Meg: Ihr Leben als dominantes Mädchen
von MiracleElefant
Kurzbeschreibung
Meg trifft auf einer Polizeistation auf eine neue Flamme.
GeschichteAbenteuer, Humor / P12 / FemSlash
Ace Visconti
Feng Min
Meg Thomas
Nea Karlsson
William "Bill" Overbeck
19.03.2023
19.03.2023
1
2.837
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19.03.2023
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Erst nachdem sie sich komplett sicher war, dass die Polizei sie verloren hatte, erlaubte Meg es sich anzuhalten. Ihre Beine und ihre Lunge brannten, vom Rennen, aber auch vor Panik.
Sie betrachtete das Stück Gummi in ihrer Hand. Es stammte von einem Reifen eines Polizeiwagens, den sie noch vor 5 Minuten aufgeschlitzt hatte.
Das Messer, das von ihrem Griff warmgeworden war, hielt sie in der anderen Hand.
Alles was sie tun wollte, war sich hinzusetzen, um sich zu sammeln und sich auszuruhen, doch sie wusste, dass die Gefahr ohnmächtig zu werden, nach so starker körperlicher Anstrengung zu groß ist.
Also setzte sie sich langsam in Bewegung und ging zu dem Ort, an dem sie sich mit ihrem Team treffen würde.
Meg wusste mit Sicherheit, dass sie sich nun den Respekt von den meisten ihrer Teammitglieder verdient hatte. Was ihr das wirklich brachte, wusste sie immernoch nicht.
Meg wachte auf. 4 Uhr morgens? Sie hatte noch 2 Stunden Zeit, bevor sie sich für die Schule fertig machen musste. Zwei Stunden um nochmal darüber nachzudenken, was gestern passiert war.
Aber was war gestern passiert?
Sie hatte es schon wieder verdrängt, aber langsam holte die Erinnerung sie nun doch wieder ein.
Die Mutprobe.
Gestern hatte sie Sportunterricht.
Es hatte sich unglaublich angefühlt wieder zu laufen. Ihre Sportlehrerin hatte sie gebannt beobachtet, als sie lossprintete und ins Ziel kam. Eine Bestleistung.
Natürlich war Meg sofort ins Team aufgenommen worden.
Doch nicht alle waren so begeistert von ihr.
Meg hatte die Abneigung der anderen Teammitglieder sofort gespürt. Neid, Abscheu und Wut, nur weil sie besser war als sie und dafür scheinbar nie gearbeitet hatte.
Aber das stimmte nicht.
Sie war quasi ihr ganzes Leben lang gelaufen. So lange sie denken konnte.
Meg war gelaufen, als ihre Mutter krank geworden war und sie war gelaufen an dem Tag ihrer Beerdigung. Vielleicht rannte sie nicht einfach, vielleicht rannte sie vor etwas davon.
Ihre Eltern waren noch nicht wach, als sie schon um 5 Uhr aus dem Haus ging, ihre Sportschuhe fest geschnürt, um, trotz des starken Regens, noch vor der Schule laufen zu gehen.
Nachdem sie noch einmal kurz geduscht und ihren Rucksack gepackt hatte, hatte sie sich wider Willen auf dem Weg zur Schule gemacht.
Es war nun bereits die dritte Stunde, doch sie folgte dem Unterricht nicht. Immer wieder dachte sie nach, über gestern Nacht. Sie bereute es nicht wirklich, es war aber dennoch eine dumme Idee gewesen. Die Reifen von irgendeinem Auto aufzuschlitzen? Das wäre kein Problem gewesen. Sie hätte wahrscheinlich jetzt schon wieder vergessen, dass sie es überhaupt getan hatte. Aber ein Polizeiauto?
Schallend ertönte der Ton, der signalisiert, dass es eine Durchsage bevorsteht.
Die Lehrerin verstummte mitten im Satz und Meg setzte sich alarmiert auf.
„Margret Thomas bitte sofort ins Büro von Mr. Harris“, gab die blecherne Stimme von einem Knistern begleitet wieder.
Von allen Schülern und der Lehrerin angestarrt, packte Meg ihre Sachen ein und verließ das Klassenzimmer.
Wenig später klopfte Meg nervös an die Tür des Büros von Mr. Harris, dem Schulleiter.
„Kommen Sie rein.“, befahl seine Stimme.
Im Raum angekommen, wanderte ihr Blick über die Gesichter der anwesenden Personen.
Auf der linken Seite des Tisches saß ihr besorgt dreinblickenden Vater, Ace. Ihm gegenüber sah sie den Schuldirektor. Und dem für sie reservierten Platz, direkt zugewandt, sah sie einen Polizisten, der sie ernst anschaute.
„Ms. Thomas. Sie wurden gestern Nacht dabei gefilmt, wie sie die Reifen eines Polizeiwagens beschädigt haben.“, erklärte der Polizist, als Meg sich hingesetzt hatte.
„Zunächst einmal kommen Sie zur weiteren Besprechung auf die Polizeiwache. Wir treffen uns dort in 10 Minuten. Da sie noch nicht volljährig sind, wird ihr Vater sie begleiten.“
Mit diesen Worten stand der Polizist auf.
Sie haben mich verraten, dachte Meg, als sie mit ihrem Vater zu seinem Auto ging.
Wie sollte es sonst möglich für die Polizei gewesen sein, sie anhand von eine Videoaufnahme zu identifizieren?
Sie hatten wahrscheinlich ein Bild ausgedruckt und es Leuten aus ihrer Schule gezeigt. Das erklärte auch, warum alle aus ihrem Team heute zu spät zum Unterricht kamen.
Sie hätte es wissen können. Aber was hätte ihr das gebracht? Was hätte sie tun sollen um diese Situation zu vermeiden? Weglaufen?
Die gesamte Autofahrt über sprachen Ace und Meg nicht miteinander.
Wenn es um ihre Eltern ging, bröckelte ihre rebellische Fassade manchmal, denn es war ihr wirklich wichtig, was sie über sie dachten.
Als sie auf dem kleinen Parkplatz der örtlichen Polizeiwache ankamen, schaltete Ace den Motor ab, aber stieg noch nicht aus. Man hörte nun nur noch die Regentropfen, die auf die Scheibe prasselten.
Auf ihrer Armbanduhr sah Meg, dass sie noch etwas Zeit hatten, bevor sie sich mit dem Polizist treffen sollten.
Erwartungsvoll blickte sie zu ihrem Vater hinüber, der zuerst nachdachte und sich ihr dann zuwandte.
„Hör zu, Meg.“, sagte er mit der Stimme eines fürsorglichen Elternteils.
„Du weißt, ich hatte selbst schon Probleme mit der Polizei. Und das was ich getan habe, tat ich nicht nur wegen des Geldes. Ich verstehe, worin der Reiz liegt, etwas Illegales zu tun.“
Kurz pausierte er und dachte nach.
„Du bist erst 17 und du wirst noch viele Entscheidungen treffen. Ich habe mich erst spät dazu entschieden auszusteigen, aber es war gut so. Damals habe ich jeden Tag mein Leben und meine Freiheit riskiert.
Ich hätte niemals eine Familie haben können, wie jetzt, wenn ich so weitergemacht hätte und das wäre eine riesige Tragödie gewesen, denn ich liebe euch sehr und ihr macht mich zu einem besseren Menschen.“
„Mein Punkt ist. Ich erwarte nicht von dir, dass du aufhörst so zu sein, wie du bist und dass du ein perfekter amerikanischer Bürger wirst, ich meine, ich bin nicht mal Amerikaner!“, sagte er und machte argentinische Handbewegungen.
„Ich hoffe nur, dass du merkst, dass es mehr gibt. Du musst dich nicht in Gefahr bringen, um dich lebendig zu fühlen. Das habe ich gemerkt, als ich Bill getroffen habe. Für dich wird es vielleicht jemand oder etwas anderes sein, aber auch du wirst dich eines Tages besser fühlen.“
„Und jetzt lass uns das Ganze hinter uns bringen, bevor sie sich doch dazu entscheiden, dich auf der Stelle zu lynchen.“, sprach Ace ernst und knuddelte Meg kurz, bevor die beiden das Auto verließen und durch den strömenden Regen zur Polizeiwache gingen.
Während ihr Vater sich mit der Person an der Rezeption unterhielt und einige Unterlagen ausfüllte, blickte Meg umher. Die Polizeiwache war ziemlich leer, um diese Zeit, nur eine Person sah sie auf den Stühlen sitzen, die zum Warten gedacht waren.
Die Person kam ihr irgendwie bekannt vor. Bei näherer Betrachtung bemerkte sie, dass es sich um Nea Karlsson handelte, die sich in Megs Stufe befand.
Sie war vor zwei Jahren aus Schweden hierher gezogen und ging seitdem mit ihr in die Schule. Meg kannte sie eigentlich nur vom Sehen und davon was die Leute über sie redeten.
In der Schule war sie immer alleine, aber in der Stadt, sah man sie oft mit diesen seltsamen Leuten abhängen, die Graffiti sprühten und sich wohl weder an gesellschaftliche Regeln, noch irgendwelche anderen Gesetzte zu halten schienen.
Die meisten schauten auf Nea herab, weil sie anders war, aber in Wirklichkeit jagte sie ihnen wahrscheinlich ziemlich viel Angst ein.
Denn sie strebte nicht nach Beliebtheit oder einem guten Ansehen und das machte sie mächtiger, als die Beliebtesten der Schule, vielleicht sogar gefährlicher als jeden Lehrer.
Meg hatte nichts gegen Nea, sie bewunderte sie insgeheim ein wenig, wegen ihrer Einstellung, doch sie liefen sich einfach nie über den Weg.
Wenn Meg sich nicht dazu entschieden hätte, die Reifen eines Polizeiautos aufzuschlitzen, wäre das wohl auch so geblieben.
Doch ihr Interesse war jetzt geweckt und da sie gerade nicht gebraucht wurde, ging sie von Ace weg und setzte sich neben die Künstlerin auf einen der Stühle.
„Hi Nea.“
„Hi.“, gab Nea knapp zurück, während sie ihre Pupillen, rein obligatorisch 2 Millimeter in Megs Richtung bewegte, um den Eindruck zu erwecken, dass sie überhaupt mit ihr sprach.
„Und hast du mal wieder Sachbeschädigung betrieben oder wieso bist du hier?“, fragte Meg in der Stimme eines fünfzigjährigen Trump-Anhängers.
Wow, etwas Unpassenderes hätte sie wohl nicht sagen können. Unabhängig davon, dass sie Nea viel zu wenig kannte, um so einen Kommentar abzulassen, passte das was sie gesagt hatte auch überhaupt nicht zu ihr.
Es war nicht wirklich Meg, es war eher die Person die sie den anderen in der Schule vorspielte, um cool zu wirken. Eigentlich sah sie Sprayen eher als Kunst, als als Sachbeschädigung an.
Nea schnaubte, zog ihre Augenbrauen nach oben und wand ihren Blick wieder der Wand zu, an der die Bilder der Mitarbeiter des Jahres – von jedem Jahr seit 1972 – eingerahmt hingen.
Meg wollte am liebsten wieder gehen. Das war so ziemlich das Peinlichste, was sie diese Woche getan hatte. Und sie hatte schon ziemlich viel Scheiße diese Woche gemacht, unter anderem Dinge, die die Ursache waren, dass sie überhaupt in einer Polizeiwache saß und nun soeben erfolgreich eine weitere Sache getan hatte. Butterfly-Effekt…
Aber weggehen konnte Meg nicht, obwohl sie es vielleicht zumindest ein bisschen wollte. Sie würde es sofort bereuen. So oft bekam man nicht die Chance Nea Karlsson am helllichten Tage anzutreffen.
„Ich habe einen Reifen aufgeschlitzt...von einem Auto. Einem Polizeiauto.“, durchbrach Meg unsicher die Stille.
„Wieso?“, fragte Nea ohne ihren Blick von der Wand abzuwenden.
Die Frage überrumpelte Meg. Was war das auch für eine Frage? Wieso?
„Keine Ahnung. Wieso machst du was du machst?“, fragte sie zurück.
Nea verschränkte ihre Arme.
„Ganz sicher nicht aus demselben Grund wie du…“
Ernsthaft. Gab es für Nea ernsthaft einen Grund Meg so zu dissen?
Meg lehnte ihren Kopf ermüdet an der Wand an.
Was macht es einen Sinn sich darüber aufzuregen? Es war schließlich nur Nea.
Ihr kamen ihre Teammitglieder in den Sinn, die sich immer über Neas Akzent lustig machten.
Und aus irgendeinem Grund machte Meg mit.
Wahrscheinlich hatte sie es verdient so herablassend von Nea behandelt zu werden.
Eine Stunde später verließen Ace und Meg die Polizeistation.
„Also du bist echt gut davongekommen, Meg, das muss man sagen. Das Glück hast du eindeutig von mir geerbt.“, sprudelte es aus Ace hervor, noch bevor die Tür hinter ihnen zugefallen war.
„Ace. Ich bin adoptiert.“
„Ach Meg, meine Liebe, Familie ist nicht durch Blut zueinander gebunden...Das wäre eine viel zu einfache Erklärung für so eine komplexe Sache.“, belehrte Ace.
„Wenn du die Erklärung gefunden hast, sag mir Bescheid.“
Ace schien das nicht zu hören.
„Anyway, wer war das, da drinnen? Eine Freundin von dir?“
Meg musste erstmal überlegen, wen er meinte. Dann fiel es ihr wieder ein.
„Meinst du...meinst du Nea? Eine Freundin…“, Meg lachte.
Ace verstand nicht was Meg so lustig fand, aber er ließ es bleiben zu fragen, da Meg es anscheinend unangenehm war darüber zu reden.
„Okay Meg, jetzt aber schnell ins Auto. Bill hat gekocht und wenn er eine Sache aus dem Krieg mitgenommen hat, dann ist es die perfektionierte Zubereitung von braunen Bohnen in Tomatensoße.“
Nea stand frierend vor der Polizeiwache. Sie hatte ihre Arme eng um ihren Körper geschlungen, um sich aufzuwärmen.
Es war Oktober und viel zu kalt für ein T-Shirt, aber sie hatte trotzdem eins an.
Erstens sah es viel cooler aus im Herbst in einem T-Shirt rumzulaufen und zweitens wollte sie ihre skandinavischen Vorfahren nicht beleidigen, es war immerhin noch 4 Grad.
Eigentlich wollte sie nach Hause gehen...oder so. Irgend ein Ort der nicht die Polizeistation ist zumindest. Aber bei dem Gedanken aus dem nicht gerade windgeschützten, aber zumindest überdachten Haupteingang in die nicht überdachte Außenwelt zu treten, ließ sie mit den Zähnen klappern.
Jetzt gerade war ihr immerhin nur kalt. Besser als kalt und komplett durchnässt.
Resignierend zog Nea ihr Handy aus der Hosentasche und wählte eine Nummer.
Zähneklappernd ließ sie es Tuten. Einmal...Zweimal...Dreimal...Langsam war sie genervt.
Wie lange kann es dauern einen Anruf anzunehmen?
„Die gewählte Rufnummer ist zurzeit ni-“
Nea legte auf.
Sie begann schon in Frage zu stellen, ob sie überhaupt geliebt wurde auf dieser Welt, als ihr Handy vibrierte.
Erleichtert, aber trotzdem genervt, nahm sie ab.
„Hi Nea, sorry war in nem Match. Ich wurde so drei Mal gespawnkilled. Kack Noobs.
Was ist los?“, dröhnte es in Neas Ohr.
„Ja. Hallo. Kannst du mich von der Polizei abholen?“
„Aaaaach, haben wir wieder was ausgeheckt, junge Dame?“
„Feng. Kannst du bitte einfach kommen?“
„Jaja, bin schon auf dem Weg. Bis gleich.“
„Bis gle-“
Nea wurde von dem Aufleggeräusch unterbrochen.
Sie hasste es unterbrochen zu werden.
Es dauerte 2 Minuten bis Feng mit quietschenden Reifen, um die Ecke kam.
Das war nicht lange wenn man bedachte, dass sie am anderen Ende der Stadt wohnte.
Mit einer Vollbremsung blieb sie vor Nea stehen, ließ die Fensterscheibe nach unten und zog ihre imaginäre Sonnenbrille nach oben.
„Hey.“, sagte sie mit einer tiefen Playboystimme.
Nea zitterte zu stark, um zu antworten, also ging sie einfach auf die andere Seite und stieg ein.
„Und wie wars?“, fragte Feng, als sie losfuhren.
„Keine Ahnung. Sie haben keine Beweise. Mehr als eine Verwarnung gab es nicht.“
„Nice!“
„Und rate mal wenn ich getroffen habe...Meg Thomas höchstpersönlich.“
Feng schaute Nea erstaunt an.
„Ich hätte nicht gedacht, dass das was mit ihr zu tun hatte. Heute morgen war so ein Cop in der Schule. Alle waren total aufgeregt.“, erzählte Feng.
„Krass.“, sagte Nea unbeeindruckt.
„Also was hat sie gemacht?“, fragte Feng.
„Sie hat die Reifen von nem Polizeiauto aufgeschlitzt oder so. Warum auch immer.“
„Aber krass, dass sie erst heute Morgen mitgenommen wurde. Ich weiß ja nicht, wie lange es her ist, dass sie es gemacht hat, aber sie wurde auf jeden Fall nicht direkt während der Tat geschnappt.“
Nea zuckte mit den Schultern.
Wahrscheinlich hatte Meg einfach nur Glück.
Abgesehen von Fengs in regelmäßigen Abständen ertönenden Gähnen, fuhren sie ruhig weiter.
Es hätte jetzt alles mögliche passieren können und Nea hätte es nicht gemerkt, denn sie saß abwesend auf dem Beifahrersitz und beobachtete die Regentropfen, die am Fenster herunterliefen.
Sie bemerkte auch nicht wirklich, als das Auto ins Schleudern geriet und direkt auf die nächste Hauswand zusteuerte.
Aber ihre Sinne merkten es dennoch und brachten sie dazu sich aufrecht hinzusetzen und sich an irgendetwas festzuhalten, was sie gerade in den Griff bekam.
Das was sie in den Griff bekam, war anscheinend Feng Min, wie sie bemerkte, als sie einige Zeit später mit einem unsicheren Lachen ihren Arm losließ.
„Bist du gegen den Pfosten da gefahren? Weil ich bin mir relativ sicher, dass es gerade eben ziemlich gekracht hat. Ich denke, wir sollten zur Sicherheit…“, Nea unterbrach, da Feng keine Reaktion zeigte und noch immer, das Lenkrad fest im Griff, nach vorne starrte.
„Hey Min. Alles klar?“, fragte Nea und suchte ihren Blick.
„Hast du das eben gesehen?“ Feng sprach so leise, dass Nea es kaum hörte.
„Was meinst du?“
Die Fahrerin schaffte es ihre Hände von dem Lenkrad zu lösen und auch ihr Blick, war nun nicht mehr geradeaus, sondern zu Boden gerichtet. Nea wäre es lieber, hätte sie sie angeschaut, dann hätte sie vielleicht etwas besser verstehen können, was los war.
„Ein Licht...Konnte nichts sehen…“, brachte sie heraus.
„Wahrscheinlich hatte wieder jemand seine Scheinwerfer falsch eingestellt und du wurdest geblendet.“, versuchte Nea Feng zu beruhigen.
Diese schüttelte ihren Kopf, ihr Blick war wieder nach vorne gerichtet.
„Das war was komplett anderes.“
„Maaaan das macht ja echt keinen Spaß mit dir.“, stöhnte Nea eine Stunde später und warf den Controller auf den Boden.
„Tut mir Leid, dass ich so gut bin.“, erwiderte Feng und hob unschuldig ihre Hände.
Im Hintergrund hörte man die Gewinnermusik von Mario Kart spielen. Die war natürlich für Feng bestimmt.
Nea war auf dem neunten Platz gelandet. Immerhin noch einstellig.
Sie wollte noch nicht nach Hause gehen. Was heißt „noch“, so wie sie sich jetzt fühlte, wollte sie am liebsten nie wieder nach Hause gehen. Schon 3 Tage hatte Nea ihre Eltern nicht gesehen. Und das Einzige, was ihr Leid tat war, dass sie so lange Fengs Sofa belagerte.
Am liebsten hätte sie eine eigene Wohnung, aber dafür bräuchte sie Geld. Und selbst wenn sie Geld hätte, bräuchte sie mehr Geld, da sie sonst alles für irgendeinen anderen Mist ausgeben würde.
Wahrscheinlich brauchte sie einfach Familientherapie. Und eine Welt in der es keine sozialen und ökonomischen Ungleichheiten gibt. Ein neues Skateboard wäre nicht schlecht.
Es war während der dritten Episode von seiner Lieblingsserie, als Bill sich ernsthaft fragte, was los war.
Er saß schon seit zwei Stunden auf der Couch und schaute Fernsehen, der Bohneneintopf, den er gekocht hatte, war längst kalt.
Zum Tausendsten Mal schaute er auf sein Handy, um zu sehen ob es eine neue Nachricht von Ace gab, mit anschließender Kontrolle, ob er sein WLAN überhaupt eingeschaltet hatte, aber das hatte er. Es gab einfach nur keine neuen Nachrichten.
Bill gab sich einen Ruck, schaltete den Fernseher aus und versuchte Ace noch einmal anzurufen. Bei Meg hatte er es schon versucht, aber wie er erkennen konnte, als ihr Klingelton, zur starken Belastung seiner Ohren, direkt hinter ihm erklang, hatte sie ihr Handy vergessen.
Sie betrachtete das Stück Gummi in ihrer Hand. Es stammte von einem Reifen eines Polizeiwagens, den sie noch vor 5 Minuten aufgeschlitzt hatte.
Das Messer, das von ihrem Griff warmgeworden war, hielt sie in der anderen Hand.
Alles was sie tun wollte, war sich hinzusetzen, um sich zu sammeln und sich auszuruhen, doch sie wusste, dass die Gefahr ohnmächtig zu werden, nach so starker körperlicher Anstrengung zu groß ist.
Also setzte sie sich langsam in Bewegung und ging zu dem Ort, an dem sie sich mit ihrem Team treffen würde.
Meg wusste mit Sicherheit, dass sie sich nun den Respekt von den meisten ihrer Teammitglieder verdient hatte. Was ihr das wirklich brachte, wusste sie immernoch nicht.
Meg wachte auf. 4 Uhr morgens? Sie hatte noch 2 Stunden Zeit, bevor sie sich für die Schule fertig machen musste. Zwei Stunden um nochmal darüber nachzudenken, was gestern passiert war.
Aber was war gestern passiert?
Sie hatte es schon wieder verdrängt, aber langsam holte die Erinnerung sie nun doch wieder ein.
Die Mutprobe.
Gestern hatte sie Sportunterricht.
Es hatte sich unglaublich angefühlt wieder zu laufen. Ihre Sportlehrerin hatte sie gebannt beobachtet, als sie lossprintete und ins Ziel kam. Eine Bestleistung.
Natürlich war Meg sofort ins Team aufgenommen worden.
Doch nicht alle waren so begeistert von ihr.
Meg hatte die Abneigung der anderen Teammitglieder sofort gespürt. Neid, Abscheu und Wut, nur weil sie besser war als sie und dafür scheinbar nie gearbeitet hatte.
Aber das stimmte nicht.
Sie war quasi ihr ganzes Leben lang gelaufen. So lange sie denken konnte.
Meg war gelaufen, als ihre Mutter krank geworden war und sie war gelaufen an dem Tag ihrer Beerdigung. Vielleicht rannte sie nicht einfach, vielleicht rannte sie vor etwas davon.
Ihre Eltern waren noch nicht wach, als sie schon um 5 Uhr aus dem Haus ging, ihre Sportschuhe fest geschnürt, um, trotz des starken Regens, noch vor der Schule laufen zu gehen.
Nachdem sie noch einmal kurz geduscht und ihren Rucksack gepackt hatte, hatte sie sich wider Willen auf dem Weg zur Schule gemacht.
Es war nun bereits die dritte Stunde, doch sie folgte dem Unterricht nicht. Immer wieder dachte sie nach, über gestern Nacht. Sie bereute es nicht wirklich, es war aber dennoch eine dumme Idee gewesen. Die Reifen von irgendeinem Auto aufzuschlitzen? Das wäre kein Problem gewesen. Sie hätte wahrscheinlich jetzt schon wieder vergessen, dass sie es überhaupt getan hatte. Aber ein Polizeiauto?
Schallend ertönte der Ton, der signalisiert, dass es eine Durchsage bevorsteht.
Die Lehrerin verstummte mitten im Satz und Meg setzte sich alarmiert auf.
„Margret Thomas bitte sofort ins Büro von Mr. Harris“, gab die blecherne Stimme von einem Knistern begleitet wieder.
Von allen Schülern und der Lehrerin angestarrt, packte Meg ihre Sachen ein und verließ das Klassenzimmer.
Wenig später klopfte Meg nervös an die Tür des Büros von Mr. Harris, dem Schulleiter.
„Kommen Sie rein.“, befahl seine Stimme.
Im Raum angekommen, wanderte ihr Blick über die Gesichter der anwesenden Personen.
Auf der linken Seite des Tisches saß ihr besorgt dreinblickenden Vater, Ace. Ihm gegenüber sah sie den Schuldirektor. Und dem für sie reservierten Platz, direkt zugewandt, sah sie einen Polizisten, der sie ernst anschaute.
„Ms. Thomas. Sie wurden gestern Nacht dabei gefilmt, wie sie die Reifen eines Polizeiwagens beschädigt haben.“, erklärte der Polizist, als Meg sich hingesetzt hatte.
„Zunächst einmal kommen Sie zur weiteren Besprechung auf die Polizeiwache. Wir treffen uns dort in 10 Minuten. Da sie noch nicht volljährig sind, wird ihr Vater sie begleiten.“
Mit diesen Worten stand der Polizist auf.
Sie haben mich verraten, dachte Meg, als sie mit ihrem Vater zu seinem Auto ging.
Wie sollte es sonst möglich für die Polizei gewesen sein, sie anhand von eine Videoaufnahme zu identifizieren?
Sie hatten wahrscheinlich ein Bild ausgedruckt und es Leuten aus ihrer Schule gezeigt. Das erklärte auch, warum alle aus ihrem Team heute zu spät zum Unterricht kamen.
Sie hätte es wissen können. Aber was hätte ihr das gebracht? Was hätte sie tun sollen um diese Situation zu vermeiden? Weglaufen?
Die gesamte Autofahrt über sprachen Ace und Meg nicht miteinander.
Wenn es um ihre Eltern ging, bröckelte ihre rebellische Fassade manchmal, denn es war ihr wirklich wichtig, was sie über sie dachten.
Als sie auf dem kleinen Parkplatz der örtlichen Polizeiwache ankamen, schaltete Ace den Motor ab, aber stieg noch nicht aus. Man hörte nun nur noch die Regentropfen, die auf die Scheibe prasselten.
Auf ihrer Armbanduhr sah Meg, dass sie noch etwas Zeit hatten, bevor sie sich mit dem Polizist treffen sollten.
Erwartungsvoll blickte sie zu ihrem Vater hinüber, der zuerst nachdachte und sich ihr dann zuwandte.
„Hör zu, Meg.“, sagte er mit der Stimme eines fürsorglichen Elternteils.
„Du weißt, ich hatte selbst schon Probleme mit der Polizei. Und das was ich getan habe, tat ich nicht nur wegen des Geldes. Ich verstehe, worin der Reiz liegt, etwas Illegales zu tun.“
Kurz pausierte er und dachte nach.
„Du bist erst 17 und du wirst noch viele Entscheidungen treffen. Ich habe mich erst spät dazu entschieden auszusteigen, aber es war gut so. Damals habe ich jeden Tag mein Leben und meine Freiheit riskiert.
Ich hätte niemals eine Familie haben können, wie jetzt, wenn ich so weitergemacht hätte und das wäre eine riesige Tragödie gewesen, denn ich liebe euch sehr und ihr macht mich zu einem besseren Menschen.“
„Mein Punkt ist. Ich erwarte nicht von dir, dass du aufhörst so zu sein, wie du bist und dass du ein perfekter amerikanischer Bürger wirst, ich meine, ich bin nicht mal Amerikaner!“, sagte er und machte argentinische Handbewegungen.
„Ich hoffe nur, dass du merkst, dass es mehr gibt. Du musst dich nicht in Gefahr bringen, um dich lebendig zu fühlen. Das habe ich gemerkt, als ich Bill getroffen habe. Für dich wird es vielleicht jemand oder etwas anderes sein, aber auch du wirst dich eines Tages besser fühlen.“
„Und jetzt lass uns das Ganze hinter uns bringen, bevor sie sich doch dazu entscheiden, dich auf der Stelle zu lynchen.“, sprach Ace ernst und knuddelte Meg kurz, bevor die beiden das Auto verließen und durch den strömenden Regen zur Polizeiwache gingen.
Während ihr Vater sich mit der Person an der Rezeption unterhielt und einige Unterlagen ausfüllte, blickte Meg umher. Die Polizeiwache war ziemlich leer, um diese Zeit, nur eine Person sah sie auf den Stühlen sitzen, die zum Warten gedacht waren.
Die Person kam ihr irgendwie bekannt vor. Bei näherer Betrachtung bemerkte sie, dass es sich um Nea Karlsson handelte, die sich in Megs Stufe befand.
Sie war vor zwei Jahren aus Schweden hierher gezogen und ging seitdem mit ihr in die Schule. Meg kannte sie eigentlich nur vom Sehen und davon was die Leute über sie redeten.
In der Schule war sie immer alleine, aber in der Stadt, sah man sie oft mit diesen seltsamen Leuten abhängen, die Graffiti sprühten und sich wohl weder an gesellschaftliche Regeln, noch irgendwelche anderen Gesetzte zu halten schienen.
Die meisten schauten auf Nea herab, weil sie anders war, aber in Wirklichkeit jagte sie ihnen wahrscheinlich ziemlich viel Angst ein.
Denn sie strebte nicht nach Beliebtheit oder einem guten Ansehen und das machte sie mächtiger, als die Beliebtesten der Schule, vielleicht sogar gefährlicher als jeden Lehrer.
Meg hatte nichts gegen Nea, sie bewunderte sie insgeheim ein wenig, wegen ihrer Einstellung, doch sie liefen sich einfach nie über den Weg.
Wenn Meg sich nicht dazu entschieden hätte, die Reifen eines Polizeiautos aufzuschlitzen, wäre das wohl auch so geblieben.
Doch ihr Interesse war jetzt geweckt und da sie gerade nicht gebraucht wurde, ging sie von Ace weg und setzte sich neben die Künstlerin auf einen der Stühle.
„Hi Nea.“
„Hi.“, gab Nea knapp zurück, während sie ihre Pupillen, rein obligatorisch 2 Millimeter in Megs Richtung bewegte, um den Eindruck zu erwecken, dass sie überhaupt mit ihr sprach.
„Und hast du mal wieder Sachbeschädigung betrieben oder wieso bist du hier?“, fragte Meg in der Stimme eines fünfzigjährigen Trump-Anhängers.
Wow, etwas Unpassenderes hätte sie wohl nicht sagen können. Unabhängig davon, dass sie Nea viel zu wenig kannte, um so einen Kommentar abzulassen, passte das was sie gesagt hatte auch überhaupt nicht zu ihr.
Es war nicht wirklich Meg, es war eher die Person die sie den anderen in der Schule vorspielte, um cool zu wirken. Eigentlich sah sie Sprayen eher als Kunst, als als Sachbeschädigung an.
Nea schnaubte, zog ihre Augenbrauen nach oben und wand ihren Blick wieder der Wand zu, an der die Bilder der Mitarbeiter des Jahres – von jedem Jahr seit 1972 – eingerahmt hingen.
Meg wollte am liebsten wieder gehen. Das war so ziemlich das Peinlichste, was sie diese Woche getan hatte. Und sie hatte schon ziemlich viel Scheiße diese Woche gemacht, unter anderem Dinge, die die Ursache waren, dass sie überhaupt in einer Polizeiwache saß und nun soeben erfolgreich eine weitere Sache getan hatte. Butterfly-Effekt…
Aber weggehen konnte Meg nicht, obwohl sie es vielleicht zumindest ein bisschen wollte. Sie würde es sofort bereuen. So oft bekam man nicht die Chance Nea Karlsson am helllichten Tage anzutreffen.
„Ich habe einen Reifen aufgeschlitzt...von einem Auto. Einem Polizeiauto.“, durchbrach Meg unsicher die Stille.
„Wieso?“, fragte Nea ohne ihren Blick von der Wand abzuwenden.
Die Frage überrumpelte Meg. Was war das auch für eine Frage? Wieso?
„Keine Ahnung. Wieso machst du was du machst?“, fragte sie zurück.
Nea verschränkte ihre Arme.
„Ganz sicher nicht aus demselben Grund wie du…“
Ernsthaft. Gab es für Nea ernsthaft einen Grund Meg so zu dissen?
Meg lehnte ihren Kopf ermüdet an der Wand an.
Was macht es einen Sinn sich darüber aufzuregen? Es war schließlich nur Nea.
Ihr kamen ihre Teammitglieder in den Sinn, die sich immer über Neas Akzent lustig machten.
Und aus irgendeinem Grund machte Meg mit.
Wahrscheinlich hatte sie es verdient so herablassend von Nea behandelt zu werden.
Eine Stunde später verließen Ace und Meg die Polizeistation.
„Also du bist echt gut davongekommen, Meg, das muss man sagen. Das Glück hast du eindeutig von mir geerbt.“, sprudelte es aus Ace hervor, noch bevor die Tür hinter ihnen zugefallen war.
„Ace. Ich bin adoptiert.“
„Ach Meg, meine Liebe, Familie ist nicht durch Blut zueinander gebunden...Das wäre eine viel zu einfache Erklärung für so eine komplexe Sache.“, belehrte Ace.
„Wenn du die Erklärung gefunden hast, sag mir Bescheid.“
Ace schien das nicht zu hören.
„Anyway, wer war das, da drinnen? Eine Freundin von dir?“
Meg musste erstmal überlegen, wen er meinte. Dann fiel es ihr wieder ein.
„Meinst du...meinst du Nea? Eine Freundin…“, Meg lachte.
Ace verstand nicht was Meg so lustig fand, aber er ließ es bleiben zu fragen, da Meg es anscheinend unangenehm war darüber zu reden.
„Okay Meg, jetzt aber schnell ins Auto. Bill hat gekocht und wenn er eine Sache aus dem Krieg mitgenommen hat, dann ist es die perfektionierte Zubereitung von braunen Bohnen in Tomatensoße.“
Nea stand frierend vor der Polizeiwache. Sie hatte ihre Arme eng um ihren Körper geschlungen, um sich aufzuwärmen.
Es war Oktober und viel zu kalt für ein T-Shirt, aber sie hatte trotzdem eins an.
Erstens sah es viel cooler aus im Herbst in einem T-Shirt rumzulaufen und zweitens wollte sie ihre skandinavischen Vorfahren nicht beleidigen, es war immerhin noch 4 Grad.
Eigentlich wollte sie nach Hause gehen...oder so. Irgend ein Ort der nicht die Polizeistation ist zumindest. Aber bei dem Gedanken aus dem nicht gerade windgeschützten, aber zumindest überdachten Haupteingang in die nicht überdachte Außenwelt zu treten, ließ sie mit den Zähnen klappern.
Jetzt gerade war ihr immerhin nur kalt. Besser als kalt und komplett durchnässt.
Resignierend zog Nea ihr Handy aus der Hosentasche und wählte eine Nummer.
Zähneklappernd ließ sie es Tuten. Einmal...Zweimal...Dreimal...Langsam war sie genervt.
Wie lange kann es dauern einen Anruf anzunehmen?
„Die gewählte Rufnummer ist zurzeit ni-“
Nea legte auf.
Sie begann schon in Frage zu stellen, ob sie überhaupt geliebt wurde auf dieser Welt, als ihr Handy vibrierte.
Erleichtert, aber trotzdem genervt, nahm sie ab.
„Hi Nea, sorry war in nem Match. Ich wurde so drei Mal gespawnkilled. Kack Noobs.
Was ist los?“, dröhnte es in Neas Ohr.
„Ja. Hallo. Kannst du mich von der Polizei abholen?“
„Aaaaach, haben wir wieder was ausgeheckt, junge Dame?“
„Feng. Kannst du bitte einfach kommen?“
„Jaja, bin schon auf dem Weg. Bis gleich.“
„Bis gle-“
Nea wurde von dem Aufleggeräusch unterbrochen.
Sie hasste es unterbrochen zu werden.
Es dauerte 2 Minuten bis Feng mit quietschenden Reifen, um die Ecke kam.
Das war nicht lange wenn man bedachte, dass sie am anderen Ende der Stadt wohnte.
Mit einer Vollbremsung blieb sie vor Nea stehen, ließ die Fensterscheibe nach unten und zog ihre imaginäre Sonnenbrille nach oben.
„Hey.“, sagte sie mit einer tiefen Playboystimme.
Nea zitterte zu stark, um zu antworten, also ging sie einfach auf die andere Seite und stieg ein.
„Und wie wars?“, fragte Feng, als sie losfuhren.
„Keine Ahnung. Sie haben keine Beweise. Mehr als eine Verwarnung gab es nicht.“
„Nice!“
„Und rate mal wenn ich getroffen habe...Meg Thomas höchstpersönlich.“
Feng schaute Nea erstaunt an.
„Ich hätte nicht gedacht, dass das was mit ihr zu tun hatte. Heute morgen war so ein Cop in der Schule. Alle waren total aufgeregt.“, erzählte Feng.
„Krass.“, sagte Nea unbeeindruckt.
„Also was hat sie gemacht?“, fragte Feng.
„Sie hat die Reifen von nem Polizeiauto aufgeschlitzt oder so. Warum auch immer.“
„Aber krass, dass sie erst heute Morgen mitgenommen wurde. Ich weiß ja nicht, wie lange es her ist, dass sie es gemacht hat, aber sie wurde auf jeden Fall nicht direkt während der Tat geschnappt.“
Nea zuckte mit den Schultern.
Wahrscheinlich hatte Meg einfach nur Glück.
Abgesehen von Fengs in regelmäßigen Abständen ertönenden Gähnen, fuhren sie ruhig weiter.
Es hätte jetzt alles mögliche passieren können und Nea hätte es nicht gemerkt, denn sie saß abwesend auf dem Beifahrersitz und beobachtete die Regentropfen, die am Fenster herunterliefen.
Sie bemerkte auch nicht wirklich, als das Auto ins Schleudern geriet und direkt auf die nächste Hauswand zusteuerte.
Aber ihre Sinne merkten es dennoch und brachten sie dazu sich aufrecht hinzusetzen und sich an irgendetwas festzuhalten, was sie gerade in den Griff bekam.
Das was sie in den Griff bekam, war anscheinend Feng Min, wie sie bemerkte, als sie einige Zeit später mit einem unsicheren Lachen ihren Arm losließ.
„Bist du gegen den Pfosten da gefahren? Weil ich bin mir relativ sicher, dass es gerade eben ziemlich gekracht hat. Ich denke, wir sollten zur Sicherheit…“, Nea unterbrach, da Feng keine Reaktion zeigte und noch immer, das Lenkrad fest im Griff, nach vorne starrte.
„Hey Min. Alles klar?“, fragte Nea und suchte ihren Blick.
„Hast du das eben gesehen?“ Feng sprach so leise, dass Nea es kaum hörte.
„Was meinst du?“
Die Fahrerin schaffte es ihre Hände von dem Lenkrad zu lösen und auch ihr Blick, war nun nicht mehr geradeaus, sondern zu Boden gerichtet. Nea wäre es lieber, hätte sie sie angeschaut, dann hätte sie vielleicht etwas besser verstehen können, was los war.
„Ein Licht...Konnte nichts sehen…“, brachte sie heraus.
„Wahrscheinlich hatte wieder jemand seine Scheinwerfer falsch eingestellt und du wurdest geblendet.“, versuchte Nea Feng zu beruhigen.
Diese schüttelte ihren Kopf, ihr Blick war wieder nach vorne gerichtet.
„Das war was komplett anderes.“
„Maaaan das macht ja echt keinen Spaß mit dir.“, stöhnte Nea eine Stunde später und warf den Controller auf den Boden.
„Tut mir Leid, dass ich so gut bin.“, erwiderte Feng und hob unschuldig ihre Hände.
Im Hintergrund hörte man die Gewinnermusik von Mario Kart spielen. Die war natürlich für Feng bestimmt.
Nea war auf dem neunten Platz gelandet. Immerhin noch einstellig.
Sie wollte noch nicht nach Hause gehen. Was heißt „noch“, so wie sie sich jetzt fühlte, wollte sie am liebsten nie wieder nach Hause gehen. Schon 3 Tage hatte Nea ihre Eltern nicht gesehen. Und das Einzige, was ihr Leid tat war, dass sie so lange Fengs Sofa belagerte.
Am liebsten hätte sie eine eigene Wohnung, aber dafür bräuchte sie Geld. Und selbst wenn sie Geld hätte, bräuchte sie mehr Geld, da sie sonst alles für irgendeinen anderen Mist ausgeben würde.
Wahrscheinlich brauchte sie einfach Familientherapie. Und eine Welt in der es keine sozialen und ökonomischen Ungleichheiten gibt. Ein neues Skateboard wäre nicht schlecht.
Es war während der dritten Episode von seiner Lieblingsserie, als Bill sich ernsthaft fragte, was los war.
Er saß schon seit zwei Stunden auf der Couch und schaute Fernsehen, der Bohneneintopf, den er gekocht hatte, war längst kalt.
Zum Tausendsten Mal schaute er auf sein Handy, um zu sehen ob es eine neue Nachricht von Ace gab, mit anschließender Kontrolle, ob er sein WLAN überhaupt eingeschaltet hatte, aber das hatte er. Es gab einfach nur keine neuen Nachrichten.
Bill gab sich einen Ruck, schaltete den Fernseher aus und versuchte Ace noch einmal anzurufen. Bei Meg hatte er es schon versucht, aber wie er erkennen konnte, als ihr Klingelton, zur starken Belastung seiner Ohren, direkt hinter ihm erklang, hatte sie ihr Handy vergessen.