zögerte Eren nicht länger, seinen besten Freund eine Nachricht zurückzuschreiben, in der er ihn fragte, ob sie die nächsten Tage mal telefonieren wollten. Das gab Armin hoffentlich genug Vorlauf, um das in seinen überfüllten Terminkalender mit reinzuquetschen. Es war nämlich alles andere als einfach, ihn mal spontan ans Handy zu bekommen. Teilweise dauerte es auch mehrere Tage bis Eren überhaupt eine Antwort von ihm bekam.
Als er zurück in die Übersicht der Chats tippte, stach ihm Levis Name sofort entgegen. Innerlich seufzte er, unterdrückte den Wunsch, ihm ebenfalls zu schreiben und legte sein Handy schließlich wieder beiseite, bevor er es sich doch noch anders überlegte.
Während er sich daran machte, seine Klamotten, die er gestern Nacht achtlos neben seinem Bett verteilt hatte, aufzusammeln und zusammenzulegen, erwachte Connie schließlich aus seinem komatösen Schlaf. Eren merkte es nur daran, dass das Schnarchen stoppte und hob den Kopf, um seinen Freund anzusehen. Dieser legte sich den Unterarm übers Gesicht und brummte etwas, was lediglich nach einem „Alter” klang.
„Alter”, stimmte Eren zu und musste grinsen. „Na, haben wir etwa Kopfschmerzen?”
Connie antwortete nicht sofort, er zog langsam seinen Unterarm zurück und blinzelte dann ins Tageslicht. „Eigentlich fühlt es sich eher an, als hätte man mir meinen Kopf abgenommen, ihn als Cocktail Shaker missbraucht und ihn mir dann wieder aufgesetzt ... aber ich schätze, Kopfschmerzen kommt dem wohl noch nahe.”
„Du armes Ding aber auch.”
„Ey, wie wär's mal mit etwas Mitgefühl? Ich habe mich aufopferungsvoll um dich gekümmert, als du krank warst!”, empörte Connie sich dramatisch. „Und das ist nun der Dank!”
Erens Grinsen wurde etwas breiter, dann beugte er sich hinab und wühlte in einem Seitenfach seiner Reisetasche herum. Als er den Blister mit den Ibuprofen fand, warf er diesen schließlich zu Connie hinüber. „Hier. Ich wünschte nur, ich könnte mich an deine aufopferungsvolle Pflege erinnern, von der du da sprichst.”
Connie drückte eine der Ibus durch die Folie und schluckte sie einfach trocken. Dann ließ er sich wieder zurück ins Kissen fallen und drehte den Kopf, um ihn anzusehen. Sein Blick wurde nachdenklich. „Ich habe dir manchmal Essen gebracht”, zählte er an einem Finger ab. „Und Klamotten … und das Allerwichtigste”, er hob einen dritten Finger, „meine bombastische Gesellschaft.”
„Da hat Levi aber etwas mehr Einsatz als du gezeigt”, entkam es Eren belustigt – und ohne darüber nachzudenken, denn im nächsten Moment wollte sein Grinsen sich schon wieder verabschieden.
Glücklicherweise bemerkte Connie es nicht, der sich gerade zur Seite beugte, um sich seine Wasserflasche vom Nachttisch zu schnappen. „Sorry, dass ich nicht so bin wie er”, gab er dann zurück und wischte sich ein imaginäres Tränchen von der Wange. „Aber apropos Levi – was wollte Louise gestern denn von dem?! Ich dachte, ich guck nicht richtig”, wechselte er das Thema und schraubte den Flaschendeckel auf. „Hängen die da fast aufeinander an der Bar rum. Ganz seltsamer Anblick.”
In Erens Magen fing es wieder an zu brodeln und er setzte sich auf die Kante von seinem Bett. „Hatten die was miteinander?”, fragte er völlig automatisch und mit ausdrucksloser Stimme nach. Levi hatte zwar behauptet, er hätte Louise nicht geküsst und auch sonst nichts mit ihr vorgehabt, aber wenn selbst Connie die beiden aufgefallen waren, dann …
„Äh ...” Sein bester Freund schien in seinen Erinnerungen zu kramen und kratzte sich dabei am Kopf. „Weiß nicht. Levi war eine Weile weg und dann hat Louise sich einen anderen gekrallt. Naja, zumindest bis Levi dann wieder da war. Da hat sie dann wieder an ihm geklebt.”
Das Brodeln in Erens Magen wurde noch ein ganzes Stück intensiver. Gut, dass er nicht wieder in den Pub gegangen war – bei dem Anblick wären ihm sämtliche Sicherungen wohl augenblicklich wieder rausgeflogen, nachdem er sie zuvor wieder einigermaßen eingesetzt hatte.
Ihm lag eine weitere Frage bezügliche Levis Verhalten gegenüber Louise auf der Zunge, aber er sprach sie nicht aus. Es wäre viel zu auffällig. Es war zwar nicht so, als würde er das, was da vor der Tür des Pubs passiert war, unbedingt vor Connie geheimhalten wollen … aber es ihm jetzt so vor die Füße zu schmeißen, fühlte sich nicht ganz richtig war. Sonderlich Lust, das alles ein weiteres Mal durchzukauen, hatte er ebenfalls nicht. Es reichte, wenn vorerst Ymir und Jean davon wussten. Connie würde er es ein anderes Mal erzählen.
„Naja, jedenfalls hast du echt so einiges verpasst”, erzählte Connie weiter, nun etwas außer Atem, nachdem er fast einen halben Liter Wasser runtergekippt hatte. „Das mit Levi und Louise. Dann haben Porco und Marcel sich irgendwann total gestritten, weiß aber nicht warum. Und Ymir – ich musste sie doch tatsächlich zurückhalten, damit sie keine Prügelei anfängt! Ich meine, ich finde Louise ja auch etwas nervig und alles, aber ist doch kein Grund, ihr gleich einen Barhocker in die Fresse hauen zu wollen. Keine Ahnung, was da mit ihr los war. Alkohol tut ihr nicht gut, ich sag's dir.”
Eren sah regelrecht vor sich, wie Ymir ihren Vorschlag, Louise zurück nach Deutschland zu katapultieren, umsetzen wollte. Er war natürlich froh, dass es nicht dazu gekommen war, schließlich konnte sie ja nichts für diese gesamte Situation, aber so ein ganz klein wenig Genugtuung …
„Aber weißt du, was mir dann aufgefallen ist?”, riss Connie ihn unbeirrt aus seinen Gedanken.
Nun wieder völlig hellhörig starrte Eren ihn an. „Nein? Was denn?”, hakte er vorsichtig nach. Hatte sein Freund es etwa doch mitbekommen? Doch eins und eins zusammengezählt?
„Dass Ymir wohl Recht damit hatte, dass Levi nicht mehr verlobt ist. Das war ja schon sehr offensichtlich. Aber verdammt, das macht mir jetzt irgendwie so gar keinen Mut, diese Sache mit dem Antrag durchzuziehen!” Connie zog einen Flunsch und sackte etwas tiefer ins Kissen, während Eren sich innerlich den Schweiß von der Stirn wischte.
„Wieso das denn nicht? Nur weil seine Verlobung geplatzt ist?”
„Ja man! Ich meine … was, wenn es bei mir dann genauso ist? Vielleicht bringt das Unglück, sich jetzt schon zu verloben. Ich warte besser noch eine Weile und-”
„Vergiss es”, fuhr Eren ihm schnell ins Wort. Jeans Aussage, dass Sasha schon länger versuchte, Connie zu einem Antrag zu bewegen, war ihm noch sehr gut im Gedächtnis geblieben. „Du ziehst das durch. Wofür sonst haben wir denn so schön geübt?”
„Auch wieder wahr”, seufzte Connie. „Einmal von Ymir so gedrillt zu werden reicht mir. Das halte ich kein weiteres Mal aus.”
Eren nickte bestätigend und hoffte, dass es möglichst motivierend aussah.
„Was hast du gestern eigentlich noch so gemacht?”, wollte Connie dann plötzlich wissen. „Du bist ja schon recht früh abgehauen. Hab dich nur bei Levi an der Bar gesehen und dann warst du plötzlich weg.”
Eren beantwortete die Frage möglichst wahrheitsgemäß – er hatte den betrunkenen Haufen nur noch schwer ertragen und war dann mit Jean zurück ins Hotel gefahren. Connie stellte darauf keine weiteren Rückfragen und begab sich kurze Zeit später schließlich unter die Dusche, während Eren auf seinem Bett sitzen blieb. Das höchst unangenehme Bild von Louise und Levi tauchte dabei wieder in seinem Kopf auf und ließ sich nur schwer vertreiben.
Fuck. Er hoffte wirklich, dass er den normalen Umgang mit seinem Kommandanten bei dem Manöver auch noch hinbekam, wenn Louise dabei war. Das waren ziemlich erschwerte Umstände, aber Eren hatte keine Wahl – seine Gefühle hatten im Boot nichts verloren. Daran musste er sich halten.
Nach der Ernüchterung im letzten Kapitel schauen wir jetzt mal, wie es Eren so geht und wie seine Gedanke zu all dem sind. Vielleicht gibt euch das wieder ein bisschen Hoffnung ;)
Viel Spaß mit Eren und Jean und bis nächste Woche. Da wartet dann ein langes Kapitel mit sehr viel ersehnter Ereri-Interaktion auf euch #teaser
Kapitel 21
50°24'47”N, 4°7'28”W
50°24'47”N, 4°7'28”W
„Das klingt doch nach einer erwachsenen Entscheidung”, befand Jean, während sie gemeinsam aus dem Starbucks schlenderten, der nur zwei Gehminuten vom Hotel entfernt lag. Es war Erens Idee gewesen, hier vorbeizuschneien und Jean hatte mit einem halbherzigen Augenrollen zugestimmt. Hauptgrund war, dass er seinem Freund brühwarm von dem Gespräch mit Levi erzählen wollte, um es sich sofort von der Seele zu reden – möglichst ohne dabei von anderen Kameraden belauscht zu werden, die allmählich nach und nach zum Frühstück getröpfelt kamen. Dass er aber nun, mit ein klein wenig Herzschmerz, Lust auf einen überteuerten Caramel Frappuccino hatte, spielte auch eine nicht gerade unerhebliche Rolle. Er sollte seinen Zuckerkonsum allmählich anfangen runterzufahren, sonst machte er sich seine Trainingserfolge der letzten Jahre langsam aber sicher zunichte. Normalerweise hatten Connie und er auch gerne im U-Boot die Freischichten genutzt, um sich ein wenig körperlich zu betätigen, doch bei dieser Überfahrt hatten sowohl Seegang als auch seine Krankheit ihm da einen fetten Strich durch die Rechnung gemacht. Stattdessen hatte Levi ihn so regelmäßig mit Snickers versorgt, dass Eren schon befürchtete, ihm würde seine Lieblingssüßigkeit bald zum Hals raushängen. Doch dieser Fall war nicht eingetreten und nun vermisste er den Schokoriegel hier in England sogar ein wenig. Er könnte sich natürlich auch in den nächsten Supermarkt begeben und sich welche holen, aber … es war irgendwie nicht dasselbe, wenn es nicht Levi war, der ihm einen Riegel zusteckte. Der Gedanke ließ ihn nur ein weiteres Mal seufzen.
„Mhm”, machte er, als Antwort auf Jeans Feststellung.
Jean nahm einen Schluck durch den Strohhalm von seinem Cold Brew und runzelte die Stirn. „Schmeckt ja gar nicht mal so gut”, murmelte er, mehr zu selber, als zu Eren.
„Was hast du denn erwartet? Das ist einfach nur kalter Kaffee mit Eiswürfeln”, erwiderte er und war selber völlig zufrieden mit seinem klebrigsüßen, tröstlich schmeckenden Getränk, das auch noch Sahne on top hatte.
„Ja, ach was, du Schlauberger!”, schnappte Jean zurück. „Aber wenn ich knapp sechs Pfund für so etwas bezahle, dann erhoffe ich mir auch schon ein bisschen Qualität.”
„Niemand hat dich gezwungen, mit mir hier hinzugehen”, murrte Eren daraufhin.
Jean warf ihm einen schiefen Blick zu, schien diese Aussage gerne beanstanden zu wollen, entschied sich dann aber dagegen.
Ein paar Schritte legten sie schweigend zurück, ehe Jean doch wieder das Wort erhob. „Aber du bist nicht zufrieden mit der Entscheidung von Levi oder?”, lenkte er das Thema wieder zurück, als hätte ihre kleine Kaffee-Diskussion gar nicht stattgefunden.
Eren ließ sich Zeit mit der Antwort, obwohl ihm ein deutliches 'Nein' bereits auf der Zunge lag. Auf der anderen Seite konnte er aber auch nicht abstreiten, dass Levis Handhabung mit dieser Situation durchaus vernünftig und erwachsen war. Seine Punkte, warum es jetzt gerade nicht passte, auch nur irgendetwas zwischen ihnen in eine tiefere Richtung wandern zu lassen, klangen plausibel. Eren verstand das wirklich. Würde einer seiner Freunde sich in einer derartigen Situation befinden, würde er es auch als 'vernünftige Entscheidung' abnicken. Allerdings … „Nee. Zufrieden bin ich nun wirklich nicht.”
Jean wirkte nicht überrascht. „Liebeskummer ist immer große Scheiße, aber das vergeht. Meiner Meinung nach ist es aktuell der bessere Weg, dass ihr nichts miteinander startet”, meinte sein Freund, nun wieder mit völlig ruhiger Stimme. „Wenn er schon selber sagt, dass er sich unsicher ist, weil seine letzte Beziehung noch nicht lange zurückliegt … dann ist das immer ein ziemlich schlechtes Zeichen.”
„Mag sein”, stimmte Eren nur leise zu.
Jean seufzte und blieb auf dem Gehweg stehen. „Lass mich raten – du gibst ihn trotzdem noch nicht auf.”
So geknickt er sich nach diesem Gespräch mit Levi auch fühlte und so groß die Aussicht auf noch viel schwereren Liebeskummer war – in ihm war trotzdem noch dieser kleine Samen Entschlossenheit, der anfing seine Wurzeln sehr beharrlich in die Erde zu schlagen. Levi hatte ihn selber gesät, indem er ausgesprochen hatte, dass er etwas für ihn fühlte. Dass da eindeutig etwas zwischen ihnen war. Eren wollte das nicht einfach wegschmeißen, als sei es nicht der Rede wert oder es gar ignorieren. Es fühlte sich nicht richtig an. Und er war sich ziemlich sicher, dass es sich auch für Levi nicht vollkommen richtig anfühlte. Ja, vielleicht war es vernünftiger und besser, die Finger voneinander zu lassen. Aber wenn man den jeweils anderen doch so mochte? Und sich so wohl in der Nähe fühlte? Musste da denn immer die vernünftige Entscheidung die Oberhand haben, weil möglicherweise diese oder jene Situation eintreten könnte?
Eren war kein Fan von so etwas. Er wollte sich nicht vor jeder Entscheidung tausend Gedanken machen, ob es nun positiv oder negativ enden könnte, wenn es sich doch für ihn selber gut anfühlte. Er war auch nicht der Mensch dafür, alles mögliche erst mal abzuwägen – dafür war er wohl schlichtweg zu impulsiv. Levi allerdings nicht. Das war ihm bewusst.
Ebenso bewusst war ihm natürlich auch, dass er nichts erzwingen konnte. Wenn Levi diese Grenze zwischen ihnen neu aufstellte, nachdem sie gestern Nacht kurzzeitig gefallen war, dann musste Eren das akzeptieren. Nur fühlte es sich im Moment, trotz Levis Worten, noch nicht so an. Für ihn wirkte es so, als wäre sein Kommandant selber etwas am Hadern. Seine Aussage, dass es in den nächsten Jahren anders aussehen könnte, dass dann möglicherweise ein besserer Zeitpunkt für etwas Tieferes zwischen ihnen wäre, mochte für die meisten wohl wie ein nettgemeinter, kleiner Trost am Rande wirken, der aber eigentlich alles nur schlimmer machte. Doch Eren war Levis fast schon melancholischen Gesichtsausdruck bei diesen Worten nicht entgangen. Die Art, wie er dabei hinauf zum Glasdach geblickt hatte, als würde er sich selber wünschen, dass es anders wäre. Alleine das machte es Eren sehr schwer, diese Abfuhr hinzunehmen.
Also nein – er wollte Levi noch nicht aufgeben, genau, wie Jean es schon richtig festgestellt hatte. Zumindest nicht sofort. Obwohl er der Aussage Männer, die nicht wissen was sie wollen, sorgen für nichts als Stress, nur zustimmen konnte. Er hatte schon mehr als genug Erfahrung mit solchen Exemplaren sammeln dürfen und in der ein oder anderen schlaflosen Nacht, völlig verloren in seinen eigenen, teils auch negativen Gedanken, war in seinem Kopf auch mal die Frage aufgetaucht, ob er nicht vielleicht selber zu dieser Sorte gehörte. Seine ziemlich wechselnden Bettpartner sprachen zumindest dafür und einer davon hatte ihm sogar mal ein ziemliches angepisstes „Du weißt auch nicht, was du willst!”, an den Kopf geworfen, nachdem Eren nach einem zweiten Treffen kein weiteres mehr wollte. Im ersten Moment hatte ihn das getroffen, doch im nächsten war ihm klar geworden, dass er, entgegen dieser Aussage, eigentlich sehr genau wusste, was er wollte. Nur fand er es nicht ansatzweise so oft, wie er es sich wünschte und verschwendete demnach auch keine weitere Zeit mit Männern, mit denen er nicht auf eine Wellenlänge kam. Oder die ihm nicht das geben konnten, was er brauchte und wollte.
Ob Levi das konnte, war natürlich auch nicht mit Sicherheit zu sagen. Aber zumindest menschlich war der Funke übergesprungen. Und das ziemlich schnell, nachdem die ersten Mauern zwischen ihnen gesprengt waren.
„Dein Schweigen deute ich jetzt Mal als 'Nein'”, riss Jean ihn aus seinen Gedanken. Er klang ein wenig resigniert und Eren war froh, dass es dabei blieb. Er hätte mit etwas mehr Gegenwind gerechnet, denn dass sein Kamerad recht wenig davon hielt, sich Levi weiter anzunähern, war mehr als offensichtlich.
„Ich werde mich ihm nicht aufdrängen, falls du das befürchtest”, gab er zurück. „Ich will nur … deutlich machen, dass ich trotzdem noch Interesse habe.”
„Dann hoffe ich mal, dass du das nicht vor dem Manöver vorhast.”
Eren schnaubte. „Natürlich nicht, ich bin doch nicht vollkommen hohl.” Er stieß Jean den Ellenbogen gegen die Seite, als dieser bei seinen Worten ein Geräusch von sich gab, als würde er das hochgradig bezweifeln. „Da werde ich völlig normal mit ihm umgehen. Das kriege ich hin. Aber alles was außerhalb vom Boot ist, ist … nun mal außerhalb vom Boot.”
Es war gar nicht seine Intention, auch nur irgendwas an Bord kippen zu lassen. Sei es nun seine eigene Stimmung, als auch die der Besatzung. Er war sich sicher, dass er dort normal mit Levi interagieren konnte. Etwas anderes blieb ihm im Grunde auch nicht übrig.
„Ich bin mir ja nicht so sicher, ob du da wirklich die Grenze ziehen kannst”, gab Jean zu Bedenken. „Zwischen Arbeit und Privat, meine ich. Levi kann das, davon gehe ich aus. Aber du? Du hast die letzten zwei Jahre damit verbracht, unseren Kommandanten mehr oder weniger zu ignorieren. Und glaub mal nicht, dass das unbemerkt geblieben ist.”
Manchmal hasste Eren es, wie deutlich Jean doch unangenehme Dinge aussprechen konnte, die auch noch richtig waren. „Dann sind die zwei Tage für das Manöver halt ein Probelauf. Dann merke ich ja selber, ob ich damit klarkomme oder nicht. Und du kannst mir sagen, wie ich mich geschlagen habe”, meinte er, nachdem er für einen Moment über Jeans Worte nachgedacht und den erstbesten, angefressenen Kommentar zurückgehalten hatte.
„Von mir aus”, stimmte dieser mit einem eher gleichmütigen Schulterzucken zu und Eren hakte das Thema 'Levi' damit vorerst ab.
Sie gingen nicht auf direktem Weg zurück ins Hotel, obwohl das Wetter nach wie vor zu wünschen übrig ließ. Der Regenschauer von vorhin hatte sich zwar verausgabt, doch es war trotzdem noch ungemütlich und stürmisch draußen.
Jean beschwerte sich allerdings nicht, als sie gemeinsam durch einen kleinen Park schlenderten. Ihre Plastikbecher waren mittlerweile leer und sein Freund blieb stehen, um sich eine Zigarette anzustecken.
„Wie läuft's eigentlich mit Marco?” Eren hatte bei seinem eigenen Gefühlschaos völlig vergessen, sich auch mal nach der etwas wankenden Beziehung seines Nebenmanns zu erkundigen. Im Boot hatten sie nicht oft die Möglichkeit gehabt, mal länger zu sprechen – und wenn, dann waren immer noch einige andere Leute dabei gewesen, weshalb er das Thema nicht aufgebracht hatte. Gestern Nacht, als Jean und er noch eine halbe Stunde gemeinsam an der Hotelbar gesessen hatten, war ihr Gespräch auch nicht in diese Richtung gewandert. Sie hatten über Jeans Fehler gesprochen und wie mies es ihm doch deswegen ergangen war und es sonst eher bei leichter Kost gehalten. Eren war auch noch viel zu aufgewühlt gewesen, um sich wirklich auf etwas Ernstes zu konzentrieren.
„Wir haben uns nochmal zusammengerauft”, gab Jean zurück, nachdem er einen Zug von seiner Kippe genommen hatte. „Aber es war ziemlich knapp.”
Jean und Marco waren schon eine halbe Ewigkeit zusammen – zumindest kam es Eren so vor. Und er war immer sehr fest davon ausgegangen, dass die beiden wohl nichts trennen konnte, so gut, wie sie miteinander funktionierten und so problemlos, wie sie diese (mehr oder weniger) Fernbeziehung wuppten. Doch offenbar war es doch nicht so unüblich, dass auch nach vielen Jahren, die man miteinander verbracht hatte, noch diverse Schwierigkeiten auf einen zusteuerten. Während Jean und Marco bei ihrem gemeinsamen Norwegen-Urlaub - den Eren fast ausschließlich mit schlechter Laune und Streit mit seinem Ex verbracht hatte -, noch ein Herz und eine Seele waren, war vor einigen Wochen eher das Gegenteil der Fall gewesen. Zunächst hatte Sasha, die Jeans beste Freundin war, ein paar besorgte Andeutungen gemacht. Und dann Jean selber, als sie für die gemeinsame Schulung nach Hamburg gefahren waren.
„Dass es bei euch mal knapp wird, hätte ich nie gedacht”, murmelte Eren nur.
„Ich auch nicht”, gab sein Freund zurück. „Aber das kommt davon, wenn man sich einfach auf seiner Beziehung ausruht. Es ist immer Arbeit, auch nach Jahren noch. Ich hab's aber erst richtig geschnallt, als es schon fast vorbei war.”
„Und wie habt ihr es wieder hinbekommen?”
„Indem wir uns zusammengesetzt und offen darüber gesprochen haben, ob eine Trennung wirklich die einzige Lösung für uns ist. Und siehe da, wenn man bereit ist, sich aufeinander zuzubewegen tun sich doch noch so einige Kompromisse und Wege auf.”
Eren nickte verstehend, auch wenn er selber an einem solchen Punkt noch nie gewesen war. Dafür hatten seine Beziehungen auch nie lange genug gehalten und waren bei weitem auch nicht so fest gewesen.
„Man darf das 'Wir' einfach nicht aus den Augen lassen. Klar ist es schwer, dass bei dieser ständigen Entfernung hinzukriegen, aber wir haben es die letzten Jahre geschafft und werden es auch weiterhin hinbekommen”, sprach Jean weiter.
„Ich bin echt froh, dass ihr den Karren wieder aus dem Dreck bekommen habt.” Eren lächelte und versuchte wirklich, diese positiven Nachrichten auf sich und seine eher durchwachsene Laune zu übertragen. Klappten wollte das aber nur bedingt.
„Und ich erst. So jemanden wie Marco finde ich nie wieder”, meinte Jean mit vollkommen ernster Stimme. Dem war nichts entgegenzusetzen – Eren war sich selber ziemlich sicher, dass es Menschen wie Marco nicht sehr oft auf dieser Welt gab. Immer herzensgut, konnte jederzeit und mit einer Engelsgeduld mit jemand so launischen wie Jean umgehen und schien sowieso für jeden die richtigen Worte parat zu haben. Und er war bereit, seinen Partner immer wieder ziehen zu lassen und hatte ihm diesbezüglich noch nie Steine in den Weg gelegt.
„Da kannst du dich wirklich glücklich schätzen, dass ihr euch habt”, sagte er, als sie gemächlich weitergingen. „Ich bin manchmal echt ein wenig neidisch, muss ich zugeben.”
„Ich hoffe mal, dass Neid nicht der Grund ist, dass du dich jetzt plötzlich in irgendwas mit unserem Kommandanten stürzen willst”, gab Jean nur zurück.
Eren rollte mit den Augen. „Das mit Levi ist was völlig anderes.”
Er hatte nicht gelogen damit, dass er ihn vor über drei Jahren, als sie sich am Marinestützpunkt zum allerersten Mal begegnet waren, bereits attraktiv gefunden hatte. Das war ja auch fast schon unvermeidbar – rein äußerlich fiel Levi schließlich in sein Schema. Zwar hatte Eren ein Faible für Männer, die größer waren als er selber, doch bei Levi war dies ein Punkt, der ihn überhaupt nicht störte. Auch damals schon nicht, wenn er so darüber nachdachte. Trotzdem hatte er dieser sich anbahnenden Schwärmerei Einhalt geboten, bevor sie überhaupt in seinem Kopf Fuß fassen konnte. Einerseits gut – denn da war Levi noch in festen Händen gewesen und Eren wäre wohl geradewegs in eine einseitige, unglückliche Verliebtheit gestolpert. Andererseits auch schlecht, denn dafür hatte es ihn jetzt eingeholt und glücklich verliebt war er noch immer nicht.
Es war ihm selber ein kleines Rätsel, wie erfolgreich sein Kopf es doch geschafft hatte, den Kommandanten - trotz seiner ständigen Anwesenheit -, soweit auszublenden, dass es fast schon zu Problemen zwischen ihnen geführt hätte. Dass Eren ihn teilweise sogar schon als unsympathisch eingestuft hatte. Doch trotz allem hatte sich das Blatt rasendschnell gewendet. Die Anziehung, die Levi ausstrahlte, war einfach viel zu stark, als dass es hätte anders laufen können. Vermutlich hätte Eren immer angefangen, Gefühle für ihn zu entwickeln – egal welchen Weg er auch eingeschlagen hätte.
„Er ist zumindest anders als Floch, der Pisser”, bemerkte Jean nebenbei. „Hast du von dem eigentlich nochmal was gehört?”
Eren rümpfte die Nase bei der Erwähnung von seinem Ex. „Er hat mir vor zwei Monaten mal geschrieben. Einfach nur 'hey'.”
„Sag mir bitte, dass du nicht geantwortet hast, sonst-”
„Hab ich nicht.”
„Gelobt sei der Herr, du kannst ja auch mal was richtig machen!” Jean grinste und blieb an einer Parkbank stehen, um den Rest seiner Zigarette an einem Mülleimer auszudrücken.
Eren verschwieg, dass er ganz kurz darüber nachgedacht hatte ihm zu antworten (hin und wieder wurde die Einsamkeit nämlich sehr laut), doch ein Blick in die Instagram-Storys von seinem Ex hatte ihn eines Besseren belehrt. Zu dem Zeitpunkt, als das schlichte 'hey' auf seinem Handy aufgeploppt war, war es mitten in der Nacht und Floch offenbar mit reichlich Alkohol am Feiern gewesen. Möglicherweise war er ja wieder Single und hatte sich dann gedacht, dass er stattdessen bei ihm antanzen konnte. Eren hatte sich zwar schon so einiges von Männern, insbesondere von ihm, gefallen lassen, doch für so etwas besaß er keinerlei Nerven mehr. Nicht für seinen Ex.
Wie viele Nerven er allerdings an Levi verlieren wollte, musste er noch sehen. Auf ein paar würde es vermutlich hinauslaufen und ob es das dann überhaupt Wert war, ließ sich auch unmöglich feststellen, aber … er hatte Blut geleckt. Und er wollte wissen, was ihn möglicherweise erwartete, wenn er die Spur verfolgte. Dafür opferte er gerne ein wenig von sich selbst.
*
Zurück im Hotel klopfte Erens Herz um einiges schneller, als er sich durch die Lobby bewegte und anschließend die Treppe bis zum dritten Stock hinaufstieg. Ganz automatisch hatte er sich nach Levi umgeguckt, fast schon erwartet, ihn durch die Glastür hindurch noch am Tisch beim Frühstück sitzen zu sehen oder in einem der bequemen Sessel im Empfangsbereich des Hotels, wo man besonders gutes W-LAN hatte. Doch das war nicht der Fall gewesen; sowohl er, als auch Kapitän Smith schienen sich zurückgezogen zu haben. Was Levi wohl den Rest des Tages noch vorhatte? Nur zu gerne hätte Eren ihn genau das per Nachricht gefragt. Doch zumindest die nächsten Tage wollte er den Abstand wahren – beim Manöver, das den kompletten Tag, bis spätabends lief, würden sie noch genug aufeinanderhocken. Bis dahin wollte Eren sich nicht all zu sehr in seinen Gedanken über ihn verlieren.
„Ob Connie schon wach ist?”, mutmaßte Jean, als sie schließlich in ihrem Stockwerk angekommen waren. „Wann war er eigentlich wieder da, hast du das mitbekommen?”
Eren schnaubte belustigt. „Mitbekommen … der war gut. Ich dachte, ein SEK-Kommando will das Hotelzimmer stürmen, weil es so gepoltert hat. Der hat die Tür nicht aufbekommen.”
Daraufhin lachte Jean auf und Eren ließ sich schließlich davon anstecken (auch wenn er es um vier Uhr morgens weitaus weniger lustig gefunden hatten). Connie hatte scheinbar die Schlüsselkarte mit seinem Handy zusammen in der Hosentasche behalten und dass das keine gute Kombination war, war ihm wohl entfallen. Alkohol war dabei natürlich auch in keiner Weise hilfreich und sein bester Freund hatte ziemlich verzweifelt an der Klinke gerüttelt, als würde die Tür sich dann einfach durch Zauberhand öffnen … was ja auch passiert war, nur leider nicht mithilfe der Schlüsselkarte.
„Connie war auf jeden Fall völlig hinüber. Also nein, ich glaube nicht, dass er schon wach ist”, fuhr er fort und zückte dann seine eigene Schlüsselkarte, als sie die richtige Zimmertür erreicht hatten. Die von Jean und Thomas war direkt daneben.
„Und genau deshalb trinke ich kaum noch was”, meinte Jean, der noch immer ein wenig grinste. „Das endet nie gut.”
Im Grunde ließ sich dem nur zustimmen, doch Eren konnte trotzdem nicht abstreiten, dass er sich schon auf das ein oder andere Gläschen am Abend freute, sobald die Antibiotika aus seinem System raus waren.
Als ihm beim Betreten des Zimmers eine sehr deutliche Mischung aus abgestandener Luft und Bier entgegenwehte, überdachte er seine Vorfreude nochmal. Connie lag noch immer genauso schnarchend in seinem Bett, wie Eren ihn heute Morgen zurückgelassen hatte. Die Arme seltsam abgewinkelt und ein Bein unter der Bettdecke heraushängend. Schnurstracks durchquerte er das Zimmer, riss beide Fenster auf und griff sich dann sein Handy, das er auf einem der Stühle liegen gelassen hatte. Connie schien seine Anwesenheit überhaupt nicht zu bemerken, er pennte einfach weiter, obwohl Eren sich keinerlei Mühe machte leise zu sein.
Sein Display zeigte ihm ein paar Nachrichten an, unter anderem auch von Ymir, die schon wach war. Eren hatte ihr gestern Nacht noch geschrieben, dass er mit Jean nachhause fuhr und ihr dann später alles erzählen würde. Dass sie auf das 'später' kaum noch warten konnte, war klar. Er wäre an ihrer Stelle wohl genauso neugierig.
Außerdem war da auch noch eine Nachricht von Armin – ein nicht mehr all zu häufiger, aber immer gern gelesener Name. Dabei verspürte Eren ein weiteres Mal den großen Wunsch, mit ihm zu sprechen. Armin war in allen Lebenslagen einer seiner wichtigsten und auch liebsten Ansprechpartner. Vor allem jetzt, was diese ganze Situation mit Levi betraf, würde Eren nur zu gerne mit ihm darüber reden. Er hatte das zwar bereits mit Jean getan und dieser war auch ein guter und aufmerksamer Zuhörer, der zudem gestern Abend zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen war, aber mit Armin war es einfach etwas komplett anderes. Nicht etwa, weil dieser all seine Entscheidungen und Meinungen ohne es weiter zu hinterfragen vertrat, sondern weil er der wohl empathischste Mensch war, den Eren je kennenlernen durfte. Das fehlte ihm manchmal zwischen seinen Freunden, die er innerhalb der Besatzung hatte. Sie waren alle toll und er liebte sie sehr, aber niemand war wie Armin.
Deshalb zögerte Eren nicht länger, seinen besten Freund eine Nachricht zurückzuschreiben, in der er ihn fragte, ob sie die nächsten Tage mal telefonieren wollten. Das gab Armin hoffentlich genug Vorlauf, um das in seinen überfüllten Terminkalender mit reinzuquetschen. Es war nämlich alles andere als einfach, ihn mal spontan ans Handy zu bekommen. Teilweise dauerte es auch mehrere Tage bis Eren überhaupt eine Antwort von ihm bekam.
Als er zurück in die Übersicht der Chats tippte, stach ihm Levis Name sofort entgegen. Innerlich seufzte er, unterdrückte den Wunsch, ihm ebenfalls zu schreiben und legte sein Handy schließlich wieder beiseite, bevor er es sich doch noch anders überlegte.
Während er sich daran machte, seine Klamotten, die er gestern Nacht achtlos neben seinem Bett verteilt hatte, aufzusammeln und zusammenzulegen, erwachte Connie schließlich aus seinem komatösen Schlaf. Eren merkte es nur daran, dass das Schnarchen stoppte und hob den Kopf, um seinen Freund anzusehen. Dieser legte sich den Unterarm übers Gesicht und brummte etwas, was lediglich nach einem „Alter” klang.
„Alter”, stimmte Eren zu und musste grinsen. „Na, haben wir etwa Kopfschmerzen?”
Connie antwortete nicht sofort, er zog langsam seinen Unterarm zurück und blinzelte dann ins Tageslicht. „Eigentlich fühlt es sich eher an, als hätte man mir meinen Kopf abgenommen, ihn als Cocktail Shaker missbraucht und ihn mir dann wieder aufgesetzt ... aber ich schätze, Kopfschmerzen kommt dem wohl noch nahe.”
„Du armes Ding aber auch.”
„Ey, wie wär's mal mit etwas Mitgefühl? Ich habe mich aufopferungsvoll um dich gekümmert, als du krank warst!”, empörte Connie sich dramatisch. „Und das ist nun der Dank!”
Erens Grinsen wurde etwas breiter, dann beugte er sich hinab und wühlte in einem Seitenfach seiner Reisetasche herum. Als er den Blister mit den Ibuprofen fand, warf er diesen schließlich zu Connie hinüber. „Hier. Ich wünschte nur, ich könnte mich an deine aufopferungsvolle Pflege erinnern, von der du da sprichst.”
Connie drückte eine der Ibus durch die Folie und schluckte sie einfach trocken. Dann ließ er sich wieder zurück ins Kissen fallen und drehte den Kopf, um ihn anzusehen. Sein Blick wurde nachdenklich. „Ich habe dir manchmal Essen gebracht”, zählte er an einem Finger ab. „Und Klamotten … und das Allerwichtigste”, er hob einen dritten Finger, „meine bombastische Gesellschaft.”
„Da hat Levi aber etwas mehr Einsatz als du gezeigt”, entkam es Eren belustigt – und ohne darüber nachzudenken, denn im nächsten Moment wollte sein Grinsen sich schon wieder verabschieden.
Glücklicherweise bemerkte Connie es nicht, der sich gerade zur Seite beugte, um sich seine Wasserflasche vom Nachttisch zu schnappen. „Sorry, dass ich nicht so bin wie er”, gab er dann zurück und wischte sich ein imaginäres Tränchen von der Wange. „Aber apropos Levi – was wollte Louise gestern denn von dem?! Ich dachte, ich guck nicht richtig”, wechselte er das Thema und schraubte den Flaschendeckel auf. „Hängen die da fast aufeinander an der Bar rum. Ganz seltsamer Anblick.”
In Erens Magen fing es wieder an zu brodeln und er setzte sich auf die Kante von seinem Bett. „Hatten die was miteinander?”, fragte er völlig automatisch und mit ausdrucksloser Stimme nach. Levi hatte zwar behauptet, er hätte Louise nicht geküsst und auch sonst nichts mit ihr vorgehabt, aber wenn selbst Connie die beiden aufgefallen waren, dann …
„Äh ...” Sein bester Freund schien in seinen Erinnerungen zu kramen und kratzte sich dabei am Kopf. „Weiß nicht. Levi war eine Weile weg und dann hat Louise sich einen anderen gekrallt. Naja, zumindest bis Levi dann wieder da war. Da hat sie dann wieder an ihm geklebt.”
Das Brodeln in Erens Magen wurde noch ein ganzes Stück intensiver. Gut, dass er nicht wieder in den Pub gegangen war – bei dem Anblick wären ihm sämtliche Sicherungen wohl augenblicklich wieder rausgeflogen, nachdem er sie zuvor wieder einigermaßen eingesetzt hatte.
Ihm lag eine weitere Frage bezügliche Levis Verhalten gegenüber Louise auf der Zunge, aber er sprach sie nicht aus. Es wäre viel zu auffällig. Es war zwar nicht so, als würde er das, was da vor der Tür des Pubs passiert war, unbedingt vor Connie geheimhalten wollen … aber es ihm jetzt so vor die Füße zu schmeißen, fühlte sich nicht ganz richtig war. Sonderlich Lust, das alles ein weiteres Mal durchzukauen, hatte er ebenfalls nicht. Es reichte, wenn vorerst Ymir und Jean davon wussten. Connie würde er es ein anderes Mal erzählen.
„Naja, jedenfalls hast du echt so einiges verpasst”, erzählte Connie weiter, nun etwas außer Atem, nachdem er fast einen halben Liter Wasser runtergekippt hatte. „Das mit Levi und Louise. Dann haben Porco und Marcel sich irgendwann total gestritten, weiß aber nicht warum. Und Ymir – ich musste sie doch tatsächlich zurückhalten, damit sie keine Prügelei anfängt! Ich meine, ich finde Louise ja auch etwas nervig und alles, aber ist doch kein Grund, ihr gleich einen Barhocker in die Fresse hauen zu wollen. Keine Ahnung, was da mit ihr los war. Alkohol tut ihr nicht gut, ich sag's dir.”
Eren sah regelrecht vor sich, wie Ymir ihren Vorschlag, Louise zurück nach Deutschland zu katapultieren, umsetzen wollte. Er war natürlich froh, dass es nicht dazu gekommen war, schließlich konnte sie ja nichts für diese gesamte Situation, aber so ein ganz klein wenig Genugtuung …
„Aber weißt du, was mir dann aufgefallen ist?”, riss Connie ihn unbeirrt aus seinen Gedanken.
Nun wieder völlig hellhörig starrte Eren ihn an. „Nein? Was denn?”, hakte er vorsichtig nach. Hatte sein Freund es etwa doch mitbekommen? Doch eins und eins zusammengezählt?
„Dass Ymir wohl Recht damit hatte, dass Levi nicht mehr verlobt ist. Das war ja schon sehr offensichtlich. Aber verdammt, das macht mir jetzt irgendwie so gar keinen Mut, diese Sache mit dem Antrag durchzuziehen!” Connie zog einen Flunsch und sackte etwas tiefer ins Kissen, während Eren sich innerlich den Schweiß von der Stirn wischte.
„Wieso das denn nicht? Nur weil seine Verlobung geplatzt ist?”
„Ja man! Ich meine … was, wenn es bei mir dann genauso ist? Vielleicht bringt das Unglück, sich jetzt schon zu verloben. Ich warte besser noch eine Weile und-”
„Vergiss es”, fuhr Eren ihm schnell ins Wort. Jeans Aussage, dass Sasha schon länger versuchte, Connie zu einem Antrag zu bewegen, war ihm noch sehr gut im Gedächtnis geblieben. „Du ziehst das durch. Wofür sonst haben wir denn so schön geübt?”
„Auch wieder wahr”, seufzte Connie. „Einmal von Ymir so gedrillt zu werden reicht mir. Das halte ich kein weiteres Mal aus.”
Eren nickte bestätigend und hoffte, dass es möglichst motivierend aussah.
„Was hast du gestern eigentlich noch so gemacht?”, wollte Connie dann plötzlich wissen. „Du bist ja schon recht früh abgehauen. Hab dich nur bei Levi an der Bar gesehen und dann warst du plötzlich weg.”
Eren beantwortete die Frage möglichst wahrheitsgemäß – er hatte den betrunkenen Haufen nur noch schwer ertragen und war dann mit Jean zurück ins Hotel gefahren. Connie stellte darauf keine weiteren Rückfragen und begab sich kurze Zeit später schließlich unter die Dusche, während Eren auf seinem Bett sitzen blieb. Das höchst unangenehme Bild von Louise und Levi tauchte dabei wieder in seinem Kopf auf und ließ sich nur schwer vertreiben.
Fuck. Er hoffte wirklich, dass er den normalen Umgang mit seinem Kommandanten bei dem Manöver auch noch hinbekam, wenn Louise dabei war. Das waren ziemlich erschwerte Umstände, aber Eren hatte keine Wahl – seine Gefühle hatten im Boot nichts verloren. Daran musste er sich halten.