Schweiß und Veilchen
von Aleya
Kurzbeschreibung
Rittersporn plante, im hohen Alter friedlich schmachtend dahin zu scheiden. Geralt und Yennefer hatten andere Pläne.
GeschichteRomance / P12 / Div
Geralt von Riva
Rittersporn
Yennefer von Vengerberg
18.03.2023
18.03.2023
1
1.757
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18.03.2023
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Begonnen, als ich die erste Folge sah, jetzt endlich beendet. Wie immer bin ich spät dran. Die Zeitlinie ist hier mindestens so wirr wie in der Serie, also spielt es einfach in einer fernen Zukunft.
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Rittersporns Gelenke knackten, als er sorgfältig die schief klingende Saite seiner Laute spannte. Er wurde eindeutig nicht jünger und die Jahre der Wanderschaft machten sich bemerkbar. Sanft schlug er die Saite an und lauschte dem Nachhall. Besser. Aber noch nicht richtig.
Aber natürlich saß er nicht auf diesem Baumstamm, um seine Laute zu stimmen. Es war später Nachmittag, bald ging die Sonne unter und bis auf Geralt und das Lagerfeuer mit dem brodelnden Teekessel gab es keine Zuhörer. Eine Taverne gab es im Umkreis von einem Tagesmarsch auch nicht und überhaupt war diese Lichtung mitten im Wald genau der Ort, an dem ein alternder Barde sich nicht aufhalten sollte. Es gab Gerüchte über ein Monster mit rot glühenden Augen, das Reisende fraß und nur die Schuhe übrig ließ.
Genau genommen sollte sich daher in diesem Wald absolut niemand aufhalten, was natürlich direkt dazu führte, dass er jetzt hier saß und seine Aufmerksamkeit demonstrativ auf die Laute richtete. Ein durchdringend schiefer Ton auf der nächsten Saite verriet ihm, dass er damit eher weniger erfolgreich war. Er spannte auch diese Saite ein wenig und versuchte es erneut.
Mit einem schrillen Pling riss das Pferdehaar und die Enden schlugen auf seine unbedeckten Arme. Der brennende Schmerz war nichts gegen den durchdringenden Blick aus gelben Augen, innerhalb eines Sekundenbruchteils vollkommen auf ihn fokussiert.
Rittersporn spürte den vertrauten kalten Hauch von Geralts Magie über sich fließen, als der Hexer sich versicherte, dass sein Schmerzenslaut keine bedrohlichen Ursachen hatte. Entschuldigend zuckte Rittersporn mit den Schultern, was von Geralt mit einem Nicken und der Wiederaufnahme seiner Kampfübungen erwidert wurde. Und damit war es auch um Rittersporns Bemühungen um Selbstbeherrschung geschehen. Gebannt verfolgte er das Spiel schweißbedeckter Muskelberge, die so elegant und tödlich wie die eines Berglöwens waren. Die wirbelnden weißen Haare, die immer wieder aufblitzenden gelben Augen, die harte Furche, die die Konzentration in Geralts Stirn trieb, als er Schlag um Schlag mit seinem Silberschwert gegen die leere Luft führte...
„Oh Scheiße“, murmelte Rittersporn, legte die Laute sanft auf ihre Ummantelung – um nichts in der Welt würde er sein Instrument unsachgemäß behandeln - und verbarg das Gesicht in seinen Händen. Ein glockenhelles Lachen links hinter ihm ließ ihn zusammen zucken und trieb gleichzeitig eine glühende Röte in sein Gesicht. Lautlos dachte er ein paar weitere blumige Flüche, die seine prekäre Lage nicht einmal annähernd beschreiben konnten.
„Hallo Yennefer“, sagte er schließlich, richtete sich auf und wandte sich der Zauberin zu. Sie sah wie immer umwerfend aus, mächtig und wunderschön. Eine wahre Vertreterin ihrer Zunft. Mit einem spöttischen Lächeln, was ganz ihm galt und Rittersporn konnte es ihr nicht einmal verdenken. „Wie lange saß ich hier und habe gestarrt?“ Aus Erfahrung wusste er, dass jede Verzögerung die Demütigung nur tiefgreifender werden ließ. Verfluchte Zauberinnen und ihre verfluchten Portale.
Yennefer lachte erneut, dieses Mal jedoch leiser. „Lange genug, dass ich mich herrlich amüsieren konnte, nicht lange genug, dass Geralt hätte reagieren müssen.“ Ein Hoch auf winzige Segnungen. Yennefer reichte ihm einen Becher – sie hatte ihn wohl während seiner mentalen Abwesenheit gefüllt. Der starke Kräutergeruch des Tees stieg in seine Nase und weckte Erinnerungen an weit entfernte Reisen, ähnliche Abende an Lagerfeuern auf einsamen Lichtungen, Yennefer und er in langen Gesprächen vertieft, während Geralt trainierte. Misstrauisch nahm er einen kleinen Schluck, konnte jedoch nichts Verdächtiges entdecken. Was natürlich nicht hieß, dass sie ihn nicht trotzdem vergiften wollte. Zauberin und so.
Dennoch wärmte er dankbar seine steifen Finger und genoss die kurze Pause, solange sie anhielt. Yennefer ließ sich elegant neben ihm auf dem Baumstamm nieder. Veilchenduft wand sich durch die Dämpfe des Tees. Rittersporn atmete tief durch. Im Normalfall endeten die langen Abende am Lagerfeuer, wenn Yennefer und Geralt zusammen verschwanden. Die Klang- und Geruchskulisse ihrer Begegnungen waren ihm vertraut genug, dass er jegliche bei Veilchen aufkommenden Gedanken sofort wegsperrte. Auf gar keinen Fall würde er der Zauberin die Bilder von Geralt und ihr Bilder in seinem Kopf erklären...
„Es gab immer Sterbliche wie dich für ihn. Flüchtige Bekanntschaften, vorbei, noch ehe ihm klar wurde, was er hatte. Ihr seid einfach so empfindlich.“
Und da war die Pause auch schon vorbei. Yennefers Worte stachen tief, insbesondere weil sie nur aussprach, was er schon lange wusste. Er kannte Geralt seit so vielen Jahren und für seine menschlichen Augen hatte sich der Hexer nicht im Geringsten verändert. Abgesehen von den Narben natürlich. Über mindestens die Hälfte von ihnen hatte er eine Ballade geschrieben. Die andere Hälfte hatte seine Gedanken in kalten Nächten gewärmt.
Mehrmals.
Yennefers amüsiertes Schnauben erinnerte ihn daran, dass die Zauberin durchaus seine Gedanken lesen konnte, wenn sie wollte. Wahrscheinlicher war, dass sie es einfach seinem Gesicht ansah. Der Abend konnte also durchaus noch schlimmer werden.
Rittersporn setzte zu einer Antwort an. „Yennefer...“
„Warte nicht zu lange, Barde.“
Er musste sich verhört haben. Eine Kombination aus Wunschdenken und blühender Fantasie in Bezug auf einen gewissen Hexer, das musste es sein. Perfektes Material für eine neue anzügliche Tavernenode. Dieses Mal sollte er nur daran denken, der hübschen Maid dunkle statt weißblonder Haare zu verpassen und sich selbst etwas weniger offensichtlich hinein schreiben.
Mit Sicherheit würde er einer gruseligen Zauberin nicht den nicht weniger furchteinflößenden Liebhaber ausspannen, nur weil er seine Genitalien nicht im Griff hatte. Er kannte ganze Epen, die genau beschrieben, warum das eine absolut lebensverkürzende und dumme Idee war.
„Nun schau nicht so dumm, Rittersporn“, fügte Yennefer eindeutig ungeduldig hinzu. „Du willst ihn, er will dich... es ist die einfachste und älteste Geschichte der Welt.“
„Die älteste Geschichte ist eher Brudermord.“
Yennefer warf die Hände in die Luft. „Das ist es, was dir dazu einfällt? Ernsthaft?“
„Nein. Aber der Rest ist nicht jugendfrei und nicht für deine zarten Ohren bestimmt.“ Er sah in den Becher. Sie hatte den Tee verzaubert. Es war die einzig logische Schlussfolgerung für dieses surreale Gespräch. Auf gar keinen Fall versuchte Yennefer, die einzigartige Yennefer von Vengerberg, gefürchtet in allen Landen, wunderschön und stark, ihn mit ihrem Liebhaber, Geralt, dem Hexer, Schlächter von Blaviken, Traum seiner schlaflosen Nächte, zu verkuppeln. Wahrscheinlich würde er diese Halluzinationen morgen mit Kopfschmerzen bereuen. Skeptisch starrte er den Tee an. Er sah ganz normal aus. Er roch normal. Er schmeckte, wie Kräutertee nun mal schmeckte – nach Wiese. Auch normal soweit.
Rittersporn leerte den Becher. Selbst wenn Yennefer den Tee verzaubert hatte... Nun war es eh zu spät.
„Muss ich es wirklich so direkt sagen, um es in deinen dumpfen Schädel hinein zu bekommen? Geralt wartet nur auf ein Zeichen von dir.“
In Rittersporns Ohren rauschte es, das Atmen fiel ihm schwer, als Verbitterung in ihm aufstieg und wie ein riesiger Stein in seiner Brust lag. Er mochte nur ein normalsterblicher Mensch sein, das hieß noch lange nicht, dass seine Gefühle zur Belustigung gelangweilter Zauberinnen herhalten mussten.
„Yennefer... Es ist genug“, erwiderte er schließlich gepresst, mühsam gegen den Stein in ihm atmend. Er konzentrierte sich auf die raue, harte Oberfläche des Bechers, presste mit starken Bardenfingern dagegen, bis sie knackten.
Yennefer legte ihre Hand auf sein Handgelenk, ihre Finger drückten sich in seine harten Muskeln. Unwillkürlich fokussierte alles in ihm sich auf die Berührung, die Anspannung floss aus ihm ab wie überlaufendes Wasser, als Veilchenduft alles überdeckte. Er hielt den Blick stur auf den Becher gerichtet. Nur nicht das Mitleid in ihren Augen sehen müssen.
Geralt hatte seine Kampfübungen unterbrochen. Schwere Schritte kamen näher, bis die Stiefel des Hexers in seinem Blickfeld auftauchten.
„Sie hat recht. Wir beide warten.“
Vollkommen überrascht sah Rittersporn auf, direkt in Geralts Augen. Zu überrascht, um dem nackten Oberkörper mehr als einen flüchtigen Blick zu gönnen. „Wie bitte?“, entfleuchte es ihm ungläubig. Geralt sah ihn ruhig an, doch Rittersporn kannte inzwischen die kleinen Zeichen des Hexers. Geralt war nicht so sicher, wie er sich gab, was wiederum Rittersporn nervös machte. Yennefers Hand brannte sich wie Feuer in seine Haut. Es war alles zu viel.
Rittersporn war als Barde einiges an Aufmerksamkeit gewohnt, aber das hier... nein. „Halt, stop, Pause“, beschloss er, schüttelte Yennefers Hand ab und erhob sich. „Ich weiß nicht, was das hier werden soll, aber ich bin zu alt für Spielchen, die wahlweise Verstand oder Leben kosten. In dem Sinne... Yennefer“, er verneigte sich übertrieben vor der Zauberin. „Geralt“, eine übertriebene Geste mit dem Becher in Richtung Hexer. „ich werde jetzt eine Runde in die Büsche verschwinden und wenn ich wieder da bin, tun wir einfach so, als wäre all das hier nie geschehen.“
Mit steifen Beinen, den Blick stur geradeaus gerichtet, schob sich Rittersporn an Geralt vorbei und verließ die Lichtung in Richtung Unterholz. Glücklicherweise musste er nicht weiter als ein paar Meter gehen, bevor er die dauerhaften Bewohner seiner nächtlichen Träume aus den Augen verlor. Mit einem lauten Keuchen, fast ein unterdrücktes Schluchzen, sackte er an der glatten Rinde eines Ahorns nieder. Der Becher fiel mit einem dumpfen Geräusch ins Laub, als er die Hände zu Fäusten ballte und lautlos hinein schrie. Soviel zu seinem Plan, unentdeckt schmachtend am Ende seines Lebens dahin zu scheiden und sein Geheimnis mit ins Grab zu nehmen. Und doch gab es unter all den widerstreitenden Gefühlen in ihm ganz eindeutig eine leise, hoffnungsvolle Stimme, die nicht an einen Scherz glaubte. Die hoffte, dass alles sich zum Guten wendete am Ende.
Das Licht wurde schwächer, lange Schatten zogen auf, als die Sonne langsam unterging. Rittersporns Füße waren taub. Sein Hintern juckte und er hoffte, dass das lange Sitzen und nicht etwa eine Kolonie Ameisen die Ursache war. Mit einem tiefen Seufzen erhob er sich schwankend, schüttelte die Füße, bis das schmerzhafte Kribbeln endlich nachließ. Noch immer hatte er keine Antwort auf die Fragen der letzten Stunden gefunden.
Was, wenn es kein Scherz der beiden gewesen war?
Er fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. Heute Nacht spürte er jedes einzelne seiner Lebensjahre, zusätzlich zum Wissen, dass ihm nicht mehr allzu viele blieben.
Wenn es kein Scherz war, wollte er seine Träume wirklich leben?
Ein letztes Mal atmete er tief ein, dann wandte er sich dem Feuerschein auf der Lichtung zu. Yennefer und Geralt erwarteten ihn geduldig auf dem Baumstamm. Aus einem Topf über dem Feuer stieg der würzige Geruch wilder Gemüsesuppe auf. Keine Ablenkung durch Schweiß und Veilchen.
Erneut rauschte es in Rittersporns Ohren, als ihm klar wurde – genau hier wollte er sein.
„Wir müssen reden. Aber vorher brauche ich einen neuen Becher und etwas von deinem geheimen Vorrat des Toussainter Roten, Yennefer.“
Eine lange Nacht lag vor ihm.
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Rittersporns Gelenke knackten, als er sorgfältig die schief klingende Saite seiner Laute spannte. Er wurde eindeutig nicht jünger und die Jahre der Wanderschaft machten sich bemerkbar. Sanft schlug er die Saite an und lauschte dem Nachhall. Besser. Aber noch nicht richtig.
Aber natürlich saß er nicht auf diesem Baumstamm, um seine Laute zu stimmen. Es war später Nachmittag, bald ging die Sonne unter und bis auf Geralt und das Lagerfeuer mit dem brodelnden Teekessel gab es keine Zuhörer. Eine Taverne gab es im Umkreis von einem Tagesmarsch auch nicht und überhaupt war diese Lichtung mitten im Wald genau der Ort, an dem ein alternder Barde sich nicht aufhalten sollte. Es gab Gerüchte über ein Monster mit rot glühenden Augen, das Reisende fraß und nur die Schuhe übrig ließ.
Genau genommen sollte sich daher in diesem Wald absolut niemand aufhalten, was natürlich direkt dazu führte, dass er jetzt hier saß und seine Aufmerksamkeit demonstrativ auf die Laute richtete. Ein durchdringend schiefer Ton auf der nächsten Saite verriet ihm, dass er damit eher weniger erfolgreich war. Er spannte auch diese Saite ein wenig und versuchte es erneut.
Mit einem schrillen Pling riss das Pferdehaar und die Enden schlugen auf seine unbedeckten Arme. Der brennende Schmerz war nichts gegen den durchdringenden Blick aus gelben Augen, innerhalb eines Sekundenbruchteils vollkommen auf ihn fokussiert.
Rittersporn spürte den vertrauten kalten Hauch von Geralts Magie über sich fließen, als der Hexer sich versicherte, dass sein Schmerzenslaut keine bedrohlichen Ursachen hatte. Entschuldigend zuckte Rittersporn mit den Schultern, was von Geralt mit einem Nicken und der Wiederaufnahme seiner Kampfübungen erwidert wurde. Und damit war es auch um Rittersporns Bemühungen um Selbstbeherrschung geschehen. Gebannt verfolgte er das Spiel schweißbedeckter Muskelberge, die so elegant und tödlich wie die eines Berglöwens waren. Die wirbelnden weißen Haare, die immer wieder aufblitzenden gelben Augen, die harte Furche, die die Konzentration in Geralts Stirn trieb, als er Schlag um Schlag mit seinem Silberschwert gegen die leere Luft führte...
„Oh Scheiße“, murmelte Rittersporn, legte die Laute sanft auf ihre Ummantelung – um nichts in der Welt würde er sein Instrument unsachgemäß behandeln - und verbarg das Gesicht in seinen Händen. Ein glockenhelles Lachen links hinter ihm ließ ihn zusammen zucken und trieb gleichzeitig eine glühende Röte in sein Gesicht. Lautlos dachte er ein paar weitere blumige Flüche, die seine prekäre Lage nicht einmal annähernd beschreiben konnten.
„Hallo Yennefer“, sagte er schließlich, richtete sich auf und wandte sich der Zauberin zu. Sie sah wie immer umwerfend aus, mächtig und wunderschön. Eine wahre Vertreterin ihrer Zunft. Mit einem spöttischen Lächeln, was ganz ihm galt und Rittersporn konnte es ihr nicht einmal verdenken. „Wie lange saß ich hier und habe gestarrt?“ Aus Erfahrung wusste er, dass jede Verzögerung die Demütigung nur tiefgreifender werden ließ. Verfluchte Zauberinnen und ihre verfluchten Portale.
Yennefer lachte erneut, dieses Mal jedoch leiser. „Lange genug, dass ich mich herrlich amüsieren konnte, nicht lange genug, dass Geralt hätte reagieren müssen.“ Ein Hoch auf winzige Segnungen. Yennefer reichte ihm einen Becher – sie hatte ihn wohl während seiner mentalen Abwesenheit gefüllt. Der starke Kräutergeruch des Tees stieg in seine Nase und weckte Erinnerungen an weit entfernte Reisen, ähnliche Abende an Lagerfeuern auf einsamen Lichtungen, Yennefer und er in langen Gesprächen vertieft, während Geralt trainierte. Misstrauisch nahm er einen kleinen Schluck, konnte jedoch nichts Verdächtiges entdecken. Was natürlich nicht hieß, dass sie ihn nicht trotzdem vergiften wollte. Zauberin und so.
Dennoch wärmte er dankbar seine steifen Finger und genoss die kurze Pause, solange sie anhielt. Yennefer ließ sich elegant neben ihm auf dem Baumstamm nieder. Veilchenduft wand sich durch die Dämpfe des Tees. Rittersporn atmete tief durch. Im Normalfall endeten die langen Abende am Lagerfeuer, wenn Yennefer und Geralt zusammen verschwanden. Die Klang- und Geruchskulisse ihrer Begegnungen waren ihm vertraut genug, dass er jegliche bei Veilchen aufkommenden Gedanken sofort wegsperrte. Auf gar keinen Fall würde er der Zauberin die Bilder von Geralt und ihr Bilder in seinem Kopf erklären...
„Es gab immer Sterbliche wie dich für ihn. Flüchtige Bekanntschaften, vorbei, noch ehe ihm klar wurde, was er hatte. Ihr seid einfach so empfindlich.“
Und da war die Pause auch schon vorbei. Yennefers Worte stachen tief, insbesondere weil sie nur aussprach, was er schon lange wusste. Er kannte Geralt seit so vielen Jahren und für seine menschlichen Augen hatte sich der Hexer nicht im Geringsten verändert. Abgesehen von den Narben natürlich. Über mindestens die Hälfte von ihnen hatte er eine Ballade geschrieben. Die andere Hälfte hatte seine Gedanken in kalten Nächten gewärmt.
Mehrmals.
Yennefers amüsiertes Schnauben erinnerte ihn daran, dass die Zauberin durchaus seine Gedanken lesen konnte, wenn sie wollte. Wahrscheinlicher war, dass sie es einfach seinem Gesicht ansah. Der Abend konnte also durchaus noch schlimmer werden.
Rittersporn setzte zu einer Antwort an. „Yennefer...“
„Warte nicht zu lange, Barde.“
Er musste sich verhört haben. Eine Kombination aus Wunschdenken und blühender Fantasie in Bezug auf einen gewissen Hexer, das musste es sein. Perfektes Material für eine neue anzügliche Tavernenode. Dieses Mal sollte er nur daran denken, der hübschen Maid dunkle statt weißblonder Haare zu verpassen und sich selbst etwas weniger offensichtlich hinein schreiben.
Mit Sicherheit würde er einer gruseligen Zauberin nicht den nicht weniger furchteinflößenden Liebhaber ausspannen, nur weil er seine Genitalien nicht im Griff hatte. Er kannte ganze Epen, die genau beschrieben, warum das eine absolut lebensverkürzende und dumme Idee war.
„Nun schau nicht so dumm, Rittersporn“, fügte Yennefer eindeutig ungeduldig hinzu. „Du willst ihn, er will dich... es ist die einfachste und älteste Geschichte der Welt.“
„Die älteste Geschichte ist eher Brudermord.“
Yennefer warf die Hände in die Luft. „Das ist es, was dir dazu einfällt? Ernsthaft?“
„Nein. Aber der Rest ist nicht jugendfrei und nicht für deine zarten Ohren bestimmt.“ Er sah in den Becher. Sie hatte den Tee verzaubert. Es war die einzig logische Schlussfolgerung für dieses surreale Gespräch. Auf gar keinen Fall versuchte Yennefer, die einzigartige Yennefer von Vengerberg, gefürchtet in allen Landen, wunderschön und stark, ihn mit ihrem Liebhaber, Geralt, dem Hexer, Schlächter von Blaviken, Traum seiner schlaflosen Nächte, zu verkuppeln. Wahrscheinlich würde er diese Halluzinationen morgen mit Kopfschmerzen bereuen. Skeptisch starrte er den Tee an. Er sah ganz normal aus. Er roch normal. Er schmeckte, wie Kräutertee nun mal schmeckte – nach Wiese. Auch normal soweit.
Rittersporn leerte den Becher. Selbst wenn Yennefer den Tee verzaubert hatte... Nun war es eh zu spät.
„Muss ich es wirklich so direkt sagen, um es in deinen dumpfen Schädel hinein zu bekommen? Geralt wartet nur auf ein Zeichen von dir.“
In Rittersporns Ohren rauschte es, das Atmen fiel ihm schwer, als Verbitterung in ihm aufstieg und wie ein riesiger Stein in seiner Brust lag. Er mochte nur ein normalsterblicher Mensch sein, das hieß noch lange nicht, dass seine Gefühle zur Belustigung gelangweilter Zauberinnen herhalten mussten.
„Yennefer... Es ist genug“, erwiderte er schließlich gepresst, mühsam gegen den Stein in ihm atmend. Er konzentrierte sich auf die raue, harte Oberfläche des Bechers, presste mit starken Bardenfingern dagegen, bis sie knackten.
Yennefer legte ihre Hand auf sein Handgelenk, ihre Finger drückten sich in seine harten Muskeln. Unwillkürlich fokussierte alles in ihm sich auf die Berührung, die Anspannung floss aus ihm ab wie überlaufendes Wasser, als Veilchenduft alles überdeckte. Er hielt den Blick stur auf den Becher gerichtet. Nur nicht das Mitleid in ihren Augen sehen müssen.
Geralt hatte seine Kampfübungen unterbrochen. Schwere Schritte kamen näher, bis die Stiefel des Hexers in seinem Blickfeld auftauchten.
„Sie hat recht. Wir beide warten.“
Vollkommen überrascht sah Rittersporn auf, direkt in Geralts Augen. Zu überrascht, um dem nackten Oberkörper mehr als einen flüchtigen Blick zu gönnen. „Wie bitte?“, entfleuchte es ihm ungläubig. Geralt sah ihn ruhig an, doch Rittersporn kannte inzwischen die kleinen Zeichen des Hexers. Geralt war nicht so sicher, wie er sich gab, was wiederum Rittersporn nervös machte. Yennefers Hand brannte sich wie Feuer in seine Haut. Es war alles zu viel.
Rittersporn war als Barde einiges an Aufmerksamkeit gewohnt, aber das hier... nein. „Halt, stop, Pause“, beschloss er, schüttelte Yennefers Hand ab und erhob sich. „Ich weiß nicht, was das hier werden soll, aber ich bin zu alt für Spielchen, die wahlweise Verstand oder Leben kosten. In dem Sinne... Yennefer“, er verneigte sich übertrieben vor der Zauberin. „Geralt“, eine übertriebene Geste mit dem Becher in Richtung Hexer. „ich werde jetzt eine Runde in die Büsche verschwinden und wenn ich wieder da bin, tun wir einfach so, als wäre all das hier nie geschehen.“
Mit steifen Beinen, den Blick stur geradeaus gerichtet, schob sich Rittersporn an Geralt vorbei und verließ die Lichtung in Richtung Unterholz. Glücklicherweise musste er nicht weiter als ein paar Meter gehen, bevor er die dauerhaften Bewohner seiner nächtlichen Träume aus den Augen verlor. Mit einem lauten Keuchen, fast ein unterdrücktes Schluchzen, sackte er an der glatten Rinde eines Ahorns nieder. Der Becher fiel mit einem dumpfen Geräusch ins Laub, als er die Hände zu Fäusten ballte und lautlos hinein schrie. Soviel zu seinem Plan, unentdeckt schmachtend am Ende seines Lebens dahin zu scheiden und sein Geheimnis mit ins Grab zu nehmen. Und doch gab es unter all den widerstreitenden Gefühlen in ihm ganz eindeutig eine leise, hoffnungsvolle Stimme, die nicht an einen Scherz glaubte. Die hoffte, dass alles sich zum Guten wendete am Ende.
Das Licht wurde schwächer, lange Schatten zogen auf, als die Sonne langsam unterging. Rittersporns Füße waren taub. Sein Hintern juckte und er hoffte, dass das lange Sitzen und nicht etwa eine Kolonie Ameisen die Ursache war. Mit einem tiefen Seufzen erhob er sich schwankend, schüttelte die Füße, bis das schmerzhafte Kribbeln endlich nachließ. Noch immer hatte er keine Antwort auf die Fragen der letzten Stunden gefunden.
Was, wenn es kein Scherz der beiden gewesen war?
Er fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. Heute Nacht spürte er jedes einzelne seiner Lebensjahre, zusätzlich zum Wissen, dass ihm nicht mehr allzu viele blieben.
Wenn es kein Scherz war, wollte er seine Träume wirklich leben?
Ein letztes Mal atmete er tief ein, dann wandte er sich dem Feuerschein auf der Lichtung zu. Yennefer und Geralt erwarteten ihn geduldig auf dem Baumstamm. Aus einem Topf über dem Feuer stieg der würzige Geruch wilder Gemüsesuppe auf. Keine Ablenkung durch Schweiß und Veilchen.
Erneut rauschte es in Rittersporns Ohren, als ihm klar wurde – genau hier wollte er sein.
„Wir müssen reden. Aber vorher brauche ich einen neuen Becher und etwas von deinem geheimen Vorrat des Toussainter Roten, Yennefer.“
Eine lange Nacht lag vor ihm.