roi lion
von Faen
Kurzbeschreibung
(Der Autor hat keine Kurzbeschreibung zu dieser Geschichte verfasst.)
GeschichteFamilie, Liebesgeschichte / P12 / Gen
Adrien Agreste / Chat Noir
Alya Césaire / Lady WiFi / Rena Rouge
Chloé Bourgeois / Antibug / Queen Bee
Félix Graham de Vanily
Marinette Dupain-Cheng / Ladybug
Nino Lahiffe / Bubbler / Carapace
18.03.2023
18.03.2023
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18.03.2023
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Der ewige Kreis
Es war früh am Morgen und die Sonne stand noch tief über der roten, verdorrten Savanne. Aber, die wenigen vertrockneten Sträucher und verkrüppelten Bäumen warfen bereits harte Schatten in den Sand. Die gehörnten Köpfe der friedlich grasenden Kuhantilopen hoben sich und ihre großen Ohren spielten nervös. Unruhe erfasste schließlich die ganze Herde, die unruhig mit den Hufen, zu scharren begann, als plötzlich ein lautes Donnern über die flache, kaum mehr bewachsene Ebene zu rollen schien. Am Horizont erschien eine riesige grau braune Staubwolke und die kleinen Steinchen begannen über den Boden, der nun förmlich zu beben schien, zu tanzen als die zahlreichen Herden nun herangaloppierten. Ihr Ziel schien der einzige Berg, ein hoher, spitz aufragender Felsen, der majestätisch gegen den noch dunklen, beinahe nachtschwarzen Himmel aufragte, zu sein.Hoch oben auf dem Felsen wartete ein einzelner Löwe, dessen beinahe weiße Mähne von der sanften Morgenbrise zerzaust wurde. Hoheitsvoll blickte die große Raubkatze ihren herannahenden Untertanen entgegen, schlug aber dennoch unruhig mit dem Schwanz. „Nervös, Gabriel?“, eine dunkle, beinahe schwarzer Artgenossin näherte sich dem weißen Löwen, den Kopf leicht schief gelegt und lächelnd, „Oder muss ich mich etwa vor Euch verbeugen, Hoheit?“ „Ach Sabine.“, Gabriel wirkte wirklich erleichtert sie zu sehen, der König legte ihr begrüßend eine Pfote auf den Rücken und rieb seine Schnauze gegen die der dunklen Löwin, „Eure Heiligkeit.“ „So förmlich heute … Aber, es ist ja auch ein besonderer Anlass für unser Treffen.“, Sabines blaue Augen funkelten amüsiert, als die dunkle Löwin sich nun suchend umsah, „ Wo sind die beiden denn?“ „Bei Émilie.“, Gabriels langer Schwanz schlug wieder nervös, als er mit der leicht ergrauten Schnauze in Richtung der Höhlen deutete, „Sie wollte sie noch einmal … baden.“ „Hast du dich schon entschieden?“, Sabine streckte sich genüsslich in den ersten Sonnenstrahlen des Morgens, ließ den König aber dennoch nicht aus den Augen, als dieser nun seufzend den Kopf schüttelte, „Nein … Ich hatte gehofft, dass du …?“„Gabriel.“, Émilie, eine sandfarbene, schlanke Löwin mit warmen, blauen Augen näherte sich und neigte, als sie heran war, respektvoll den Kopf, vor der schwarzen Löwin, „Eure Heiligkeit.“ „Émilie.“, Gabriel schnurrte beinahe, als er seine Gemahlin begrüßte, während Sabine nur leicht den Kopf neigte und die Königin, höflich, wenn auch etwas reservierter begrüßte, „Émilie.“ „Ich wollte Sabine gerade bitten, sich Félix und Adrien anzusehen. Wir müssen uns bei der Entscheidung sicher sein.“, es war keine Bitte, sondern ein königlicher Befehl und so neigte die Löwin nur im wortlosen Einverständnis den Kopf, bevor sie die dunkle Löwin in die privaten Höhlen begleitete.Sabines Augen brauchten einen Moment, bis sie sich an das herrschende Zwielicht gewöhnt hatten. Aber dennoch folgte sie der Löwin in den dunklen Schlund der tiefen Höhle, bis sie plötzlich vor einer kleinen Nische in der grauen Felswand stehen blieb. Auf ihr aufforderndes Räuspern trat Émilie widerwillig zur Seite und gab mit sichtlichem Mutterstolz nur zögerlich den Blick auf zwei kleine Löwenbabies frei. Einer der kleinen Löwen war bereits wach, die großen, graugrünlichen Augen schimmerten im wenigen Licht und er gab nun einen klagenden Laut von sich, der nun aber auch das zweite Löwenjunge aufzuwecken schien.Das zweite Löwenjunge öffnete verschlafen die Augen, blinzelte kurz und betrachtete dann seine Mutter, bevor sich der Blick dann erstaunlich sicher auf Sabine legte. Die dunkle Löwin holte tief Atem, als sie das irisierende Schwarz sah, als eie sr aber seinen Kopf senkte, um die Jungen genauer zu betrachten, kam nur der andere kleine Löwe näher und schlug verspielt nach ihrer dunklen Schnauze. „Félix.“, Émilie klang tadelnd und biss vorsichtig in das Nackenfell ihres Sohnes, um ihn in sicherer Entfernung zu Sabine abzusetzen, „Du weißt, dass du vorsichtig mit Adrien sein sollst ...“Die dunkle Löwin runzelte erst die Stirn, als sie aber bemerkte, dass der zweite kleine Löwe nur unsicher wieder auf die Beine kam und etwas hilflos wirkte, sah sie fragend zu der anderen Löwin. „Adrien ist blind.“, gestand sie schließlich warnend knurrend und drängte sich gleichzeitig beschützend zwischen Sabine und das schwarzäugige Löwenbaby, „Wehe, wenn du Gabriel ...“ „So so ...“, Sabine leckte sich nachdenklich über die dunklen Lefzen und schüttelte dann den Kopf, „Dann ist die Entscheidung wohl doch nicht so schwer ...“ Die Löwin wirkte für einen Moment reichlich unwillig, senkte dann aber doch den Kopf, obwohl sie den zweiten Welpen auch weiterhin verteidigte, „So ist es wohl, aber auch Adrien ...“ „ … hat seinen eigenen Weg. Er ist bereits deutlich vorgezeichnet ...“, die schwarze Löwe betrachtete das junge Tier, dessen blinde Augen im Halbdunkel schimmerten, „Er wird aber niemals König sein.“ Für einen kurzen Moment, nur einen Augenblick wirkte Émilie verärgert, geradezu empört, dann aber schien sie sich wieder zu fassen
und neigte schließlich doch wieder respektvoll den Kopf vor der Weisen, „Wie Ihr meint, Eure Heiligkeit.“Der große, rotglühende Feuerball der Sonne schob sich träge endgültig über den Horizont und lange, blutrote Strahlen, die sich langsam golden färbten, tauchten das geweihte Land in helles Licht. Die zahllosen Tiere verharrten atemlos und sahen hinauf zum riesigen Königsfelsen, wo sich die schattenhaften Gestalten der Löwen vor dem, sich blau färbenden Himmel abzeichneten.Mit ihrer großen Pranke zerbrach die schwarze Löwin einen gelblichen Flaschenkürbis und tauchte die Pfote dann tief in das weiche, saftige Innere der Frucht. Erwartungsvoll sah Sabine zu dem dunklen Höhleneingang, von dem sich gerade Émilie, eines ihrer Jungtiere am Nackenfell haltend, heran schritt. Die Löwin setzte das fragend fiepende Löwenbaby sanft vor Sabine auf den steinigen Boden, bevor sie dann zurücktrat und dann etwas argwöhnisch von der Seite ihres Gemahls aus das weitere Vorgehen, als die heilige Löwin den kleinen Löwen an der Stirn berührte, beobachtete.Sabine legte die große Pfote sanft auf die Stirn des kleinen Löwenjungens und lächelte, als es die Augen öffnete. Ein fragender Ausdruck, dennoch leicht verschlafen wirkender Ausdruck lag auf dem Gesicht des kleinen Löwens, der nun müde gähnte.Ein Pfotenabdruck auf der kleinen Stirn.Das Zeichen des Prinzen.Des zukünftigen Königs.Mit einem letzten Blick auf die angespannten Eltern des kleinen Löwen, packte sie es behutsam am Nackenfell. Das Königspaar flankierte die schwarze Löwin, als diese nun mit wiegenden Schritten an den Rand des Felsen und auf einen Vorsprung, der weit hinausragte trat. Ein einzelner, einsamer Sonnenstrahl hatte den Stein erwärmt und badete nun den kleinen Löwen, den Sabine der wartenden Menge nun präsentierte, in goldenem Licht. Ein leises Raunen ging durch die Menge, bevor die Tiere wie auf ein geheimes Zeichen in die Knie sanken.
Der Morgenreport
Eine kleine, spitze Schnauze wurde witternd aus einer Felsspalte gesteckt und erst, als keine Gefahr zu drohen schien, schlüpfte die Maus hinaus. Aufrecht sitzend sah das kleine Tier sich um, leckte sich dann über die Pfoten und begann sich, als sie sich sicher war, dass keine unmittelbare Gefahr zu drohen schien, vorsichtig zu putzen.Plötzlich verharrte sie und die großen Ohren zuckten, aber gerade als sie fliehen wollte, legte sich eine große Pfote auf ihren Schwanz. „Das Leben ist so ungerecht ...“, Émilie betrachtete das zappelnde Mäuschen und bleckte die Zähne, „Ja, zu mir auch … Mein kleiner Sohn wird niemals König werden … Félix … der Sohn meiner Schwester wird es werden … Das ist so … ungerecht … Und du ...“ Sie ließ die kleine Maus kurz entkommen, nur um sie mit einem müden Schlag ihrer Pfote wieder einzufangen und hielt sie sich nun am Schwanz vor das Maul, „ … du wirst das Sonnenlicht nie mehr wieder sehen … Au revoir ...“„Hat deine Mutter dir nicht beigebracht, dass man mit dem Essen nicht spielt?“, ein bunter Vogel mit großem, gebogenem Schnabel erschien im Eingang und musterte die Löwin streng. „Was willst du hier, Couffaine?“, mit gerümpfter Nase betrachtete sie den Vogel und hielt das Mäuschen nun zwischen ihren Vorderpfoten gefangen, „Schon genug gefeiert?“ „Ich soll ankündigen, dass der König auf dem Weg hierher ist.“, der blau weiße Vogel verbeugte sich vor der gelangweilt wirkenden Königin, die eher an ihrer Beute, die es nun geschafft hatte zu entkommen und gerade in ihrem sicheren Loch verschwunden war, interessiert zu sein schien, „Ach schäm dich, Luca … Du hast mir da Mittagessen verdorben!“„Der König ist sehr betrübt, dass ...“, Luca klappte den Schnabel hörbar zu und spreizte die Federn, „ … du der Feier fern geblieben bist.“ „Oh, ich zittere schon ...“, die Löwin erhob sich und streckte sich träge, bevor sie ihren hungrigen Blick schließlich auf den Vogel richtete, „Es ist Mittag und ... ich habe Hunger ...“ „Oh nein!“, Luca wich vor der knurrenden Löwin zurück, aber Émilie stellte ihn verspielt und knurrte.„Émilie!“, der dunkle Schatten des Königs blockierte das Licht des späten Tages und mit einem Seufzen ließ die Löwin von ihrer Beute ab, „Du gönnst mir aber auch gar nichts, Gabriel ...“ „Wo warst du?“, Gabriel trat an die Seite der Löwin und begrüßte sie liebevoll, „Die Feierlichkeiten ...“ „Oh, weißt du, ich hatte solche Kopfschmerzen ...“, die Löwin legte den Kopf schief und schüttelte sich, „Und Adrien ...“ „Adrien hat geschlafen, genauso wie Félix.“, erinnerte Gabriel sie, aber Émilie
schnaubte nur, „Was für ein Wunder, dass dein kleiner Prinz bei dem schrecklichen Lärm überhaupt schlafen konnte ...“ „Er ist auch dein Sohn … und unser Prinz … ebenso wie Adrien ...“, Gabriel seufzte und leckte seiner Gemahlin liebevoll und beruhigend über die hellen Lefzen, „Aber, Félix ist der zukünftiger König ...“„Zukünftiger König … Aber, er ist nur der Sohn meiner Schwester … Adrien ist ...“, widersprach sie ihm, aber der große Löwe schüttelte nur sanft den Kopf, „Sabine hat entschieden ...“ „Sabine.“, sie stieß den Namen frustriert hervor und ihre Krallen kratzten in einer genervten Geste über den harten Stein, „Was weiß die denn schon!“ „Émilie.“, Gabriel stieß sie sanft mit der Schnauze an und lächelte liebevoll, „Sie weiß, was er tut. Wir müssen ihr vertrauen ...“ „Ich hoffe, du entschuldigst mich?“, die Löwin grollte und trat an Gabriel und Luca vorbei in die Helligkeit des Tages, „Ich muss meinen Hofknicks üben … und, dein Prinz hat sicher Hunger … vielleicht bleibt ja auch noch was für Adrien über … Du erinnerst dich? Dein wirklicher Sohn?“„Was soll ich bloß mit ihr machen ...“, Gabriel schüttelte schwer den Kopf, während Luca neben ihm her flatterte, „Sie scheint sich nicht zu freuen ...“ „Vielleicht hat sie ihre Tage?“, schlug der Vogel vor und flog eine elegante Schleife um den schnaubenden Löwen, „Lass sie das nicht hören … sonst frisst sie dich.“„PAPA!“, ein kleiner Löwe rannte den steilen Weg von der Spitze des Königsfelsen hinab, schlitterte ein Stück und rutschte dann über den herabgerutschten Schotter, bis er endlich vor einem dunklen Höhleneingang zum Stehen kam, „PAPA!“ Der junge Löwe sprang furchtlos in die Finsternis der Höhle und machte sich wenig Mühe den schlafenden Familienmitgliedern auszuweichen, „Tschuldigung!“ „PAPA!“, schlitternd kam er vor dem breiten Vorsprung, auf dem seine Eltern und auch sein Bruder schliefen, zum Stehen, „Papa!“Als Gabriel nicht reagierte, sprang das Löwenjunge auf den Vorsprung, schlich sich an seiner schlafenden Mutter vorbei und stupste seinen Vater an, „PAPA! Wir müssen los! Komm!“ Das Jungtier schnappte verspielt nach Gabriels Ohr und zerrte daran, „PAPA!“ „Gabriel ...“, murmelte Émilie verschlafen und leckte verschlafen über den Rücken des zweiten Jungtiers, das zwischen ihren Pfoten schlief, „Dein Sohn ist wach ...“ „Vor Sonnenaufgang ist er dein Sohn ...“, murmelte Gabriel verschlafen und zuckte zusammen, als das Jungtier ihn nun in den Schwanz biss, „Aua ...“„Du hast es mir versprochen!“, das Jungtier schmollte und sein Schwanz schlug unruhig hin und her, „PAPA!“ „Schon gut ...“, Gabriel erhob sich und streckte sich müde, aber bevor er seinem Sohn, der bereits vom Plateau gesprungen war, folgte, sah er fragend zu seinem anderen Sohn, „Willst du auch mitkommen, Adrien?“ Der kleine Löwe befreite sich vorsichtig aus der Sicherheit zwischen den Pfoten seiner Mutter und blinzelte kurz, bevor er dann nickte, „Ja!“ „Na, denn komm ...“, Gabriel wartete, bis sein Sohn zu ihm aufgeschlossen hatte, aber plötzlich schob sich der schlanke Körper der Löwin dazwischen, „Nein … Es ist viel zu gefährlich.“ „Wir gehen doch nur auf die Spitze des Felsen.“, wand Gabriel ein, aber der Blick der Löwin war unnachgiebig, als sie nun warnend die Zähne bleckte, „Ich habe nein gesagt!“ „Émilie ...“, fing der Löwe an, aber Félix' aufgeregte, kindliche Stimme unterbrach ihn, „PAPA! KOMM SCHON! SONST VERPASSEN WIR ES!“„Die Herrschaft eines Königs geht auf und unter wie die Sonne.“, die beiden Löwen standen Seite an Seite auf dem höchsten Plateau des Königsfelsen und warteten auf den nahen Sonnenaufgang, „Eines Tages, Félix, geht die Sonne meiner Herrschaft auch unter und geht dann mit dir als neuer König wieder auf.“ Der kleine Löwe starrte auf das, noch dämmrige Land, das sich weit vor ihm erstreckte, „Und, dann gehört das alles uns? Mir und Adrien?“ „Es gehört alles dir.“, nickte der König und spitzte die Ohren, als die Sonne nun endgültig aufging und das Reich der Löwen in goldenes Licht tauchte, „Alles, was das Licht berührt ...“„Alles ...“, Félix leckte sich über die Schnauze und sah sich wie verzaubert um. Als er dann aber eine dunklen, zerklüfteten Canyon, weit im Norden entdeckte, runzelte er die Stirn, „Was ist mit dem schattigen Land dort drüben?“ „Das liegt jenseits unserer Grenzen.“, Gabriels Stimme nahm nun einen mahnenden Tonfall an, „Du … Nein, ihr beide dürft niemals dorthin gehen ...“ „Warum?“, Félix sah seinen Vater aus großen Augen an, „Ich dachte, ein König macht was er will?“ „Oh, es gehört mehr dazu König zu sein, als nur seinen Willen durchzusetzen.“, der ergraute König wand sich nun ab und machte sich an den Abstieg, woraufhin Félix mit weiten Sprüngen zu ihm aufholen musste und etwas außer Atem war, „Noch mehr?“ Sein Vater lächelte versonnen, „Alles, was du siehst, lebt in einem empfindlichen Gleichgewicht zusammen. Als König musst du ein Gespür dafür haben und alle Geschöpfe respektieren … von der winzigen Ameise, bis hin zur graziösen Antilope
...“ „Aber ...“, Félix unterbrach seinen Vater, „ … wir fressen die Antilopen doch!“ „Sicher, Félix. Aber, lass mich erklären … Wenn wir sterben, werden unsere Körper zu Gras. Und die Antilopen fressen das Gras … Und somit sind wir alle Eins. Im ewigen Kreislauf des Lebens.“, erklärte Gabriel, wurde dann aber abgelenkt, als der bunte Vogel Gabriel nun neben ihm auf einem Stein landete, „Guten Morgen, Hoheiten.“„Guten Morgen, Luca.“, der Löwe senkte grüßend den Kopf, aber Félix war wenig an dem Vogel interessiert, sondern folgte neugierig einem großen Grashüpfer, „Was gibt es?“ „Ich melde mich zum morgendlichen Rapport.“, der Vogel flatterte mit den Flügeln und spreizte die Federn, als der Löwe nun wieder nickte, „Nun denn los.“ „Nun, man munkelt, die Schnecken seien mal wieder völlig aus dem Häuschen ...“, der bunte Vogel redete einfach weiter, ohne zu merken, dass Gabriel ihm nun auch keine wirkliche Aufmerksamkeit mehr schenkte, „Und die Giraffen sind hochnäsig wie immer … Nein und die Fliegen, die regen sich wieder auf ...“„Was machst du, Félix?“, wisperte Gabriel verstohlen zu seinem Sohn, dem gerade der Grashüpfer entkommen war. „Anschleichen.“, Félix klang merklich enttäuscht, aber Gabriels Augen funkelten, „Lass dir von einem alten Profi zeigen, wie das geht ...“ Der König richtete seine Aufmerksamkeit nun wieder auf den Vogel, der noch immer den morgendlichen Bericht herunter ratterte, „Luca, bitte dreh dich um.“ „Jawohl, Hoheit.“, der Schnabel klapperte einmal verärgert, dann fuhr er fort, als hätte es niemals eine Unterbrechung gegeben, „ … die Insekten meinen, sie könnten aus einer Mücke einen Elefanten machen … Die Leoparden haben Liebeskummer, aber wie sage ich doch immer ...“ „Nahe am Boden bleiben.“, flüsterte Gabriel zu seinem Sohn und demonstrierte die richtige Haltung. „ … Leoparden küsst man nicht ...“, ging der Bericht weiter, während Félix eifrig nickte und sich bemühte die Haltung seines Vaters nachzuahmen, „Ja genau … Nahe am Boden bleiben. Ja, klar!“Ein verräterischer Laut ließ den Vogel plötzlich innehalten und er drehte sich mit flatternden Flügeln zu seinem König um, „Was geht hier vor?!?“ „Eine Anpirschübung.“, entgegnete Gabriel und der Vogel legte nachdenklich den Kopf schief, bevor er wieder einmal mit dem Schnabel klapperte und nickte, „Eine Anpirschübung … Wie schön ...“Plötzlich schien Luca zu begreifen und wollte gerade davonflattern, als ihn plötzlich ein Löwenjunges ansprang und von seinem Felsen riss. „Sehr gut, Félix.“, lobte sein Vater, während der Vogel einen verärgerten Laut von sich gab und Félix mit vor Stolz geschwellter Brust über seiner ersten Beute stand, „Morgen versuchen wir es denn mit deiner Mutter ...“Eine Taschenratte erschien plötzlich neben dem aufgeregt flatternden Vogel und salutierte respektvoll vor dem König, „Eure Majestät! Eine Meldung aus dem Untergrund!“ „So?“, die Aufmerksamkeit des Königs lag nun auf der Ratte, die schwer schluckte, „Hyänen! Im geweihten Land!“ „Luca! Bring Félix nach Hause!“, der Schwanz des Königs schlug unruhig und er brüllte ungeduldig, als ihm Félix vor die Pfoten sprang, „Ich will mitkommen, Papa!“ „Nein.“, der große Löwe sprang mit einem eleganten Satz über seinen kleinen Sohn, der bockig schnaubte, „Nie darf ich dahin, wo ich hinwill ...“ „Tröste dich, kleiner Prinz.“, Luca tätschelte das kleine Löwenjunge tröstend mit dem Flügel, „Eines Tages bist du auch mal König, dann darfst du diesen sabbernden, dreckigen und dummen Aasfressern von früh bis spät hinterherjagen ...“ „Und Adrien?“, Félix folgte dem Vogel langsam zurück zum Königsfelsen, „Kann der auch …?“ „Bestimmt ...“, stimmte Luca zu und scheuchte den kleinen Löwen nun eiliger vor sich her, „Wenn es ihm dann Spaß macht … Du kannst ihn ja gleich fragen, wenn wir Zuhause sind …"
Ich will jetzt gleich König sein!
Die Sonne strahlte vom makellos blauen Himmel und der graue Felsen schien in der unbarmherzigen Mittagshitze zu flirren. Über den Himmel zogen vereinzelte Vögel mit trägen Flügelschlag, aber keiner der Löwen schien willig in der Hitze auch nur den Kopf zu heben. Émilie lag im Halbschatten einer Felszunge, die grünen Augen waren halb geschlossen und ihr Schwanz schlug verschlafen hin und her, als plötzlich Félix angelaufen kam, „MAMA! MAMA! Weißt du was?“ „Ich weiß ...“, mit einem Grollen hob die Löwin den Kopf und musterte den Sohn ihrer Schwester finster, „ … dass ich Ratespiele verabscheue.“ „Ich werde mal König vom Geweihten Land!“, der kleine Löwe reckte sich stolz, aber seine Mutter rümpfte nur die Nase, bevor sie sarkastisch entgegnete, „Ui, toll.“ „Papa hat mir eben das ganze Königreich gezeigt!“, Félix war dem Sarkasmus gegenüber noch blind und strahlte vor kindlichem Stolz, „Eines Tages herrsche ich üüüüber alles!“ „Toll.“, Émilie schloss wieder die Augen, „Aber, vergib mir, wenn ich nicht vor Freude in die Luft springe … Ich hab's im Kreuz, weißt du.“
„Mama ...“, Félix schlüpfte unter die Pfoten seiner Mutter und sah sie von unten an, „Wenn ich König bin … was ist denn Adrien?“ „Dein böser Bruder?“, schlug die Löwin dunkel lachend vor, aber Félix grinste nur, „Du bist lustig, Mama!“ „Ja ja ...“, die Löwin leckte Félix über den Kopf, „Dein Vater hat dir das ganze Reich gezeigt?“ „Jeden Winkel!“, der kleine Löwe nickte eifrig, woraufhin Émilie sich nachdenklich über die hellen Lefzen leckte, „Aber bestimmt nicht die nördliche Grenze und was sich hinter den Hügeln verbirgt ...“ „Nein.“, Félix wirkte enttäuscht, „Er hat es mir verboten.“ „Und damit hat er auch vollkommen recht!“, seine Mutter nickte theatralisch, „Es ist viel zu gefährlich und nur die mutigsten Löwen wagen sich dahin!“„Ich bin auch mutig!“, begehrte der kleine Löwe auf und plusterte sich auf, „Was ist ...“ „So leid es mir tut, Lix, ich darf es dir einfach nicht verraten.“, mit gespielter Sorge schüttelte Émilie den Kopf, „Ich will nicht, dass wir etwas passiert … du bist doch der Große … der kleine Prinz … Dich müssen wir mit Samtpfötchen anfassen … Und, auf einem Elefantenfriedhof hat ein junger Prinz nichts zu suchen ...“ „Hubs.“, mit gespielter Überraschung schlug sie eine Pfote vor ihr Maul, während Félix' Augen nun strahlten, „Ein Elefanten … Cool!“ „Oh nein, ich Plappermaul.“, die Löwin schüttelte in gespielter Bestürzung den Kopf, „Aber, früher oder später hättest du ihn sowieso gefunden … Du bist doch soooo ein cleveres Bürschchen! Aber, eins musst du mir versprechen, Félix.“ Sie wartete, bis sie die volle Aufmerksamkeit ihres Sohnes hatte, bevor sie eindringlich weitersprach, „Das muss unser kleines Geheimnis bleiben, ja?“ Der kleine Löwe nickte eifrig, woraufhin Émilie zufrieden nickte, „So ein braver, kleiner Prinz … Und jetzt geh schon spielen … Und, vergiss nicht, das ist unser kleines Geheimnis! Papa muss es nicht wissen!“„Adrien!“, Félix rannte den steilen Weg hinunter, wo auf einem großen, sonnenbeschienen Plateau die anderen Löwinnen des Rudels vor sich hindösten, „Ren!“ „Félix!“, der kleine, blinde Löwe hatte zwischen den Pfoten einer ihrer Tanten seinen Mittagsschlaf gehalten und richtete sich nun müde auf, „Was ist?“ „Komm mit!“, Félix begrüßte seinen Bruder, indem er ihm über die Wange leckte und flüsterte dann verschwörerisch, „Ich weiß einen ganz tollen Ort!“„Jetzt?“, Adrien krauste die Nase, „Ich soll gleich baden.“ „Genau.“, Émilie kam nun heran geschlendert, trat an Félix vorbei und hob nun das jüngere Löwenjunges sanft am Nackenfell hoch, um es denn sicher zwischen ihren Pfoten zu platzieren, bevor sie das andere Löwenjunge dann reichlich kühl musterte, „Du bist auch dran, Félix.“ Während sie nun sanft und doch kraftvoll über Adriens helles Fell zu lecken begann, zog eine der Tanten den widerstrebenden Prinzen zu sich und leckte ihm sanft über den Kopf. „Nicht!“, Félix zappelte hilflos, „Du versaust mir meine Mähne!“ Die Tante lächelte nur wissend, während Émilie nur abweisend schnaubte und weiterhin konzentriert den blinden Löwen badete.„Genug!“, Félix gelang es sich endlich aus dem Griff der Tante zu befreien und schüttelte sich, „Ich bin sauber … Können wir nun gehen?“ „Wohin?“, Adrien bog genüsslich den Rücken durch, als seine Mutter nun das letzte Mal darüber leckte, „Wenn es blöd ist, bleib ich lieber hier!“ „Nein!“, das Strahlen kehrte in die grünen Augen des kleinen Prinzen zurück, als dieser nun unruhig hin und her zu trappeln begann, „Es ist wirklich total cool, Ren!“„Und ...“, erkundigte Émilie sich nun merklich besorgt, „ ...wo soll sich dieser coole Ort befinden?“ „Oh ...“, Félix zuckte zusammen und musterte seine Mutter etwas kleinlaut, wohl wissend dass sie Adrien bei etwas Gefährlichem niemals erlauben würde ihn zu begleiten, „ … unten am Wasserloch.“ „Am Wasserloch?“, Adrien bleckte irritiert die Zähne, „Wieso ist auf einmal das Wasserloch so cool?“ „Adrien ...“, Félix stieß seinen unwilligen Bruder mahnend mit der Schnauze an, „Das zeige ich dir, wenn wir da sind!“ „Oh!“, in den blinden, schwarzen Augen des anderen Löwenjungen funkelte es verständnisvoll, als er sich nun bettelnd an seine Mutter wand und schmeichelte, „Mama, bitte!“ „Hmmmm ...“, die Löwin betrachtete Félix misstrauisch, nickte aber schließlich, „Von mir aus … Wenn Luca euch begleitet ...“ „Luca?“, Félix ließ die Ohren hängen und auch Adrien seufzte nur genervt, „Bitte nicht, der.“ Aber, die Löwin war unerbittlich und rief nun nach dem Berater ihres Gemahls, „Luca! Begleite die Prinzen zum Wasserloch!“Adrien blieb immer wieder witternd stehen und jedes Mal hielt auch Félix inne und hielt sich an der Seite seines blinden Bruders, „Was ist?“ „Ich rieche etwas ...“, Adriens blinde Augen schienen das niedrige, bereits zertrampelte Gras abzusuchen und Félix, der die in einiger Entfernung grasenden Antilopen entdeckt hatte, nickte nur, „Antilopen. Weißt du, wenn wir sterben werden wir zu Gras und Antilopen fressen das Gras.“ „Cool.“, Adrien trabte, sich immer dicht neben seinem Bruder haltend, weiter und wisperte dann, „Wohin gehen wir nun wirklich?“ „Zu einem Elefantenfriedhof.“, gab Félix ebenso leise zurück und zischte warnend, als Adrien wiederum stehen blieb, „Cool!“
„Aber, wie werden wir nun Luca los?“, die beiden kleinen Löwen wechselten einen reichlich ratlosen Blick miteinander und stoben auseinander, als der Vogel plötzlich vor ihnen landete, „Ich habe gesehen, dass Chloé und Marinette am Wasserloch sind ...“ „Ihhh.“, die Brüder krausten skeptisch die Nasen, „Die zwei sind blöd.“ „Na na.“, Luca hüpfte von einem Bein aufs andere und klapperte mit dem Schnabel, „Ihr seid schließlich so gut wie verlobt …“„Verlobt?“, Félix schüttelte irritiert den Kopf, „Was ist das?“ „Eines Tages werdet ihr sie heiraten.“, erklärte Luca den Jungtieren, die daraufhin entsetzt wirkten, „Das geht doch nicht!“ „Oh doch.“, der Vogel wirkte nun reichlich selbstgefällig, aber Félix schüttelte nur den Kopf, „Ich kann Chloé nicht heiraten … Ich werde doch schon Adrien heiraten, wenn ich groß bin!“ „Das geht nicht.“, belehrte Luca sie und hüpfte zwischen den beiden Löwen hin und her, „Ihr seid schließlich Brüder … Aber, gut. Ich will euch den Spaß nicht verderben … Ihr habt eh keine Wahl, es ist von Generation zu Generation Tradition!“„Na ja, wenn ich erst mal König bin ...“, verkündete Félix selbstgefällig, „ … dann wird sie sofort abgeschafft!“ „Nicht, solange ich bei dir bin!“, der Vogel klapperte aufgeregt mit dem Schnabel, aber der Prinz zuckte nur mit den Schultern, „Dann bist du eben gefeuert.“ „Hm. Das würde dir wohl so passen ...“, Luca spreizte die Federn und tippte dem jungen Löwen auf die Nase, „ ...Aber, nur der König hat das Recht dazu!“ „Félix ist aber der zukünftige König!“, mischte sich nun auch Adrien an, woraufhin Félix eifrig nickte und den Vogel nun seinerseits mit der Pfote anstupste, „Also musst du alles tun, was ich dir sage!“„Ich muss gar nichts!“, Luca plusterte sich auf, „Und, wenn du dich weiter so benimmst, fürchte ich dass aus dir ein besonders bedauerlicher König werden wird!“ „Das sehe ich ganz anders!“, Félix tänzelte und drängte den Vogel nun gegen einen Baumstamm, „Als König wär ich superstark, ein wirklich hohes Tier!“ „Nun, als König wärst du noch recht kahl, die Haare fehlen dir!“, Luca lachte und zupfte ein Haar aus der noch nicht vorhandenen Mähne des kleinen Löwen und hielt es ihm grinsend entgegen. „Die lange Mähne ist ein Wunsch ...“, verkündete Félix und sprang in einen Busch, sodass es wirkte, als wären die rötlichen Blätter seine Mähne, „Bis dahin trag ich die Nase hoch und übe mein Gebrüll!“Erschrocken stolperte Luca in eine schlammige Pfütze und schüttelte angewidert die dreckigen Flügel, „Zum Imponieren bist du viel zu klein ...“ „Oh, ich will jetzt gleich König sein!“, forderte Félix, aber wieder trat Luca ihm in den Weg und hob mahnend einen Flügel, „Du hast noch einen langen Weg vor dir, kleiner Prinz … Wenn du jetzt denkst ...“ „Nie und nimmer 'Tut dies'!“, vollendete Félix den Satz genervt klingend, woraufhin der Vogel versuchte sich zu verteidigen, „Als ich das sagte ...“ „Nie und nimmer 'Tut das'!“. Fiel nun auch Adrien ein und schnitt dem aufgebrachten Vogel eine Grimasse, „Was ich meinte war ...“ „Nie und nimmer 'Hört auf!'“, unterbrach ihn nun wieder Félix und grinste seinen Bruder an, als Luca aufgeregt mit dem Schnabel klapperte, „Ihr scheint nicht zu begreifen, dass ...“ „Nie und nimmer 'Hört mal!'“, grinsten die Brüder und sprangen über den Vogel hinweg und rannten den Weg zum Wasserloch, „Na hört mal!“„Immer frei, in voller Fahrt!“, die beiden Löwenjungen sprangen verspielt, Félix hielt sich aber auch nun beschützend an der Seite des Jüngeren, während Luca merklich Mühe hatte ihnen zu folgen, „Das kommt überhaupt nicht in Frage!“ „Frei und nur auf unsere Art!“, grinsten die Brüder, als Luca nun zu ihnen aufgeholt hatte und nun vor ihnen herflog, „Ich glaube, ihr versteht mich nicht. Nun hört mir doch mal zu!“ „Wir brauchen keinen Rat von einem Schnabelmaul ...“, knurrte Félix und stellte sich beschützend vor Adrien, „Also lass es zu!“Beleidigt landete der Vogel auf einem Ast und plusterte sich verstimmt auf, „Wenn das Königshaus sich so entwickelt, will ich raus! Raus aus allem, raus aus Afrika … Ich wandere lieber aus!“ Aber die beiden Löwenkinder beachteten ihn nicht, sondern liefen weiter den staubigen Weg entlang, sodass er sich beeilen musste, um wieder zu ihnen aufzuschließen, „Euer Vater würde so was nie verzeihen!“ „Oh, ich will ...“, Félix drängte seinen Bruder sanft in das hohe Gras, wo sich die beiden jungen Löwen dann klein machten, „ … jetzt gleich König sein ...“„Félix?“, Luca kreiste über ihnen und Félix zischte warnend, als Adrien sich neben ihm bewegte, „Nicht … sonst sieht er uns ...“ Der blinde Löwe verharrte still und gemeinsam warteten die beiden Löwenjungen, bis der Schatten der Flügel verschwunden und die Rufe des Vogels leider geworden waren. Erst, als Adrien zustimmend nickte, schlichen die beiden Jungtiere durch das hohe Gras, weg vom Wasserloch und in Richtung der dunklen Grenzen ihrer Heimat.
der Elefantenfriedhof
„Fantastisch, es hat geklappt!“, Félix sprang seinen Bruder verspielt an und die beiden Löwen tollten gemeinsam durch das hohe Gras, „Weil ich ein Genie bin!“ „Hey!“, Adrien kam fauchend auf die Beine und schüttelte sich, „Ich war auch noch da!“ „Ja, aber ich war der Anführer!“, gab Félix überzeugt zurück und sprang seinen Bruder ein weiteres Mal an und brachte den Jüngeren beinahe problemlos unter sich, „Ich bin ja auch der zukünftige König!“Adrien schnaubte nur und bemühte sich nun seinem stärkeren Bruder zu entkommen. Félix knurrte verspielt, ließ aber etwas lockerer, sodass Adrien ihm entwischen konnte. Der kleine blinde Löwe schüttelte sich noch einmal, verharrte dann aber und witterte prüfend, „Was ist das?“ „Was?“, auch Félix hielt inne und hob witternd den Kopf, „Ich rieche nichts ...“ „Doch, da ist was ...“, Adrien leckte sich über die Lefzen und ging unsicher einige Schritte in eine Richtung, bevor er wieder verharrte, „ … ich kenne es nicht ...“ „Adrien ...“, Félix folgte seinem Bruder neugierig, krauste dann aber doch die Nase, als er nun ebenfalls etwas zu wittern schien und legte seinen Kopf schief, „Ich rieche es auch … Dort entlang ...“„Ah!“, der Boden gab plötzlich unter den Löwenjungen nach und die beiden jungen Löwen stürzten den steilen Abhang hinunter. Félix landete mit einem schmerzhaften Stöhnen am Fuße des Abhangs, Adrien folgte ihm einige Sekunden später und beide jungen Löwen blieben dann kurz benommen liegen.„Wir sind da ...“, Félix hatte sich unter seinem Bruder hervor gearbeitet und sah sich nun mit großen Augen um, „Das ist der Elefantenfriedhof!“ „Echt?“, auch Adrien kam wieder auf die Pfoten und sah sich unsicher um, „Wie sieht es aus?“ „Gruselig ...“, versuchte Félix seinem blinden Bruder die Umgebung zu beschreiben, scharrte aber gleichzeitig bereits ungeduldig im harten, dunklen Sand, „Hier sind überall Knochen … Skelette von Elefanten ...“ „Das klingt gruselig.“, Adrien hielt sich eng bei seinem Bruder, „Wir könnten richtig Ärger bekommen ...“ „Ich weiß!“, Félix schien nicht im geringsten beunruhigt, sondern betrachtete einen der riesigen, skelettierten Elefantenschädel, „Ob wohl die Gehirne noch drin sind?“ „Félix ...“, Adrien wirkte nun wirklich verängstigt, aber sein Bruder lief nun auf den nächsten Schädel, „Komm schon, Ren! Stürzen wir uns ins Abenteuer!“„Falsch!“, beide Löwenjunge schraken zurück, als plötzlich Luca flatternd vor ihnen auftauchte und sich bemühte die beiden Kinder zurückzutreiben, „Ihr stürzt euch nur ins Verderben! Also, stürzt euch auf und davon!“ „Was machst du schon wieder hier?“, Félix knurrte unwillig, aber der Vogel ignorierte sein Verhalten, sondern schien sich fast schon ängstlich umzusehen, „Wir haben schon längst die Grenzen des Geweihten Landes überschritten ...“ „Bananenschnabel hat Angst!“, höhnte Félix, aber der Vogel plusterte sich nur auf und tippte dem Löwen auf die Nase, „Für dich heiße ich immer noch Baron Bananenschnabel, Kleiner. Und im Augenblick schweben wir alle in extrem großer Gefahr!“ „Gefahr?“, während Adrien sich nun doch etwas hinter dem Vogel hielt, betrachtete Félix den uralten Schädel vor sich, „Ich habe keine Angst vor Gefahr! Hörst du mich Gefahr? Ich lach dir ins Gesicht! Ha ha ha!“Gelächter drang, beinahe wie ein seltsames Echo aus dem knöchernen Schädel und erschrocken beeilte sich nun auch Félix, sich hinter dem Vogel zu verstecken, „Was?“ Drei Augenpaare glommen im Schatten auf und drei Hyänen sprangen aus dem Schädel. „Hmmmm ...“, die Hyäne mit dem blonden Haarschopf wand sich gackernd an einen ihrer Begleiter, „Nathalie, was haben wir denn da?“ „Ich weiß nicht Audrey...“, erwiderte die angesprochene Hyäne und schüttelte den Kopf, „Was meinst du, Lila?“ Die Hyäne mit den stechenden Augen gackerte nur, während sie zusammen mit ihren Artgenossen die ängstlichen Löwenkinder und den aufgeregten Vogel umkreisten. „Das habe ich auch gerade gedacht.“, Nathalie nickte und bleckte die Zähne, „Diese drei sind aber ziemlich dreist ...“„Aber, nur aus Versehen, das kann ich Ihnen versichern, Madame.“, Luca breitete die Flügel aus, um die Löwenkinder zu beschützen, „Ein kleiner Navigationsfehler ...“ „Moment ...“, Audrey leckte sich über die Lefzen, „Dich kenne ich doch … Du bist Gabriels kleiner Luftikus ...“ „Sie belieben wohl zu scherzen.“, der Vogel plusterte sich stolz auf, „Ich bin sein Haus- und Hofmeister!“ „Ah ...“, der Blick der Hyäne richtete sich nun auf die beiden Löwenkinder, „Dann seid ihr also ...“ „Der zukünftige König.“, Félix lugte an den, noch immer ausgebreiteten Flügeln des Vogels vorbei, während Adrien sich hinter ihm versteckte. „Und, was machen wir mit kleinen Königen ...“, der Kreis der Hyänen zog sich immer enger um die Löwen und den Vogel, aber es war Nathalie, die die Frage beendete, „ … die ihr Königreich verlassen haben?“ „Ihr könnt mir gar nichts!“, Félix drängte sich an Luca vorbei und knurrte, woraufhin der Vogel erbleichte, „Äh … theoretisch könnten sie schon … Wir sind ja auf ihrem Land ...“ „Aber, Luca ...“, mischte sich nun auch Adrien ein und trat an die Seite seines Bruders, „Du hast gesagt, sie wären nichts als sabbernde, dreckige, dumme
Aasfresser!“„Oh, meine Güte ...“, Luca versuchte die beiden Löwenjungen zurückzudrängen, „Seht nur, die Sonne … Es wird Zeit für uns zu gehen ...“ „So eilig?“, Nathalie trat ihnen in den Weg, „Wir würden uns tierisch freuen, wenn ihr zum Essen bleibt.“ „Ja!“, die zweite Hyäne, Audrey, kicherte, „Wir haben euch nämlich zum Fressen gern!“ „Nein, nein, nein … Warte.“, Nathalie leckte sich über die Lefzen, „Ich weiß auch noch einen … Wie wäre es mit Löwenmaulsalat? Gut was?“ Die zwei Hyänen lachten gackernd, aber Lila sprang schließlich hektisch gestikulierend und jaulend zwischen sie. „Was?“, knurrte Audrey, aber Nathalie, die in die richtige Richtung gesehen hatte, räusperte sich, „Wollten wir das Essen eigentlich roh?“ „Wieso?“, schnappte Audrey und Nathalie deutete knurrend in eine Richtung, „Weil es gerade durchbrennt!“Félix stieß Adrien vorwärts, immer darauf achtend, dass keine Hindernisse im Weg des blinden Löwen lagen, „Los … da vorne rechts … Noch vier Schritte!“ Adrien bemühte sich, zusätzlich angetrieben von Luca, der aufgeregt hinter den verängstigten Jungtieren her flatterte, „Schneller!“ Schnell hatten die Hyänen aber auch knurrend die Verfolgung aufgenommen und der, eh schon geringe Vorsprung der Löwenkinder schrumpfte zusehends immer weiter, sodass Luca plötzlich umdrehte und sich den drei Hyänen in den Weg stellte.„Haben wir sie abgehängt?“, Adrien kauerte schwer atmend versteckt hinter einigen verrotteten Knochen auf der Erde und zitterte. „Ich glaube schon, Félix spähte vorsichtig um die Ecke, bevor er dann zu seinem ängstlichen Bruder sah, „Ich glaube schon … Aber, wo ist Luca?“Der Vogel zappelte im Maul von Audrey, die ihn nun zu einem brodelnden, nach Schwefel stinkenden Krater trug. „So, mein kleines Hofmeistervögelchen ...“, Nathalie grinste und deutete auf den rauchenden Schlot, bevor sie der blonden Hyäne bedeutete, den Vogel in den Krater zu setzen, „Jetzt spielen wir 'Hoppe hoppe Reiter, wenn er kocht dann schreit er'!“ „Oh nein!“, Luca wand sich in dem festen Griff, erstarrte aber, als plötzlich Félix' Stimme erklang, „Hey! Warum sucht ihr euch nicht jemanden, der sich wehren kann?“„So wie ...“, die Anführerin der Hyänen grinste, „ … du?“ „Ups.“, Félix wich zurück, als die Hyäne ihn nun ansprang und stieß dabei gegen seinen Bruder, der ebenfalls zurückschreckte. Nathalies scharfe Zähne verfehlte die beiden Jungtiere dieses Mal nur knapp und erschrocken ergriffen Adrien, wiederum getrieben von Félix, die Flucht durch das undurchsichtige Labyrinth der Krater und der Schwefeldämpfe.„Buh!“, plötzlich, gerade als sich die Löwenkinder beinahe schon in Sicherheit wähnten, tauchten die drei Hyänen vor ihnen aus und schnitten lachend Grimassen. Félix stieß seinen Bruder an, lenkte ihn in Richtung des Schädels eines alten Elefantenbullen und trieb ihn dann die alten, brüchigen Knochen hinauf. Oben angekommen, verlor Adrien den Halt und rutschte mit einem erschrockenen Aufschrei die Wirbelsäulenknochen des zerfallenden Skeletts hinunter. Félix zögerte nicht, sondern folgte seinem Bruder und beide junge Löwen landeten in einem Berg von Knochen.„Félix!“, der panische Aufschrei seines Bruders schreckte Félix auf und als er sich umdrehte, musste er hilflos mitansehen, wie der blinde Löwe den Abhang weiter hinunter zu rutschen drohte, während die Hyänen nun langsam, beinahe gemächlich und sich ihrer Beute bereits sicher seiend, näher kamen. Der junge Löwe zögerte aber nicht, mutig sprang er den Abhang hinab und schlug seine Krallen in die Schnauze der geifernden Audrey, um die Hyänen abzulenken. In der Zwischenzeit war es auch dem blinden Löwenjungen gelungen, den Abhang zu erklimmen, aber noch immer verfolgten die Hyänen sie und trieben sie schließlich in einer dunklen Höhle in die Enge.„Miez, miez, miez, miez ...“, Nathalie betrat als Erste die Höhle und ihre Augen funkelten amüsiert, als Félix nun mutig vor seinen Bruder trat, „Ah, da sind die kleinen Miezen ...“ „Roar ...“, Félix versuchte zu brüllen, woraufhin die drei Hyänen kicherten, „Ooooh, war das niedlich … Mach es noch mal!“ Das Löwenjunge öffnete erneut sein Maul, aber anstatt des niedlichen, kindlichen Brüllens hallte plötzlich ein lautes Brüllen von den Wänden wieder.„Häh?“, die drei Hyänen wechselten einen verwirrten Blick, dann aber sprang die massige Gestalt Gabriels sie an und brachte sie unter sich. „Wir ergeben uns!“, fiepten die Aasfresser, aber der König brüllte wütend, „RUHE!“ „Wir bereuen es ja schon!“, winselte Audrey und Nathalie nickte eilig, „Wir werden es nie wieder tun ...“ „Wagt es nie wieder ...“, Gabriels Blick fixierte die Hyänen, „ … meinen Söhnen zu nahe zu kommen!“ „Deine Söhne?“, Audrey fiepte theatralisch, „Wir hatten ja keine Ahnung ...“ Gabriel brüllte noch einmal warnend, ließ die drei dann aber laufen, bevor er dann seufzte, „Félix ...“ „Papa ...“, der ältere der Bruder näherte sich ihrem Vater vorsichtig, „Ich ...“ „Du gehorchst mir nicht. Und das mit Absicht.“, der alte Löwe wog schwer den Kopf und
seufzte, „Und, du bringst auch noch Adrien in Gefahr ...“ „Es tut mir doch leid ...“, versuchte Félix sich zu entschuldigen und auch Adrien trat nun an die Seite seines Bruders, „Ich habe auch schuld ...“ „Gehen wir nach Hause.“, Gabriel warf einen letzten, wachsamen Blick auf die Umgebung, bevor er die Höhle verließ, „Sofort!“Luca, der anscheinend vor der Höhle auf sie gewartet zu haben schien, begrüßte die Brüder mit einem vernichtenden Blick. Aber die beiden Löwenjungen schienen den verärgerten Vogel kaum zu bemerken, hielten sie doch die Köpfe beschämt und traurig gesenkt. „Also, ich fand dich sehr mutig.“, wisperte Adrien fast lautlos zu seinem Bruder, der aber nur traurig seufzte.Hoch über ihnen auf einem Felsvorsprung stand Émilie. Die helle Löwin war vor dem gräulichen Hintergrund beinahe unsichtbar, sah aber der kleinen Kolonne wütend und entsetzt nach. „Verdammt ...“, knurrte sie und ihre Krallen gruben sich verärgert tief in den grauen Stein und sie schüttelte den Kopf, „Adrien hätte sterben können … Félix … Dieses verdammte Balg!“
Seid bereit!
Die letzten Strahlen der versinkenden Sonne tauchten die scheinbar endlose Savanne in warmes, goldenes Licht und die wenigen, knorrigen Bäume warfen dunkle Schatten auf das verdorrte Gras, das sich unter den großen Pfoten des königlichen Löwen bog. Luca flog, nun ungewohnt schweigsam, ein kleines Stück voraus, während die beiden kleinen Löwen ihrem Vater auch jetzt noch immer viel zu brav und mit gesenkten Köpfen folgten.„Luca.“, Gabriel war plötzlich am Fuße einer kleinen Anhöhe stehen geblieben und wand sich an den Vogel, der sofort vor dem König landete und sich tief vor ihm verbeugte, „Ja, Hoheit?“ „Bring Adrien nach Hause.“, der alte Löwe musterte seinen älteren Sohn, der sich fast ängstlich in das verbrannte Gras drückte, scharf und knurrte unwirsch, „Ich muss Félix eine Lektion erteilen ...“ „Na komm, Adrien.“, Luca flatterte nun zu den Kindern und legte Adrien sanft einen Flügel auf die Schulter, bevor er Félix dann knapp zunickte, „Viel Glück, Félix. Du wirst es brauchen.“ „Félix, ich ...“, der blinde Löwe zögerte, aber Félix schluckte nur und zwang sich zu einem Lächeln, selbst wenn Adrien es nicht sehen konnte und leckte seinem Bruder über die Nase, „Geh schon. Mama macht sich bestimmt schon Sorgen um dich ...“ „Ich hab dich lieb.“, Adrien rieb seinen Kopf liebevoll unter Félix' Kinn, bevor er dem bereits ungeduldig werdendem Vogel dann doch reichlich widerwillig folgte.Erst, als Luca und Adrien endlich außerhalb der Hörweite waren, seufzte Félix und schlich sich langsam an die Seite seines Vaters, „Papa ...“ „Félix.“, der alte Löwe vermied es immer noch seinen Sohn anzusehen, sondern betrachtete scheinbar interessiert sein Reich, das sich nun langsam in den Schatten der Nacht zu verlieren schien, „Komm her.“ „Ja.“, mit gesenktem Kopf setzte der kleine Löwe eine Pfote vor die andere und stolperte kurz, als er in eine Vertiefung im Boden trat. Félix sah überrascht nach unten und seufzte, als er die Vertiefung als riesigen Pfotenabdruck seines Vaters erkannte. „Félix ...“, die Stimme des alten Löwen war rau und die Augen dunkel vor Schmerz, „Du hast mich zutiefst enttäuscht.“„Ich weiß.“, der kleine Prinz senkte traurig den Kopf, „Papa, es tut ...“ „Du könntest tot sein … IHR hättet sterben können. Du gehorchst mir nicht und das mit Absicht. Und noch dazu hast du deinen Bruder in Gefahr gebracht ...“, unterbrach Gabriel ihn knurrend und unter seinem finsteren Blick schien das Jungtier noch kleiner zu werden. „Ich hätte Adrien beschützt … Ich wollte doch nur ein Abenteuer für Adrien ...“, Félix' Stimme klang klein und gepresst und er hatte auch hörbar mit den Tränen zu kämpfen, „Und mutig sein … so mutig sein wie du ...“ „Ich bin nur mutig, wenn ich es sein muss, Félix.“, der König schüttelte nun müde den Kopf und seufzte, „Um mutig zu sein, muss man sich nicht immer in Gefahr stürzen.“ „Aber ...“, Félix sah unsicher zu seinem Vater auf, „ … du hast nie vor etwas Angst!“„Heute hatte ich große Angst.“, gestand Gabriel schließlich ruhig ein und Félix' Blick weitete sich erst zweifelnd und dann aber auch voller Überraschung, „Ehrlich?“ „Ja.“, der König beugte sich zu seinem Sohn und senkte verschwörerisch die Stimme, „Ich hätte dich … Nein, ich hätte euch beide verlieren können ...“ „Oh.“, der kleine Löwe scharrte nun fast verlegen im Sand, bevor er es wagte den Blick zu seinem Vater zu heben, „Also, bekommen sogar Könige Angst?“ „Hm.“, Gabriel nickte und lächelte, als Félix verschwörerisch flüsterte, „Aber, weißt du was?“ „Was?“, flüsterte der ältere Löwe ebenso leise zurück. „Ich glaube diese Hyänen hatten noch viel mehr Angst.“, murmelte Félix, woraufhin sein Vater lachte und dem kleinen Löwen eine sanfte Kopfnuss verpasste, „Weil niemand sich mit deinem Papa anlegen will … Komm her!“ „Nein!“, Félix versuchte seinem Vater zu
entkommen und für einen Moment balgten Vater und Sohn verspielt miteinander.„Papa … Wir sind Kumpel, richtig?“, einige Minuten später lag Félix müde auf dem Kopf seines Vaters und der ältere Löwe brummte zufrieden, als er nun zustimmend nickte, „Hmm … Richtig.“ „Und ...“, der kleinere Löwe fiepte leise und vergrub seinen Kopf schüchtern in der dichten, gräulichen Mähne seines Vaters, bevor er dann doch weiter fragte, „Wir … du und ich und Adrien … Wir drei bleiben auch immer zusammen, richtig?“ Mit einem müden, fast gequälten Seufzen setzte der königliche Löwe sich nun auf und musterte seinen Sohn, „Félix … mein Vater hat mir etwas sehr Wichtiges anvertraut … Sieh einmal hoch zu den Sternen. Die großen Könige der Vergangenheit sehen von dort auf uns herab.“ „Wirklich?“, der kleine Löwe sah nun auch ehrfürchtig zum Himmel hoch, wo die silbrigen Sternen funkelten. „Ja. Und, wenn du dich einsam fühlst, den immer daran, dass diese Könige dir den Weg weisen werden ...“, die Stimme des älteren Löwen wurde leiser, bevor er sich dann räusperte und weitersprach, „Und, ich eines Tages auch.“„Oh man, dieser blöde Gabriel ...“, Audrey knurrte und versuchte über die tiefen, blutigen Kratzer an seiner Flanke zu lecken, „Ich werde wohl mindestens eine Woche nicht sitzen können!“ Lilas hysterisches Lachen hallte von den kahlen Wänden der Höhle wieder und die kichernde Hyäne wich eilig zurück, als Audrey wütend nach ihm schnappte, „Das ist nicht komisch! Das ist alles die Schuld von diesen blöden Löwen ...“ „Oh ja ...“, stimmte Nathalie zu und trat nun an die Seite der anderen Hyäne, „Wenn es diese blöden Löwen nicht gäbe, würden wir hier den Laden schmeißen ...“ „Ja, ich hasse Löwen.“, knurrte Audrey und kam nun wieder auf die Beine, „So protzig … und haarig ...“ „Und stinkig.“, stimmte Nathalie grinsend ein und fuhr nun ungerührt zusammen mit Audrey im Chor fort, während Lila dazu jaulte, „Und man sind die häääässlich!“„Also, ganz so schlimm sind wir Löwen auch nicht.“, mischte sich plötzlich eine weibliche Stimme süffisant klingend ein und die drei Hyänen witterten kurz, bevor Nathalie dann erleichtert schnaubte, „Oh … Émilie, du bist es nur.“ „Wir hatten schon Angst, es könnte jemand Wichtiges sein.“, setzte Audrey nach, „Gabriel zum Beispiel! Ich zittere schon, wenn ich seinen Namen höre ...“„Ich bin von Idioten umgeben.“, die Löwen schnaubte und schüttelte unwillig den Kopf, bevor sie sich dann elegant erhob , „Von Vollidioten.“ „Na ja, Émilie ...“, Audrey grinste gewinnend und betrachtete die Löwin, die auf einem Vorsprung saß, „Du bist eine von uns … ein Kumpel … eine Kumpeline … Nein, eine Schwester.“„Entzückend.“, stieß die Löwin reichlich angewidert hervor und krauste die Nase, während Audrey nun höhnte, „Ah, das gefällt mir. Sie ist zwar nicht Königin, sondern nur die Gemahlin des Königs … benimmt sich aber trotzdem soooo vornehm.“ „Ja.“, stimmte nun auch Nathalie zu und legte erwartungsvoll den Kopf schief, „Hey, Émilie! Hast du was zum Fressen dabei? Fressi, Fressi, Fressi?“ „Eigentlich habt ihr das gar nicht verdient.“, die Löwin hielt mit angeekelter Miene eine Zebrakeule hoch und rümpfte pikiert die Nase, als die Hyänen erwartungsvoll zu sabbern begannen, bevor sie die faulige Keule dann doch achtlos zwischen die Aasfresser fallen ließ, „Ich habe euch Félix praktisch zum Geschenk gemacht … Aber, ihr habt nicht mal ein wehrloses Löwenbaby beseitigen können!“„Weischt du ...“, entgegnete Nathalie mit vollem Mund, „Esch war ja nischt so, alsch ob er alleine da geweschen wäre … Wir wuschten doch gar nicht, welscher der kleinen Prinschen Félixch war ...“ „Mein Sohn … Adrien ist blind!“, fauchte die Löwin aufgebracht und ihr kurzes, sandfarbenes Fell sträubte sich vor Wut, „Ihr werdet doch wohl einen blinden Löwen von einem kleinen, verzogenen Balg unterscheiden können!“ „Außerdem kam Gabriel dazwischen ...“, versuchte Audrey weiterhin ihr Versagen zu erklären, „Was hätten wir denn tun sollen? Den König etwa töten?“„Erraten.“, die Löwin bleckte die Zähne und sprang nun elegant zu den noch immer verblüfften Hyänen hinab. Sie schritt hoheitsvoll vor ihnen auf und ab und musterte sie mit einem bedauernden Seufzen, „Ich weiß, die Beschränktheit der Hyänen ist bestimmt alles andere, als klein. Ich will nebenbei nur erwähnen, ich red nicht nur Löwenlatein …“ „Die stumpfen Visagen betonen, die oberen Etagen sind leer ...“, verärgert fauchend schlug die Löwin dem noch immer an den kläglichen Resten der Keule kauenden Lila die angefressene Beute weg und richtete ihre Aufmerksamkeit nun wieder auf die anderen Hyänen, „Ich rede von Königen, von Thronen und auch Unwissen schützt euch nicht mehr … Seid bereit für die Zeit eures Lebens. Seid bereit für den größten der Coups … Die goldene Ära ...“ Émilies Schwanz schlug unruhig hin und her und sie fauchte zufrieden, „Schleicht näher und näher ...“
„Und was springt für uns raus?“, unterbrach Audrey die Löwin nun aber doch neugierig, wich dann aber gleich wieder knurrend zurück, als Émilie nun in einer beinahe mütterlichen Geste ihre Wange tätschelte, „Ich lass euch schon nicht aus! Ihr dämlichen Viecher, der Lohn ist euch sicher an dem Tag, wenn das Recht triumphiert und mich endlich von der Knechtschaft befreit! Seid bereit!“„Bereit für was?“, Audrey legte fragend den Kopf schief, aber Émilie schnaubte nur belustigt, „Für den Tod des Königs.“ „Wieso? Ist er krank?“, mischte sich Lila fragend ein, sprang dann aber wieder hastig zurück, als die Löwin nun reichlich wütend nach ihr schlug und fauchte, „Wir bringen ihn um! Und Félix auch!“„Tolle Idee!“, Audrey wedelte begeistert mit dem Schwanz, „Wer braucht schon einen König?“ „Niemand, niemand ...“, stimmte Nathalie fröhlich ein und tänzelte aufgeregt hin und her, „Lalalalala!“ „Idioten!“, fauchte die Löwin und kratzte mit den Krallen unwirsch über den harten Stein, sodass die Hyänen bei dem Geräusch zusammenzuckten, „Es wird einen König geben!“ „Aber … du hast doch ...“, die Hyänen runzelten verwirrt die Stirn, während Émilie nur reichlich selbstzufrieden lächelte und sich über die Pfoten leckte, „Adrien wird König sein … und, solange mein Sohn noch zu jung für die schwere Last der Regierungsgeschäfte ist, werde ich die Bürde auf mich nehmen und an seiner statt regieren … Also, haltet zu uns und, ihr werdet nie wieder Hunger leiden!”
Lang lebe der König!
Die vorbeiziehenden Wolken warfen unstete Schatten über die sonnenverbrannte Landschaft und die langen Gräser wogten im warmen Wind, als Émilie und Félix nebeneinander in die tiefe Schlucht gingen. Die hoch aufragenden, steilen Wände sperrten die Sonne aus und zeigten nur einen schmalen Streifen des blauen Himmels hoch über den beiden Löwen.
„Du wartest hier.“, Émilie schubste das Löwenjunge sanft auf einen flachen Stein, neben einem kleinen, windschiefen Baum und leckte ihm sanft über den Kopf, „Dein Vater hat nämlich eine wundervolle Überraschung für dich.“ „Toll!“, Félix strahlte seine Mutter an, „Was ist es? Und warum durfte Adrien nicht mit?“ „Es ist eine Überraschung nur für dich.“, Émilie wirkte leicht ungeduldig und unwillig fuhr sie kurz die Krallen aus, „Wenn ich es dir sagen würde, wäre es ja keine Überraschung mehr, nicht wahr?“ „Aber ...“, Félix leckte sich nachdenklich über die Lefzen, „Ich kann ja so tun, als wäre ich überrascht.“ „Du bist so ein herrlich ungezogener Bengel.“, die Löwin knurrte, aber Félix nahm die Anspannung seiner Mutter gar nicht wahr, sondern legte nun bettelnd den Kopf schief, „Bitte, Mama … Bitte, bitte!“ „Nein, nein, nein, nein ...“, Émilie schüttelte den Kopf, „Das betrifft nur dich und deinen Papi.“ „Du weißt schon, so eine Vater-Sohn-Geschichte.“, die Löwin hatte kurz gezögert und die Nase gekraust, bevor sie dann weitergesprochen hatte, „Ich werde ihn jetzt holen ...“
„Ich komme mit!“, Félix sprang eifrig vom kleinen Stein, aber seine Mutter trat ihm leicht in den Weg, „NEIN!“ Die Löwin räusperte sich, gewann schnell ihre Fassung wieder und drängte ihren Sohn sanft zurück auf den Felsen, „Du bleibst besser hier auf den Felsen. Wir wollen doch nicht, dass dir so ein Malheur passiert, wie neulich bei den Hyänen ...“ „Oh … Hat Adrien …?“, Félix senkte peinlich berührt den Kopf, aber Émilie lachte nur rau, „Jeder hat davon gehört ...“ „Mist.“, Félix wirkte reichlich verlegen, was seiner Mutter nun ein zufriedenes Lächeln zu entlocken wusste, „Ja, zum Glück war dein Papi da, um dich zu retten … Aber, mal unter uns … An unserem süßen, kleinen Gebrüll müssen wir noch etwas arbeiten.“ „In Ordnung …“, der kleine Löwe seufzte und sah seiner weggehenden Mutter kurz nach, „Mama? Ist es eine schöne Überraschung?“ „Oh ja.“, Émilie sah über ihre Schulter hinweg zurück zu ihrem Sohn und lächelte dunkel, „Sie ist zum Sterben schön!“
Die große Gnuherde graste friedlich auf der weiten Ebene oberhalb der Schlucht, beobachtet von
den drei Hyänen, die unter einem Felsvorsprung kauerten. „Ich hab Hunger ...“, jammerte Audrey und leckte sich hungrig über die Lefzen, während Nathalie nur seufzte, „Ruhe.“ „Ich kann nichts dafür.“, beklagte Audrey sich und sprang auf, um dann in ihrem beengten Versteck unruhig auf und abzulaufen, „Ich will ein Gnu … Und zwar gleich!“ „Du bleibst hier.“, Nathalie trat ihrer Artgenossin in den Weg und knurrte warnend, „Verstanden?“ „Aber ...“, Audrey sah hungrig auf die Herde, „Wenn ich mir nur ein ganz kleines, schwaches Krankes herauspicke?“ „NEIN!“, herrschte Nathalie sie an, „Wir warten auf das Zeichen von Émilie.“ Die schlanke Gestalt der Löwin erschien wenige Sekunden später endlich am Rande der Schlucht, woraufhin Nathalie im Sand scharrte, „Da ist sie … Also los!“
„Kleines Gebrüll.“, Félix lief unruhig auf dem warmen Felsen auf und ab und musterte eine kleine Echse, die zwischen den Steinen Schutz gesucht hatte, „Roar!“ Die Echse ignorierte den kleinen Löwen, der nun vom Felsen sprang und dem kleinen Tier folgte, „Roar!“ Erst beim dritten Versuch huschte die Echse eilig unter einen Stein, hallte sein Brüllen doch von den steilen Felshängen wieder.
Das Echo verhallte, aber dennoch schien nun ein tiefes Grollen die Schlucht zu erfüllen, sodass Félix sich nun unsicher umsah. Wie eine große, dunkle Masse strömte die panische, von den Hyänen getriebenen Gnus in den Engpass der Schlucht. Das dröhnende Donnern ihrer Hufe hallte ohrenbetäubend laut von den Felswänden wieder. Für einen Moment schien der kleine Löwe förmlich wie erstarrt, aber dann rannte er los, nur noch wenige Sprünge vor den kopflosen Huftieren.
„Oh.“, Luca, der auf einem Stein saß, betrachtete nachdenklich eine ferne Staubwolke, „Seht nur, Hoheit. Die Herde ist in Bewegung.“ „So?“, der königliche Löwe wollte sich gerade erheben, als plötzlich Émilie angelaufen kam. Die Löwin kam zu einem atemlosen Halt und sah ihren Mann flehentlich an, „Gabriel! Gabriel, die Herde! Sie ist in Panik. In der Schlucht …“ Sie machte eine kurze Pause, bevor sie fortfuhr, „Félix ist da unten!“ „Félix!“, die dunklen Augen des Königs weiteten sich vor schieren Entsetzen und er wand sich knapp an den Vogel, „Flieg voraus!“
Keuchen versuchte der kleine Löwe seinen Vorsprung zu wahren, aber die Herde holte ihn langsam ein und gerade, als sie ihn doch noch zu verschlingen drohte, sprang Félix auf einen morschen, alten Baum. Mit geschlossenen Augen, grub er die Krallen fest in das tote Holz und lauschte dem dröhnenden Donnern. Der blau weiße Vogel kreiste über der tobenden Herde und suchte aus sicherer Entfernung nach einem Lebenszeichen des kleinen Löwen, „FÉLIX?!“
„Luca!“, irgendwie hatte Félix den Ruf selbst über dem Lärm der Herde gehört und der kleine Löwe öffnete nun die Augen, „Hilf mir!“ „Dein Vater wird gleich bei dir sein.“, Luca schlug kräftiger mit den Flügeln, um wieder an Höhe zu gewinnen, „Halte durch!“ „Beeil dich!“, das morsche Holz drohte unter dem Gewicht des Löwenkindes zu brechen und Félix gab einen erschrockenen Schrei von sich, als der Ast bedrohlich knackte, „Bitte!“
Das Löwenpaar sprang behände über einige Felsvorsprünge und hielt inne, als sie Luca zurückkommen sahen. „Wo?“, Gabriel war angespannt und knurrte, aber der Vogel verlor keine Zeit, sondern deutete nur auf den morschen Baum, auf den sich Félix gerettet hatte, „Auf dem Baum!“
Der alte Löwe zögerte nicht, sondern sprang geschickt von Vorsprung zu Vorsprung tiefer in die Schlucht hinein und versuchte sich zwischen den panischen Gnus hindurch zu schlängeln, ohne von
den scharfen Hufen getroffen oder zertrampelt zu werden. „Festhalten!“, befahl er seinem Sohn, kurz bevor er einem taumelndem Gnu ausweichen musste, „HALT DICH FEST!“
Félix gab einen erstickten Schrei von sich, als das ein Gnu nun den Baum rammte. Der Ast, an dem der kleine Löwe sich panisch klammerte, brach und das Löwenkind drohte in die dahin rasende Herde zu stürzen. Mit einem waghalsigen Sprung, gelang es Gabriel aber dennoch seinen Sohn zu retten, aber sogleich musste er wieder den scharfen Hufen und den massigen Leibern der Huftiere ausweichen und verschwand in der Staubwolke.
„Oh Émilie ...“, Luca flatterte aufgeregt, „Was sollen wir tun? Was sollen wir tun? Ich muss Hilfe holen … das werde ich tun, ich muss ...“ Émilie musterte den Vogel missmutig, bevor sie mit der Pfote ausholte und den Berater ihres Mannes gegen eine Felswand schlug. Zufrieden sah sie, wie Luca bewusstlos liegenblieb, bevor sie ihre Aufmerksamkeit dann wieder auf das Geschehen in der tiefen Schlucht richtete.
Ein Gnu rammte Gabriel, aber dem König gelang es irgendwie sowohl auf den Beinen zu bleiben, als Félix nicht zu verlieren und gleich darauf rannte er mit langen Sprüngen zwischen den Gnus mit. Ein weiteres Gnu streifte Gabriel und dieses Mal strauchelte der Löwe und als er in einer Staubwolke verschwand, glitzerten Émilies Augen siegessicher. Aber, plötzlich tauchte die große Gestalt des Löwen wieder auf. Er sprang an einen nahen Felsvorsprung, der aber für den ausgewachsenen Gabriel zu schmal wäre. Seine Krallen gruben sich in den Fels, aber er konnte sich dem Sog der Herde nur lang genug entziehen, um seinen Sohn auf dem sicheren Vorsprung abzusetzen. Danach verschwand der König wieder in einer dunklen Staubwolke.
„PAPA!“, Félix musste entsetzt zusehen, sein filz grauer Blick suchte die mächtige Gestalt seines Vaters inmitten der schwarzen Leiber der rasenden Gnus. Unruhig lief er auf dem schmalen Vorsprung auf und ab und rief immer wieder nach seinem Vater, „PAPA! PAPA!“ Plötzlich brach Gabriel aus der Herde hervor, wieder gruben sich die scharfen Krallen des Löwen in den harten Stein der Felswand, als er versuchte hochzuklettern. Erleichtert suchte nun auch Félix nach einem Weg nach oben und zwängte sich zwischen zwei engen Steinen hindurch, wo er einen steilen Pfad entdeckte.
„Émilie!“, Gabriel hatte einen Überhang erreicht, der das Ende seines Weges bedeutete. Seine Krallen rutschten immer häufiger ab und auch seine kraftvollen Hinterpfoten fanden keinen Halt mehr, aber hoch über ihm, konnte er seine Gemahlin sehen, „Émilie! Hilf mir!“ Die Löwin sah einen langen Moment beinahe amüsiert auf ihren plötzlich so hilflosen Mann hinunter, dann schlug sie jäh ihre Krallen in seine Pfoten. Vor Schmerzen beinahe wahnsinnig, brüllte Gabriel auf und das Lächeln der Löwin wurde boshaft, als sie sich nun zu ihrem Gemahl hinunterbeugte, „Lang lebe König Adrien.“
Rückwärts, fast wie in Zeitlupe, stürzte der König in die Schlucht.
Er verschwand in der Herde.
Wurde mitgerissen.
Getreten.
Gestoßen.
Zertrampelt.
„Papa?“, die Luft war noch immer Staub geschwängert und Félix keuchte, als er versuchte Luft zu bekommen. Immer wieder blinzelte er und hielt inne, als ein Schatten im diffusen Licht auftauchte, „Papa?“ Ein einzelnes Gnu brach aus einer Staubwolke hervor und nun entdeckte Félix auch einen halb zertrampelten Baumstamm. Vorsichtig näherte er sich dem dunklen Schatten und erstarrte, als er nach einigen Schritten in der dunklen Masse seinen leblos daliegenden Vater erkannte.
„Papa?“, vorsichtig, fast etwas erwartungsvoll kam Félix näher und stupste seinen Vater behutsam an, „Du musst aufstehen, Papa!“ Als Gabriel sich aber auch nun nicht bewegte, stellte er sich auf die Hinterbeine und bemühte sich seinen Vater wach zu rütteln, „Papa! Lass uns nach Hause gehen ...“ Verloren zog der kleine Löwe nun am Ohr seines Vaters und sah sich dann, als Gabriel sich auch nun nicht bewegte, hilflos in der verlassenen Schlucht um, „HILFE! IST DA JEMAND? Irgendjemand … Hilfe!“ Die brechende Stimme des Löwenkindes hallte einsam von den Wänden der Schlucht wieder, ohne eine Antwort zu erhalten. Müde drehte Félix sich wieder zu seinem Vater um und kroch traurig unter die große Pfote, wo er sich an den langsam erkaltenden Körper schmiegte, „Papa ...“
„Félix, was hast du getan?“, Émilies schlanke Gestalt schälte sich aus den Schatten des Staubes und die Löwin schüttelte tadelnd den Kopf, „Was hast du nur getan?“ „Die Herde hat mich überrascht!“, Félix war beim Nahen seiner Mutter aufgesprungen und versuchte sich zu verteidigen, „Und … und, er wollte mich retten … Ich wollte doch nicht, dass … dass so etwas passiert!“ „Aber natürlich wolltest du das nicht … Niemand, weißt du, niemand will ...“, sie leckte über sein staubiges Fell, „ … dass solche Dinge passieren … Aber, der König ist tot.“ Félix holte erschrocken Luft, aber seine Mutter ließ ihn nicht zu Wort kommen, „Und, wenn du nicht gewesen wärst … dann wäre er noch am Leben ...“ Die Löwin schüttelte theatralisch ihren Kopf, „Was wird nur Adrien dazusagen …?“ „Adrien?“, Panik und Angst schimmerte in den Augen des Löwenjungen, „Was soll ich jetzt tun, Mama?“ „Lauf weg, Félix.“, ihre Stimme war ein raues Knurren, „Lauf. Lauf weit weg und komm nie wieder zurück!“
Der kleine Löwe gehorchte seiner Mutter.
„Tötet ihn.“, Émilie wand sich an die drei Hyänen, deren Gestalten sich nun aus den Staubschwaden schälten, „Los.“ Die drei Aasfresser zögerten nicht, sondern jagten kichernd und geifernd dem kleinen Löwen hinterher.
Blind vor Tränen rannten Félix durch die Schlucht und bemühte sich, als er die gefährlichen Hyänen hinter sich bemerkte, den steil vor ihm aufragenden Hang empor zu klettern. Immer wieder drohte er abzurutschen, aber endlich erreicht er doch den Rand der Schlucht. Oben zögerte er noch kurz, lag vor ihm doch ein undurchdringlich erscheinendes Dornengestrüpp, aber
schließlich schloss er die Augen und sprang. Die drei Hyänen folgten ihm noch immer, konnten aber, als sie die Dornenranken entdeckten, nicht mehr anhalten und landeten winselnd in den Dornen.
Félix gelang es, sich durch die engen Zwischenräume zu zwängen und das Gestrüpp hinter sich zu lassen. Knurrend beobachteten die Hyänen das Entkommen ihrer schon so sicher geglaubten Beute und Audrey lief wütend auf dem schmalen Sims auf und ab, „FALLS DU ZURÜCKKOMMST; TÖTEN WIR DICH!“
Der schwere Vollmond stand hoch am Himmel und sein silbriges Licht erschien beinahe tröstlich, als
es den Königsfelsen traf. Hoch oben auf einer der Klippen stand Émilie und betrachtete das Rudel. „Gabriels Tod ist eine furchtbare Tragödie.“, sie schloss die Augen und schluckte schwer, während Adrien, der zwischen ihren Vorderpfoten saß, schluchzte, „Doch Félix zu verlieren … meinen Sohn, der sein ganzes Leben vor sich hatte … ist der schlimmste aller Verluste, den wir zu beklagen haben ...“ Die Löwin wartete einen Moment und erst, als sie sich aller Aufmerksamkeit sicher war, schob sie das blinde Löwenbaby etwas weiter nach vorne, „Das Königsamt wird nun Adrien zufallen ...“ Gemurmel wurde im Rudel laut und auch Adrien drehte sich überrascht zu seiner Mutter, aber Émilie ignorierte beides, „Noch ist er aber zu jung für dieses schwere Amt. Und somit erkläre ich mich bereit das aufopferungsvolle Amt für meinen Sohn auszuüben.“ Adrien schüttelte erschrocken den Kopf, aber das Rudel jubelte, bis Émilie schließlich um Ruhe bat, „Aus der Asche dieser Tragöde steigen wir empor, um das neue Zeitalter zu begrüßen … Das Zeitalter, in dem Löwen und Hyänen sich vereinigen. Für eine große und glorreiche Zukunft unter König Adrien.“
Schattenhafte Gestalten näherten sich.
Kichernd.
Und lautlos.
Die Hyänen.
Verborgen in den Schatten, schüttelte Sabine den Kopf und verließ ungesehen den Königsfelsen. Die schwarze Löwin schien im silbrigen Mondlicht beinahe unsichtbar, als sie nun mit kraftvollen Sprüngen durch die nächtliche Savanne eilte.
Hakuna Matata
Die Sonne brannte erbarmungslos auf den vertrockneten, gesprungen Boden und die Hitze brachte die heiße Luft, die bei jedem Atemzug in der Sonne brannte, zum Flirren. Mühsam kämpfte Félix sich durch die trostlose Wüste und zwang sich kraftlos eine Pfote durch die andere zu setzen, bevor er schließlich mit einem lautlosen Seufzen einfach still zusammensank.
Recht bald hatte die Aussicht auf ein Festmahl einige Geier angelockt, die misstrauisch und wachsam abwartend über dem scheinbar leblosen Löwenkind kreisten. Erst nach einigen Minuten wagte es einer der Aasfresser zu landen, dann folgten aber auch die anderen und betrachteten ihre Beute mit wachsendem Appetit. Ein scharfer Schnabel zwickte probeweise in ein Bein des Löwen, die Vögel hielten dann aber inne, als sich plötzlich eine Staubwolke näherte.
Ein rotes Warzenschwein stürmte mit gesenktem Kopf angriffslustig heran und sofort flatterten die schwarzen Vögel hastig mit den Flügeln. Sie versuchten dem tobenden Schwein zu entkommen und erhoben sich schließlich schwerfällig schaukelnd in die Luft. „JAAAAAAAAA! VERZIEHT EUCH!“, ein kleines Erdmännchen kletterte auf den großen Kopf des Warzenschweins und hielt sich an dessen Ohren fest, während er die kreisenden Vögel anschrie, „VERDUFTET! VERSCHWINDET ENDLICH!“
„Endlich mal wieder eine Räumungsaktion ...“, das Warzenschwein schnaubte und schüttelte den Kopf, während das Erdmännchen nur mit den Schultern zuckte, „Die blöden Viecher fallen auch immer wieder darauf rein ...“ „Guck mal, Alya ...“, das Warzenschwein war zu dem kleinen Löwen getrabt und stieß das leblose Tier nun seinerseits vorsichtig mit den weißen Hauern an, „Du solltest
dir das mal anschauen. Ich glaube es, lebt noch!“
„Ewww … Reste.“, das Erdmännchen sprang behände von seinem Freund und musterte das Jungtier, dessen Pfote sein Gesicht verbarg, „Hmm, also gut. Wen haben wir denn da?“ Alya schnupperte prüfend und krauste die Nase, bevor sie misstrauisch das Gesicht verzog und sich mit aller Kraft gegen die große Pfote stemmte.
„Oh nein, ein Löwe!“, Alya ließ die Pfote fallen und stolperte panisch einige Schritte rückwärts, bevor sie dann hastig auf den Rücken des Warzenschweins sprang und fordernd an den Ohren zog, „Los! Lauf, Nino! MACH SCHON!“ „Alya, es ist doch nur ein kleiner Löwe.“, entgegen von Alyas Wünschen, trat das Warzenschwein nun wieder näher an das Löwenjunge heran und betrachtete es, „Schau ihn dir an. Er ist so lieb und so allein … Sollen wir ihn behalten?“ „NINO, SPINNST DU?!“, das aufgeregte Erdmännchen schrie beinahe hysterisch in das Ohr ihres Freundes, „WIR REDEN HIER VON EINEM LÖWEN! LÖWEN FRESSEN TYPEN WIE UNS!“ „Aber, er ist so klein.“, Nino ließ sich mit einem 'Huf' neben dem Löwen in den heißen Sand sinken, aber Alya schüttelte nur stur den Kopf, „Bis er größer wird ...“ „Dann ist er vielleicht auf unserer Seite.“, warf Nino leise ein, aber das Erdmännchen schnaubte nur, „Das ist wohl das Blödeste, was ich je gehört habe … Vielleicht ist er ...“ Alya verstummte nun aber kurz und krauste die Nase, bevor sie sich dann mit glänzenden Augen zu ihrem Freund umdrehte, „He, keine schlechte Idee! Stell dir vor, er ist auf unserer Seite! Weißt du, einen Löwen zu haben, erscheint mir als durchaus … praktisch.“ „Also behalten wir ihn?“, erkundigte sich das Warzenschwein und Alya nickte eifrig, „Aber logisch. Wer ist denn hier der Klügere? Ich oder ich?“ Nino lächelte nur verwirrt und hob das leblose Löwenkind auf seine Stoßzähne. „Der Meinung bin ich auch.“, geschickt sprang das kleine Erdmännchen wieder auf Nino Kopf und zerrte kurz an den Ohren, „Oi, ich bin schon fast gar. Los, wir packen uns in den Schatten ...“
Einige Bäume spendeten angenehmen Schatten, verborgen in den hohen Gräsern rauschte eine kleine Quelle verführerisch und ergoss sich sprudelnd in einen kleinen, seichten Teich. Vorsichtig legte Nino das Löwenkind in das weiche Gras und auch Alya sprang ins Gras und huschte zum nahen Teich. Sie spritzte dem leblosen Löwen Wasser ins Gesicht und wich zurück, als das junge Raubtier sich zu bewegen begann, „Alles klar, Kleiner?“ „Glaube schon.“, Félix blinzelte schwerfällig und schien kaum genug Kraft zu haben, um den Kopf zu heben. „Du könntest tot sein!“, mischte sich Nino ein und wieder nickte Alya eifrig, „Ich habe dich gerettet!“ Das Warzenschwein schnaubte, woraufhin Alya mit den Schultern zuckte, „Na ja, Nino hat geholfen … Ein Bisschen ...“ „Vielen Dank ...“, Félix räusperte sich, quälte sich mühsam auf die Pfoten und tapste unbeholfen in Richtung der heißen Wüste, „ … für eure Hilfe.“
„Hey? Wo willst du denn hin?“, Alya sprang an die Seite des kleinen Löwen, der aber nur matt den Kopf schüttelte, „Nirgendwo.“ „Oh je, das sieht trübe aus.“, wand sich Alya leise an das Warzenschwein, das aber nur verständnislos die Stirn runzelte, „Ich finde ihn eher süß und knuddelig.“ „Nein.“, Alya schüttelte den Kopf, „Trüb wie traurig.“ „Ach so.“, Nino nickte und trabte dann schnell an Félix' Seite, „Hast du was ausgefressen, Kleiner?“ „Unmöglich!“, schnaubte Alya amüsiert, „Er steht ja ganz oben in der Nahrungskette!“ „Ist doch egal …“, der kleine Löwe hielt den Kopf weiterhin traurig gesenkt und ignorierte den schlechten Witz des Erdmännchens, „Ich kann nie mehr zurück.“
„Ah, du bist ein Außenseiter!“, das Erdmännchen nickte verstehend, „Du bist ein Außenseiter! Na großartig! Wir auch!“ „Was hast du angestellt?“, erkundigte Nino sich nun leise, aber wieder hob Félix nicht einmal den Kopf, „Etwas Furchtbares. Aber, ich will nicht darüber reden.“ „Gut.“, das
Erdmännchen legte den Kopf schief, „Wir wollen auch nichts darüber hören ...“ „Hör auf Alya.“, mahnte Nino, bevor er sich dann wieder an das Löwenjunge wand, „Können wir etwas für dich tun?“
„Nein.“, Félix blieb müde stehen, „Es sei denn, ihr könnt die Vergangenheit ändern.“ „Weißt du, Kleiner, mein Kumpeline Alya pflegt in solchen Zeiten immer zu sagen ...“, das Warzenschwein räusperte sich, „Mann muss seinen Hintern in die Vergangenheit bringen ...“ „NEIN! Amateur! Leg dich lieber hin, bevor du dir noch weh tust!“, Alya wedelte mit den Armen und warf ihrem Freund einen strafenden Blick zu, bevor sie vor den Löwen trat, „Es heißt, 'Man muss seine Vergangenheit hinter sich bringen.' Pass auf, schlimme Dinge passieren eben und man kann überhaupt nichts dagegen machen, richtig?“ „Richtig.“, nickte der Löwe und wich zurück, als das Erdmännchen ihm gegen die Nase stupste, „Falsch! Wenn die Welt dir den Rücken kehrt, dann kehrst du der Welt auch den Rücken!“ „Ich habe aber etwas anderes gelernt.“, widersprach Félix, woraufhin Alya sich räusperte, „Dann solltest du vielleicht etwas Neues lernen. Sprich mir nach … Hakuna Matata.“
„Was?“, Félix runzelte die Stirn und nun mischte sich auch das Warzenschwein wieder ein, „Ha-ku-na Ma-ta-ta. Es heißt 'Keine Sorgen.“ „Hakuna Matata, diesen Spruch sag ich gern!“, das kleine Erdmännchen stieß das Löwenjunge auffordernd an und grinste, „Hakuna Matata, gilt stets als modern.“ Es heißt die Sorgen bleiben dir immer fern!“, fiel Nino ein und gemeinsam liefen sie tiefer in den grünen Dschungel, „Keiner nimmt uns die Philosophie!“
„Hakuna Matata?“, sprach Félix die fremden Worte vorsichtig, eher schon fragend aus, woraufhin Nino eifrig nickte, „Ja, wir leben danach!“ „Aber, wieso?“, der kleine Löwe wirkte irritiert, wurde aber von der grinsenden Alya unterbrochen, „Weils danach immer viel schöner ist, als vorher!“ Nino lachte, „Weißt du, Kleiner. Diese zwei Worte lösen all deine Probleme.“ „Genau, nimm Nino zum Beispiel!“, dieses Mal deutete Alya auf das massige Warzenschwein, „Ja, auch er war ein kleines Schwein … Ein Fluch, sein Geruch war ja kein lieblicher Duft … Er musste nur was fressen, schon kam dicke Luft ...“ „Ich bin trotz allen Muts, ein Sensibelchen.“, seufzte Nino und schloss bei der Erinnerung traurig die Augen, „Es tat weh, als die anderen flüchteten … Und oh, die Qual … Sie war katastrophal … Hakuna Matata, diesen Spruch sag ich gern! Hakuna Matata gilt stets als modern ...“ „Es heißt die Sorgen ...“, fiel nun auch endlich der kleine Löwe ein, „ … bleiben dir immer fern … Keiner nimmt uns die … Philosophie … HAKUNA MATATA!“
Mit einem zufriedenen Lächeln schob Alya ein großes Farnblatt zur Seite und gab damit die Sicht auf eine idyllische saftig grüne Dschungellandschaft mit zahlreichen glitzernden Wasserfällen frei, „Willkommen in unserem bescheidenen Zuhause.“ „Hier lebt ihr?“, Félix bestaunte die so fremde Umgebung, aber Alya zuckte nur nachlässig mit den Schultern, „Wir leben wo es uns gefällt ...“ „Es ist wundervoll!“, Félix machte einige Schritte in den grünen Dschungel, verharrte dann aber errötend, als sein Magen plötzlich zu knurren begann, „Ich verhungere … Ich könnte jetzt glatt ein ganzes Zebra verdrücken.“ Warzenschwein und Erdmännchen wechselten einen raschen Blick miteinander, bevor Alya den Kopf schüttelte, „Zebra ist heute leider aus.“ „Oh ...“, Félix dachte kurz nach, „Und Antilope?“ „Nein ...“, kam wieder eine ablehnende Antwort, woraufhin Félix etwas verzweifelt nachfragte, „Und … Gnu?“ „Nein.“, Alya seufzte und legte eine Pfote auf Félix' Schulter, „Hör mal, Kleiner. Wenn du hier bleiben willst, musst du fressen, was wir fressen ...“
Nino blieb vor einem alten Baumstamm stehen und scharrte ungeduldig mit einem Huf, „Hier gibt es bestimmt eine Menge zu entlarven!“ Auf ein aufforderndes Nicken des kleinen Erdmännchens, hob Nino den Baumstamm hoch und enthüllte eine Vielzahl von Insekten, die darunter krabbelten. „Ih ...“, Félix wich angeekelt zurück, aber Alya suchte sich mit Kennermiene eine weißliche Larve aus und verspeiste sie genüsslich, „Lecker, das schmeckt wie Hühnchen.“ „Schleimig ...“, Nino sog eine lange
Larve ein und leckte sich über die Schnauze, „Jedoch vitaminreich.“ „Delikatessen nur vom Feinsten.“, Alya suchte sich einen Käfer aus und biss knirschend hinein, „Pikant. Mit einer knusprigen Hülle ummantelt … Ich sag dir was, Kleiner … So lässt es sich leben … Keine Vorschriften, keine Pflichten und das Schönste … Keine Sorgen!“
Zögerlich suchte Félix sich nun auch eine dicke, weißliche Larve aus dem Gewimmel und betrachtete sie aber dennoch weiterhin skeptisch, während seine beiden neuen Freunde den Löwen argwöhnisch beachteten, „Hakuna Matata.“ Mit geschlossenen Augen probierte Félix das dicke Insekt und krauste bei dem Geschmack die Nase, „Schleimig, jedoch vitaminreich.“
Die Zeit verging beinahe unbemerkt.
Ohne Regeln.
Ohne Zwang.
Aus den Löwenkindern wurden Teenager.
Sowohl Félix.
Als, auch Adrien.
Hakuna Matata.
Die dunkelblonde Mähne begann zu wachsen.
Zerzaust und unordentlich.
Aber, dann wurde aus den schlaksigen Teenagern elegante, aber dennoch noch immer reichlich tollpatschige Halbwüchsige.
Aber, schließlich verwandelten sich die so weit voneinander entfernten Brüder doch noch in große, stolze Löwen.
Hakuna Matata.
„Adrien!“, der blinde Löwe, zuckte zusammen, als er die Stimme seiner Mutter hörte und blieb stehen mit einem Seufzen stehen, „Ja, Mutter?“ „Wo warst du?“, sie umrundete ihren Sohn, schien ihn auf etwaige Verletzungen zu untersuchen und witterte auch prüfend, „Und, wo ist deine Leibwächterin?“ „Ich habe Chloé weggeschickt.“, Adrien schüttelte den Kopf und sträubte die helle Mähne, „Ich kann ohne sie schlafen.“ „Aber, mein kleines Lämmchen.“, die Löwin leckte ihm über die Lefzen, „Ich mache mir doch nur Sorgen um dich … Immerhin bist du König … Und es gibt so viele, die dir etwas Böses wollen ...“ Der blinde Löwe verbiss sich nun das Schnauben und senkte rasch den Kopf, damit seine Mutter sein Mienenspiel nicht sehen konnte, „Natürlich, Mutter.“ „Dann leg dich nun schlafen.“, sie stupste ihn an und folgte ihm dann auch wachsam in die Höhle, „Ich werde Chloé holen lassen … LUCA!“
Adrien hatte sich auf dem kalten Stein des Plateaus zusammengerollte und lauschte den vertrauten Geräuschen des Königsfelsen. Krallen auf Stein, rieselnder Sand, tropfendes Wasser und immer wieder auch das noch immer fremdartige Kichern der Hyänen, das noch immer so vollkommen fehl am Platz zu sein schien. Leichte, vertraute Schritte näherten sich ihm schließlich, aber erst als der andere Löwe innehielt, hob Adrien den Kopf, „Chloé...“ „Hoheit.“, die Leibwächterin wirkte amüsiert und in ihrer Stimme klang so etwas wie gutmütiger, freundschaftlicher Spott mit, „Wie immer?“ „Natürlich.“, Adrien erhob sich geschmeidig und streckte sich kurz, bevor er prüfend in Richtung des Eingangs witterte, „Meine Mutter?“ „Ist mit den Hyänen beschäftigt.“, Chloé stieß den blinden König sanft an, „Wir sind sicher.“ „Sehr gut.“, Adrien stakste hinaus und folgte den leisen Richtungsanweisungen seiner Leibwächterin, bis sie schließlich nach kurzer Wanderung einen hohlen, alten Baum erreichten. „Ich werde warten.“, Chloé senkte respektvoll den Kopf, als Adrien nun an ihm vorbei trat und vorsichtig durch einen schmalen Spalt im Stamm in das Innere trat.
„Eure Heiligkeit?“, Adrien folgte den vertrauten Windungen des uralten Affenbrotbaums den Stamm hinauf und trat in das höhlenartige Innere, „Seid Ihr hier?“ „Adrien.“, die schwarze Löwin musterte ihren Gast mit schief gelegtem Kopf, während ihre Tochter hinter ihr zurückwich, „Ein Alptraum?“ Der jüngere Löwe seufzte, kam nun aber gleichzeitig vertrauensvoll näher und witterte prüfend, “Marinette ist hie?” “Natürlich.”, die schwarze Löwin wich zurück, sodass ihre Tochter sich nun plötzlich vor dem blinden König wiederfand.
„Was hast du geträumt?“, Marinette leckte sanft über das helle, seidige Fell und lächelte, als er spürte, wie sich der blinde Löwe langsam entspannte, „Ich weiß es nicht ...“ „Ah ja.“, Marinette lächelte etwas ungläubig, setzte aber das tröstliche Putzen ungerührt fort, scheinbar fest entschlossen Adrien die nötige Zeit zu geben, die passenden Worte zu finden.
„Eine Dürre ...“, Adriens Stimme war leise, beinahe nun mehr nur noch ein heiseres Flüstern, „Es regnete nicht … war alles tot … Der Himmel war schwarz … alles war trocken … Knochen ...“ Adrien leckte sich über die Lefzen und schien nun wieder zu zögern, „Mama …“ „Émilie war noch immer Königin?“, erkundigte Marinette sich und grollte kehlig, als der helle Löwe nickte, „Eigentlich wärst du alt genug ...“ Marinette hob den Kopf, als Adrien sich nun unter ihr bewegte und den Kopf drehte, um sie anzusehen. Die blinden Augen schimmerten im Zwielicht, wirkten aber dennoch trotz der Wut, die Marinette fühlen konnte, vollkommen leblos, „Ich bin blind.“
„Deine Alpträume ...“, der Löwin wechselte nun vorsichtig das Thema und begann wiederum sanft über das helle Fell zu lecken, „ … hast du jemals darüber nachgedacht, dass es vielleicht mehr als nur einfache … Träume sind?“ Wieder verspannte sich der schlanke Körper des Löwen, aber dieses Mal ließ Marinette ihn gar nicht erst zu Wort kommen, „Schon, als ich dich das erste Mal gesehen habe … habe ich es gewusst … Du solltest niemals König werden ...“ Adrien grollte warnend, aber Marinette rieb ihre Nase sanft, beruhigend oder vielleicht auch entschuldigend gegen die des Blinden, bevor sie ebenso ruhig wie bisher weitersprach, „Du bist wie meine Mutter … Du siehst Dinge, die kommen werden ...Dinge, die passieren werden. Grauenvolle Dinge … Aber, auch wunderbare Dinge … Sie sagte, sie habe dich gesehen … Schon bevor du geboren wurdest.“
Sur le pont d’Avignon
Schwarze, bedrohlich dunkle Wolken, aus denen aber seit Monaten schon kein Regen mehr gefallen war, hingen tief über dem Land und heißer Wind trieb den staubigen Sand über die leblose Ebene. Die Bäume und Gräser waren von der erbarmungslose Sonne verbrannt worden und die einst
zahlreich sprudelnden Flussläufe waren längst versiegt und wanden sich, wie tiefe, ausgetrocknete Gräben durch das verwüstete Land. An ihren wasserlosen Ufern lagen weiße Knochen, einem stummen Mahnmal gleich. Nur der Königsfelsen schien unberührt von dem all dem Leid um ihn herum und ragte noch immer stolz in den dunklen Himmel.„Nobody knows the trouble I've seen …“, Luca, eingesperrt in den Brustkorb eines längst gefressenen Beutetiers, sang, „Nobody knows my sorrow ...“ „Oh, Couffaine ...“, verstimmt warf Émilie einen abgenagten Knochen in Richtung des Käfigs und grollte wütend, „Ich krieg schon Depressionen! Wie wäre es denn, wenn du mal etwas … Hmmm … Fröhliches singst?“ Der Vogel überlegte einen Moment, bevor er dann krächzend ein neues Lied anstimmte, „Diese Welt ist klein, so klein ...“„NEIN!“, die Löwin kam knurrend auf die Beine, „NEIN! Alles, aber nur das nicht!“ Luca seufzte und fing nach kurzem Überlegen ein weiteres Mal an zu singen, „Sur le pont d’Avignon, on y danse, on y danse … Sur le pont d’Avignon, on y danse tous en rond ...“ Émilie nickte begeistert und begann auch gleich enthusiastisch die Melodie mitzusummen, „Sur le pont ...“„Oh … So was hätte Gabriel nie von mir verlangt ...“, murmelte Luca und wich hastig zurück, als die Löwin plötzlich wütend auf ihn zustürzte, „WAS? WAS HAST DU GESAGT?“ „Ach gar nichts.“, murmelte der Vogel, aber die Löwin lief noch immer wütend vor dem improvisierten Käfig auf und ab, „Du kennst das Gesetz! Niemand, niemand nennt diesen Namen in meiner Gegenwart … Ich bin die Königin!“ „Na ja ...“, wagte der Vogel leise einzuwenden, „Eigentlich ist … Adrien der ...“ Luca verstummte abrupt, als die Löwin mit gefletschten Zähnen auf ihn zusprang, „WAS HAST DU GESAGT?“ „Nichts, Hoheit.“, Luca seufzte ergeben und senkte respektvoll den Kopf, „Ihr seid die Königin … Ich habe Gabriel nur erwähnt, um … äh … um die Vorzüge der verschiedenen Könige zu vergleichen ...“„Hey, Émilie!“, der Schatten einer Hyäne erschien am Höhleneingang und Émilie ließ sichtlich genervt von Luca ab, „Was ist denn jetzt schon wieder?“ „Wir haben ein Hühnchen mit dir zu rupfen.“, Audrey trat, gefolgt von Nathalie, die nur schnaubte in die Höhle, „Hier gibt es keine Hühner … Émilie, hier gibt es gar nichts mehr! Nicht mal Wasser!“ „Ja, kein Aas hat was zu fressen.“, Audrey beäugte die abgenagten Knochen, „Hier gibt es nicht mal Aas, das man fressen kann!“ „Ihr wisst doch, dass die Löwinnen für die Jagd verantwortlich sind ...“, die Löwin runzelte verärgert die Stirn, aber die große Hyäne ließ sich nicht so einfach abwimmeln, „Aber, sie wollen nicht jagen ...“ „Dann ...“, Émilie sah sich suchend um und deutete schließlich auf den eingesperrten Vogel, „Fresst Luca.“„Oh, ich schmecke bestimmt nicht!“, der blau weiße Vogel schüttelte den Kopf, „Ich wäre so zäh und unverdaulich ...“ „Oh, Couffaine ...“, Émilie leckte sich über die Lefzen und ihre Augen funkelten dunkle amüsiert, „Red doch keinen Unsinn. Da fehlt nur eine festliche Garnierung ...“„Das Leben war schon schlimm genug unter Gabriel ...“, flüsterte Audrey Nathalie verhalten zu, aber die scharfen Ohren der Löwin hatten die Worte dennoch gehört, „WAS HAST DU GESAGT?!“ „Ich sagte Ga ...“, fing AUdrey an, verstummte aber abrupt, als Nathalie sie warnend anstieß, „König Adrien ist ein ganz besonderer König ...“ „Na gut.“, die Löwin bleckte die Zähne, „Verschwindet!“ Die drei Hyänen stoben in Richtung des Höhleneingangs, verharrten dann aber noch einmal, „Ja, aber … wir haben noch Hunger!“ „HINAUS!“, brüllte Émilie und nahm ihre unruhige Wanderung wieder auf.„Störe ich?“, zwei Schatten erschienen im Eingang und während der eine Schatten dort verharrte, trat der zweite Löwe furchtlos ein. „Sicher nicht.“, Émilie lächelte und begrüßte ihren Sohn liebevoll, „Was tust du hier?“ „Ich war spazieren.“, Adriens Ohren zuckten, als er einen Laut hörte und sofort sah der blinde Löwe in die Richtung, „Du hast Besuch?“ „Das ist nur Luca.“, Émilie warf dem Vogel einen warnenden Blick zu, woraufhin dieser sich in seinem Käfig verbeugte, „Seid gegrüßt, Hoheit.“Adrien nickte dem Vogel knapp zu, wand sich dann aber wieder an seine Mutter, „Ich muss mit dir reden.“ „Aber, Adrien, mein Lämmchen. Es ist doch schon so spät … Du solltest längst schlafen.“, die Löwin rieb ihren Kopf unter dem Kinn ihres Sohnes, „Aber gut, worüber denn?“ „Die Dürre ...“, Adrien stellte die Ohren auf und wich zurück, als seine Mutter plötzlich knurrte, „Adrien ...“ „Ich war am Wasserloch ...“, fuhr der junge Löwe fort, zögerte aber, als seine Mutter einen weiteren, reichlich unwilligen Laut von sich gab und versicherte ihr, „Ich war nicht alleine … Chloé war bei mir.“Die Löwin mit der auffälligen blonden Mähne nickte zustimmend, wich aber in die Schatten zurück, als Émilie sie mit einem finsteren Blick bedachte. Adrien nahm zwar die angespannte Stimmung
wahr, schien aber dennoch nicht ausmachen zu können, woher sie stammte. Der blinde Löwe sah sich etwas hilflos um, seufzte dann aber, als er seine Mutter neben sich spürte und seine Stimme nahm einen bittenden Klang an, „Mama, es gibt kein Wasser mehr … Die Tiere sind weitergezogen … So viele sind tot ...“Émilie knurrte, ihr Schwanz schlug unruhig und unwillkürlich fuhr sie die Krallen aus und grub sie tief in den Stein. Chloe, die die Löwin nicht aus den Augen gelassen hatte, trat daraufhin endgültig in die Höhle. Die Löwin stellte sich, ohne ein einziges Wort zu sagen, beschützend neben den Blinden und warf der wütenden Kronregentin einen warnenden Blick zu.„Und. Was. Ist. Dein. Rat?“, stieß Émilie verärgert hervor, kaum fähig ihre Wut noch zu verbergen und Chloé spannte die Muskeln an. „Wir müssen den Königsfelsen verlassen.“, Adrien wirkte nun nervös und sein blinder Blick schien nun seine Mutter zu suchen, sodass sein Kopf sich suchend hin und herbewegte, „Mama ...“ „Den Königsfelsen verlassen.“, Émilie lachte rau und sprang behände wieder auf das niedrige Plateau, das ihren Schlafplatz darstellte, „Wie … drollig.“„Mama.“, Adrien machte einen weiteren Schritt auf seine Mutter zu, aber Chloé, die die schlecht verborgene, wachsende Verärgerung der angriffsbereiten Löwin bemerkt hatte, trat ihm nun beschützend in den Weg und flüsterte, „Adrien, nicht.“ Der blinde Löwe blieb überrascht stehen und leckte sich über die Lefzen, bevor er seufzend den Kopf senkte und schwieg.„Du warst bei Marinette.“, es war eine erstaunlich ruhige Feststellung seiner Mutter, aber dennoch errötete der junge Löwe nun, antwortete aber nicht. „Adrien.“, dieses Mal war etwas Forderndes in ihrer Stimme, das nach einer Antwort verlangte, „Warst du bei Marinette?“ „Ja.“, Adrien nickte leicht, „Ich ...“ „Ich verbiete dir sie jemals wiederzusehen!“, Émilie sprang knurrend von dem kleinen Vorsprung und umkreiste ihren Sohn und dessen Leibwächterin, die sie wachsam nicht aus den Augen ließ und warnend schnappte, als sie ihrem Sohn zu nahe kam. „Aber … Ich ...“, Adrien drängte sich, ungeachtet der Gefahr an Chloé vorbei und schüttelte den Kopf, „ … hatte Alpträume … Marinette ...“„Diese Löwin ist kein Umgang für dich!“, seine Mutter hob drohend die Pfote und bevor die Leibwächterin reagieren konnte, zog sie ihre Krallen hart über die Schnauze ihres blinden Sohnes, „Sieh nur, wozu er dich bringt! Du widersetzt dich mir … Mir, deiner Kronregentin!“ „Mama ...“, Adrien jaulte zwar vor Schmerz, wirkte aber dennoch unwillig, als Chloé sich nun bemühte ihn aus der Höhle zu schieben, „Bitte ...“„Ich bin enttäuscht von dir, Adrien.“, Émilie stakste zurück zu ihrem Schlafplatz und ließ sich, dem Höhleneingang den Rücken zuwendend, dort nieder, „Verschwinde.“ Der blinde Löwe senkte den Kopf und folgte dem sanften Stupsen des rotmähnigen Löwen aus der Höhle hinaus, „Mama ...“„Adrien ...“, Chloé leckte sanft über die blutigen Striemen auf der hellen Schnauze ihres Artgenossen und fiepte mitleidig, als der Blinde einige unsichere Schritte machte, „Was wirst du nun tun?“ „Ich habe etwas gesehen ...“, Adrien legte den Kopf schief und seine Stimme wurde leiser, während sein blinder Blick weit in die Ferne zu reichen schien, „ … Erst dachte ich, ich wäre es … Aber, es war … Félix.“ „Félix?“, Chloé, die eigentlich die zukünftige Königin des älteren Prinzen hätte sein sollen, runzelte die Stirn, aber Adrien schien ihr nicht mehr zuzuhören, sondern lief einfach weiter über die vertrauten Pfade des Königsfelsen, sodass Chloé sich beeilen musste, um zu ihm aufzuholen, „Adrien, warte! Wohin gehen wir?“ „Keine Ahnung!“, der blinde Löwe grinste und schlitterte über den steil abfallenden Pfad, „Kommst du mit?“Eine sanfte Abendbrise wehte durch die Baumwipfel und brachte die langen Blätter zum Rascheln. Die schmale Sichel des Halbmondes spendete nur wenig silbriges Zwielicht, sodass die Schwärze des Firmaments nur noch deutlicher einen Gegensatz zu den hellen Sternen bildeten. Ein lautes Rülpsen störte die nächtliche Ruhe und erschrocken stoben einige Vögel verschlafen auf.„Nicht schlecht, Félix.“, Alya nickte anerkennend und räkelte sich zufrieden im grünen Gras, „Gar nicht schlecht.“ „Danke ...“, der Löwe schloss die Augen und rieb sich mit der Pfote über den Bauch, „Danke … Ich bin vielleicht satt ...“ „Ich auch.“, Nino streckte sich neben seinen beiden Freunden aus, „Ich hab gefressen, wie ein Schwein ...“ „Du bist ja auch ein Schwein.“, lachte Félix und rollte sich dann wieder auf den Rücken, um die Sterne über ihnen zu betrachten.„Du, Alya ...“, das Warzenschwein hatte ebenfalls den Sternenhimmel betrachtet, „Hast du dich jemals gefragt, was diese leuchtende Pünktchen da oben sind?“ „Nino, ich muss nicht fragen.“, Alya grinste selbstgefällig, „Ich weiß es.“ „Oh!“, Nino betrachtete das Erdmännchen nun interessiert, „Was sind sie?“ „Na, Glühwürmchen! Glühwürmchen, die äh … die da … äh oben feststecken auf diesem großen … blau schwarzen … Ding.“ „Oh echt?“, Nino wirkte nun beinahe
enttäuscht, „Ich dachte immer, das wären Kugel aus Gas, die in Milliarden Kilometer Entfernung verglühen.“ „Nino ...“, Alya seufzte, „Bei dir besteht alles aus Gas.“„Félix?“, wand sich das Warzenschwein nun an den Löwen, „Was sagst du dazu?“ „Nun … äh ...“, Félix wand sich, sich sichtlich unwohl fühlend, „Ich weiß so was nicht … Nein ...“ „Och komm schon.“, bettelte Nino, „Sag, sag, sag … Komm schon, jetzt bist du dran! Biiiiteee ...“ „Nun ...“, der Widerwillen klang deutlich in der Stimme des Löwen mit, „Mir hat mal jemand erzählt, dass die großen Könige der Vergangenheit da oben sind und auf uns aufpassen ...“ „Wirklich?“, Nino krauste verwundert die Stirn, aber Alya kicherte nun, „Meinst du etwa, wir werden von einem Haufen toter Monarchen beobachtet?“ Schließlich fiel auch Nino in das Lachen mit ein, „Wo hast du denn die Geschichte her?“ „Ja, ziemlich dumm ...“, Félix erhob sich mit einem traurigen Seufzen und verschwand in den Schatten zwischen den Bäumen, woraufhin sich die beiden Freunde etwas ratlos ansah, „Haben wir etwas Falsches gesagt?“
The lion sleeps tonight
Es raschelte im dichten Unterholz des Dschungels und die bunten Vögelchen, die Edelsteinen glichen, verstummten kurz in ihrem fröhlichen Zwitschern und beobachteten neugierig das Geschehen unter ihnen. „Awiiiim awep ...“, Nino' breite Gestalt brach singend durch das Unterholz und Alya gleich darauf fiel auch ein, „Hier im Dschungel, da ruft die Trommel, der Löwe schläft heut Nacht … Hier im Dschungel, da ruft die Trommel ...“ Abgelenkt von einem großen Käfer, der vollkommen unbedarft vor dem Warzenschwein den Weg überquert hatte, verstummte Nino und folgte nun hungrig der vielversprechenden Beute und verschwand in einem Gebüsch, ohne das Alya es zuerst bemerkte. „A -WIIIIIIII … A …“, das Erdmännchen blieb stehen und sah sich suchend um, „Nino? Nino?“Das Insekt krabbelte auf einen auf dem Boden liegenden Baumstamm und flatterte dort ein paar Mal mit den bläulichen Flügelchen, sodass Nino eilig hinter einem großen Baum in Deckung ging. Das Insekt drehte sich aber wieder um und krabbelte auf der anderen Seite den alten Baumstamm wieder hinunter. Nino schlich, dicht an den Boden geduckt, hinterher und versuchte dann schwerfällig über den Stamm zu springen. Dabei blieb er aber zappelnd hängen und versuchte beinahe verzweifelt sich zu befreien, um die Verfolgung des Käfers wieder aufzunehmen. Ein nahes Geräusch ließ das Warzenschwein dann aber in seinen Befreiungsbemühungen Inne halten und Nino blickte reichlich misstrauisch über seine Schulter, „Alya?“Blaue Augen beobachteten das Warzenschwein wohl versteckt aus dem hohen Gras und ein langer Schwanz schlug unruhig, als der Löwe nun die Muskeln anspannte und zum Sprung ansetzte. „AHHHHHHHHHHHHH!“, es gelang dem panischen Nino nun doch irgendwie über den Baumstamm zu kommen und jetzt rannte das Warzenschwein, dicht gefolgt von einem sichtlich hungrigen Löwen, haken schlagend zwischen den Bäumen hindurch, „HILFE! ER WILL MICH AUFFRESSEN! HILFE!“„Nino?“, angelockt von den panischen Hilferufen seines Freundes rannte das Erdmännchen durch den dichten Wald und wich erschrocken zurück, als das Warzenschwein plötzlich vor ihr durch das Unterholz brach, kopflos weiter flüchtete, dann aber schließlich zwischen einer Baumwurzel stecken blieb. Zappelnd versuchte Nino sich zu befreien und Alya runzelte die Stirn, „Nino? Was ist denn los?“ „ER WILL MICH AUFFRESSEN!“, die Befreiungsversuche des Warzenschweins wurden nun immer panischer, als er nun das viel zu nahe Brüllen eines Raubtiers hörte und ein Löwe nun ebenfalls unweit durch das dichte Unterholz brach, „Immer muss ich dich retten … Immer geht’s um deinen … Aaaaaaa!“In letzter Sekunde sprang Félix über den feststeckenden Nino und brüllte dem fremden Löwen eine Herausforderung entgegen. Die filz grauen Augen des Löwen glitzerten, als er nun mit seiner Pranke nach dem fremden Artgenossen schlug. „Geh ihm an die Gurgel!“, forderte Alya, während Nino noch immer feststeckte, „An die Gurgel! Ich habs dir gesagt! Der Junge ist praktisch!“Wütend brüllend erwiderte die Löwin den ersten Angriff aber und brachte Félix dann schließlich doch mit erschreckender Leichtigkeit unter sich. Die gefletschten Zähne waren nun nur wenige Zentimeter von Félix' Kehle entfernt, als plötzlich eine weitere, befehlsgewohnte Stimme vom Rand der Lichtung erklang, „Halt.“Widerwillig ließ die fremde Löwin von Félix ab und schnaubte, „Was ist?“Ein weiterer Löwe, etwas magerer und mit seltsam abwesend wirkenden, schwarzen Augen trat vorsichtig näher und hob nun witternd den Kopf, „Félix?“ „Adrien ...“, die grünen Augen seines
Bruders weiteten sich ungläubig, als er den anderen fast erschrocken betrachtete, „Bist du es wirklich?“ „Ja ...“, als Félix nun aber einen ersten, vorsichtigen Schritt auf seinen Bruder zumachte, trat aber sogleich die fremde Löwin mit einem warnenden Knurren und gebleckten Zähnen in seinen Weg.„Chloé.“, Adrien schüttelte den Kopf, aber dennoch zögerte die Löwin, bis sie schließlich zurückwich und den ergeben den Kopf senkte, „Wie Ihr befehlt, Hoheit.“ Der blinde Löwe schnaubte nur und trat nun seinerseits an ihr vorbei auf Félix zu, „Félix … Aber, was machst du … Wo hast du bloß gesteckt ...“ „Ich … aber … Ich ...“, Félix räusperte sich, aber bevor er noch etwas sagen konnte, schnaubte das Erdmännchen verärgert, „Hey! Was geht hier eigentlich vor?“ „Was machst du hier, Adrien?“, Félix ignorierte den wütenden Einwurf, ebenso wie die beiden anderen, fremden Löwen, aber nun sprang Alya furchtlos zwischen die beiden, sich ähnlich sehenden Raubtiere und forderte vehement eine Antwort, „ZUM DONNERWETTER NOCH MAL! WAS GEHT HIER VOR?!?!?“„Alya, das ist Adrien … Er ist mein Bruder!“, Félix rieb seinen Kopf gegen die Schnauze seines Bruders, bevor er dann auch Nino herbeirief, „Hey, Nino! Komm mal her!“ Es gelang dem Warzenschwein nun endlich sich aus den Wurzeln zu befreien und nun musterte auch er neugierig und etwas besorgt die beiden fremden Löwen. „Adrien, das ist Nino, Nino, das ist Adrien … Mein Bruder.“ „Freut mich deine Bekanntschaft zu machen.“, das Warzenschwein neigte den Kopf und auch Adrien erwiderte die Geste, bevor ein Räuspern ihn an die Gegenwart seiner Leibwächterin erinnerte und er ihn vorstellte, „Das ist Chloé.“„Sehr angenehm.“, Alya brauste nun wieder auf, „MOMENT MAL! AUSZEIT!“ Das Erdmännchen holte einmal tief Luft bevor sie zu zetern begann, „Also, noch mal von vorne … Du kennst den da. Er kennt dich … die da kennst du aber nicht … Aber die will uns auffressen … Und alle sind damit einverstanden? HAB ICH WAS NICHT MITGEKRIEGT?!?“ „Beruhige dich, Alya.“, brummte Félix abgelenkt, als Adrien nun liebevoll über seine Lefzen leckte und noch immer fassungslos den Kopf schüttelte, „Félix, ich kann es kaum erwarten den Anderen zu erzählen, dass du hier bist …“ „Niemand soll es erfahren.“, Félix wand sich brüsk ab und schnaubte, als Adrien ihm folgte, „Natürlich sollen sie! Sie glauben alle, du wärst tot!“ „Ich ...“, überrascht drehte Félix sich um und schüttelte ungläubig den Kopf, „ … und tot?“ „Ja ...“, der blinde Bruder senkte den Kopf und sofort trat Chloé wieder an seine Seite und brummte beruhigend, „Adrien ...“„Mama hat uns alles über die Schlucht erzählt.“, fuhr Adrien, seine Leibwächterin ignorierend fort und Félix runzelte nun verwirrt die Stirn, „Hat sie das? Was hat sie euch denn noch erzählt?“ „Was spielt das für eine Rolle?!“, Adrien scharrte ungeduldig in der weichen, fruchtbaren Erde, „Du lebst. Und das bedeutet, dass … dass du der König bist!“ „König?“, das Erdmännchen trat nun zwischen die ungleichen Löwen und schüttelte amüsiert den Kopf, als der blinde Blick an ihm vorbei zu gehen schien, „Tut mir leid, Blindschleiche … Aber, da hast du auf den falschen Löwen gesetzt.“ Der König?“, Nino trabte nun eilig näher und verneigte sich vor Félix, „Majestät! Ich liege dir zu Pfoten!“„Hör auf damit!“, forderte Félix ungehalten und zog hastig seine Pfote weg, während Alya nun verärgert schnaubte, „Ich liege dir zu Füßen und nicht zu Pfoten … Und, LASS DAS! Er ist doch nicht der König … oder?“ „Nein.“, Félix senkte den Kopf und lächelte dunkel, „Ich sollte einmal König werden, aber … das ist schon lange her ...“ „Also ...“, Alya kratzte sich am Kopf, „Du bist der König? Ohne uns ein Wörtchen zu sagen?“ „Ich bin immer noch der Gleiche!“, versuchte Félix sich zu verteidigen, aber Alya zog ihn an seiner Mähne zu sich und ihre Augen glitzerten, „Ja, aber mächtig!“„Würdet ihr uns ...“, mischte Adrien sich ein, „ … entschuldigen? Nur für ein paar Minuten?“ „Hey.“, Alya lächelte selbstgefällig und tätschelte die Flanke des Löwen, „Wenn er was zu sagen hat, kann er es auch vor uns tun. Nicht wahr, Félix?“ „Mmmmh ...“, der Blick des einstigen Prinzen wanderte über seine beiden Freunde, bevor er dann mit einem müden Seufzen den Kopf senkte, „Vielleicht ist es besser … wirklich besser, wenn ihr gehen würdet.“ „Schon geht’s los ...“, sichtlich getroffen senkte Alya den Kopf, trat an Ninos Seite und verschwand mit dem Warzenschwein zusammen im dichten Gebüsch, „ … das man sich so in jemandem täuschen kann ...“ „Du auch.“, wand sich Adrien nun an Chloé und schüttelte störrisch den Kopf, als diese sogleich widersprechen wollte, „Ich will nur mit meinem Bruder reden. Das kann ich auch ohne dich ...“„Ist sie deine ...“, Félix leckte sich, kaum dass sie alleine waren, über die Lefzen und schien erst einmal nach den passenden Worten suchen zu müssen, „ … Partnerin … Frau?“ Adriens Augen weiteten sich bei der Frage unwillkürlich, dann aber ließ er den Kopf traurig hängen, während ein sarkastisches Lächeln seine Miene zierte, „Nein ...“ „Oh ...“, der ältere Bruder scharrte plötzlich nervös im Sand, „Aber, hast du sie lieb?“ „Sie ist meine Leibwächterin.“, erklärte Adrien leise und
trat wieder an die Seite seines Bruders, „Aber, es ist egal … Félix … Es ist, als wärst du wieder auferstanden … Du hast keine Ahnung, was das uns bedeuten wird … Was es für mich bedeutet ...“ „Ren ...“, Félix schluckte, aber der blinde Löwe trat nun ein Schritt zurück, „Ich wollte niemals König sein … Das musst du mir glauben … Bitte, Félix.“
Kann es wirklich Liebe sein?
„Du bist bestimmt ein wundervoller König, denke ich.“, Félix rieb seinen Kopf gegen Adrien, der aber mit einem unwilligen Knurren zurückwich, „Ich?“ Der blinde Löwe schüttelte mehrfach ungläubig den Kopf und schien dann auch im die Worte kämpfen zu müssen, bis er plötzlich aufsah und störrisch fauchte, „Was denkst du … Ich bin kein guter König …“ Aber ...“, unterbrach Félix seinen Bruder, der aber nur die Augen schloss, „Das Land liegt im Sterben ...“ „Aber, das kann doch nicht deine Schuld sein!“, versuchte Félix ein weiteres mal seinen kleinen Bruder zu beruhigen, verstummte aber, als Adrien nun seine Krallen in den Boden grub, „Du verstehst es nicht! Wir alle werden sterben, wenn … wenn du ...“ Der blinde Löwe holte tief Luft und sein blinder Blick schien seinen Bruder zu suchen, „ … nicht zurückkommst.“ „Ich kann nicht.“, Félix wich unwillkürlich einen Schritt zurück, der ehemalige Prinz schloss die Augen und schüttelte dann traurig den Kopf, „Nach alle dem, was passiert ist … damals in der Schlucht ...“ „NA UND?“, Adrien leckte sich in einer hilflosen Geste über die Lefzen und seine Stimme schien nun einen beinahe verzweifelten Klang angenommen zu haben, als er Félix förmlich anflehte, „Bitte Félix. Bitte, komm zurück … mit mir ...“ „NEIN!“, der ehemalige Kronprinz fauchte fast schon panisch und verschwand dann mit langen Sprüngen im Gebüsch.Adrien seufzte und beinahe sofort erschien der Leibwächter neben ihm und stupste ihn tröstend an. Wortlos rieb Chloé ihren Kopf gegen den des Königs und erst, als Adrien sich ausreichend beruhigt zu haben schien, dirigierte sie den blinden Löwen auf einen Pfad in das Dickicht.Längst stand der Mond hoch am Himmel und seine silbrigen Strahlen verwandelten den grünen Dschungel in eine geheimnisvolle Märchenlandschaft. Das Abbild der schmalen Sichel spiegelte sich im kleinen Teich und wurde vom Abbild eines jungen Löwen ersetzt, als Félix sich zum Trinken hinunterbeugte.„Hoheit?“, Félix seufzte, blieb aber dennoch stehen, als er plötzlich gerufen wurde und schüttelte müde seinen Köpf, „Was willst du, Chloé?“ „Reden.“, die Löwin schloss nun zu Félix auf, hielt aber dennoch respektvollen Abstand, „Einfach nur mit dir reden.“ „Einfach nur … mit mir reden.“, Félix schien die Worte erst einmal auszutesten, bevor er dann aber verstimmt schnaubte und müde den Kopf hob, „Also … schickt Adrien dich? Weil er mich nicht überzeugen konnte, sollst du es jetzt versuchen? Oder sollst du mich überwältigen, damit ihr mich zwingen könnt?“ Trotz seiner abweisenden Art, setzte Félix seinen Weg nun langsam genug fort , dass die fremde Löwin zu ihm aufschließen konnte, bevor er dann fragte, „Worüber willst du denn … reden?“„Ist es wirklich wahr?“, Chloé blieb scheinbar respektvoll einige Schritte hinter dem ehemaligen Kronprinzen und betrachtete ihn dennoch voller Neugier, als Félix sich nun verspannte, „Hast du wirklich euren Vater getötet?“Versteckt hinter einem Busch beobachteten Alya und Nino die beiden so unterschiedlichen Löwen. „Weißt du was … Etwas liegt in der Luft ...“, das Erdmännchen seufzte frustriert, „Und, mir stinkt's.“ „Oh, Tschuldigung.“, entgegnete Nino sogleich peinlich berührt, aber Alya winkte eilig ab, „Nicht du … Erst dachte ich, dass die Blindschleiche … wie war noch sein Name … Ah, Adrien … Also, dass Adrien das Problem wird … Aber, ich habe mich wohl geirrt ...“ „Huh?“, das Warzenschwein legte verwirrt, fragend den Kopf schief, woraufhin Alya ein weiteres Mal seufzte und auf die beiden Löwen deutete, „Er … und diese Leibwächterin … Sie beide … Alleine.“ „Was hast du denn dagegen?“, erkundigte sich Nino nun vollkommen verwirrt, aber das Erdmännchen breitete nur in einer allumfassenden Geste die Arme aus, „Ich seh's jetzt schon kommen ...“ „Was?“, versuchte Nino ihn zu unterbrechen, aber Alya ignorierte ihn und krauste die Nase, „Sie ist das A und O. Sie werden sich verlieben … Glaub es mir! Dann sind wir nur noch zwo ...“ „Oh.“, Nino ließ traurig den Kopf hängen.„Bleib doch endlich mal stehen, Félix!“, forderte Chloé und folgte dem älteren Löwen den steilen Pfad am Wasserfall hinunter, „Du kannst doch nicht ewig davon laufen!“ „Wie solls dir erklären? Ob du es denn verstehst? Du willst die Wahrheit, die Vergangenheit ...“, der ehemalige Prinz zuckte
zusammen und betrachtete kurz sein Spiegelbild im ruhigen Wasser der Lagune am Fuß des silbernen Wasserfalls, „Wer weiß, ob du denn endlich gehst?“ „Was willst du denn nur verbergen?“, Chloé trat vorsichtig an Félix' Seite und betrachtete ihre beiden so unterschiedlichen, aber doch auch so ähnlich wirkenden Spiegelbilder, „Du tust es die ganze Zeit … Warum willst du nur kein König sein, dann mit dir als König wäre Adrien endlich frei!“Félix hob den Kopf und betrachtete die junge Löwin bei der Aussage beinahe verblüfft, bevor er dann schnaubte und in den bis dahin ruhig daliegenden Teich sprang. Erschrocken wich Chloé zurück, beobachtete dann aber in einer Mischung aus Besorgnis und Angst die stille Wasseroberfläche. „Félix?“, vorsichtig kam sie näher und verharrte unruhig am Uferrand, nur um erschrocken zurückzuweichen, als der große Löwe plötzlich mit einem verspielten Knurren die Wasseroberfläche durchbrach. Starke Pranken zogen nun aber die überraschte Chloé in die friedliche Lagune und drückte ihn verspielt unter Wasser.Tropfnass und das kurze, sandfarbene Fell eng am schlanken, aber dennoch muskulösen Körper klebend, kletterte Chloé fast panisch aus dem Wasser und schüttelte sich angeekelt. Als Félix ihr nun aber folgen wollte, schubste sie den anderen Löwen wieder ins Wasser und sprang lachend davon.„Warte! Chloé!“, mit langen Sprüngen folgte Félix ihm, sprang sie von hinten an und schaffte es durch den Überraschungsmoment die Löwin zu Boden zu reißen. Verspielt balgten die beiden ungleichen Löwen miteinander, verloren dabei aber plötzlich an einem sanft abfallenden Abhang den Halt und stolperten hinunter. Félix schaffte es dabei irgendwie die Oberhand zu gewinnen und pinnte die Löwin unter sich fest.Im silbrigen Mondlicht betrachtete Félix sie fast nachdenklich und voller Unglauben. Aber Chloé grinste plötzlich und leckte Félix zärtlich, beinahe schon einem sanften Kuss gleich über die helle Schnauze. Der ehemalige Prinz starrte sie nun vollkommen überrascht an, aber Chloés Lächeln gewann nun beinahe eine verführerische Note, als sie sich vorsichtig unter Félix hervor arbeitete und behände davon sprang. Félix zögerte, aber Chloé blieb immer wieder lockend stehen und warf kokette Blicke über ihre Schulter, sodass der ehemalige Prinz schließlich all seine Zweifel vergaß. Mit einem herausfordernden Brüllen folgte er ihr in das schützende Dickicht.„Und wenn er sich heut' Nacht verliebt ...“, murmelte Alya traurig, während Nino neben ihr lautstark die Nase hochzog, „Kommen wir nicht drum rum ...“ „Die schöne Zeit ...“, das Warzenschwein seufzte und auch Alya schien nun mit den Tränen zu kämpfen und vergrub ihr Gesicht in Ninos dichte schwarze Mähne, „ … der Unbekümmertheit … ist um mein Freund, wie dumm ...“„Ist es nicht schön hier?“, Félix rieb seinen Kopf schnurrend unter Chloés Kinn und seufzte zufrieden, als die Löwin sanft schnaubte, „Ja schon … Aber, trotzdem verstehe ich etwas nicht … Du warst doch die ganze Zeit am Leben. Warum bist du nicht zum Königsfelsen zurückgekommen? Adrien hat dich vermisst … Er hätte dich gebraucht.“ „Adrien ...“, Félix schloss die Augen und bettete den Kopf auf seine Vorderpfoten, „Nun, ich … äh … musste mal was alleine unternehmen. Mein eigenes Leben führen … Das habe ich auch ...“ Félix zögerte kurz und schüttelte dann den Kopf, fast so, als würde er sich selber überzeugen müssen, bevor er weitersprach, „Und, es ist toll.“ „Wir hätten dich gebraucht.“, Chloé rieb ihren Kopf liebevoll gegen den des ehemaligen Prinzen, „Adrien hätte dich dringend gebraucht.“ „Niemand braucht mich.“, brummte Félix niedergeschlagen, aber der andere Löwe schüttelte widerspenstig den Kopf, „Doch, das tun wir … Du bist der König!“„Chloé, begreife es doch endlich ...“, Félix seufzte und sein Schwanz schlug unruhig, während er seine Krallen angespannt in die weiche Erde grub, „Ich bin nicht der König. Adrien … Er ist der König!“ „Aber ...“, Chloé zögerte und seufzte dann, „Er ist kein … kein guter König … Seine … Eure Mutter, sie hat die Macht … Sie ist die Kronregentin … und ihretwegen sind die Hyänen im Geweihten Land!“ „Was?“, Félix erhob sich und halbwegs und starrte die Löwin, die aber nur nickte, an, „Es ist alles zerstört … Es gibt nichts zu essen. Zu trinken … Adrien hat es vorhergesehen, aber … Émilie wollte nicht auf ihn hören … Und, er selber … Félix, wenn du nicht bald was unternimmst, werden alle sterben.“„Das kann ich nicht mehr.“, mutlos ließ der Löwe den Kopf sinken, während Chloé langsam ungeduldig zu werden schien, „WARUM?“ „Das würdest du nicht verstehen ...“, seufzte Félix, was nun aber durchaus Ärger in Chloé zu wecken schien, „WAS WÜRDE ICH NICHT VERSTEHEN?“ „Nein … Nein … Vergiss es.“, Félix schloss müde die Augen, „Hakuna Matata.“ „Was?“, die Löwin krauste irritiert die Nase, aber Félix schien sie nicht zu beachten, „Hakuna Matata. Das habe ich hier draußen gelernt. Weißt du, schlimme Dinge passieren eben ...“ „FÉLIX!“, fauchte Chloé und löste sich von Félix, der aber unbeirrt weitersprach, „ … man kann überhaupt nichts dagegen machen … Warum sich also Sorgen machen?“Eilig, beinahe schon hastig, sprang Félix über einen alten Baumstamm, während Chloé ihm mit langen Schritten folgte, „Weil es immer noch deine Pflicht ist!“ „Du bist doch auch weggegangen, oder nicht?“, fauchte Félix verärgert und die Löwin schüttelte müde den Kopf, „Ja … WIR sind gegangen, um Hilfe zu suchen … Adrien hatte einen … Traum … Er wusste, wohin wir … gehen sollten … Wir haben dich gefunden … Ich habe dich gefunden … Und … du bist unsere einzige Hoffnung!“„Tut mir leid.“, Félix klang wirklich bedauernd, aber Chloé schnaubte nur, „Du sollst Adriens Bruder sein? Das kann ich nicht glauben … Adrien ist blind, aber er ist kein erbärmlicher Feigling!“ „Oh ja, Adrien … Der verwöhnte Adrien … Mamas Augenstern!“, Félix brüllte nun fast und hob drohend eine Pfote, „Glaubst du, du kannst hier einfach auftauchen und mein Leben umkrempeln? Du weißt nicht einmal, was ich durchgemacht habe!“ „Sag es mir endlich, dann weiß ich es!“, forderte die Jüngere, aber Félix schnaubte wiederum nur abweisend, „VERGISS ES, Leibwächterin.“ „Schön.“, Chloé grollte, „Ich gehe zu Adrien und sage ihm, dass sein Bruder zu feige ist, um uns zu helfen.“ „Mach doch!“, Félix ließ sich, als die Schritte der Löwin verklungen waren, mit einem frustrierten Seufzen in das zerdrückte Gras, das zuvor ihr Liebesnest gepolstert hatte, sinken, „VERSCHWINDET BLOSS!“
Erinnere dich!
„Er irrt sich ...“, Félix schnaubte und schlug verärgert mit einer großen Pfote nach dem hohen Gras, durch das unruhig trabte, „Ich kann nicht mehr zurück … Wozu denn überhaupt? Dadurch ändert sich nichts! Man kann die Vergangenheit nicht ändern!“ Der Löwe blieb stehen und sah beinahe sehnsüchtig zu den Sternen auf, seufzte dann aber, bevor er schließlich verärgert den Kopf schüttelte, „Du hast versprochen immer für uns da zu sein … Für mich! Aber, du bist es nicht … Es ist alles meinetwegen … Es ist meine Schuld! Ich bin an allem Schuld!“Traurig senkte Félix den Kopf und bemühte sich gegen die heißen Tränen anzukämpfen. Immer wieder schüttelte der Löwe den Kopf, wie um die finsteren Gedanken zu vertreiben, hielt aber plötzlich inne, als er eine dunkle Stimme, die ihm irgendwie bekannt vorkam, hörte. Er blinzelte gegen die prickelnden Tränen an und sah sich mit einem verärgerten Knurren um, „Wer ist da?“ Ein dunkler Schatten strich unweit scheinbar lauernd durch das hohe Gras und Félix seufzte, „Wer immer du bist, lass bitte mich zufrieden ...“Es raschelte, nun ganz in der Nähe und Félix schüttelte seufzend den Kopf, bevor er einige Schritte weiterlief. Der große Schatten folgte ihm beinahe lautlos, aber nun in einigem Abstand, sodass der Löwe schließlich beschloss ihn nicht mehr zu beachten. Félix rannte durch das hohe Gras und sprang letztlich auf einen alten, umgestürzten Baumstamm, der als eine Art natürliche Brücke über einen silbrig im Mondlicht schimmernden Teich ragte.Seufzend betrachtete der Löwe sein Spiegelbild im ruhigen Wasser und knurrte verärgert, als ein Stein in das Wasser fiel und sein Abbild verschwamm. Kurz schloss Félix verärgert die Augen, bevor er dann seufzend den Kopf in Richtung seines Verfolgers wand, „Hör mal, mach hier bitte keinen Aufstand, ja?“ Der Schatten, eine Löwin, brach nun durch die hohen Gräser und musterte Félix fast schon belustigt, „Ich muss nicht aufstehen. Du musst aufstehen.“ „Lass es ...“, schlecht gelaunt erhob der helle Löwe sich und wand seiner Artgenossin den Rücken zu, „Ich will doch nur meine Ruhe.“Wieder raschelte es irgendwo hinter Félix im Gras, sodass der nach einigen Schritten stehen blieb und sich seiner Verfolgerin wütend stellte, „Hör endlich auf mir zu folgen! Wer bist du überhaupt?“ „Die Frage ist ...“, die Löwin lächelte süffisant und machte einen letzten Schritt, bis sie beinahe unangenehm nahe vor Félix stand, „Wer bist du?“ „Ich ...“, Félix schloss kurz die Augen, als müsste er erst einmal darüber nachdenken, „Ich wusste es mal. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher.“ „Ich weiß, wer du bist.“, die fremde Löwin legte mit einem sanften Lächeln den Kopf schief, „Du bist der Bruder des Königs.“„Ja … Nein!“, Félix schüttelte verwirrt den Kopf, „Aber … Was willst du von mir?“ „Nichts. Ich möchte etwas vom König.“, die Stimme der Löwin war sanft, aber Félix brüllte nun verärgert, „DANN SOLLTEST DU ZU ADRIEN GEHEN!“ „Du scheinst etwas durcheinander zu sein.“, sie schien
weiterhin unbeeindruckt von Félix' Vorwürfen, sondern lächelte nur wissend, „Glaub mir, hier ist nur einer verwirrt. Du weißt doch nicht einmal mehr, wer du bist, Félix.“ „Oh ...“, höhnte Félix sichtlich verärgert, „Und du weißt es natürlich.“ „Natürlich.“, die Fremde senkte respektvoll den Kopf und ihre Stimme klang ungewohnt sanft, „Du bist Gabriels Sohn … Der einstige Kronprinz. Jetziger König … Und, natürlich auch trotzdem noch immer der Bruder von Adrien.“„Hey! Warte!“, eilig bemühte Félix sich nun doch der Löwin zu folgen und holte sie schließlich schwer atmend auf der Kuppe eines nahen, grasbewachsenen Hügels ein, „Du kanntest meinen Vater?“ „Falsch.“, die andere Löwin drehte sich nicht zu Félix, sondern betrachtete weiterhin die mondbeschienene Ebene, die sich unter ihm weit erstreckte, „Ich kannte deinen Vater nicht … Aber, ich kenne deinen Vater.“„Nimm es bitte nicht so schwer.“, Félix trat nun an ihre Seite und seufzte, „Aber … Gabriel ist vor langer Zeit gestorben.“ „Schon wieder falsch!“, sie erhob sich und lief mit langen, eleganten und kraftvollen Schritten voran, „Er lebt. Und, ich werde es dir auch beweisen. Komm mit!“Die Löwin führte Félix über das Grasland und schließlich auch durch ein verdorrtes, dorniges Dickicht. Und recht bald hatte der ehemalige Kronprinz Mühe mit ihr mitzuhalten und hechelte atemlos, „Hey! Moment mal! Warte!“ „Komm!“, sie wartete aber nicht, sondern sprang elegant durch einen Spalt zwischen zwei längst vertrockneten Bäumen, bevor sie sich dann mit einem beinahe nachsichtigen Lächeln zu Félix umdrehte, „Leise nun. Sieh da hinein.“Zögerlich kam der Löwe näher und spähte misstrauisch an dem Dunklen vorbei, „Was ist das?“ „Sieh hin.“, wiederholte die andere nur und dieses Mal trat Félix an ihr vorbei und sah vorsichtig in den ruhig vor ihm liegenden Teich, der silbrig im Mondlicht glänzte. Sein Spiegelbild erschien im ruhigen Wasser und Félix seufzte fast schon enttäuscht, während er den Kopf schüttelte, „Das ist nicht mein Vater. Das ist doch nur mein Spiegelbild.“„Nein.“, die Löwin klang nun beinahe mitleidig, „Sieh genauer hin.“ Félix runzelte die Stirn, kam dem Befehl aber dennoch noch immer etwas zögerlich und argwöhnisch nach und spähte erneut in das klare, silbrige Wasser, „Was ...“ „Siehst du.“, sie trat nun an seine Seite, aber ihr Spiegelbild erschien nicht in der spiegelnden Fläche. Stattdessen kräuselte sich die Wasseroberfläche im plötzlich aufkommenden, sanften Wind und helle Wolken zogen über den, bis dahin makellosen Sternenhimmel.Die weißen Wolken türmten sich auf und schienen erste, noch verschwommene Umrisse zu bilden, die aber immer deutlicher wurden und schließlich die schimmernden Umrisse eines Löwenkopfs zu bilden schienen. In den Augen schimmerten die Sterne und auch in der Wolkenmähne schienen sie zu glitzern, aber dennoch erkannte Félix die vertrauten Züge sofort und starrte hinauf zum Himmel, „Papa ...“„Félix ...“, die Stimme des Himmelslöwen schien ein fernes Donnern zu sein, dass über das Grasland rollte, „Du hast mich vergessen ...“ „NEIN!“, Félix schüttelte den Kopf, „Das könnte ich nicht!“ „Du hast vergessen, wer du bist und … somit auch mich.“, donnerte das Abbild des ehemaligen Königs nun ärgerlicher und schüttelte grollend den Kopf, „Hör auf dein Herz, Félix. Adrien ist zu etwas anderem bestimmt, er sollte nicht König sein … Du bist vom Schicksal dazu bestimmt worden. Ihr beide müsst euren richtigen Platz im Ewigen Kreis einnehmen!“„Und … Wie soll ich das machen?“, seufzte Félix hilflos und senkte fast beschämt wirkend den Kopf, als würde er sich vor seinem Vater schämen, „Ich bin nicht mehr derselbe.“ „Vergiss niemals, wer du bist.“, der Himmelslöwe klang nun beinahe sanft und er schien zu lächeln, „Du bist mein Sohn, ebenso wie Adrien. Aber, du bist der wahre König … Du musst dich wieder daran erinnern ...“ Der wieder aufkommende Wind trieb die Wolken auseinander und hilflos rannte Félix der nun verschwindenden Erscheinung seines Vaters hinterher und flehte „NEIN! BITTE! VERLASS MICH NICHT!“„Was war das denn?“, die Löwin trat nun wieder an seine Seite und ließ sich mit einem müden Seufzen neben ihm ins warme Gras sinken, während sie gespielt amüsiert den Kopf schüttelte, „Das Wetter … äußerst seltsam, findest du das nicht auch?“ „Ja ...“, Félix bettete mit einem unzufriedenen Seufzen seinen Kopf auf seine Vorderpfoten und schnaubte knapp, „Der Wind wechselt wohl seine Richtung.“ „Wechsel ist gut.“, nickte sie, aber Félix schnaubte wiederum nur, „Ja, aber nicht so einfach … Ich weiß, was meine Pflicht ist. Aber, wenn ich zurückgehe … Dann muss ich mich meiner Vergangenheit stellen … Und, ich bin solange davor geflohen.“ Die Löwin biss Félix in den Schwanz, woraufhin der Löwe erst zusammenzuckte und dann grollend aufsprang, „Aua! Hey! Warum hast du das gemacht?“„Ist doch egal?“, die Löwin zuckte elegant mit den Schultern, „Es ist Vergangenheit.“ „Ja ...“,
gestand Félix ein und schlug vorsichtig mit dem malträtierten Schwanz, „Aber, es tut immer noch weh!“ „Oh ja, die Vergangenheit kann sehr weh tun.“, sie lächelte finster und machte nun wiederum Anstalten den Löwen spielerisch anzugreifen, „Aber, wie ich es sehe, läuft man entweder davon … oder aber man lernt daraus.“ Félix sprang, den spielerischen Angriff dieses Mal erahnend, beiseite und brachte die Löwin dann grollend unter sich. Dieser schien aber noch immer wenig beeindruckt, sondern bleckte nun herausfordernd die Zähne, „Siehst du? Also, was hast du jetzt vor?“ Félix erhob sich und schüttelte beinahe ungläubig, fast schon von sich selbst überrascht wirkend, die helle Mähne, „Ich gehe dahin, wo ich hingehöre!“Lautes Schnarchen hallte durch den nächtlichen Dschungel, laut genug, um den blinden Löwen zu führen. Adrien verharrte noch kurz am Rand der Lichtung, bevor er dann seufzend den Kopf schüttelte und schnaubte, „Alya? Nino?“ Sowohl das Warzenschwein, als auch das Erdmännchen reagierten nicht auf die Rufe des blinden Löwen, sondern schienen stattdessen sogar noch lauter zu schnarchen. Adrien trat lautlos noch näher und stupste das schnarchende Erdmännchen dann behutsam mit der Pfote an, „Hey, wacht auf!“Verschlafen öffnete Alya die Augen und fing sogleich erschrocken an zu schreien, als er einen Löwen so dicht vor sich sah, „AHHHHHHHH!“ Durch das Schreien seines Freundes wurde nun aber auch Nino wach und reagierte eben so panisch und erschrocken, „AHHHHHHHHHH!“ „Beruhigt euch … Be … Beruhigt euch! Schon gut!“, versuchte Adrien die beiden etwas hilflos wirkend zu beruhigen und trat einen Schritt zurück, sodass sie ihn besser sehen konnte, „Ich bin es, Adrien!“„Mach das nie wieder, verstehst du?“, Alya klang atemlos und presste eine Pfote auf ihr wild pochendes Herz, „Fleischfresser, man ...“ „Wisst ihr vielleicht wo Félix ist?“, erkundigte Adrien sich mühsam beherrscht und sichtlich ungeduldig, während das Erdmännchen nun abfällig schnaubte, „Frag doch besser deine Leibwächterin, Blindschleiche. Da hat es ja ziemlich heftig geknistert … Vielleicht haben sie ja Spaß irgendwo im Gebüsch ...“ „Er war bei mir.“, nun trat auch die Leibwächterin auf die Lichtung und hielt sich wieder dicht neben ihrem blinden Schutzbefohlenen. Ihre dunklen Augen zeigten kurz Schmerz, bevor Chloé seufzend den Kopf senkte, „Aber, jetzt ist er weg … Ich weiß nicht, wo er hin ist ...“„Aber ich.“, ein dunkler Schatten fiel auf die Lichtung und beim Anblick der Löwin knurrte Chloé, „Was machst du denn hier?“ „Marinette.“, Adriens Schwanz zuckte kurz unruhig, aber er entspannte sich gleich wieder, als die andere Löwin nun an seiner Seite trat und ihm zur Begrüßung sanft über die Lefzen leckte, „Adrien ...“ „Man … Ist hier heute Treffen der heimlich verliebten Löwen?“, schnaubte Alya genervt und wich überwältigt von den vielen Raubtieren zurück, „Aber, jetzt habe ich mal eine Frage … Was soll das aber alles?“ „Der König ...“, Marinette warf einen liebevollen Blick Adrien, bevor sie sich dann aber schmunzelnd verbesserte, „Der wahre König ist zurückgekehrt.“„Ich kann es nicht glauben!“, Chloés Krallen gruben sich tief in die fruchtbare Erde, aber sie schüttelte immer wieder ungläubig den Kopf, „Er geht wieder zurück … Er geht tatsächlich wieder zurück!“ „Zurück?“, das Erdmännchen sah ratlos zwischen den aufgeregten Löwen hin und her, „Was meint ihr damit?“ „Félix wird zurückgehen und gegen Émilie antreten.“, Marinettes blauer Blick lag schwer auf Adrien, der aber nur schnaubend die Augen schloss und sich gegen die Löwin zu lehnen schien. „Wen?“, das Erdmännchen runzelte die Stirn und dieses Mal war es Chloé, die antwortete und den Namen der Kronregentin abfällig hervorstieß, „Émilie.“„Was bitte ist eine Émilie?“, mischte sich nun auch Nino reichlich verwirrt ein und Chloé knurrte unwillig, verfiel aber gleich wieder in Schweigen, als Marinette sich räusperte, „Sie ist die Mutter von Félix und Adrien ...“ „Émilie ist also die Mutter der Blindschleiche und von unserem Félixi ...“, Alya überlegte laut und wurde dieses Mal vom merklich aufgeregten Adrien unterbrochen, „Er will Mama vertreiben und … seinen Platz als König einnehmen.“ „Moment, warst du nicht König?“, das Erdmännchen runzelte die Stirn und musterte den blinden Löwen, der aber wieder nur schnaubte, „Ich ...“ „Adrien sollte niemals König werden.“, Marinette rieb seinen Kopf unter dem Kinn des Löwen und gab einen beinahe schnurrenden Laut von sich, „Félix war schon immer dazu bestimmt … Adrien' Bestimmung … ist eine andere.“
Hula?!
Vorsichtig, fast schon ungläubig betrachtete Félix das zerstörte Land von einem Felsvorsprung aus. Alles, was in seiner Kindheit grün und lebendig gewesen war, schien nun grau und trist geworden zu sein. Die einst fruchtbaren, von zahlreichen Tieren bevölkerten Ebenen erstreckten sich nun leer
und verlassen vor ihm und in den dunklen Wolken rollte bedrohlich der Donner. Fassungslos schüttelte Félix den Kopf, aber gleichzeitig knurrte der Löwe wütend.„Félix, warte ...“, Chloé schloss nun mit weiten Sprüngen zu ihm auf und sah denn ebenfalls seufzend über das sterbende Land, „Es ist furchtbar, nicht wahr?“ „Ich wollte es nicht glauben.“, Félix schloss die Augen, als ob er den Anblick nun nicht mehr länger ertragen könnte und knurrte unwillig, „Und Adrien … hat es...“ „Es gewusst, ja.“, gestand Chloé nach einem kurzen Zögern leise ein, sprach aber eilig weiter, als Félix unwillig oder vielleicht auch eher ungläubig knurrte, „Er hat versucht es zu verhindern, aber … sie hat ihm niemals richtig zugehört ...“„Émilie?“, Félix öffnete die Augen wieder, wand aber den Blick von den staubigen Ebenen ab, sondern musterte stattdessen Chloé, die wieder kurz zögerte, bevor sie dann bestätigend nickte, „Ja.“ „Und du? Was ist mit dir?“, der Blick war nun dunkel und herausfordernd, aber Chloé begegnete dem Blick ebenso störrisch, „Ich beschütze Adrien.“ „Und, wo ist er jetzt?“, Félix warf einen hastigen Blick zurück über seine Schulter, aber Chloé lachte nur rau, „Was denkst du von mir? Ich habe ihn in der Obhut von Marinette gelassen … Dort ist er … in Sicherheit.“ „Und, was ist mit deiner Sicherheit?“, Félix klang nun deutlich besorgt, aber die Löwin rieb ihren Kopf gegen seinen und schnaubte gleichzeitig, „Ich weiß, was ich tue, Félix. Ich werde dir folgen.“ „Aber, es wird gefährlich werden, Chloé.“, warnte Félix, woraufhin die Löwin wieder nur abfällig schnaubte, „Schlimmer als Adrien zu beschützen, kann es nicht werden.“„Ihr redet von der Blindschleiche?“, überrascht drehten sich die beiden Löwen um und Félix runzelte die Stirn, als er seine beiden Freunde musterte, „Alya … Nino … Was macht ihr denn hier?“ „Stets zu Diensten.“, das Warzenschwein verbeugte sich vor ihm, „Majestät.“ „Oh ...“, Alya hatte in der Zwischenzeit einen ersten Blick auf das Land, das sich vor ihnen erstreckte geworfen und krauste nun wenig begeistert von dem Anblick die Nase, „Kämpfen wir mit deiner Mutter etwa … um das hier?“ „Ja.“, Félix lächelte sanft, „Das ist mein Zuhause.“ „Na ja ...“, Alya sprang geschickt auf den Kopf des Warzenschweins und seufzte, „Ein bisschen überholungsbedürftig … Aber gut, wenn es dir so wichtig ist … dann bleiben wir bis zum bitteren Ende bei dir.“Alte Knochen brachen unter den Pfoten der Löwen und den Hufen des Warzenschweins und schwarzer, heißer Staub wehte über die Ebene und kennzeichnete ihren Weg zum Königsfelsen. Noch immer ragte der schwarze Felsen steil und hoheitsvoll in den dunklen Himmel. Seine Spitze schien bis weit in die finsteren Wolken zu reichen, als ob er die bedrohlichen Gewitterwolken kitzeln wollte. Verborgen hinter einem vertrockneten Baumstamm, beobachteten Félix und Chloédie zahlreichen, lauernden Hyänen, während Alya und Nino sich unweit hinter einem längst toten Busch versteckten.„Ich hasse Hyänen ...“, flüsterte Alya und wand sich nun etwas zweifelnd an Félix, „Und, wir wollen wir jetzt an diesen Typen vorbeikommen?“ „Lebendiges Fleisch.“, Félix bleckte amüsiert die Zähne und Alya nickte erst, bevor er dann begriff und prompt aufbegehrte, „MOMENT!“ „Komm schon, Alya.“, Félix stupste das Erdmännchen sanft an, „Ihr müsst sie irgendwie ablenken!“ „Soll ich mich etwa in einen Fummel schmeißen ...“, Alya krauste die Nase und schnaubte angewidert, „ … und Hula tanzen?“„Bitte nicht.“, ein dunkler Schatten fiel auf sie und als Félix und Chloé kampfbereit die Krallen ausfuhren und sich umdrehten, glommen hinter ihnen die blauen Augen Marinettes. “Marinette.“, Félix war überrascht, aber Chloé knurrte und ihr blauer Blick wanderte wachsam über die Ebene, „Wo ist Adrien? Hast du ihn etwa alleine gelassen …?“ „Nein.“, Marinette trat nun einen Schritt zur Seite und enthüllte nun die schmale Gestalt des blinden Löwen, der unwillig den Kopf schüttelte und erstaunlich selbstsicher klang, „Ihr braucht uns.“„Wir haben schon einen Plan!“, widersprach Félix, aber sein Bruder schnaubte nur abfällig, „Oh ja, ich habe es gehört. Hulatanzen ...“ „Hast du denn eine bessere Idee?“, erkundigte Félix sich zwischen zusammengebissenen Zähnen und knurrte verärgert, als Adrien nun wie selbstverständlich an die Seite seinesrLeibwächterin trat. „Natürlich.“, der blinde Löwe hob stolz den Kopf, „Chloé und ich, wir gehen vor.“ „Adrien ...“, versuchte Félix sogleich zu intervenieren, aber Chloé nickte schließlich zustimmend, wenn auch nicht wirklich erfreut über den Plan wirkend, „Sie kennen uns … Wir sind hier Zuhause. Niemand wird Verdacht schöpfen ...“ Adrien brummte nur zustimmend und auch Marinette seufzte nun, mit einem schiefen, wenig erfreuten Lächeln und bedachte den blinden Löwen mit einem besorgten Blick, „Ich hasse es, das zugeben zu müssen ...“ „Aber, die Blindschleiche hat Recht.“, Alya konnte die Erleichterung nicht ganz aus ihrer Stimme verbannen und grinste nun schief, als alle Blicke sich plötzlich auf sie richteten, „Was denn? Ich bin furchtbar beim Hulatanzen! Limbo oder Karaoke liegen mir viel besser … Könnten wir nicht
vielleicht ...“ Félix' frustriertes Grollen ließ sie verstummen, „Adrien! Chloé!“Die beiden Löwen hatten das Versteck aber bereits verlassen und ignorierten den leisen Ruf einfach. Stattdessen lief Chloé immer einen Schritt vor Adrien und schien die Schritte des blinden Löwen zu lenken. Die Hyänen hoben bei ihrem Nahen kurz die Köpfe und schienen die beiden zähnefletschend zu beobachteten, bevor sie wieder die letzten Fleischfetzen von den Knochen rissen und sich winselnd um die Reste stritten. Adrien hielt den Kopf stolz erhoben und schien das wütende Knurren und Geifern nicht zu hören, während Chloé sich immer wieder schützend zwischen den blinden Löwen und die aufgeregten Aasfresser drängen musste, um ihn zu schützen.„ADRIEN!“, Émilies Stimme hallte von den dunklen Felsen wieder und bei dem Klang versteckte Félix sich hinter einigen Felsen, um das Geschehen erst einmal zu beobachten, „ADRIEN! WO BIST DU?“ „Ja, Mutter?“, Adrien kam nun, gefolgt von Chloé, auf das Plateau und neigte respektvoll den Kopf vor der Löwin, die aber nur knurrte, „Wo warst du?“ „Ich habe mich umgehen.“, Adrien hielt sich weiterhin hoheitsvoll aufrecht, während Chloé sich weiterhin beschützend neben ihm hielt. „Umgesehen?“, die Löwin runzelte misstrauisch die Stirn und ihre Stimme klang nun deutlich süffisant und beinahe schon höhnisch, „Und, was hast du GESEHEN, mein BLINDES Lämmchen?“ „Die Herden sind weitergezogen. Es gibt keine Beute mehr.“, Adrien ging nicht auf die Provokation seiner Mutter ein, sondern schüttelte traurig, aber dennoch überzeugt wirkend den Kopf, „Es ist vorbei, Mutter. Uns bleibt nur eine Wahl … Nein, mir bleibt nur eine Wahl, als König ... “„Ein blinder König triff Entscheidungen ...“, Émilie lächelte scharf, „Nun, dann erleuchtet mich. Was sollen wir denn Eurer Meinung nach tun, Hoheit?“ „Den Königsfelsen verlassen.“, entgegnete Adrien ruhig, aber seine Mutter lachte nur rau und trat bedrohlich einen Schritt auf ihren Sohn zu, „Und, wenn wir den Königsfelsen verlassen … wohin sollten wir denn gehen?“ „Irgendwohin!“, fauchte Adrien, „Es ist doch völlig egal! Schlimmer, als hier kann es nicht sein ...Ich übernehme die Verantwortung … Als König ...“ „Als König?“, Émilie trat einen raschen Schritt auf ihren Sohn zu und noch bevor Chloé reagieren konnte, schlug sie ihn mit der Pfote zu Boden, „Du bist gar nichts, Adrien! Kein König … Nur ein blinder Löwe ...“„ADRIEN!“, Félix sprang nun ohne zu überlegen aus seinem Versteck und schob sich knurrend zwischen seinen verletzten Bruder und seine Mutter, die ihn nun vollkommen entsetzt anstarrte und zurückwich, „Gabriel … Aber nein … du bist tot!“ Félix ignorierte sie, sondern stupste vorsichtig seinen Bruder an, „Alles in Ordnung, Ren?“ „Ja.“, der blinde Löwe kam schwerfällig auf die Beine und winselte, als er über die frischen Striemen auf seiner Schnauze leckte. „Versteck dich.“, Félix stieß ihn behutsam mit der Schnauze an, „Das ist nun nicht mehr dein Kampf ...“ „Félix ...“, Adrien wollte verärgert aufbegehren, wich dann aber zurück, als ihre Mutter grollte, „Félixi... Félixi … Oh, was für eine freudige Überraschung … Du ...“ Sie warf nun einen verächtlichen Blick auf die drei Hyänen, die sich beeilten schuldbewusst in den tiefen Schatten der Höhlen zu verschwinden„ … lebst noch.“„Nenn mir einen guten Grund, warum ich dich nicht in Stücke reißen sollte!“, Félix schnappte verärgert nach der Löwin und grollte wütend, als Émilie zurückwich, bis sie schließlich an einer der steil aufragenden Wände des Königsfelsen stand. „Oh, Félixi … das musst du verstehen … Adrien … Die Sorge um ihn … und dann die Pflichten als Königsmutter … und als Kronregentin ...“, versuchte sie sich zu rechtfertigen, aber Félix schnaubte nur, „ … sind nicht länger die deinen, Mutter. Danke ab.“„Das ist alleine Adriens Entscheidung.“, die Löwin senkte kurz den Kopf, aber ihre Augen blitzten herausfordernd, als sie ihn gleich darauf wieder hob und Félix wütend anstarrte, „Es gibt da nur ein klitzekleines … Problem ...“ Émilie deutete nach oben, wo auf einem höher gelegenen Plateau die zähnefletschenden Hyänen, bereit auf ihren Befehl anzugreifen, lauerten, „Sie sind Adrien … Und mir treu ergeben ...“„Ich will keine Hyänen.“, Adrien trat wieder an die Seite seines Bruders, wie immer gefolgt von Chloés schlanker Gestalt, „Ich danke ab, Mutter.“ „Siehst du?“, Félix atmete schnaubend ein, „Entweder du folgst seinem Beispiel und dankst ab … oder du kämpfst.“ „Oh … muss es immer in Gewalt enden?“, die Löwin verzog angewidert das Gesicht, „Ich wäre ungern für den Tod eines Familienmitgliedes verantwortlich … Das ist ja eher dein Fachgebiet, Félixi, oder?“ „Dieses Mal falle ich nicht darauf rein, Mutter.“, Félix schüttelte beinahe amüsiert den Kopf, „Das habe ich hinter mir gelassen.“ „Oh ...“, ihr Lächeln wurde eine Spur schärfer, „Und, was ist mit deinen treuen … Untertanen? Ob sie es hinter sich gelassen haben? Oder hast du dein kleines Geheimnis etwa noch für dich behalten? Wissen sie etwa nicht, dass du deinen Vater getötet hast?“
„Es ist egal … Aber ja ...“, Félix schloss kurz die Augen, aber seine Stimme klang trotzdem weiterhin fest, „Es ist wahr ...“ „Seht ihr!“, Émilie wand sich nun an die anderen Löwinnen, die nach wie vor unschlüssig schienen, auf wessen Seite sie sich schlagen sollten, „Er gibt es zu! Er ist ein Mörder!“ Ein gleißender Blitz zerriss den Himmel und das darauffolgende Donnern brachte selbst den Königsfelsen zum Erbeben und stahl Félix die Worte von den Lippen, „Nein! Es war keine Absicht!“ „Keine Absicht?“, Émilie trat nun vor die Löwinnen und hob ihre Stimme Beifall heischend, „Wenn Félix nicht gewesen wäre, dann wäre Gabriel noch am Leben! Seinetwegen ist er tot!“„Nein, das leugne ich nicht.“, Félix stand noch immer aufrecht, flankiert von seinem Bruder und Chloé und zuckte auch nicht zusammen, als Émilies Stimme nun lauter und anklagender wurde, „Dann bist du schuldig!“ „Ja. Aber, ich bin kein Mörder!“, widersprach Félix, nun leiser, aber Émilie umrundete ihn und wisperte heiser, „Oh, Félixi … Was hast du jetzt wieder angestellt. Aber, dein Papi kann dich dieses Mal nicht mehr retten … Und, jetzt weiß auch jeder WARUM!“Schritt für Schritt trieb Émilie ihren Sohn in Richtung immer weiter des Abgrunds und lachte rau, als der junge Löwe schließlich rücklings den Halt verlor und abzurutschen drohte. Félix grub die Krallen nach Halt suchend in den harten Stein und versuchte verzweifelt mit den Hinterbeinen Halt zu finden, als nun ein weiterer, gleißender Blitz das vertrocknete Holz unter ihm entzündete. Die Bemühungen des jungen Löwen wurden hektischer, während Émilie ruhig hoch über ihm aufragte und nun nachdenklich den Kopf schief legte, „Wo hab ich das nur schon mal gesehen …?“ „Oh ja ...“, die Löwin lächelte kalt, als sie sich nun verschwörerisch zu ihrem hilflos zappelnden Sohn hinunterbeugte, „Oh ja, ich erinnere mich … Genauso sah dein Vater nämlich kurz vor seinem Tod aus ...“Félix keuchte, als Émilie nun ihre Krallen in seine Vorderpfoten schlug, „Mama ...“ „Ich verrate dir mein kleines Geheimnis.“, Émilie kicherte und in ihren Augen flackerte der Wahnsinn ebenso hell wie das tobende Feuer, das sich immer weiter ausbreitete, „Ich tötete Gabriel.“
Der Kreis ist vollendet
„NEIN!“, mit einem gewaltigen Sprung stürzte sich Félix auf seine Mutter und brachte sie mit einem wütenden Knurren unter sich, „Mörderin!“ „Félix … Félixi ...“, pure, nackte Angst schimmerte im panischen Blick der Löwin, „Bitte ...“ „Sag ihnen die Wahrheit!“, forderte Félix mit gepresster, nur noch mühsam gesenkt gehaltener Stimme, aber Émilie wehrte sich, „Wahrheit … Die Wahrheit liegt im Auge des Betra … Ugh ...“ Eine Pfote auf der Kehle seiner Mutter unterbrach sie und Félix' Augen funkelten fordernd, als er nun knurrte, „Die Wahrheit.“ „Na gut ...“, Émilie hustete, sprach dann aber so leise, dass sie kaum zu verstehen war, „Ich habe es getan.“ „Lauter!“, forderte Félix grollend und hob drohend die Pranke, „Sodass sie dich hören!“ „Ich ...“, nur äußerst widerwillig kam Émilie der Forderung ihres Sohnes nach, „ … tötete Gabriel ...“Chloés Brüllen durchbrach die Stille und löste die Starre, die auf den Tieren lag. Und während die Löwin sich auf Émilie stürzen wollte, griffen die Hyänen nun Félix an. Aber auch die Löwinnen schienen nun auch endlich ihre Seite gewählt zu haben und gingen auf die Hyänen los, dicht gefolgt von Alya und Nino, die sich ebenfalls ohne zu zögern auf die überraschten Aasfresser stürzten, „Platz da!“Félix wehrte sich gegen die wütenden, geifernden Hyänen, drohte dann aber doch zu Boden zu gehen, als eine weitere Hyäne ihm auf den Rücken sprang und nach seinem Hals schnappte. Der Löwe winselte schmerzerfüllt, aber aus den Augenwinkeln sah er einen dunklen Schatten und gleich darauf lag der Aasfresser leblos im Sand. „Du solltest besser aufpassen.“, Marinette zog in einer fast schon amüsierten Geste die Lefzen hoch, bevor sie mit einem weiteren Schlag ihrer Pranke die nächste Hyäne davon schleuderte und herausfordernd brüllte.„Hilfe!“, das Erdmännchen floh, dicht gefolgt von Audrey und den anderen beiden Hyänen in eine der zahlreichen Höhlen und sah sich dort im Halbdunkeln hektisch nach einem möglichen Versteck um. „Lass mich raus!“, die flehentlichen Rufe des noch immer eingesperrten Vogels wiesen Alya schließlich den Weg und atemlos schlüpfte er zwischen den Knochen des Brustkorbs hindurch in den improvisierten Käfig zu Luca, „Lass mich rein!“Die beiden unterschiedlichen Tiere drängten sich an die Rückwand des Käfigs, um den scharfen, zuschnappenden Zähnen der wütenden und sicher auch hungrigen Hyänen zu entgehen, „Fresst uns nicht! Wir schmecken nicht!“ „Pfoten weg!“, Nino massiger Schatten tauchte im hellen Oval des Höhleneingangs auf und das Warzenschwein scharrte ungeduldig und verärgert mit dem Huf,
als es nun angriffsbereit den Kopf senkte, „Sofort!“ „Hey ...“, Audrey hatte sich überrascht umgesehen und musterte Nino kurz verwirrt, „Wo kommt die Sau her?“„Redest du mit mir?“, Nino schnaubte und scharrte provozierend, während Alya nur beinahe mitleidig den Kopf schüttelte, „Oh oh … Er hat Sau gesagt!“ „Redest du mit mir?“, wiederholte das Warzenschwein und Alya schloss die Augen, während Luca verständnislos blinzelte, „Häh?“ „Das wirst du bereuen … Jetzt ist alles aus ...“, Alya wand sich ab, „Sie tun mir beinahe leid … Beinahe ...“ „Man nennt mich ...“, nach einem letzten Scharren stürzte Nino sich mit gesenktem Kopf auf die überraschten Hyänen, „WARZENSCHWEIN!“Feuer tobte um den Felsen herum, hatte sich das trockene Unterholz doch durch die mächtigen Blitzschläge entzündet. Rauch und Feuer erschwerte die Sicht und das Atmen, aber dennoch wurde scheinbar überall auf dem Königsfelsen gekämpft. Die Löwinnen schienen zwar langsam die Oberhand über die Aasfresser zu gewinnen, aber dennoch gab es bereits auf beiden Seiten viele Opfer zu beklagen. Tote Löwen und Hyänen säumten die Wege und die Verletzten winselten leise, als der Kampf zwischen Mutter und Sohn sich nun langsam immer weite gen Spitze des steilen Felsen zu verlagern schien.Der wütende Félix drängte seine Mutter immer weiter zum Rand und als ihre Hinterpfote abzurutschen drohte, warf die Löwin einen panischen Blick den steilen Abgrund hinunter. Brüllend brach der junge Löwe durch die züngelnden Flammen und schritt langsam auf seine erschrockene Mutter zu, „Mörderin.“ „Félix … Félixi ...“, Émilie sah sich hastig nach einem möglichen Ausweg um, senkte aber den Kopf, als sie die momentane Aussichtslosigkeit ihrer Lage erkannte, „Bitte … Bitte … Habe doch Erbarmen. Ich flehe dich an …“„Du verdienst es nicht am Leben zu bleiben!“, knurrte Félix unbeeindruckt und trat bedrohlich einen weiteren Schritt auf seine Mutter zu. „Aber, Félixi ...“, unsicher sah die Löwin sich noch einmal um und senkte dann verschwörerisch die Stimme, „Ich bin doch deine Mutter … Ich liebe dich! Félix, die wahren Feinde … dass sind die Hyänen! Es ist alles ihre Schuld! Es war alles ihre Idee!“Die lauschenden Hyänen wichen knurrend in die Schatten zurück.„Warum sollte ich dir glauben?“, knurrte Félix angespannt, „Du hast mir mein ganzes Leben lang doch immer nur Lügen erzählt!“ „Was hast du denn jetzt vor?“, Émilie senkte unterwürfig den Kopf, „Du wirst doch deine eigene Mutter nicht töten?“ „Nein ...“, der junge Löwe schüttelte sanft den Kopf, „Ich bin nicht wie du … Außerdem kann ich das Adrien nicht antun …“ „Oh, Félix … danke schön.“, Émilie atmete erleichtert auf, „Du bist zu gütig … Ich mach es wieder gut … Ich verspreche es … Sag mir … äh … wie ich es dir beweisen soll? Sag es mir, ich tu alles ...“ „Lauf weg.“, Félix senkte die Stimme, bis zu einem heiseren Knurren und die filz grauen Augen funkelten dunkel, „Lauf weg … Und komm nie mehr zurück.“ „Natürlich … Wie Ihr wünscht ...“, aus den Augenwinkeln hatte die Löwin noch glimmende Asche entdeckt und schlug nun das schwelende Feuer in die Richtung ihres Sohnes, „ … Eure Majestät!“Félix brüllte vor Schmerzen, nicht nur von der heißen Glut, sondern auch von Émilies heimtückischen Angriff, der ihn zu Boden zwang. Blindlings schlug Félix um sich und dieses Mal war es seine Mutter, die schmerzerfüllt aufschrie, als die Krallen ihr Ziel fanden. Félix humpelte, aber sichtlich eine Pfote schonend davon und versuchte etwas Abstand zwischen sich und die Löwin zu bringen. „Félixi … Wo bist du? Félixilein … Wo bist du?“, höhnte Émilie, bevor sie durch eine Feuerwand sprang und sich ein weiteres Mal auf ihren Sohn stürzen wollte. Irgendwie gelang es dem Jüngeren aber doch noch blindlings auszuweichen, sodass seine Mutter, von ihrem eigenen Schwung getragen, über den Rand des Königsfelsen stürzte.„Ah...“, humpelnd kam Émilie nach ihrem Sturz und der harten Landung in einigen glimmenden Büschen wieder auf die Beine und musterte mit sichtbarer Erleichterung das Herannahen der Hyänen, „Meine Freunde ...“ „Freu … heun … de?“, Audrey leckte sich über die Lefzen und legte den Kopf schief, „Hat er nicht eben noch gesagt, wir wären die Feinde?“ „So hab ich es auch verstanden.“, nickte Nathalie, trat nun knurrend an Audreys Seite und wand sich mit einem fragenden Blick an Lila, die aber nur bösartig lachte. „Nicht doch … La … Lasst mich erklären!“, Émilie sah sich nervös nach einem möglichen Fluchtweg um, „Nein … Ihr versteht das falsch … Nein, ich meinte doch nicht … Nein … Nein … Ich hab doch nicht ...“Geifernd und sabbernd stürzten sich die Hyänen auf die Löwin. Émilies schmerzerfüllte Schreie hallten durch die finstere Nacht, als die Aasfresser ihre Beute verschlangen. Ein letztes Donnern vermischte sich mit ihrem letzten Aufschrei und prasselnde Regentropfen wuschen das Blut davon
und löschten die hungrigen Feuer.Müde schloss Félix die Augen, bevor er Chloé, die sofort an seine Seite eilte und ihre Schnauze sanft gegen seine rieb, merklich erleichtert begrüßte, „Bist du in Ordnung, Chloé?“ Die Löwin nickte lächelnd und schloss zufrieden die Augen, als Félix über ihre Schnauze leckte, „Und …?“ „Félix.“, der dunkle Schatten der heiligen Löwin zeichnete sich scharf vor der letzten Glut ab und seine blauen Augen funkelten in dem Regensturm, als er das Paar unterbrach, „Die Zeit ist gekommen.“Der junge Löwe nickte, aber sein Blick schien etwas zu suchen und schließlich wand er sich stirnrunzelnd an Marinette, die an die Seite ihrer Mutter humpelte, „Wo ist Adrien? Er sollte an meiner Seite sein ...“ „Es tut mir leid.“, die Löwin senkte in einer traurigen Geste den Kopf und für einen kurzen Moment schien Félix wie erstarrt, dann sah er sich suchend um, als ob der die Wahrheit nicht glauben wollte und schüttelte störrisch den Kopf, „Nein … Das kann nicht sein!“ „Félix.“, Chloé, die ebenso entsetzt wie der ungekrönte König schien, fiepte sanft, um die Aufmerksamkeit von Félix auf sich zu ziehen, aber Félix schüttelte einfach den Kopf, „Das kann nicht sein … Adrien ...“ „Es ist so.“, Marinette sah wieder auf und stupste den zukünftigen König an, „Er ist bestimmt sehr stolz auf dich ...“ Es blitzte in den grünen Augen, als die Trauer nun von Ärger und Wut ersetzt wurde, aber dennoch senkte Félix seufzend den Kopf, „Es tut mir leid, Ren ...“Das stetige Prasseln des Regens verstummte abrupt. Die dunklen Wolken brachen lautlos auf und enthüllten die lang vermissten, funkelnde Sterne hoch oben am Himmel, als Félix nun langsam den steilen Pfad hinaufstieg. Kurz verharrte der junge König noch einmal am Anfang der königlichen Felsnadel und schien plötzlich zu zögern den letzten Schritt zu machen. Er warf noch einen letzten, fragenden Blick zurück zu den anderen, bevor er dann doch hoheitsvoll bis an den Rand des Vorsprungs, der weit über das regennasse Land ragte, hinaustrat.
Félix' Brüllen hallte über das Land.
Verheißungsvoll.
Fordernd.
Rufend.
Aber auch verkündend.
Der König war zurückgekehrt.
Es war früh am Morgen und die Sonne stand noch tief über der roten, verdorrten Savanne. Aber, die wenigen vertrockneten Sträucher und verkrüppelten Bäumen warfen bereits harte Schatten in den Sand. Die gehörnten Köpfe der friedlich grasenden Kuhantilopen hoben sich und ihre großen Ohren spielten nervös. Unruhe erfasste schließlich die ganze Herde, die unruhig mit den Hufen, zu scharren begann, als plötzlich ein lautes Donnern über die flache, kaum mehr bewachsene Ebene zu rollen schien. Am Horizont erschien eine riesige grau braune Staubwolke und die kleinen Steinchen begannen über den Boden, der nun förmlich zu beben schien, zu tanzen als die zahlreichen Herden nun herangaloppierten. Ihr Ziel schien der einzige Berg, ein hoher, spitz aufragender Felsen, der majestätisch gegen den noch dunklen, beinahe nachtschwarzen Himmel aufragte, zu sein.Hoch oben auf dem Felsen wartete ein einzelner Löwe, dessen beinahe weiße Mähne von der sanften Morgenbrise zerzaust wurde. Hoheitsvoll blickte die große Raubkatze ihren herannahenden Untertanen entgegen, schlug aber dennoch unruhig mit dem Schwanz. „Nervös, Gabriel?“, eine dunkle, beinahe schwarzer Artgenossin näherte sich dem weißen Löwen, den Kopf leicht schief gelegt und lächelnd, „Oder muss ich mich etwa vor Euch verbeugen, Hoheit?“ „Ach Sabine.“, Gabriel wirkte wirklich erleichtert sie zu sehen, der König legte ihr begrüßend eine Pfote auf den Rücken und rieb seine Schnauze gegen die der dunklen Löwin, „Eure Heiligkeit.“ „So förmlich heute … Aber, es ist ja auch ein besonderer Anlass für unser Treffen.“, Sabines blaue Augen funkelten amüsiert, als die dunkle Löwin sich nun suchend umsah, „ Wo sind die beiden denn?“ „Bei Émilie.“, Gabriels langer Schwanz schlug wieder nervös, als er mit der leicht ergrauten Schnauze in Richtung der Höhlen deutete, „Sie wollte sie noch einmal … baden.“ „Hast du dich schon entschieden?“, Sabine streckte sich genüsslich in den ersten Sonnenstrahlen des Morgens, ließ den König aber dennoch nicht aus den Augen, als dieser nun seufzend den Kopf schüttelte, „Nein … Ich hatte gehofft, dass du …?“„Gabriel.“, Émilie, eine sandfarbene, schlanke Löwin mit warmen, blauen Augen näherte sich und neigte, als sie heran war, respektvoll den Kopf, vor der schwarzen Löwin, „Eure Heiligkeit.“ „Émilie.“, Gabriel schnurrte beinahe, als er seine Gemahlin begrüßte, während Sabine nur leicht den Kopf neigte und die Königin, höflich, wenn auch etwas reservierter begrüßte, „Émilie.“ „Ich wollte Sabine gerade bitten, sich Félix und Adrien anzusehen. Wir müssen uns bei der Entscheidung sicher sein.“, es war keine Bitte, sondern ein königlicher Befehl und so neigte die Löwin nur im wortlosen Einverständnis den Kopf, bevor sie die dunkle Löwin in die privaten Höhlen begleitete.Sabines Augen brauchten einen Moment, bis sie sich an das herrschende Zwielicht gewöhnt hatten. Aber dennoch folgte sie der Löwin in den dunklen Schlund der tiefen Höhle, bis sie plötzlich vor einer kleinen Nische in der grauen Felswand stehen blieb. Auf ihr aufforderndes Räuspern trat Émilie widerwillig zur Seite und gab mit sichtlichem Mutterstolz nur zögerlich den Blick auf zwei kleine Löwenbabies frei. Einer der kleinen Löwen war bereits wach, die großen, graugrünlichen Augen schimmerten im wenigen Licht und er gab nun einen klagenden Laut von sich, der nun aber auch das zweite Löwenjunge aufzuwecken schien.Das zweite Löwenjunge öffnete verschlafen die Augen, blinzelte kurz und betrachtete dann seine Mutter, bevor sich der Blick dann erstaunlich sicher auf Sabine legte. Die dunkle Löwin holte tief Atem, als sie das irisierende Schwarz sah, als eie sr aber seinen Kopf senkte, um die Jungen genauer zu betrachten, kam nur der andere kleine Löwe näher und schlug verspielt nach ihrer dunklen Schnauze. „Félix.“, Émilie klang tadelnd und biss vorsichtig in das Nackenfell ihres Sohnes, um ihn in sicherer Entfernung zu Sabine abzusetzen, „Du weißt, dass du vorsichtig mit Adrien sein sollst ...“Die dunkle Löwin runzelte erst die Stirn, als sie aber bemerkte, dass der zweite kleine Löwe nur unsicher wieder auf die Beine kam und etwas hilflos wirkte, sah sie fragend zu der anderen Löwin. „Adrien ist blind.“, gestand sie schließlich warnend knurrend und drängte sich gleichzeitig beschützend zwischen Sabine und das schwarzäugige Löwenbaby, „Wehe, wenn du Gabriel ...“ „So so ...“, Sabine leckte sich nachdenklich über die dunklen Lefzen und schüttelte dann den Kopf, „Dann ist die Entscheidung wohl doch nicht so schwer ...“ Die Löwin wirkte für einen Moment reichlich unwillig, senkte dann aber doch den Kopf, obwohl sie den zweiten Welpen auch weiterhin verteidigte, „So ist es wohl, aber auch Adrien ...“ „ … hat seinen eigenen Weg. Er ist bereits deutlich vorgezeichnet ...“, die schwarze Löwe betrachtete das junge Tier, dessen blinde Augen im Halbdunkel schimmerten, „Er wird aber niemals König sein.“ Für einen kurzen Moment, nur einen Augenblick wirkte Émilie verärgert, geradezu empört, dann aber schien sie sich wieder zu fassen
und neigte schließlich doch wieder respektvoll den Kopf vor der Weisen, „Wie Ihr meint, Eure Heiligkeit.“Der große, rotglühende Feuerball der Sonne schob sich träge endgültig über den Horizont und lange, blutrote Strahlen, die sich langsam golden färbten, tauchten das geweihte Land in helles Licht. Die zahllosen Tiere verharrten atemlos und sahen hinauf zum riesigen Königsfelsen, wo sich die schattenhaften Gestalten der Löwen vor dem, sich blau färbenden Himmel abzeichneten.Mit ihrer großen Pranke zerbrach die schwarze Löwin einen gelblichen Flaschenkürbis und tauchte die Pfote dann tief in das weiche, saftige Innere der Frucht. Erwartungsvoll sah Sabine zu dem dunklen Höhleneingang, von dem sich gerade Émilie, eines ihrer Jungtiere am Nackenfell haltend, heran schritt. Die Löwin setzte das fragend fiepende Löwenbaby sanft vor Sabine auf den steinigen Boden, bevor sie dann zurücktrat und dann etwas argwöhnisch von der Seite ihres Gemahls aus das weitere Vorgehen, als die heilige Löwin den kleinen Löwen an der Stirn berührte, beobachtete.Sabine legte die große Pfote sanft auf die Stirn des kleinen Löwenjungens und lächelte, als es die Augen öffnete. Ein fragender Ausdruck, dennoch leicht verschlafen wirkender Ausdruck lag auf dem Gesicht des kleinen Löwens, der nun müde gähnte.Ein Pfotenabdruck auf der kleinen Stirn.Das Zeichen des Prinzen.Des zukünftigen Königs.Mit einem letzten Blick auf die angespannten Eltern des kleinen Löwen, packte sie es behutsam am Nackenfell. Das Königspaar flankierte die schwarze Löwin, als diese nun mit wiegenden Schritten an den Rand des Felsen und auf einen Vorsprung, der weit hinausragte trat. Ein einzelner, einsamer Sonnenstrahl hatte den Stein erwärmt und badete nun den kleinen Löwen, den Sabine der wartenden Menge nun präsentierte, in goldenem Licht. Ein leises Raunen ging durch die Menge, bevor die Tiere wie auf ein geheimes Zeichen in die Knie sanken.
Der Morgenreport
Eine kleine, spitze Schnauze wurde witternd aus einer Felsspalte gesteckt und erst, als keine Gefahr zu drohen schien, schlüpfte die Maus hinaus. Aufrecht sitzend sah das kleine Tier sich um, leckte sich dann über die Pfoten und begann sich, als sie sich sicher war, dass keine unmittelbare Gefahr zu drohen schien, vorsichtig zu putzen.Plötzlich verharrte sie und die großen Ohren zuckten, aber gerade als sie fliehen wollte, legte sich eine große Pfote auf ihren Schwanz. „Das Leben ist so ungerecht ...“, Émilie betrachtete das zappelnde Mäuschen und bleckte die Zähne, „Ja, zu mir auch … Mein kleiner Sohn wird niemals König werden … Félix … der Sohn meiner Schwester wird es werden … Das ist so … ungerecht … Und du ...“ Sie ließ die kleine Maus kurz entkommen, nur um sie mit einem müden Schlag ihrer Pfote wieder einzufangen und hielt sie sich nun am Schwanz vor das Maul, „ … du wirst das Sonnenlicht nie mehr wieder sehen … Au revoir ...“„Hat deine Mutter dir nicht beigebracht, dass man mit dem Essen nicht spielt?“, ein bunter Vogel mit großem, gebogenem Schnabel erschien im Eingang und musterte die Löwin streng. „Was willst du hier, Couffaine?“, mit gerümpfter Nase betrachtete sie den Vogel und hielt das Mäuschen nun zwischen ihren Vorderpfoten gefangen, „Schon genug gefeiert?“ „Ich soll ankündigen, dass der König auf dem Weg hierher ist.“, der blau weiße Vogel verbeugte sich vor der gelangweilt wirkenden Königin, die eher an ihrer Beute, die es nun geschafft hatte zu entkommen und gerade in ihrem sicheren Loch verschwunden war, interessiert zu sein schien, „Ach schäm dich, Luca … Du hast mir da Mittagessen verdorben!“„Der König ist sehr betrübt, dass ...“, Luca klappte den Schnabel hörbar zu und spreizte die Federn, „ … du der Feier fern geblieben bist.“ „Oh, ich zittere schon ...“, die Löwin erhob sich und streckte sich träge, bevor sie ihren hungrigen Blick schließlich auf den Vogel richtete, „Es ist Mittag und ... ich habe Hunger ...“ „Oh nein!“, Luca wich vor der knurrenden Löwin zurück, aber Émilie stellte ihn verspielt und knurrte.„Émilie!“, der dunkle Schatten des Königs blockierte das Licht des späten Tages und mit einem Seufzen ließ die Löwin von ihrer Beute ab, „Du gönnst mir aber auch gar nichts, Gabriel ...“ „Wo warst du?“, Gabriel trat an die Seite der Löwin und begrüßte sie liebevoll, „Die Feierlichkeiten ...“ „Oh, weißt du, ich hatte solche Kopfschmerzen ...“, die Löwin legte den Kopf schief und schüttelte sich, „Und Adrien ...“ „Adrien hat geschlafen, genauso wie Félix.“, erinnerte Gabriel sie, aber Émilie
schnaubte nur, „Was für ein Wunder, dass dein kleiner Prinz bei dem schrecklichen Lärm überhaupt schlafen konnte ...“ „Er ist auch dein Sohn … und unser Prinz … ebenso wie Adrien ...“, Gabriel seufzte und leckte seiner Gemahlin liebevoll und beruhigend über die hellen Lefzen, „Aber, Félix ist der zukünftiger König ...“„Zukünftiger König … Aber, er ist nur der Sohn meiner Schwester … Adrien ist ...“, widersprach sie ihm, aber der große Löwe schüttelte nur sanft den Kopf, „Sabine hat entschieden ...“ „Sabine.“, sie stieß den Namen frustriert hervor und ihre Krallen kratzten in einer genervten Geste über den harten Stein, „Was weiß die denn schon!“ „Émilie.“, Gabriel stieß sie sanft mit der Schnauze an und lächelte liebevoll, „Sie weiß, was er tut. Wir müssen ihr vertrauen ...“ „Ich hoffe, du entschuldigst mich?“, die Löwin grollte und trat an Gabriel und Luca vorbei in die Helligkeit des Tages, „Ich muss meinen Hofknicks üben … und, dein Prinz hat sicher Hunger … vielleicht bleibt ja auch noch was für Adrien über … Du erinnerst dich? Dein wirklicher Sohn?“„Was soll ich bloß mit ihr machen ...“, Gabriel schüttelte schwer den Kopf, während Luca neben ihm her flatterte, „Sie scheint sich nicht zu freuen ...“ „Vielleicht hat sie ihre Tage?“, schlug der Vogel vor und flog eine elegante Schleife um den schnaubenden Löwen, „Lass sie das nicht hören … sonst frisst sie dich.“„PAPA!“, ein kleiner Löwe rannte den steilen Weg von der Spitze des Königsfelsen hinab, schlitterte ein Stück und rutschte dann über den herabgerutschten Schotter, bis er endlich vor einem dunklen Höhleneingang zum Stehen kam, „PAPA!“ Der junge Löwe sprang furchtlos in die Finsternis der Höhle und machte sich wenig Mühe den schlafenden Familienmitgliedern auszuweichen, „Tschuldigung!“ „PAPA!“, schlitternd kam er vor dem breiten Vorsprung, auf dem seine Eltern und auch sein Bruder schliefen, zum Stehen, „Papa!“Als Gabriel nicht reagierte, sprang das Löwenjunge auf den Vorsprung, schlich sich an seiner schlafenden Mutter vorbei und stupste seinen Vater an, „PAPA! Wir müssen los! Komm!“ Das Jungtier schnappte verspielt nach Gabriels Ohr und zerrte daran, „PAPA!“ „Gabriel ...“, murmelte Émilie verschlafen und leckte verschlafen über den Rücken des zweiten Jungtiers, das zwischen ihren Pfoten schlief, „Dein Sohn ist wach ...“ „Vor Sonnenaufgang ist er dein Sohn ...“, murmelte Gabriel verschlafen und zuckte zusammen, als das Jungtier ihn nun in den Schwanz biss, „Aua ...“„Du hast es mir versprochen!“, das Jungtier schmollte und sein Schwanz schlug unruhig hin und her, „PAPA!“ „Schon gut ...“, Gabriel erhob sich und streckte sich müde, aber bevor er seinem Sohn, der bereits vom Plateau gesprungen war, folgte, sah er fragend zu seinem anderen Sohn, „Willst du auch mitkommen, Adrien?“ Der kleine Löwe befreite sich vorsichtig aus der Sicherheit zwischen den Pfoten seiner Mutter und blinzelte kurz, bevor er dann nickte, „Ja!“ „Na, denn komm ...“, Gabriel wartete, bis sein Sohn zu ihm aufgeschlossen hatte, aber plötzlich schob sich der schlanke Körper der Löwin dazwischen, „Nein … Es ist viel zu gefährlich.“ „Wir gehen doch nur auf die Spitze des Felsen.“, wand Gabriel ein, aber der Blick der Löwin war unnachgiebig, als sie nun warnend die Zähne bleckte, „Ich habe nein gesagt!“ „Émilie ...“, fing der Löwe an, aber Félix' aufgeregte, kindliche Stimme unterbrach ihn, „PAPA! KOMM SCHON! SONST VERPASSEN WIR ES!“„Die Herrschaft eines Königs geht auf und unter wie die Sonne.“, die beiden Löwen standen Seite an Seite auf dem höchsten Plateau des Königsfelsen und warteten auf den nahen Sonnenaufgang, „Eines Tages, Félix, geht die Sonne meiner Herrschaft auch unter und geht dann mit dir als neuer König wieder auf.“ Der kleine Löwe starrte auf das, noch dämmrige Land, das sich weit vor ihm erstreckte, „Und, dann gehört das alles uns? Mir und Adrien?“ „Es gehört alles dir.“, nickte der König und spitzte die Ohren, als die Sonne nun endgültig aufging und das Reich der Löwen in goldenes Licht tauchte, „Alles, was das Licht berührt ...“„Alles ...“, Félix leckte sich über die Schnauze und sah sich wie verzaubert um. Als er dann aber eine dunklen, zerklüfteten Canyon, weit im Norden entdeckte, runzelte er die Stirn, „Was ist mit dem schattigen Land dort drüben?“ „Das liegt jenseits unserer Grenzen.“, Gabriels Stimme nahm nun einen mahnenden Tonfall an, „Du … Nein, ihr beide dürft niemals dorthin gehen ...“ „Warum?“, Félix sah seinen Vater aus großen Augen an, „Ich dachte, ein König macht was er will?“ „Oh, es gehört mehr dazu König zu sein, als nur seinen Willen durchzusetzen.“, der ergraute König wand sich nun ab und machte sich an den Abstieg, woraufhin Félix mit weiten Sprüngen zu ihm aufholen musste und etwas außer Atem war, „Noch mehr?“ Sein Vater lächelte versonnen, „Alles, was du siehst, lebt in einem empfindlichen Gleichgewicht zusammen. Als König musst du ein Gespür dafür haben und alle Geschöpfe respektieren … von der winzigen Ameise, bis hin zur graziösen Antilope
...“ „Aber ...“, Félix unterbrach seinen Vater, „ … wir fressen die Antilopen doch!“ „Sicher, Félix. Aber, lass mich erklären … Wenn wir sterben, werden unsere Körper zu Gras. Und die Antilopen fressen das Gras … Und somit sind wir alle Eins. Im ewigen Kreislauf des Lebens.“, erklärte Gabriel, wurde dann aber abgelenkt, als der bunte Vogel Gabriel nun neben ihm auf einem Stein landete, „Guten Morgen, Hoheiten.“„Guten Morgen, Luca.“, der Löwe senkte grüßend den Kopf, aber Félix war wenig an dem Vogel interessiert, sondern folgte neugierig einem großen Grashüpfer, „Was gibt es?“ „Ich melde mich zum morgendlichen Rapport.“, der Vogel flatterte mit den Flügeln und spreizte die Federn, als der Löwe nun wieder nickte, „Nun denn los.“ „Nun, man munkelt, die Schnecken seien mal wieder völlig aus dem Häuschen ...“, der bunte Vogel redete einfach weiter, ohne zu merken, dass Gabriel ihm nun auch keine wirkliche Aufmerksamkeit mehr schenkte, „Und die Giraffen sind hochnäsig wie immer … Nein und die Fliegen, die regen sich wieder auf ...“„Was machst du, Félix?“, wisperte Gabriel verstohlen zu seinem Sohn, dem gerade der Grashüpfer entkommen war. „Anschleichen.“, Félix klang merklich enttäuscht, aber Gabriels Augen funkelten, „Lass dir von einem alten Profi zeigen, wie das geht ...“ Der König richtete seine Aufmerksamkeit nun wieder auf den Vogel, der noch immer den morgendlichen Bericht herunter ratterte, „Luca, bitte dreh dich um.“ „Jawohl, Hoheit.“, der Schnabel klapperte einmal verärgert, dann fuhr er fort, als hätte es niemals eine Unterbrechung gegeben, „ … die Insekten meinen, sie könnten aus einer Mücke einen Elefanten machen … Die Leoparden haben Liebeskummer, aber wie sage ich doch immer ...“ „Nahe am Boden bleiben.“, flüsterte Gabriel zu seinem Sohn und demonstrierte die richtige Haltung. „ … Leoparden küsst man nicht ...“, ging der Bericht weiter, während Félix eifrig nickte und sich bemühte die Haltung seines Vaters nachzuahmen, „Ja genau … Nahe am Boden bleiben. Ja, klar!“Ein verräterischer Laut ließ den Vogel plötzlich innehalten und er drehte sich mit flatternden Flügeln zu seinem König um, „Was geht hier vor?!?“ „Eine Anpirschübung.“, entgegnete Gabriel und der Vogel legte nachdenklich den Kopf schief, bevor er wieder einmal mit dem Schnabel klapperte und nickte, „Eine Anpirschübung … Wie schön ...“Plötzlich schien Luca zu begreifen und wollte gerade davonflattern, als ihn plötzlich ein Löwenjunges ansprang und von seinem Felsen riss. „Sehr gut, Félix.“, lobte sein Vater, während der Vogel einen verärgerten Laut von sich gab und Félix mit vor Stolz geschwellter Brust über seiner ersten Beute stand, „Morgen versuchen wir es denn mit deiner Mutter ...“Eine Taschenratte erschien plötzlich neben dem aufgeregt flatternden Vogel und salutierte respektvoll vor dem König, „Eure Majestät! Eine Meldung aus dem Untergrund!“ „So?“, die Aufmerksamkeit des Königs lag nun auf der Ratte, die schwer schluckte, „Hyänen! Im geweihten Land!“ „Luca! Bring Félix nach Hause!“, der Schwanz des Königs schlug unruhig und er brüllte ungeduldig, als ihm Félix vor die Pfoten sprang, „Ich will mitkommen, Papa!“ „Nein.“, der große Löwe sprang mit einem eleganten Satz über seinen kleinen Sohn, der bockig schnaubte, „Nie darf ich dahin, wo ich hinwill ...“ „Tröste dich, kleiner Prinz.“, Luca tätschelte das kleine Löwenjunge tröstend mit dem Flügel, „Eines Tages bist du auch mal König, dann darfst du diesen sabbernden, dreckigen und dummen Aasfressern von früh bis spät hinterherjagen ...“ „Und Adrien?“, Félix folgte dem Vogel langsam zurück zum Königsfelsen, „Kann der auch …?“ „Bestimmt ...“, stimmte Luca zu und scheuchte den kleinen Löwen nun eiliger vor sich her, „Wenn es ihm dann Spaß macht … Du kannst ihn ja gleich fragen, wenn wir Zuhause sind …"
Ich will jetzt gleich König sein!
Die Sonne strahlte vom makellos blauen Himmel und der graue Felsen schien in der unbarmherzigen Mittagshitze zu flirren. Über den Himmel zogen vereinzelte Vögel mit trägen Flügelschlag, aber keiner der Löwen schien willig in der Hitze auch nur den Kopf zu heben. Émilie lag im Halbschatten einer Felszunge, die grünen Augen waren halb geschlossen und ihr Schwanz schlug verschlafen hin und her, als plötzlich Félix angelaufen kam, „MAMA! MAMA! Weißt du was?“ „Ich weiß ...“, mit einem Grollen hob die Löwin den Kopf und musterte den Sohn ihrer Schwester finster, „ … dass ich Ratespiele verabscheue.“ „Ich werde mal König vom Geweihten Land!“, der kleine Löwe reckte sich stolz, aber seine Mutter rümpfte nur die Nase, bevor sie sarkastisch entgegnete, „Ui, toll.“ „Papa hat mir eben das ganze Königreich gezeigt!“, Félix war dem Sarkasmus gegenüber noch blind und strahlte vor kindlichem Stolz, „Eines Tages herrsche ich üüüüber alles!“ „Toll.“, Émilie schloss wieder die Augen, „Aber, vergib mir, wenn ich nicht vor Freude in die Luft springe … Ich hab's im Kreuz, weißt du.“
„Mama ...“, Félix schlüpfte unter die Pfoten seiner Mutter und sah sie von unten an, „Wenn ich König bin … was ist denn Adrien?“ „Dein böser Bruder?“, schlug die Löwin dunkel lachend vor, aber Félix grinste nur, „Du bist lustig, Mama!“ „Ja ja ...“, die Löwin leckte Félix über den Kopf, „Dein Vater hat dir das ganze Reich gezeigt?“ „Jeden Winkel!“, der kleine Löwe nickte eifrig, woraufhin Émilie sich nachdenklich über die hellen Lefzen leckte, „Aber bestimmt nicht die nördliche Grenze und was sich hinter den Hügeln verbirgt ...“ „Nein.“, Félix wirkte enttäuscht, „Er hat es mir verboten.“ „Und damit hat er auch vollkommen recht!“, seine Mutter nickte theatralisch, „Es ist viel zu gefährlich und nur die mutigsten Löwen wagen sich dahin!“„Ich bin auch mutig!“, begehrte der kleine Löwe auf und plusterte sich auf, „Was ist ...“ „So leid es mir tut, Lix, ich darf es dir einfach nicht verraten.“, mit gespielter Sorge schüttelte Émilie den Kopf, „Ich will nicht, dass wir etwas passiert … du bist doch der Große … der kleine Prinz … Dich müssen wir mit Samtpfötchen anfassen … Und, auf einem Elefantenfriedhof hat ein junger Prinz nichts zu suchen ...“ „Hubs.“, mit gespielter Überraschung schlug sie eine Pfote vor ihr Maul, während Félix' Augen nun strahlten, „Ein Elefanten … Cool!“ „Oh nein, ich Plappermaul.“, die Löwin schüttelte in gespielter Bestürzung den Kopf, „Aber, früher oder später hättest du ihn sowieso gefunden … Du bist doch soooo ein cleveres Bürschchen! Aber, eins musst du mir versprechen, Félix.“ Sie wartete, bis sie die volle Aufmerksamkeit ihres Sohnes hatte, bevor sie eindringlich weitersprach, „Das muss unser kleines Geheimnis bleiben, ja?“ Der kleine Löwe nickte eifrig, woraufhin Émilie zufrieden nickte, „So ein braver, kleiner Prinz … Und jetzt geh schon spielen … Und, vergiss nicht, das ist unser kleines Geheimnis! Papa muss es nicht wissen!“„Adrien!“, Félix rannte den steilen Weg hinunter, wo auf einem großen, sonnenbeschienen Plateau die anderen Löwinnen des Rudels vor sich hindösten, „Ren!“ „Félix!“, der kleine, blinde Löwe hatte zwischen den Pfoten einer ihrer Tanten seinen Mittagsschlaf gehalten und richtete sich nun müde auf, „Was ist?“ „Komm mit!“, Félix begrüßte seinen Bruder, indem er ihm über die Wange leckte und flüsterte dann verschwörerisch, „Ich weiß einen ganz tollen Ort!“„Jetzt?“, Adrien krauste die Nase, „Ich soll gleich baden.“ „Genau.“, Émilie kam nun heran geschlendert, trat an Félix vorbei und hob nun das jüngere Löwenjunges sanft am Nackenfell hoch, um es denn sicher zwischen ihren Pfoten zu platzieren, bevor sie das andere Löwenjunge dann reichlich kühl musterte, „Du bist auch dran, Félix.“ Während sie nun sanft und doch kraftvoll über Adriens helles Fell zu lecken begann, zog eine der Tanten den widerstrebenden Prinzen zu sich und leckte ihm sanft über den Kopf. „Nicht!“, Félix zappelte hilflos, „Du versaust mir meine Mähne!“ Die Tante lächelte nur wissend, während Émilie nur abweisend schnaubte und weiterhin konzentriert den blinden Löwen badete.„Genug!“, Félix gelang es sich endlich aus dem Griff der Tante zu befreien und schüttelte sich, „Ich bin sauber … Können wir nun gehen?“ „Wohin?“, Adrien bog genüsslich den Rücken durch, als seine Mutter nun das letzte Mal darüber leckte, „Wenn es blöd ist, bleib ich lieber hier!“ „Nein!“, das Strahlen kehrte in die grünen Augen des kleinen Prinzen zurück, als dieser nun unruhig hin und her zu trappeln begann, „Es ist wirklich total cool, Ren!“„Und ...“, erkundigte Émilie sich nun merklich besorgt, „ ...wo soll sich dieser coole Ort befinden?“ „Oh ...“, Félix zuckte zusammen und musterte seine Mutter etwas kleinlaut, wohl wissend dass sie Adrien bei etwas Gefährlichem niemals erlauben würde ihn zu begleiten, „ … unten am Wasserloch.“ „Am Wasserloch?“, Adrien bleckte irritiert die Zähne, „Wieso ist auf einmal das Wasserloch so cool?“ „Adrien ...“, Félix stieß seinen unwilligen Bruder mahnend mit der Schnauze an, „Das zeige ich dir, wenn wir da sind!“ „Oh!“, in den blinden, schwarzen Augen des anderen Löwenjungen funkelte es verständnisvoll, als er sich nun bettelnd an seine Mutter wand und schmeichelte, „Mama, bitte!“ „Hmmmm ...“, die Löwin betrachtete Félix misstrauisch, nickte aber schließlich, „Von mir aus … Wenn Luca euch begleitet ...“ „Luca?“, Félix ließ die Ohren hängen und auch Adrien seufzte nur genervt, „Bitte nicht, der.“ Aber, die Löwin war unerbittlich und rief nun nach dem Berater ihres Gemahls, „Luca! Begleite die Prinzen zum Wasserloch!“Adrien blieb immer wieder witternd stehen und jedes Mal hielt auch Félix inne und hielt sich an der Seite seines blinden Bruders, „Was ist?“ „Ich rieche etwas ...“, Adriens blinde Augen schienen das niedrige, bereits zertrampelte Gras abzusuchen und Félix, der die in einiger Entfernung grasenden Antilopen entdeckt hatte, nickte nur, „Antilopen. Weißt du, wenn wir sterben werden wir zu Gras und Antilopen fressen das Gras.“ „Cool.“, Adrien trabte, sich immer dicht neben seinem Bruder haltend, weiter und wisperte dann, „Wohin gehen wir nun wirklich?“ „Zu einem Elefantenfriedhof.“, gab Félix ebenso leise zurück und zischte warnend, als Adrien wiederum stehen blieb, „Cool!“
„Aber, wie werden wir nun Luca los?“, die beiden kleinen Löwen wechselten einen reichlich ratlosen Blick miteinander und stoben auseinander, als der Vogel plötzlich vor ihnen landete, „Ich habe gesehen, dass Chloé und Marinette am Wasserloch sind ...“ „Ihhh.“, die Brüder krausten skeptisch die Nasen, „Die zwei sind blöd.“ „Na na.“, Luca hüpfte von einem Bein aufs andere und klapperte mit dem Schnabel, „Ihr seid schließlich so gut wie verlobt …“„Verlobt?“, Félix schüttelte irritiert den Kopf, „Was ist das?“ „Eines Tages werdet ihr sie heiraten.“, erklärte Luca den Jungtieren, die daraufhin entsetzt wirkten, „Das geht doch nicht!“ „Oh doch.“, der Vogel wirkte nun reichlich selbstgefällig, aber Félix schüttelte nur den Kopf, „Ich kann Chloé nicht heiraten … Ich werde doch schon Adrien heiraten, wenn ich groß bin!“ „Das geht nicht.“, belehrte Luca sie und hüpfte zwischen den beiden Löwen hin und her, „Ihr seid schließlich Brüder … Aber, gut. Ich will euch den Spaß nicht verderben … Ihr habt eh keine Wahl, es ist von Generation zu Generation Tradition!“„Na ja, wenn ich erst mal König bin ...“, verkündete Félix selbstgefällig, „ … dann wird sie sofort abgeschafft!“ „Nicht, solange ich bei dir bin!“, der Vogel klapperte aufgeregt mit dem Schnabel, aber der Prinz zuckte nur mit den Schultern, „Dann bist du eben gefeuert.“ „Hm. Das würde dir wohl so passen ...“, Luca spreizte die Federn und tippte dem jungen Löwen auf die Nase, „ ...Aber, nur der König hat das Recht dazu!“ „Félix ist aber der zukünftige König!“, mischte sich nun auch Adrien an, woraufhin Félix eifrig nickte und den Vogel nun seinerseits mit der Pfote anstupste, „Also musst du alles tun, was ich dir sage!“„Ich muss gar nichts!“, Luca plusterte sich auf, „Und, wenn du dich weiter so benimmst, fürchte ich dass aus dir ein besonders bedauerlicher König werden wird!“ „Das sehe ich ganz anders!“, Félix tänzelte und drängte den Vogel nun gegen einen Baumstamm, „Als König wär ich superstark, ein wirklich hohes Tier!“ „Nun, als König wärst du noch recht kahl, die Haare fehlen dir!“, Luca lachte und zupfte ein Haar aus der noch nicht vorhandenen Mähne des kleinen Löwen und hielt es ihm grinsend entgegen. „Die lange Mähne ist ein Wunsch ...“, verkündete Félix und sprang in einen Busch, sodass es wirkte, als wären die rötlichen Blätter seine Mähne, „Bis dahin trag ich die Nase hoch und übe mein Gebrüll!“Erschrocken stolperte Luca in eine schlammige Pfütze und schüttelte angewidert die dreckigen Flügel, „Zum Imponieren bist du viel zu klein ...“ „Oh, ich will jetzt gleich König sein!“, forderte Félix, aber wieder trat Luca ihm in den Weg und hob mahnend einen Flügel, „Du hast noch einen langen Weg vor dir, kleiner Prinz … Wenn du jetzt denkst ...“ „Nie und nimmer 'Tut dies'!“, vollendete Félix den Satz genervt klingend, woraufhin der Vogel versuchte sich zu verteidigen, „Als ich das sagte ...“ „Nie und nimmer 'Tut das'!“. Fiel nun auch Adrien ein und schnitt dem aufgebrachten Vogel eine Grimasse, „Was ich meinte war ...“ „Nie und nimmer 'Hört auf!'“, unterbrach ihn nun wieder Félix und grinste seinen Bruder an, als Luca aufgeregt mit dem Schnabel klapperte, „Ihr scheint nicht zu begreifen, dass ...“ „Nie und nimmer 'Hört mal!'“, grinsten die Brüder und sprangen über den Vogel hinweg und rannten den Weg zum Wasserloch, „Na hört mal!“„Immer frei, in voller Fahrt!“, die beiden Löwenjungen sprangen verspielt, Félix hielt sich aber auch nun beschützend an der Seite des Jüngeren, während Luca merklich Mühe hatte ihnen zu folgen, „Das kommt überhaupt nicht in Frage!“ „Frei und nur auf unsere Art!“, grinsten die Brüder, als Luca nun zu ihnen aufgeholt hatte und nun vor ihnen herflog, „Ich glaube, ihr versteht mich nicht. Nun hört mir doch mal zu!“ „Wir brauchen keinen Rat von einem Schnabelmaul ...“, knurrte Félix und stellte sich beschützend vor Adrien, „Also lass es zu!“Beleidigt landete der Vogel auf einem Ast und plusterte sich verstimmt auf, „Wenn das Königshaus sich so entwickelt, will ich raus! Raus aus allem, raus aus Afrika … Ich wandere lieber aus!“ Aber die beiden Löwenkinder beachteten ihn nicht, sondern liefen weiter den staubigen Weg entlang, sodass er sich beeilen musste, um wieder zu ihnen aufzuschließen, „Euer Vater würde so was nie verzeihen!“ „Oh, ich will ...“, Félix drängte seinen Bruder sanft in das hohe Gras, wo sich die beiden jungen Löwen dann klein machten, „ … jetzt gleich König sein ...“„Félix?“, Luca kreiste über ihnen und Félix zischte warnend, als Adrien sich neben ihm bewegte, „Nicht … sonst sieht er uns ...“ Der blinde Löwe verharrte still und gemeinsam warteten die beiden Löwenjungen, bis der Schatten der Flügel verschwunden und die Rufe des Vogels leider geworden waren. Erst, als Adrien zustimmend nickte, schlichen die beiden Jungtiere durch das hohe Gras, weg vom Wasserloch und in Richtung der dunklen Grenzen ihrer Heimat.
der Elefantenfriedhof
„Fantastisch, es hat geklappt!“, Félix sprang seinen Bruder verspielt an und die beiden Löwen tollten gemeinsam durch das hohe Gras, „Weil ich ein Genie bin!“ „Hey!“, Adrien kam fauchend auf die Beine und schüttelte sich, „Ich war auch noch da!“ „Ja, aber ich war der Anführer!“, gab Félix überzeugt zurück und sprang seinen Bruder ein weiteres Mal an und brachte den Jüngeren beinahe problemlos unter sich, „Ich bin ja auch der zukünftige König!“Adrien schnaubte nur und bemühte sich nun seinem stärkeren Bruder zu entkommen. Félix knurrte verspielt, ließ aber etwas lockerer, sodass Adrien ihm entwischen konnte. Der kleine blinde Löwe schüttelte sich noch einmal, verharrte dann aber und witterte prüfend, „Was ist das?“ „Was?“, auch Félix hielt inne und hob witternd den Kopf, „Ich rieche nichts ...“ „Doch, da ist was ...“, Adrien leckte sich über die Lefzen und ging unsicher einige Schritte in eine Richtung, bevor er wieder verharrte, „ … ich kenne es nicht ...“ „Adrien ...“, Félix folgte seinem Bruder neugierig, krauste dann aber doch die Nase, als er nun ebenfalls etwas zu wittern schien und legte seinen Kopf schief, „Ich rieche es auch … Dort entlang ...“„Ah!“, der Boden gab plötzlich unter den Löwenjungen nach und die beiden jungen Löwen stürzten den steilen Abhang hinunter. Félix landete mit einem schmerzhaften Stöhnen am Fuße des Abhangs, Adrien folgte ihm einige Sekunden später und beide jungen Löwen blieben dann kurz benommen liegen.„Wir sind da ...“, Félix hatte sich unter seinem Bruder hervor gearbeitet und sah sich nun mit großen Augen um, „Das ist der Elefantenfriedhof!“ „Echt?“, auch Adrien kam wieder auf die Pfoten und sah sich unsicher um, „Wie sieht es aus?“ „Gruselig ...“, versuchte Félix seinem blinden Bruder die Umgebung zu beschreiben, scharrte aber gleichzeitig bereits ungeduldig im harten, dunklen Sand, „Hier sind überall Knochen … Skelette von Elefanten ...“ „Das klingt gruselig.“, Adrien hielt sich eng bei seinem Bruder, „Wir könnten richtig Ärger bekommen ...“ „Ich weiß!“, Félix schien nicht im geringsten beunruhigt, sondern betrachtete einen der riesigen, skelettierten Elefantenschädel, „Ob wohl die Gehirne noch drin sind?“ „Félix ...“, Adrien wirkte nun wirklich verängstigt, aber sein Bruder lief nun auf den nächsten Schädel, „Komm schon, Ren! Stürzen wir uns ins Abenteuer!“„Falsch!“, beide Löwenjunge schraken zurück, als plötzlich Luca flatternd vor ihnen auftauchte und sich bemühte die beiden Kinder zurückzutreiben, „Ihr stürzt euch nur ins Verderben! Also, stürzt euch auf und davon!“ „Was machst du schon wieder hier?“, Félix knurrte unwillig, aber der Vogel ignorierte sein Verhalten, sondern schien sich fast schon ängstlich umzusehen, „Wir haben schon längst die Grenzen des Geweihten Landes überschritten ...“ „Bananenschnabel hat Angst!“, höhnte Félix, aber der Vogel plusterte sich nur auf und tippte dem Löwen auf die Nase, „Für dich heiße ich immer noch Baron Bananenschnabel, Kleiner. Und im Augenblick schweben wir alle in extrem großer Gefahr!“ „Gefahr?“, während Adrien sich nun doch etwas hinter dem Vogel hielt, betrachtete Félix den uralten Schädel vor sich, „Ich habe keine Angst vor Gefahr! Hörst du mich Gefahr? Ich lach dir ins Gesicht! Ha ha ha!“Gelächter drang, beinahe wie ein seltsames Echo aus dem knöchernen Schädel und erschrocken beeilte sich nun auch Félix, sich hinter dem Vogel zu verstecken, „Was?“ Drei Augenpaare glommen im Schatten auf und drei Hyänen sprangen aus dem Schädel. „Hmmmm ...“, die Hyäne mit dem blonden Haarschopf wand sich gackernd an einen ihrer Begleiter, „Nathalie, was haben wir denn da?“ „Ich weiß nicht Audrey...“, erwiderte die angesprochene Hyäne und schüttelte den Kopf, „Was meinst du, Lila?“ Die Hyäne mit den stechenden Augen gackerte nur, während sie zusammen mit ihren Artgenossen die ängstlichen Löwenkinder und den aufgeregten Vogel umkreisten. „Das habe ich auch gerade gedacht.“, Nathalie nickte und bleckte die Zähne, „Diese drei sind aber ziemlich dreist ...“„Aber, nur aus Versehen, das kann ich Ihnen versichern, Madame.“, Luca breitete die Flügel aus, um die Löwenkinder zu beschützen, „Ein kleiner Navigationsfehler ...“ „Moment ...“, Audrey leckte sich über die Lefzen, „Dich kenne ich doch … Du bist Gabriels kleiner Luftikus ...“ „Sie belieben wohl zu scherzen.“, der Vogel plusterte sich stolz auf, „Ich bin sein Haus- und Hofmeister!“ „Ah ...“, der Blick der Hyäne richtete sich nun auf die beiden Löwenkinder, „Dann seid ihr also ...“ „Der zukünftige König.“, Félix lugte an den, noch immer ausgebreiteten Flügeln des Vogels vorbei, während Adrien sich hinter ihm versteckte. „Und, was machen wir mit kleinen Königen ...“, der Kreis der Hyänen zog sich immer enger um die Löwen und den Vogel, aber es war Nathalie, die die Frage beendete, „ … die ihr Königreich verlassen haben?“ „Ihr könnt mir gar nichts!“, Félix drängte sich an Luca vorbei und knurrte, woraufhin der Vogel erbleichte, „Äh … theoretisch könnten sie schon … Wir sind ja auf ihrem Land ...“ „Aber, Luca ...“, mischte sich nun auch Adrien ein und trat an die Seite seines Bruders, „Du hast gesagt, sie wären nichts als sabbernde, dreckige, dumme
Aasfresser!“„Oh, meine Güte ...“, Luca versuchte die beiden Löwenjungen zurückzudrängen, „Seht nur, die Sonne … Es wird Zeit für uns zu gehen ...“ „So eilig?“, Nathalie trat ihnen in den Weg, „Wir würden uns tierisch freuen, wenn ihr zum Essen bleibt.“ „Ja!“, die zweite Hyäne, Audrey, kicherte, „Wir haben euch nämlich zum Fressen gern!“ „Nein, nein, nein … Warte.“, Nathalie leckte sich über die Lefzen, „Ich weiß auch noch einen … Wie wäre es mit Löwenmaulsalat? Gut was?“ Die zwei Hyänen lachten gackernd, aber Lila sprang schließlich hektisch gestikulierend und jaulend zwischen sie. „Was?“, knurrte Audrey, aber Nathalie, die in die richtige Richtung gesehen hatte, räusperte sich, „Wollten wir das Essen eigentlich roh?“ „Wieso?“, schnappte Audrey und Nathalie deutete knurrend in eine Richtung, „Weil es gerade durchbrennt!“Félix stieß Adrien vorwärts, immer darauf achtend, dass keine Hindernisse im Weg des blinden Löwen lagen, „Los … da vorne rechts … Noch vier Schritte!“ Adrien bemühte sich, zusätzlich angetrieben von Luca, der aufgeregt hinter den verängstigten Jungtieren her flatterte, „Schneller!“ Schnell hatten die Hyänen aber auch knurrend die Verfolgung aufgenommen und der, eh schon geringe Vorsprung der Löwenkinder schrumpfte zusehends immer weiter, sodass Luca plötzlich umdrehte und sich den drei Hyänen in den Weg stellte.„Haben wir sie abgehängt?“, Adrien kauerte schwer atmend versteckt hinter einigen verrotteten Knochen auf der Erde und zitterte. „Ich glaube schon, Félix spähte vorsichtig um die Ecke, bevor er dann zu seinem ängstlichen Bruder sah, „Ich glaube schon … Aber, wo ist Luca?“Der Vogel zappelte im Maul von Audrey, die ihn nun zu einem brodelnden, nach Schwefel stinkenden Krater trug. „So, mein kleines Hofmeistervögelchen ...“, Nathalie grinste und deutete auf den rauchenden Schlot, bevor sie der blonden Hyäne bedeutete, den Vogel in den Krater zu setzen, „Jetzt spielen wir 'Hoppe hoppe Reiter, wenn er kocht dann schreit er'!“ „Oh nein!“, Luca wand sich in dem festen Griff, erstarrte aber, als plötzlich Félix' Stimme erklang, „Hey! Warum sucht ihr euch nicht jemanden, der sich wehren kann?“„So wie ...“, die Anführerin der Hyänen grinste, „ … du?“ „Ups.“, Félix wich zurück, als die Hyäne ihn nun ansprang und stieß dabei gegen seinen Bruder, der ebenfalls zurückschreckte. Nathalies scharfe Zähne verfehlte die beiden Jungtiere dieses Mal nur knapp und erschrocken ergriffen Adrien, wiederum getrieben von Félix, die Flucht durch das undurchsichtige Labyrinth der Krater und der Schwefeldämpfe.„Buh!“, plötzlich, gerade als sich die Löwenkinder beinahe schon in Sicherheit wähnten, tauchten die drei Hyänen vor ihnen aus und schnitten lachend Grimassen. Félix stieß seinen Bruder an, lenkte ihn in Richtung des Schädels eines alten Elefantenbullen und trieb ihn dann die alten, brüchigen Knochen hinauf. Oben angekommen, verlor Adrien den Halt und rutschte mit einem erschrockenen Aufschrei die Wirbelsäulenknochen des zerfallenden Skeletts hinunter. Félix zögerte nicht, sondern folgte seinem Bruder und beide junge Löwen landeten in einem Berg von Knochen.„Félix!“, der panische Aufschrei seines Bruders schreckte Félix auf und als er sich umdrehte, musste er hilflos mitansehen, wie der blinde Löwe den Abhang weiter hinunter zu rutschen drohte, während die Hyänen nun langsam, beinahe gemächlich und sich ihrer Beute bereits sicher seiend, näher kamen. Der junge Löwe zögerte aber nicht, mutig sprang er den Abhang hinab und schlug seine Krallen in die Schnauze der geifernden Audrey, um die Hyänen abzulenken. In der Zwischenzeit war es auch dem blinden Löwenjungen gelungen, den Abhang zu erklimmen, aber noch immer verfolgten die Hyänen sie und trieben sie schließlich in einer dunklen Höhle in die Enge.„Miez, miez, miez, miez ...“, Nathalie betrat als Erste die Höhle und ihre Augen funkelten amüsiert, als Félix nun mutig vor seinen Bruder trat, „Ah, da sind die kleinen Miezen ...“ „Roar ...“, Félix versuchte zu brüllen, woraufhin die drei Hyänen kicherten, „Ooooh, war das niedlich … Mach es noch mal!“ Das Löwenjunge öffnete erneut sein Maul, aber anstatt des niedlichen, kindlichen Brüllens hallte plötzlich ein lautes Brüllen von den Wänden wieder.„Häh?“, die drei Hyänen wechselten einen verwirrten Blick, dann aber sprang die massige Gestalt Gabriels sie an und brachte sie unter sich. „Wir ergeben uns!“, fiepten die Aasfresser, aber der König brüllte wütend, „RUHE!“ „Wir bereuen es ja schon!“, winselte Audrey und Nathalie nickte eilig, „Wir werden es nie wieder tun ...“ „Wagt es nie wieder ...“, Gabriels Blick fixierte die Hyänen, „ … meinen Söhnen zu nahe zu kommen!“ „Deine Söhne?“, Audrey fiepte theatralisch, „Wir hatten ja keine Ahnung ...“ Gabriel brüllte noch einmal warnend, ließ die drei dann aber laufen, bevor er dann seufzte, „Félix ...“ „Papa ...“, der ältere der Bruder näherte sich ihrem Vater vorsichtig, „Ich ...“ „Du gehorchst mir nicht. Und das mit Absicht.“, der alte Löwe wog schwer den Kopf und
seufzte, „Und, du bringst auch noch Adrien in Gefahr ...“ „Es tut mir doch leid ...“, versuchte Félix sich zu entschuldigen und auch Adrien trat nun an die Seite seines Bruders, „Ich habe auch schuld ...“ „Gehen wir nach Hause.“, Gabriel warf einen letzten, wachsamen Blick auf die Umgebung, bevor er die Höhle verließ, „Sofort!“Luca, der anscheinend vor der Höhle auf sie gewartet zu haben schien, begrüßte die Brüder mit einem vernichtenden Blick. Aber die beiden Löwenjungen schienen den verärgerten Vogel kaum zu bemerken, hielten sie doch die Köpfe beschämt und traurig gesenkt. „Also, ich fand dich sehr mutig.“, wisperte Adrien fast lautlos zu seinem Bruder, der aber nur traurig seufzte.Hoch über ihnen auf einem Felsvorsprung stand Émilie. Die helle Löwin war vor dem gräulichen Hintergrund beinahe unsichtbar, sah aber der kleinen Kolonne wütend und entsetzt nach. „Verdammt ...“, knurrte sie und ihre Krallen gruben sich verärgert tief in den grauen Stein und sie schüttelte den Kopf, „Adrien hätte sterben können … Félix … Dieses verdammte Balg!“
Seid bereit!
Die letzten Strahlen der versinkenden Sonne tauchten die scheinbar endlose Savanne in warmes, goldenes Licht und die wenigen, knorrigen Bäume warfen dunkle Schatten auf das verdorrte Gras, das sich unter den großen Pfoten des königlichen Löwen bog. Luca flog, nun ungewohnt schweigsam, ein kleines Stück voraus, während die beiden kleinen Löwen ihrem Vater auch jetzt noch immer viel zu brav und mit gesenkten Köpfen folgten.„Luca.“, Gabriel war plötzlich am Fuße einer kleinen Anhöhe stehen geblieben und wand sich an den Vogel, der sofort vor dem König landete und sich tief vor ihm verbeugte, „Ja, Hoheit?“ „Bring Adrien nach Hause.“, der alte Löwe musterte seinen älteren Sohn, der sich fast ängstlich in das verbrannte Gras drückte, scharf und knurrte unwirsch, „Ich muss Félix eine Lektion erteilen ...“ „Na komm, Adrien.“, Luca flatterte nun zu den Kindern und legte Adrien sanft einen Flügel auf die Schulter, bevor er Félix dann knapp zunickte, „Viel Glück, Félix. Du wirst es brauchen.“ „Félix, ich ...“, der blinde Löwe zögerte, aber Félix schluckte nur und zwang sich zu einem Lächeln, selbst wenn Adrien es nicht sehen konnte und leckte seinem Bruder über die Nase, „Geh schon. Mama macht sich bestimmt schon Sorgen um dich ...“ „Ich hab dich lieb.“, Adrien rieb seinen Kopf liebevoll unter Félix' Kinn, bevor er dem bereits ungeduldig werdendem Vogel dann doch reichlich widerwillig folgte.Erst, als Luca und Adrien endlich außerhalb der Hörweite waren, seufzte Félix und schlich sich langsam an die Seite seines Vaters, „Papa ...“ „Félix.“, der alte Löwe vermied es immer noch seinen Sohn anzusehen, sondern betrachtete scheinbar interessiert sein Reich, das sich nun langsam in den Schatten der Nacht zu verlieren schien, „Komm her.“ „Ja.“, mit gesenktem Kopf setzte der kleine Löwe eine Pfote vor die andere und stolperte kurz, als er in eine Vertiefung im Boden trat. Félix sah überrascht nach unten und seufzte, als er die Vertiefung als riesigen Pfotenabdruck seines Vaters erkannte. „Félix ...“, die Stimme des alten Löwen war rau und die Augen dunkel vor Schmerz, „Du hast mich zutiefst enttäuscht.“„Ich weiß.“, der kleine Prinz senkte traurig den Kopf, „Papa, es tut ...“ „Du könntest tot sein … IHR hättet sterben können. Du gehorchst mir nicht und das mit Absicht. Und noch dazu hast du deinen Bruder in Gefahr gebracht ...“, unterbrach Gabriel ihn knurrend und unter seinem finsteren Blick schien das Jungtier noch kleiner zu werden. „Ich hätte Adrien beschützt … Ich wollte doch nur ein Abenteuer für Adrien ...“, Félix' Stimme klang klein und gepresst und er hatte auch hörbar mit den Tränen zu kämpfen, „Und mutig sein … so mutig sein wie du ...“ „Ich bin nur mutig, wenn ich es sein muss, Félix.“, der König schüttelte nun müde den Kopf und seufzte, „Um mutig zu sein, muss man sich nicht immer in Gefahr stürzen.“ „Aber ...“, Félix sah unsicher zu seinem Vater auf, „ … du hast nie vor etwas Angst!“„Heute hatte ich große Angst.“, gestand Gabriel schließlich ruhig ein und Félix' Blick weitete sich erst zweifelnd und dann aber auch voller Überraschung, „Ehrlich?“ „Ja.“, der König beugte sich zu seinem Sohn und senkte verschwörerisch die Stimme, „Ich hätte dich … Nein, ich hätte euch beide verlieren können ...“ „Oh.“, der kleine Löwe scharrte nun fast verlegen im Sand, bevor er es wagte den Blick zu seinem Vater zu heben, „Also, bekommen sogar Könige Angst?“ „Hm.“, Gabriel nickte und lächelte, als Félix verschwörerisch flüsterte, „Aber, weißt du was?“ „Was?“, flüsterte der ältere Löwe ebenso leise zurück. „Ich glaube diese Hyänen hatten noch viel mehr Angst.“, murmelte Félix, woraufhin sein Vater lachte und dem kleinen Löwen eine sanfte Kopfnuss verpasste, „Weil niemand sich mit deinem Papa anlegen will … Komm her!“ „Nein!“, Félix versuchte seinem Vater zu
entkommen und für einen Moment balgten Vater und Sohn verspielt miteinander.„Papa … Wir sind Kumpel, richtig?“, einige Minuten später lag Félix müde auf dem Kopf seines Vaters und der ältere Löwe brummte zufrieden, als er nun zustimmend nickte, „Hmm … Richtig.“ „Und ...“, der kleinere Löwe fiepte leise und vergrub seinen Kopf schüchtern in der dichten, gräulichen Mähne seines Vaters, bevor er dann doch weiter fragte, „Wir … du und ich und Adrien … Wir drei bleiben auch immer zusammen, richtig?“ Mit einem müden, fast gequälten Seufzen setzte der königliche Löwe sich nun auf und musterte seinen Sohn, „Félix … mein Vater hat mir etwas sehr Wichtiges anvertraut … Sieh einmal hoch zu den Sternen. Die großen Könige der Vergangenheit sehen von dort auf uns herab.“ „Wirklich?“, der kleine Löwe sah nun auch ehrfürchtig zum Himmel hoch, wo die silbrigen Sternen funkelten. „Ja. Und, wenn du dich einsam fühlst, den immer daran, dass diese Könige dir den Weg weisen werden ...“, die Stimme des älteren Löwen wurde leiser, bevor er sich dann räusperte und weitersprach, „Und, ich eines Tages auch.“„Oh man, dieser blöde Gabriel ...“, Audrey knurrte und versuchte über die tiefen, blutigen Kratzer an seiner Flanke zu lecken, „Ich werde wohl mindestens eine Woche nicht sitzen können!“ Lilas hysterisches Lachen hallte von den kahlen Wänden der Höhle wieder und die kichernde Hyäne wich eilig zurück, als Audrey wütend nach ihm schnappte, „Das ist nicht komisch! Das ist alles die Schuld von diesen blöden Löwen ...“ „Oh ja ...“, stimmte Nathalie zu und trat nun an die Seite der anderen Hyäne, „Wenn es diese blöden Löwen nicht gäbe, würden wir hier den Laden schmeißen ...“ „Ja, ich hasse Löwen.“, knurrte Audrey und kam nun wieder auf die Beine, „So protzig … und haarig ...“ „Und stinkig.“, stimmte Nathalie grinsend ein und fuhr nun ungerührt zusammen mit Audrey im Chor fort, während Lila dazu jaulte, „Und man sind die häääässlich!“„Also, ganz so schlimm sind wir Löwen auch nicht.“, mischte sich plötzlich eine weibliche Stimme süffisant klingend ein und die drei Hyänen witterten kurz, bevor Nathalie dann erleichtert schnaubte, „Oh … Émilie, du bist es nur.“ „Wir hatten schon Angst, es könnte jemand Wichtiges sein.“, setzte Audrey nach, „Gabriel zum Beispiel! Ich zittere schon, wenn ich seinen Namen höre ...“„Ich bin von Idioten umgeben.“, die Löwen schnaubte und schüttelte unwillig den Kopf, bevor sie sich dann elegant erhob , „Von Vollidioten.“ „Na ja, Émilie ...“, Audrey grinste gewinnend und betrachtete die Löwin, die auf einem Vorsprung saß, „Du bist eine von uns … ein Kumpel … eine Kumpeline … Nein, eine Schwester.“„Entzückend.“, stieß die Löwin reichlich angewidert hervor und krauste die Nase, während Audrey nun höhnte, „Ah, das gefällt mir. Sie ist zwar nicht Königin, sondern nur die Gemahlin des Königs … benimmt sich aber trotzdem soooo vornehm.“ „Ja.“, stimmte nun auch Nathalie zu und legte erwartungsvoll den Kopf schief, „Hey, Émilie! Hast du was zum Fressen dabei? Fressi, Fressi, Fressi?“ „Eigentlich habt ihr das gar nicht verdient.“, die Löwin hielt mit angeekelter Miene eine Zebrakeule hoch und rümpfte pikiert die Nase, als die Hyänen erwartungsvoll zu sabbern begannen, bevor sie die faulige Keule dann doch achtlos zwischen die Aasfresser fallen ließ, „Ich habe euch Félix praktisch zum Geschenk gemacht … Aber, ihr habt nicht mal ein wehrloses Löwenbaby beseitigen können!“„Weischt du ...“, entgegnete Nathalie mit vollem Mund, „Esch war ja nischt so, alsch ob er alleine da geweschen wäre … Wir wuschten doch gar nicht, welscher der kleinen Prinschen Félixch war ...“ „Mein Sohn … Adrien ist blind!“, fauchte die Löwin aufgebracht und ihr kurzes, sandfarbenes Fell sträubte sich vor Wut, „Ihr werdet doch wohl einen blinden Löwen von einem kleinen, verzogenen Balg unterscheiden können!“ „Außerdem kam Gabriel dazwischen ...“, versuchte Audrey weiterhin ihr Versagen zu erklären, „Was hätten wir denn tun sollen? Den König etwa töten?“„Erraten.“, die Löwin bleckte die Zähne und sprang nun elegant zu den noch immer verblüfften Hyänen hinab. Sie schritt hoheitsvoll vor ihnen auf und ab und musterte sie mit einem bedauernden Seufzen, „Ich weiß, die Beschränktheit der Hyänen ist bestimmt alles andere, als klein. Ich will nebenbei nur erwähnen, ich red nicht nur Löwenlatein …“ „Die stumpfen Visagen betonen, die oberen Etagen sind leer ...“, verärgert fauchend schlug die Löwin dem noch immer an den kläglichen Resten der Keule kauenden Lila die angefressene Beute weg und richtete ihre Aufmerksamkeit nun wieder auf die anderen Hyänen, „Ich rede von Königen, von Thronen und auch Unwissen schützt euch nicht mehr … Seid bereit für die Zeit eures Lebens. Seid bereit für den größten der Coups … Die goldene Ära ...“ Émilies Schwanz schlug unruhig hin und her und sie fauchte zufrieden, „Schleicht näher und näher ...“
„Und was springt für uns raus?“, unterbrach Audrey die Löwin nun aber doch neugierig, wich dann aber gleich wieder knurrend zurück, als Émilie nun in einer beinahe mütterlichen Geste ihre Wange tätschelte, „Ich lass euch schon nicht aus! Ihr dämlichen Viecher, der Lohn ist euch sicher an dem Tag, wenn das Recht triumphiert und mich endlich von der Knechtschaft befreit! Seid bereit!“„Bereit für was?“, Audrey legte fragend den Kopf schief, aber Émilie schnaubte nur belustigt, „Für den Tod des Königs.“ „Wieso? Ist er krank?“, mischte sich Lila fragend ein, sprang dann aber wieder hastig zurück, als die Löwin nun reichlich wütend nach ihr schlug und fauchte, „Wir bringen ihn um! Und Félix auch!“„Tolle Idee!“, Audrey wedelte begeistert mit dem Schwanz, „Wer braucht schon einen König?“ „Niemand, niemand ...“, stimmte Nathalie fröhlich ein und tänzelte aufgeregt hin und her, „Lalalalala!“ „Idioten!“, fauchte die Löwin und kratzte mit den Krallen unwirsch über den harten Stein, sodass die Hyänen bei dem Geräusch zusammenzuckten, „Es wird einen König geben!“ „Aber … du hast doch ...“, die Hyänen runzelten verwirrt die Stirn, während Émilie nur reichlich selbstzufrieden lächelte und sich über die Pfoten leckte, „Adrien wird König sein … und, solange mein Sohn noch zu jung für die schwere Last der Regierungsgeschäfte ist, werde ich die Bürde auf mich nehmen und an seiner statt regieren … Also, haltet zu uns und, ihr werdet nie wieder Hunger leiden!”
Lang lebe der König!
Die vorbeiziehenden Wolken warfen unstete Schatten über die sonnenverbrannte Landschaft und die langen Gräser wogten im warmen Wind, als Émilie und Félix nebeneinander in die tiefe Schlucht gingen. Die hoch aufragenden, steilen Wände sperrten die Sonne aus und zeigten nur einen schmalen Streifen des blauen Himmels hoch über den beiden Löwen.
„Du wartest hier.“, Émilie schubste das Löwenjunge sanft auf einen flachen Stein, neben einem kleinen, windschiefen Baum und leckte ihm sanft über den Kopf, „Dein Vater hat nämlich eine wundervolle Überraschung für dich.“ „Toll!“, Félix strahlte seine Mutter an, „Was ist es? Und warum durfte Adrien nicht mit?“ „Es ist eine Überraschung nur für dich.“, Émilie wirkte leicht ungeduldig und unwillig fuhr sie kurz die Krallen aus, „Wenn ich es dir sagen würde, wäre es ja keine Überraschung mehr, nicht wahr?“ „Aber ...“, Félix leckte sich nachdenklich über die Lefzen, „Ich kann ja so tun, als wäre ich überrascht.“ „Du bist so ein herrlich ungezogener Bengel.“, die Löwin knurrte, aber Félix nahm die Anspannung seiner Mutter gar nicht wahr, sondern legte nun bettelnd den Kopf schief, „Bitte, Mama … Bitte, bitte!“ „Nein, nein, nein, nein ...“, Émilie schüttelte den Kopf, „Das betrifft nur dich und deinen Papi.“ „Du weißt schon, so eine Vater-Sohn-Geschichte.“, die Löwin hatte kurz gezögert und die Nase gekraust, bevor sie dann weitergesprochen hatte, „Ich werde ihn jetzt holen ...“
„Ich komme mit!“, Félix sprang eifrig vom kleinen Stein, aber seine Mutter trat ihm leicht in den Weg, „NEIN!“ Die Löwin räusperte sich, gewann schnell ihre Fassung wieder und drängte ihren Sohn sanft zurück auf den Felsen, „Du bleibst besser hier auf den Felsen. Wir wollen doch nicht, dass dir so ein Malheur passiert, wie neulich bei den Hyänen ...“ „Oh … Hat Adrien …?“, Félix senkte peinlich berührt den Kopf, aber Émilie lachte nur rau, „Jeder hat davon gehört ...“ „Mist.“, Félix wirkte reichlich verlegen, was seiner Mutter nun ein zufriedenes Lächeln zu entlocken wusste, „Ja, zum Glück war dein Papi da, um dich zu retten … Aber, mal unter uns … An unserem süßen, kleinen Gebrüll müssen wir noch etwas arbeiten.“ „In Ordnung …“, der kleine Löwe seufzte und sah seiner weggehenden Mutter kurz nach, „Mama? Ist es eine schöne Überraschung?“ „Oh ja.“, Émilie sah über ihre Schulter hinweg zurück zu ihrem Sohn und lächelte dunkel, „Sie ist zum Sterben schön!“
Die große Gnuherde graste friedlich auf der weiten Ebene oberhalb der Schlucht, beobachtet von
den drei Hyänen, die unter einem Felsvorsprung kauerten. „Ich hab Hunger ...“, jammerte Audrey und leckte sich hungrig über die Lefzen, während Nathalie nur seufzte, „Ruhe.“ „Ich kann nichts dafür.“, beklagte Audrey sich und sprang auf, um dann in ihrem beengten Versteck unruhig auf und abzulaufen, „Ich will ein Gnu … Und zwar gleich!“ „Du bleibst hier.“, Nathalie trat ihrer Artgenossin in den Weg und knurrte warnend, „Verstanden?“ „Aber ...“, Audrey sah hungrig auf die Herde, „Wenn ich mir nur ein ganz kleines, schwaches Krankes herauspicke?“ „NEIN!“, herrschte Nathalie sie an, „Wir warten auf das Zeichen von Émilie.“ Die schlanke Gestalt der Löwin erschien wenige Sekunden später endlich am Rande der Schlucht, woraufhin Nathalie im Sand scharrte, „Da ist sie … Also los!“
„Kleines Gebrüll.“, Félix lief unruhig auf dem warmen Felsen auf und ab und musterte eine kleine Echse, die zwischen den Steinen Schutz gesucht hatte, „Roar!“ Die Echse ignorierte den kleinen Löwen, der nun vom Felsen sprang und dem kleinen Tier folgte, „Roar!“ Erst beim dritten Versuch huschte die Echse eilig unter einen Stein, hallte sein Brüllen doch von den steilen Felshängen wieder.
Das Echo verhallte, aber dennoch schien nun ein tiefes Grollen die Schlucht zu erfüllen, sodass Félix sich nun unsicher umsah. Wie eine große, dunkle Masse strömte die panische, von den Hyänen getriebenen Gnus in den Engpass der Schlucht. Das dröhnende Donnern ihrer Hufe hallte ohrenbetäubend laut von den Felswänden wieder. Für einen Moment schien der kleine Löwe förmlich wie erstarrt, aber dann rannte er los, nur noch wenige Sprünge vor den kopflosen Huftieren.
„Oh.“, Luca, der auf einem Stein saß, betrachtete nachdenklich eine ferne Staubwolke, „Seht nur, Hoheit. Die Herde ist in Bewegung.“ „So?“, der königliche Löwe wollte sich gerade erheben, als plötzlich Émilie angelaufen kam. Die Löwin kam zu einem atemlosen Halt und sah ihren Mann flehentlich an, „Gabriel! Gabriel, die Herde! Sie ist in Panik. In der Schlucht …“ Sie machte eine kurze Pause, bevor sie fortfuhr, „Félix ist da unten!“ „Félix!“, die dunklen Augen des Königs weiteten sich vor schieren Entsetzen und er wand sich knapp an den Vogel, „Flieg voraus!“
Keuchen versuchte der kleine Löwe seinen Vorsprung zu wahren, aber die Herde holte ihn langsam ein und gerade, als sie ihn doch noch zu verschlingen drohte, sprang Félix auf einen morschen, alten Baum. Mit geschlossenen Augen, grub er die Krallen fest in das tote Holz und lauschte dem dröhnenden Donnern. Der blau weiße Vogel kreiste über der tobenden Herde und suchte aus sicherer Entfernung nach einem Lebenszeichen des kleinen Löwen, „FÉLIX?!“
„Luca!“, irgendwie hatte Félix den Ruf selbst über dem Lärm der Herde gehört und der kleine Löwe öffnete nun die Augen, „Hilf mir!“ „Dein Vater wird gleich bei dir sein.“, Luca schlug kräftiger mit den Flügeln, um wieder an Höhe zu gewinnen, „Halte durch!“ „Beeil dich!“, das morsche Holz drohte unter dem Gewicht des Löwenkindes zu brechen und Félix gab einen erschrockenen Schrei von sich, als der Ast bedrohlich knackte, „Bitte!“
Das Löwenpaar sprang behände über einige Felsvorsprünge und hielt inne, als sie Luca zurückkommen sahen. „Wo?“, Gabriel war angespannt und knurrte, aber der Vogel verlor keine Zeit, sondern deutete nur auf den morschen Baum, auf den sich Félix gerettet hatte, „Auf dem Baum!“
Der alte Löwe zögerte nicht, sondern sprang geschickt von Vorsprung zu Vorsprung tiefer in die Schlucht hinein und versuchte sich zwischen den panischen Gnus hindurch zu schlängeln, ohne von
den scharfen Hufen getroffen oder zertrampelt zu werden. „Festhalten!“, befahl er seinem Sohn, kurz bevor er einem taumelndem Gnu ausweichen musste, „HALT DICH FEST!“
Félix gab einen erstickten Schrei von sich, als das ein Gnu nun den Baum rammte. Der Ast, an dem der kleine Löwe sich panisch klammerte, brach und das Löwenkind drohte in die dahin rasende Herde zu stürzen. Mit einem waghalsigen Sprung, gelang es Gabriel aber dennoch seinen Sohn zu retten, aber sogleich musste er wieder den scharfen Hufen und den massigen Leibern der Huftiere ausweichen und verschwand in der Staubwolke.
„Oh Émilie ...“, Luca flatterte aufgeregt, „Was sollen wir tun? Was sollen wir tun? Ich muss Hilfe holen … das werde ich tun, ich muss ...“ Émilie musterte den Vogel missmutig, bevor sie mit der Pfote ausholte und den Berater ihres Mannes gegen eine Felswand schlug. Zufrieden sah sie, wie Luca bewusstlos liegenblieb, bevor sie ihre Aufmerksamkeit dann wieder auf das Geschehen in der tiefen Schlucht richtete.
Ein Gnu rammte Gabriel, aber dem König gelang es irgendwie sowohl auf den Beinen zu bleiben, als Félix nicht zu verlieren und gleich darauf rannte er mit langen Sprüngen zwischen den Gnus mit. Ein weiteres Gnu streifte Gabriel und dieses Mal strauchelte der Löwe und als er in einer Staubwolke verschwand, glitzerten Émilies Augen siegessicher. Aber, plötzlich tauchte die große Gestalt des Löwen wieder auf. Er sprang an einen nahen Felsvorsprung, der aber für den ausgewachsenen Gabriel zu schmal wäre. Seine Krallen gruben sich in den Fels, aber er konnte sich dem Sog der Herde nur lang genug entziehen, um seinen Sohn auf dem sicheren Vorsprung abzusetzen. Danach verschwand der König wieder in einer dunklen Staubwolke.
„PAPA!“, Félix musste entsetzt zusehen, sein filz grauer Blick suchte die mächtige Gestalt seines Vaters inmitten der schwarzen Leiber der rasenden Gnus. Unruhig lief er auf dem schmalen Vorsprung auf und ab und rief immer wieder nach seinem Vater, „PAPA! PAPA!“ Plötzlich brach Gabriel aus der Herde hervor, wieder gruben sich die scharfen Krallen des Löwen in den harten Stein der Felswand, als er versuchte hochzuklettern. Erleichtert suchte nun auch Félix nach einem Weg nach oben und zwängte sich zwischen zwei engen Steinen hindurch, wo er einen steilen Pfad entdeckte.
„Émilie!“, Gabriel hatte einen Überhang erreicht, der das Ende seines Weges bedeutete. Seine Krallen rutschten immer häufiger ab und auch seine kraftvollen Hinterpfoten fanden keinen Halt mehr, aber hoch über ihm, konnte er seine Gemahlin sehen, „Émilie! Hilf mir!“ Die Löwin sah einen langen Moment beinahe amüsiert auf ihren plötzlich so hilflosen Mann hinunter, dann schlug sie jäh ihre Krallen in seine Pfoten. Vor Schmerzen beinahe wahnsinnig, brüllte Gabriel auf und das Lächeln der Löwin wurde boshaft, als sie sich nun zu ihrem Gemahl hinunterbeugte, „Lang lebe König Adrien.“
Rückwärts, fast wie in Zeitlupe, stürzte der König in die Schlucht.
Er verschwand in der Herde.
Wurde mitgerissen.
Getreten.
Gestoßen.
Zertrampelt.
„Papa?“, die Luft war noch immer Staub geschwängert und Félix keuchte, als er versuchte Luft zu bekommen. Immer wieder blinzelte er und hielt inne, als ein Schatten im diffusen Licht auftauchte, „Papa?“ Ein einzelnes Gnu brach aus einer Staubwolke hervor und nun entdeckte Félix auch einen halb zertrampelten Baumstamm. Vorsichtig näherte er sich dem dunklen Schatten und erstarrte, als er nach einigen Schritten in der dunklen Masse seinen leblos daliegenden Vater erkannte.
„Papa?“, vorsichtig, fast etwas erwartungsvoll kam Félix näher und stupste seinen Vater behutsam an, „Du musst aufstehen, Papa!“ Als Gabriel sich aber auch nun nicht bewegte, stellte er sich auf die Hinterbeine und bemühte sich seinen Vater wach zu rütteln, „Papa! Lass uns nach Hause gehen ...“ Verloren zog der kleine Löwe nun am Ohr seines Vaters und sah sich dann, als Gabriel sich auch nun nicht bewegte, hilflos in der verlassenen Schlucht um, „HILFE! IST DA JEMAND? Irgendjemand … Hilfe!“ Die brechende Stimme des Löwenkindes hallte einsam von den Wänden der Schlucht wieder, ohne eine Antwort zu erhalten. Müde drehte Félix sich wieder zu seinem Vater um und kroch traurig unter die große Pfote, wo er sich an den langsam erkaltenden Körper schmiegte, „Papa ...“
„Félix, was hast du getan?“, Émilies schlanke Gestalt schälte sich aus den Schatten des Staubes und die Löwin schüttelte tadelnd den Kopf, „Was hast du nur getan?“ „Die Herde hat mich überrascht!“, Félix war beim Nahen seiner Mutter aufgesprungen und versuchte sich zu verteidigen, „Und … und, er wollte mich retten … Ich wollte doch nicht, dass … dass so etwas passiert!“ „Aber natürlich wolltest du das nicht … Niemand, weißt du, niemand will ...“, sie leckte über sein staubiges Fell, „ … dass solche Dinge passieren … Aber, der König ist tot.“ Félix holte erschrocken Luft, aber seine Mutter ließ ihn nicht zu Wort kommen, „Und, wenn du nicht gewesen wärst … dann wäre er noch am Leben ...“ Die Löwin schüttelte theatralisch ihren Kopf, „Was wird nur Adrien dazusagen …?“ „Adrien?“, Panik und Angst schimmerte in den Augen des Löwenjungen, „Was soll ich jetzt tun, Mama?“ „Lauf weg, Félix.“, ihre Stimme war ein raues Knurren, „Lauf. Lauf weit weg und komm nie wieder zurück!“
Der kleine Löwe gehorchte seiner Mutter.
„Tötet ihn.“, Émilie wand sich an die drei Hyänen, deren Gestalten sich nun aus den Staubschwaden schälten, „Los.“ Die drei Aasfresser zögerten nicht, sondern jagten kichernd und geifernd dem kleinen Löwen hinterher.
Blind vor Tränen rannten Félix durch die Schlucht und bemühte sich, als er die gefährlichen Hyänen hinter sich bemerkte, den steil vor ihm aufragenden Hang empor zu klettern. Immer wieder drohte er abzurutschen, aber endlich erreicht er doch den Rand der Schlucht. Oben zögerte er noch kurz, lag vor ihm doch ein undurchdringlich erscheinendes Dornengestrüpp, aber
schließlich schloss er die Augen und sprang. Die drei Hyänen folgten ihm noch immer, konnten aber, als sie die Dornenranken entdeckten, nicht mehr anhalten und landeten winselnd in den Dornen.
Félix gelang es, sich durch die engen Zwischenräume zu zwängen und das Gestrüpp hinter sich zu lassen. Knurrend beobachteten die Hyänen das Entkommen ihrer schon so sicher geglaubten Beute und Audrey lief wütend auf dem schmalen Sims auf und ab, „FALLS DU ZURÜCKKOMMST; TÖTEN WIR DICH!“
Der schwere Vollmond stand hoch am Himmel und sein silbriges Licht erschien beinahe tröstlich, als
es den Königsfelsen traf. Hoch oben auf einer der Klippen stand Émilie und betrachtete das Rudel. „Gabriels Tod ist eine furchtbare Tragödie.“, sie schloss die Augen und schluckte schwer, während Adrien, der zwischen ihren Vorderpfoten saß, schluchzte, „Doch Félix zu verlieren … meinen Sohn, der sein ganzes Leben vor sich hatte … ist der schlimmste aller Verluste, den wir zu beklagen haben ...“ Die Löwin wartete einen Moment und erst, als sie sich aller Aufmerksamkeit sicher war, schob sie das blinde Löwenbaby etwas weiter nach vorne, „Das Königsamt wird nun Adrien zufallen ...“ Gemurmel wurde im Rudel laut und auch Adrien drehte sich überrascht zu seiner Mutter, aber Émilie ignorierte beides, „Noch ist er aber zu jung für dieses schwere Amt. Und somit erkläre ich mich bereit das aufopferungsvolle Amt für meinen Sohn auszuüben.“ Adrien schüttelte erschrocken den Kopf, aber das Rudel jubelte, bis Émilie schließlich um Ruhe bat, „Aus der Asche dieser Tragöde steigen wir empor, um das neue Zeitalter zu begrüßen … Das Zeitalter, in dem Löwen und Hyänen sich vereinigen. Für eine große und glorreiche Zukunft unter König Adrien.“
Schattenhafte Gestalten näherten sich.
Kichernd.
Und lautlos.
Die Hyänen.
Verborgen in den Schatten, schüttelte Sabine den Kopf und verließ ungesehen den Königsfelsen. Die schwarze Löwin schien im silbrigen Mondlicht beinahe unsichtbar, als sie nun mit kraftvollen Sprüngen durch die nächtliche Savanne eilte.
Hakuna Matata
Die Sonne brannte erbarmungslos auf den vertrockneten, gesprungen Boden und die Hitze brachte die heiße Luft, die bei jedem Atemzug in der Sonne brannte, zum Flirren. Mühsam kämpfte Félix sich durch die trostlose Wüste und zwang sich kraftlos eine Pfote durch die andere zu setzen, bevor er schließlich mit einem lautlosen Seufzen einfach still zusammensank.
Recht bald hatte die Aussicht auf ein Festmahl einige Geier angelockt, die misstrauisch und wachsam abwartend über dem scheinbar leblosen Löwenkind kreisten. Erst nach einigen Minuten wagte es einer der Aasfresser zu landen, dann folgten aber auch die anderen und betrachteten ihre Beute mit wachsendem Appetit. Ein scharfer Schnabel zwickte probeweise in ein Bein des Löwen, die Vögel hielten dann aber inne, als sich plötzlich eine Staubwolke näherte.
Ein rotes Warzenschwein stürmte mit gesenktem Kopf angriffslustig heran und sofort flatterten die schwarzen Vögel hastig mit den Flügeln. Sie versuchten dem tobenden Schwein zu entkommen und erhoben sich schließlich schwerfällig schaukelnd in die Luft. „JAAAAAAAAA! VERZIEHT EUCH!“, ein kleines Erdmännchen kletterte auf den großen Kopf des Warzenschweins und hielt sich an dessen Ohren fest, während er die kreisenden Vögel anschrie, „VERDUFTET! VERSCHWINDET ENDLICH!“
„Endlich mal wieder eine Räumungsaktion ...“, das Warzenschwein schnaubte und schüttelte den Kopf, während das Erdmännchen nur mit den Schultern zuckte, „Die blöden Viecher fallen auch immer wieder darauf rein ...“ „Guck mal, Alya ...“, das Warzenschwein war zu dem kleinen Löwen getrabt und stieß das leblose Tier nun seinerseits vorsichtig mit den weißen Hauern an, „Du solltest
dir das mal anschauen. Ich glaube es, lebt noch!“
„Ewww … Reste.“, das Erdmännchen sprang behände von seinem Freund und musterte das Jungtier, dessen Pfote sein Gesicht verbarg, „Hmm, also gut. Wen haben wir denn da?“ Alya schnupperte prüfend und krauste die Nase, bevor sie misstrauisch das Gesicht verzog und sich mit aller Kraft gegen die große Pfote stemmte.
„Oh nein, ein Löwe!“, Alya ließ die Pfote fallen und stolperte panisch einige Schritte rückwärts, bevor sie dann hastig auf den Rücken des Warzenschweins sprang und fordernd an den Ohren zog, „Los! Lauf, Nino! MACH SCHON!“ „Alya, es ist doch nur ein kleiner Löwe.“, entgegen von Alyas Wünschen, trat das Warzenschwein nun wieder näher an das Löwenjunge heran und betrachtete es, „Schau ihn dir an. Er ist so lieb und so allein … Sollen wir ihn behalten?“ „NINO, SPINNST DU?!“, das aufgeregte Erdmännchen schrie beinahe hysterisch in das Ohr ihres Freundes, „WIR REDEN HIER VON EINEM LÖWEN! LÖWEN FRESSEN TYPEN WIE UNS!“ „Aber, er ist so klein.“, Nino ließ sich mit einem 'Huf' neben dem Löwen in den heißen Sand sinken, aber Alya schüttelte nur stur den Kopf, „Bis er größer wird ...“ „Dann ist er vielleicht auf unserer Seite.“, warf Nino leise ein, aber das Erdmännchen schnaubte nur, „Das ist wohl das Blödeste, was ich je gehört habe … Vielleicht ist er ...“ Alya verstummte nun aber kurz und krauste die Nase, bevor sie sich dann mit glänzenden Augen zu ihrem Freund umdrehte, „He, keine schlechte Idee! Stell dir vor, er ist auf unserer Seite! Weißt du, einen Löwen zu haben, erscheint mir als durchaus … praktisch.“ „Also behalten wir ihn?“, erkundigte sich das Warzenschwein und Alya nickte eifrig, „Aber logisch. Wer ist denn hier der Klügere? Ich oder ich?“ Nino lächelte nur verwirrt und hob das leblose Löwenkind auf seine Stoßzähne. „Der Meinung bin ich auch.“, geschickt sprang das kleine Erdmännchen wieder auf Nino Kopf und zerrte kurz an den Ohren, „Oi, ich bin schon fast gar. Los, wir packen uns in den Schatten ...“
Einige Bäume spendeten angenehmen Schatten, verborgen in den hohen Gräsern rauschte eine kleine Quelle verführerisch und ergoss sich sprudelnd in einen kleinen, seichten Teich. Vorsichtig legte Nino das Löwenkind in das weiche Gras und auch Alya sprang ins Gras und huschte zum nahen Teich. Sie spritzte dem leblosen Löwen Wasser ins Gesicht und wich zurück, als das junge Raubtier sich zu bewegen begann, „Alles klar, Kleiner?“ „Glaube schon.“, Félix blinzelte schwerfällig und schien kaum genug Kraft zu haben, um den Kopf zu heben. „Du könntest tot sein!“, mischte sich Nino ein und wieder nickte Alya eifrig, „Ich habe dich gerettet!“ Das Warzenschwein schnaubte, woraufhin Alya mit den Schultern zuckte, „Na ja, Nino hat geholfen … Ein Bisschen ...“ „Vielen Dank ...“, Félix räusperte sich, quälte sich mühsam auf die Pfoten und tapste unbeholfen in Richtung der heißen Wüste, „ … für eure Hilfe.“
„Hey? Wo willst du denn hin?“, Alya sprang an die Seite des kleinen Löwen, der aber nur matt den Kopf schüttelte, „Nirgendwo.“ „Oh je, das sieht trübe aus.“, wand sich Alya leise an das Warzenschwein, das aber nur verständnislos die Stirn runzelte, „Ich finde ihn eher süß und knuddelig.“ „Nein.“, Alya schüttelte den Kopf, „Trüb wie traurig.“ „Ach so.“, Nino nickte und trabte dann schnell an Félix' Seite, „Hast du was ausgefressen, Kleiner?“ „Unmöglich!“, schnaubte Alya amüsiert, „Er steht ja ganz oben in der Nahrungskette!“ „Ist doch egal …“, der kleine Löwe hielt den Kopf weiterhin traurig gesenkt und ignorierte den schlechten Witz des Erdmännchens, „Ich kann nie mehr zurück.“
„Ah, du bist ein Außenseiter!“, das Erdmännchen nickte verstehend, „Du bist ein Außenseiter! Na großartig! Wir auch!“ „Was hast du angestellt?“, erkundigte Nino sich nun leise, aber wieder hob Félix nicht einmal den Kopf, „Etwas Furchtbares. Aber, ich will nicht darüber reden.“ „Gut.“, das
Erdmännchen legte den Kopf schief, „Wir wollen auch nichts darüber hören ...“ „Hör auf Alya.“, mahnte Nino, bevor er sich dann wieder an das Löwenjunge wand, „Können wir etwas für dich tun?“
„Nein.“, Félix blieb müde stehen, „Es sei denn, ihr könnt die Vergangenheit ändern.“ „Weißt du, Kleiner, mein Kumpeline Alya pflegt in solchen Zeiten immer zu sagen ...“, das Warzenschwein räusperte sich, „Mann muss seinen Hintern in die Vergangenheit bringen ...“ „NEIN! Amateur! Leg dich lieber hin, bevor du dir noch weh tust!“, Alya wedelte mit den Armen und warf ihrem Freund einen strafenden Blick zu, bevor sie vor den Löwen trat, „Es heißt, 'Man muss seine Vergangenheit hinter sich bringen.' Pass auf, schlimme Dinge passieren eben und man kann überhaupt nichts dagegen machen, richtig?“ „Richtig.“, nickte der Löwe und wich zurück, als das Erdmännchen ihm gegen die Nase stupste, „Falsch! Wenn die Welt dir den Rücken kehrt, dann kehrst du der Welt auch den Rücken!“ „Ich habe aber etwas anderes gelernt.“, widersprach Félix, woraufhin Alya sich räusperte, „Dann solltest du vielleicht etwas Neues lernen. Sprich mir nach … Hakuna Matata.“
„Was?“, Félix runzelte die Stirn und nun mischte sich auch das Warzenschwein wieder ein, „Ha-ku-na Ma-ta-ta. Es heißt 'Keine Sorgen.“ „Hakuna Matata, diesen Spruch sag ich gern!“, das kleine Erdmännchen stieß das Löwenjunge auffordernd an und grinste, „Hakuna Matata, gilt stets als modern.“ Es heißt die Sorgen bleiben dir immer fern!“, fiel Nino ein und gemeinsam liefen sie tiefer in den grünen Dschungel, „Keiner nimmt uns die Philosophie!“
„Hakuna Matata?“, sprach Félix die fremden Worte vorsichtig, eher schon fragend aus, woraufhin Nino eifrig nickte, „Ja, wir leben danach!“ „Aber, wieso?“, der kleine Löwe wirkte irritiert, wurde aber von der grinsenden Alya unterbrochen, „Weils danach immer viel schöner ist, als vorher!“ Nino lachte, „Weißt du, Kleiner. Diese zwei Worte lösen all deine Probleme.“ „Genau, nimm Nino zum Beispiel!“, dieses Mal deutete Alya auf das massige Warzenschwein, „Ja, auch er war ein kleines Schwein … Ein Fluch, sein Geruch war ja kein lieblicher Duft … Er musste nur was fressen, schon kam dicke Luft ...“ „Ich bin trotz allen Muts, ein Sensibelchen.“, seufzte Nino und schloss bei der Erinnerung traurig die Augen, „Es tat weh, als die anderen flüchteten … Und oh, die Qual … Sie war katastrophal … Hakuna Matata, diesen Spruch sag ich gern! Hakuna Matata gilt stets als modern ...“ „Es heißt die Sorgen ...“, fiel nun auch endlich der kleine Löwe ein, „ … bleiben dir immer fern … Keiner nimmt uns die … Philosophie … HAKUNA MATATA!“
Mit einem zufriedenen Lächeln schob Alya ein großes Farnblatt zur Seite und gab damit die Sicht auf eine idyllische saftig grüne Dschungellandschaft mit zahlreichen glitzernden Wasserfällen frei, „Willkommen in unserem bescheidenen Zuhause.“ „Hier lebt ihr?“, Félix bestaunte die so fremde Umgebung, aber Alya zuckte nur nachlässig mit den Schultern, „Wir leben wo es uns gefällt ...“ „Es ist wundervoll!“, Félix machte einige Schritte in den grünen Dschungel, verharrte dann aber errötend, als sein Magen plötzlich zu knurren begann, „Ich verhungere … Ich könnte jetzt glatt ein ganzes Zebra verdrücken.“ Warzenschwein und Erdmännchen wechselten einen raschen Blick miteinander, bevor Alya den Kopf schüttelte, „Zebra ist heute leider aus.“ „Oh ...“, Félix dachte kurz nach, „Und Antilope?“ „Nein ...“, kam wieder eine ablehnende Antwort, woraufhin Félix etwas verzweifelt nachfragte, „Und … Gnu?“ „Nein.“, Alya seufzte und legte eine Pfote auf Félix' Schulter, „Hör mal, Kleiner. Wenn du hier bleiben willst, musst du fressen, was wir fressen ...“
Nino blieb vor einem alten Baumstamm stehen und scharrte ungeduldig mit einem Huf, „Hier gibt es bestimmt eine Menge zu entlarven!“ Auf ein aufforderndes Nicken des kleinen Erdmännchens, hob Nino den Baumstamm hoch und enthüllte eine Vielzahl von Insekten, die darunter krabbelten. „Ih ...“, Félix wich angeekelt zurück, aber Alya suchte sich mit Kennermiene eine weißliche Larve aus und verspeiste sie genüsslich, „Lecker, das schmeckt wie Hühnchen.“ „Schleimig ...“, Nino sog eine lange
Larve ein und leckte sich über die Schnauze, „Jedoch vitaminreich.“ „Delikatessen nur vom Feinsten.“, Alya suchte sich einen Käfer aus und biss knirschend hinein, „Pikant. Mit einer knusprigen Hülle ummantelt … Ich sag dir was, Kleiner … So lässt es sich leben … Keine Vorschriften, keine Pflichten und das Schönste … Keine Sorgen!“
Zögerlich suchte Félix sich nun auch eine dicke, weißliche Larve aus dem Gewimmel und betrachtete sie aber dennoch weiterhin skeptisch, während seine beiden neuen Freunde den Löwen argwöhnisch beachteten, „Hakuna Matata.“ Mit geschlossenen Augen probierte Félix das dicke Insekt und krauste bei dem Geschmack die Nase, „Schleimig, jedoch vitaminreich.“
Die Zeit verging beinahe unbemerkt.
Ohne Regeln.
Ohne Zwang.
Aus den Löwenkindern wurden Teenager.
Sowohl Félix.
Als, auch Adrien.
Hakuna Matata.
Die dunkelblonde Mähne begann zu wachsen.
Zerzaust und unordentlich.
Aber, dann wurde aus den schlaksigen Teenagern elegante, aber dennoch noch immer reichlich tollpatschige Halbwüchsige.
Aber, schließlich verwandelten sich die so weit voneinander entfernten Brüder doch noch in große, stolze Löwen.
Hakuna Matata.
„Adrien!“, der blinde Löwe, zuckte zusammen, als er die Stimme seiner Mutter hörte und blieb stehen mit einem Seufzen stehen, „Ja, Mutter?“ „Wo warst du?“, sie umrundete ihren Sohn, schien ihn auf etwaige Verletzungen zu untersuchen und witterte auch prüfend, „Und, wo ist deine Leibwächterin?“ „Ich habe Chloé weggeschickt.“, Adrien schüttelte den Kopf und sträubte die helle Mähne, „Ich kann ohne sie schlafen.“ „Aber, mein kleines Lämmchen.“, die Löwin leckte ihm über die Lefzen, „Ich mache mir doch nur Sorgen um dich … Immerhin bist du König … Und es gibt so viele, die dir etwas Böses wollen ...“ Der blinde Löwe verbiss sich nun das Schnauben und senkte rasch den Kopf, damit seine Mutter sein Mienenspiel nicht sehen konnte, „Natürlich, Mutter.“ „Dann leg dich nun schlafen.“, sie stupste ihn an und folgte ihm dann auch wachsam in die Höhle, „Ich werde Chloé holen lassen … LUCA!“
Adrien hatte sich auf dem kalten Stein des Plateaus zusammengerollte und lauschte den vertrauten Geräuschen des Königsfelsen. Krallen auf Stein, rieselnder Sand, tropfendes Wasser und immer wieder auch das noch immer fremdartige Kichern der Hyänen, das noch immer so vollkommen fehl am Platz zu sein schien. Leichte, vertraute Schritte näherten sich ihm schließlich, aber erst als der andere Löwe innehielt, hob Adrien den Kopf, „Chloé...“ „Hoheit.“, die Leibwächterin wirkte amüsiert und in ihrer Stimme klang so etwas wie gutmütiger, freundschaftlicher Spott mit, „Wie immer?“ „Natürlich.“, Adrien erhob sich geschmeidig und streckte sich kurz, bevor er prüfend in Richtung des Eingangs witterte, „Meine Mutter?“ „Ist mit den Hyänen beschäftigt.“, Chloé stieß den blinden König sanft an, „Wir sind sicher.“ „Sehr gut.“, Adrien stakste hinaus und folgte den leisen Richtungsanweisungen seiner Leibwächterin, bis sie schließlich nach kurzer Wanderung einen hohlen, alten Baum erreichten. „Ich werde warten.“, Chloé senkte respektvoll den Kopf, als Adrien nun an ihm vorbei trat und vorsichtig durch einen schmalen Spalt im Stamm in das Innere trat.
„Eure Heiligkeit?“, Adrien folgte den vertrauten Windungen des uralten Affenbrotbaums den Stamm hinauf und trat in das höhlenartige Innere, „Seid Ihr hier?“ „Adrien.“, die schwarze Löwin musterte ihren Gast mit schief gelegtem Kopf, während ihre Tochter hinter ihr zurückwich, „Ein Alptraum?“ Der jüngere Löwe seufzte, kam nun aber gleichzeitig vertrauensvoll näher und witterte prüfend, “Marinette ist hie?” “Natürlich.”, die schwarze Löwin wich zurück, sodass ihre Tochter sich nun plötzlich vor dem blinden König wiederfand.
„Was hast du geträumt?“, Marinette leckte sanft über das helle, seidige Fell und lächelte, als er spürte, wie sich der blinde Löwe langsam entspannte, „Ich weiß es nicht ...“ „Ah ja.“, Marinette lächelte etwas ungläubig, setzte aber das tröstliche Putzen ungerührt fort, scheinbar fest entschlossen Adrien die nötige Zeit zu geben, die passenden Worte zu finden.
„Eine Dürre ...“, Adriens Stimme war leise, beinahe nun mehr nur noch ein heiseres Flüstern, „Es regnete nicht … war alles tot … Der Himmel war schwarz … alles war trocken … Knochen ...“ Adrien leckte sich über die Lefzen und schien nun wieder zu zögern, „Mama …“ „Émilie war noch immer Königin?“, erkundigte Marinette sich und grollte kehlig, als der helle Löwe nickte, „Eigentlich wärst du alt genug ...“ Marinette hob den Kopf, als Adrien sich nun unter ihr bewegte und den Kopf drehte, um sie anzusehen. Die blinden Augen schimmerten im Zwielicht, wirkten aber dennoch trotz der Wut, die Marinette fühlen konnte, vollkommen leblos, „Ich bin blind.“
„Deine Alpträume ...“, der Löwin wechselte nun vorsichtig das Thema und begann wiederum sanft über das helle Fell zu lecken, „ … hast du jemals darüber nachgedacht, dass es vielleicht mehr als nur einfache … Träume sind?“ Wieder verspannte sich der schlanke Körper des Löwen, aber dieses Mal ließ Marinette ihn gar nicht erst zu Wort kommen, „Schon, als ich dich das erste Mal gesehen habe … habe ich es gewusst … Du solltest niemals König werden ...“ Adrien grollte warnend, aber Marinette rieb ihre Nase sanft, beruhigend oder vielleicht auch entschuldigend gegen die des Blinden, bevor sie ebenso ruhig wie bisher weitersprach, „Du bist wie meine Mutter … Du siehst Dinge, die kommen werden ...Dinge, die passieren werden. Grauenvolle Dinge … Aber, auch wunderbare Dinge … Sie sagte, sie habe dich gesehen … Schon bevor du geboren wurdest.“
Sur le pont d’Avignon
Schwarze, bedrohlich dunkle Wolken, aus denen aber seit Monaten schon kein Regen mehr gefallen war, hingen tief über dem Land und heißer Wind trieb den staubigen Sand über die leblose Ebene. Die Bäume und Gräser waren von der erbarmungslose Sonne verbrannt worden und die einst
zahlreich sprudelnden Flussläufe waren längst versiegt und wanden sich, wie tiefe, ausgetrocknete Gräben durch das verwüstete Land. An ihren wasserlosen Ufern lagen weiße Knochen, einem stummen Mahnmal gleich. Nur der Königsfelsen schien unberührt von dem all dem Leid um ihn herum und ragte noch immer stolz in den dunklen Himmel.„Nobody knows the trouble I've seen …“, Luca, eingesperrt in den Brustkorb eines längst gefressenen Beutetiers, sang, „Nobody knows my sorrow ...“ „Oh, Couffaine ...“, verstimmt warf Émilie einen abgenagten Knochen in Richtung des Käfigs und grollte wütend, „Ich krieg schon Depressionen! Wie wäre es denn, wenn du mal etwas … Hmmm … Fröhliches singst?“ Der Vogel überlegte einen Moment, bevor er dann krächzend ein neues Lied anstimmte, „Diese Welt ist klein, so klein ...“„NEIN!“, die Löwin kam knurrend auf die Beine, „NEIN! Alles, aber nur das nicht!“ Luca seufzte und fing nach kurzem Überlegen ein weiteres Mal an zu singen, „Sur le pont d’Avignon, on y danse, on y danse … Sur le pont d’Avignon, on y danse tous en rond ...“ Émilie nickte begeistert und begann auch gleich enthusiastisch die Melodie mitzusummen, „Sur le pont ...“„Oh … So was hätte Gabriel nie von mir verlangt ...“, murmelte Luca und wich hastig zurück, als die Löwin plötzlich wütend auf ihn zustürzte, „WAS? WAS HAST DU GESAGT?“ „Ach gar nichts.“, murmelte der Vogel, aber die Löwin lief noch immer wütend vor dem improvisierten Käfig auf und ab, „Du kennst das Gesetz! Niemand, niemand nennt diesen Namen in meiner Gegenwart … Ich bin die Königin!“ „Na ja ...“, wagte der Vogel leise einzuwenden, „Eigentlich ist … Adrien der ...“ Luca verstummte abrupt, als die Löwin mit gefletschten Zähnen auf ihn zusprang, „WAS HAST DU GESAGT?“ „Nichts, Hoheit.“, Luca seufzte ergeben und senkte respektvoll den Kopf, „Ihr seid die Königin … Ich habe Gabriel nur erwähnt, um … äh … um die Vorzüge der verschiedenen Könige zu vergleichen ...“„Hey, Émilie!“, der Schatten einer Hyäne erschien am Höhleneingang und Émilie ließ sichtlich genervt von Luca ab, „Was ist denn jetzt schon wieder?“ „Wir haben ein Hühnchen mit dir zu rupfen.“, Audrey trat, gefolgt von Nathalie, die nur schnaubte in die Höhle, „Hier gibt es keine Hühner … Émilie, hier gibt es gar nichts mehr! Nicht mal Wasser!“ „Ja, kein Aas hat was zu fressen.“, Audrey beäugte die abgenagten Knochen, „Hier gibt es nicht mal Aas, das man fressen kann!“ „Ihr wisst doch, dass die Löwinnen für die Jagd verantwortlich sind ...“, die Löwin runzelte verärgert die Stirn, aber die große Hyäne ließ sich nicht so einfach abwimmeln, „Aber, sie wollen nicht jagen ...“ „Dann ...“, Émilie sah sich suchend um und deutete schließlich auf den eingesperrten Vogel, „Fresst Luca.“„Oh, ich schmecke bestimmt nicht!“, der blau weiße Vogel schüttelte den Kopf, „Ich wäre so zäh und unverdaulich ...“ „Oh, Couffaine ...“, Émilie leckte sich über die Lefzen und ihre Augen funkelten dunkle amüsiert, „Red doch keinen Unsinn. Da fehlt nur eine festliche Garnierung ...“„Das Leben war schon schlimm genug unter Gabriel ...“, flüsterte Audrey Nathalie verhalten zu, aber die scharfen Ohren der Löwin hatten die Worte dennoch gehört, „WAS HAST DU GESAGT?!“ „Ich sagte Ga ...“, fing AUdrey an, verstummte aber abrupt, als Nathalie sie warnend anstieß, „König Adrien ist ein ganz besonderer König ...“ „Na gut.“, die Löwin bleckte die Zähne, „Verschwindet!“ Die drei Hyänen stoben in Richtung des Höhleneingangs, verharrten dann aber noch einmal, „Ja, aber … wir haben noch Hunger!“ „HINAUS!“, brüllte Émilie und nahm ihre unruhige Wanderung wieder auf.„Störe ich?“, zwei Schatten erschienen im Eingang und während der eine Schatten dort verharrte, trat der zweite Löwe furchtlos ein. „Sicher nicht.“, Émilie lächelte und begrüßte ihren Sohn liebevoll, „Was tust du hier?“ „Ich war spazieren.“, Adriens Ohren zuckten, als er einen Laut hörte und sofort sah der blinde Löwe in die Richtung, „Du hast Besuch?“ „Das ist nur Luca.“, Émilie warf dem Vogel einen warnenden Blick zu, woraufhin dieser sich in seinem Käfig verbeugte, „Seid gegrüßt, Hoheit.“Adrien nickte dem Vogel knapp zu, wand sich dann aber wieder an seine Mutter, „Ich muss mit dir reden.“ „Aber, Adrien, mein Lämmchen. Es ist doch schon so spät … Du solltest längst schlafen.“, die Löwin rieb ihren Kopf unter dem Kinn ihres Sohnes, „Aber gut, worüber denn?“ „Die Dürre ...“, Adrien stellte die Ohren auf und wich zurück, als seine Mutter plötzlich knurrte, „Adrien ...“ „Ich war am Wasserloch ...“, fuhr der junge Löwe fort, zögerte aber, als seine Mutter einen weiteren, reichlich unwilligen Laut von sich gab und versicherte ihr, „Ich war nicht alleine … Chloé war bei mir.“Die Löwin mit der auffälligen blonden Mähne nickte zustimmend, wich aber in die Schatten zurück, als Émilie sie mit einem finsteren Blick bedachte. Adrien nahm zwar die angespannte Stimmung
wahr, schien aber dennoch nicht ausmachen zu können, woher sie stammte. Der blinde Löwe sah sich etwas hilflos um, seufzte dann aber, als er seine Mutter neben sich spürte und seine Stimme nahm einen bittenden Klang an, „Mama, es gibt kein Wasser mehr … Die Tiere sind weitergezogen … So viele sind tot ...“Émilie knurrte, ihr Schwanz schlug unruhig und unwillkürlich fuhr sie die Krallen aus und grub sie tief in den Stein. Chloe, die die Löwin nicht aus den Augen gelassen hatte, trat daraufhin endgültig in die Höhle. Die Löwin stellte sich, ohne ein einziges Wort zu sagen, beschützend neben den Blinden und warf der wütenden Kronregentin einen warnenden Blick zu.„Und. Was. Ist. Dein. Rat?“, stieß Émilie verärgert hervor, kaum fähig ihre Wut noch zu verbergen und Chloé spannte die Muskeln an. „Wir müssen den Königsfelsen verlassen.“, Adrien wirkte nun nervös und sein blinder Blick schien nun seine Mutter zu suchen, sodass sein Kopf sich suchend hin und herbewegte, „Mama ...“ „Den Königsfelsen verlassen.“, Émilie lachte rau und sprang behände wieder auf das niedrige Plateau, das ihren Schlafplatz darstellte, „Wie … drollig.“„Mama.“, Adrien machte einen weiteren Schritt auf seine Mutter zu, aber Chloé, die die schlecht verborgene, wachsende Verärgerung der angriffsbereiten Löwin bemerkt hatte, trat ihm nun beschützend in den Weg und flüsterte, „Adrien, nicht.“ Der blinde Löwe blieb überrascht stehen und leckte sich über die Lefzen, bevor er seufzend den Kopf senkte und schwieg.„Du warst bei Marinette.“, es war eine erstaunlich ruhige Feststellung seiner Mutter, aber dennoch errötete der junge Löwe nun, antwortete aber nicht. „Adrien.“, dieses Mal war etwas Forderndes in ihrer Stimme, das nach einer Antwort verlangte, „Warst du bei Marinette?“ „Ja.“, Adrien nickte leicht, „Ich ...“ „Ich verbiete dir sie jemals wiederzusehen!“, Émilie sprang knurrend von dem kleinen Vorsprung und umkreiste ihren Sohn und dessen Leibwächterin, die sie wachsam nicht aus den Augen ließ und warnend schnappte, als sie ihrem Sohn zu nahe kam. „Aber … Ich ...“, Adrien drängte sich, ungeachtet der Gefahr an Chloé vorbei und schüttelte den Kopf, „ … hatte Alpträume … Marinette ...“„Diese Löwin ist kein Umgang für dich!“, seine Mutter hob drohend die Pfote und bevor die Leibwächterin reagieren konnte, zog sie ihre Krallen hart über die Schnauze ihres blinden Sohnes, „Sieh nur, wozu er dich bringt! Du widersetzt dich mir … Mir, deiner Kronregentin!“ „Mama ...“, Adrien jaulte zwar vor Schmerz, wirkte aber dennoch unwillig, als Chloé sich nun bemühte ihn aus der Höhle zu schieben, „Bitte ...“„Ich bin enttäuscht von dir, Adrien.“, Émilie stakste zurück zu ihrem Schlafplatz und ließ sich, dem Höhleneingang den Rücken zuwendend, dort nieder, „Verschwinde.“ Der blinde Löwe senkte den Kopf und folgte dem sanften Stupsen des rotmähnigen Löwen aus der Höhle hinaus, „Mama ...“„Adrien ...“, Chloé leckte sanft über die blutigen Striemen auf der hellen Schnauze ihres Artgenossen und fiepte mitleidig, als der Blinde einige unsichere Schritte machte, „Was wirst du nun tun?“ „Ich habe etwas gesehen ...“, Adrien legte den Kopf schief und seine Stimme wurde leiser, während sein blinder Blick weit in die Ferne zu reichen schien, „ … Erst dachte ich, ich wäre es … Aber, es war … Félix.“ „Félix?“, Chloé, die eigentlich die zukünftige Königin des älteren Prinzen hätte sein sollen, runzelte die Stirn, aber Adrien schien ihr nicht mehr zuzuhören, sondern lief einfach weiter über die vertrauten Pfade des Königsfelsen, sodass Chloé sich beeilen musste, um zu ihm aufzuholen, „Adrien, warte! Wohin gehen wir?“ „Keine Ahnung!“, der blinde Löwe grinste und schlitterte über den steil abfallenden Pfad, „Kommst du mit?“Eine sanfte Abendbrise wehte durch die Baumwipfel und brachte die langen Blätter zum Rascheln. Die schmale Sichel des Halbmondes spendete nur wenig silbriges Zwielicht, sodass die Schwärze des Firmaments nur noch deutlicher einen Gegensatz zu den hellen Sternen bildeten. Ein lautes Rülpsen störte die nächtliche Ruhe und erschrocken stoben einige Vögel verschlafen auf.„Nicht schlecht, Félix.“, Alya nickte anerkennend und räkelte sich zufrieden im grünen Gras, „Gar nicht schlecht.“ „Danke ...“, der Löwe schloss die Augen und rieb sich mit der Pfote über den Bauch, „Danke … Ich bin vielleicht satt ...“ „Ich auch.“, Nino streckte sich neben seinen beiden Freunden aus, „Ich hab gefressen, wie ein Schwein ...“ „Du bist ja auch ein Schwein.“, lachte Félix und rollte sich dann wieder auf den Rücken, um die Sterne über ihnen zu betrachten.„Du, Alya ...“, das Warzenschwein hatte ebenfalls den Sternenhimmel betrachtet, „Hast du dich jemals gefragt, was diese leuchtende Pünktchen da oben sind?“ „Nino, ich muss nicht fragen.“, Alya grinste selbstgefällig, „Ich weiß es.“ „Oh!“, Nino betrachtete das Erdmännchen nun interessiert, „Was sind sie?“ „Na, Glühwürmchen! Glühwürmchen, die äh … die da … äh oben feststecken auf diesem großen … blau schwarzen … Ding.“ „Oh echt?“, Nino wirkte nun beinahe
enttäuscht, „Ich dachte immer, das wären Kugel aus Gas, die in Milliarden Kilometer Entfernung verglühen.“ „Nino ...“, Alya seufzte, „Bei dir besteht alles aus Gas.“„Félix?“, wand sich das Warzenschwein nun an den Löwen, „Was sagst du dazu?“ „Nun … äh ...“, Félix wand sich, sich sichtlich unwohl fühlend, „Ich weiß so was nicht … Nein ...“ „Och komm schon.“, bettelte Nino, „Sag, sag, sag … Komm schon, jetzt bist du dran! Biiiiteee ...“ „Nun ...“, der Widerwillen klang deutlich in der Stimme des Löwen mit, „Mir hat mal jemand erzählt, dass die großen Könige der Vergangenheit da oben sind und auf uns aufpassen ...“ „Wirklich?“, Nino krauste verwundert die Stirn, aber Alya kicherte nun, „Meinst du etwa, wir werden von einem Haufen toter Monarchen beobachtet?“ Schließlich fiel auch Nino in das Lachen mit ein, „Wo hast du denn die Geschichte her?“ „Ja, ziemlich dumm ...“, Félix erhob sich mit einem traurigen Seufzen und verschwand in den Schatten zwischen den Bäumen, woraufhin sich die beiden Freunde etwas ratlos ansah, „Haben wir etwas Falsches gesagt?“
The lion sleeps tonight
Es raschelte im dichten Unterholz des Dschungels und die bunten Vögelchen, die Edelsteinen glichen, verstummten kurz in ihrem fröhlichen Zwitschern und beobachteten neugierig das Geschehen unter ihnen. „Awiiiim awep ...“, Nino' breite Gestalt brach singend durch das Unterholz und Alya gleich darauf fiel auch ein, „Hier im Dschungel, da ruft die Trommel, der Löwe schläft heut Nacht … Hier im Dschungel, da ruft die Trommel ...“ Abgelenkt von einem großen Käfer, der vollkommen unbedarft vor dem Warzenschwein den Weg überquert hatte, verstummte Nino und folgte nun hungrig der vielversprechenden Beute und verschwand in einem Gebüsch, ohne das Alya es zuerst bemerkte. „A -WIIIIIIII … A …“, das Erdmännchen blieb stehen und sah sich suchend um, „Nino? Nino?“Das Insekt krabbelte auf einen auf dem Boden liegenden Baumstamm und flatterte dort ein paar Mal mit den bläulichen Flügelchen, sodass Nino eilig hinter einem großen Baum in Deckung ging. Das Insekt drehte sich aber wieder um und krabbelte auf der anderen Seite den alten Baumstamm wieder hinunter. Nino schlich, dicht an den Boden geduckt, hinterher und versuchte dann schwerfällig über den Stamm zu springen. Dabei blieb er aber zappelnd hängen und versuchte beinahe verzweifelt sich zu befreien, um die Verfolgung des Käfers wieder aufzunehmen. Ein nahes Geräusch ließ das Warzenschwein dann aber in seinen Befreiungsbemühungen Inne halten und Nino blickte reichlich misstrauisch über seine Schulter, „Alya?“Blaue Augen beobachteten das Warzenschwein wohl versteckt aus dem hohen Gras und ein langer Schwanz schlug unruhig, als der Löwe nun die Muskeln anspannte und zum Sprung ansetzte. „AHHHHHHHHHHHHH!“, es gelang dem panischen Nino nun doch irgendwie über den Baumstamm zu kommen und jetzt rannte das Warzenschwein, dicht gefolgt von einem sichtlich hungrigen Löwen, haken schlagend zwischen den Bäumen hindurch, „HILFE! ER WILL MICH AUFFRESSEN! HILFE!“„Nino?“, angelockt von den panischen Hilferufen seines Freundes rannte das Erdmännchen durch den dichten Wald und wich erschrocken zurück, als das Warzenschwein plötzlich vor ihr durch das Unterholz brach, kopflos weiter flüchtete, dann aber schließlich zwischen einer Baumwurzel stecken blieb. Zappelnd versuchte Nino sich zu befreien und Alya runzelte die Stirn, „Nino? Was ist denn los?“ „ER WILL MICH AUFFRESSEN!“, die Befreiungsversuche des Warzenschweins wurden nun immer panischer, als er nun das viel zu nahe Brüllen eines Raubtiers hörte und ein Löwe nun ebenfalls unweit durch das dichte Unterholz brach, „Immer muss ich dich retten … Immer geht’s um deinen … Aaaaaaa!“In letzter Sekunde sprang Félix über den feststeckenden Nino und brüllte dem fremden Löwen eine Herausforderung entgegen. Die filz grauen Augen des Löwen glitzerten, als er nun mit seiner Pranke nach dem fremden Artgenossen schlug. „Geh ihm an die Gurgel!“, forderte Alya, während Nino noch immer feststeckte, „An die Gurgel! Ich habs dir gesagt! Der Junge ist praktisch!“Wütend brüllend erwiderte die Löwin den ersten Angriff aber und brachte Félix dann schließlich doch mit erschreckender Leichtigkeit unter sich. Die gefletschten Zähne waren nun nur wenige Zentimeter von Félix' Kehle entfernt, als plötzlich eine weitere, befehlsgewohnte Stimme vom Rand der Lichtung erklang, „Halt.“Widerwillig ließ die fremde Löwin von Félix ab und schnaubte, „Was ist?“Ein weiterer Löwe, etwas magerer und mit seltsam abwesend wirkenden, schwarzen Augen trat vorsichtig näher und hob nun witternd den Kopf, „Félix?“ „Adrien ...“, die grünen Augen seines
Bruders weiteten sich ungläubig, als er den anderen fast erschrocken betrachtete, „Bist du es wirklich?“ „Ja ...“, als Félix nun aber einen ersten, vorsichtigen Schritt auf seinen Bruder zumachte, trat aber sogleich die fremde Löwin mit einem warnenden Knurren und gebleckten Zähnen in seinen Weg.„Chloé.“, Adrien schüttelte den Kopf, aber dennoch zögerte die Löwin, bis sie schließlich zurückwich und den ergeben den Kopf senkte, „Wie Ihr befehlt, Hoheit.“ Der blinde Löwe schnaubte nur und trat nun seinerseits an ihr vorbei auf Félix zu, „Félix … Aber, was machst du … Wo hast du bloß gesteckt ...“ „Ich … aber … Ich ...“, Félix räusperte sich, aber bevor er noch etwas sagen konnte, schnaubte das Erdmännchen verärgert, „Hey! Was geht hier eigentlich vor?“ „Was machst du hier, Adrien?“, Félix ignorierte den wütenden Einwurf, ebenso wie die beiden anderen, fremden Löwen, aber nun sprang Alya furchtlos zwischen die beiden, sich ähnlich sehenden Raubtiere und forderte vehement eine Antwort, „ZUM DONNERWETTER NOCH MAL! WAS GEHT HIER VOR?!?!?“„Alya, das ist Adrien … Er ist mein Bruder!“, Félix rieb seinen Kopf gegen die Schnauze seines Bruders, bevor er dann auch Nino herbeirief, „Hey, Nino! Komm mal her!“ Es gelang dem Warzenschwein nun endlich sich aus den Wurzeln zu befreien und nun musterte auch er neugierig und etwas besorgt die beiden fremden Löwen. „Adrien, das ist Nino, Nino, das ist Adrien … Mein Bruder.“ „Freut mich deine Bekanntschaft zu machen.“, das Warzenschwein neigte den Kopf und auch Adrien erwiderte die Geste, bevor ein Räuspern ihn an die Gegenwart seiner Leibwächterin erinnerte und er ihn vorstellte, „Das ist Chloé.“„Sehr angenehm.“, Alya brauste nun wieder auf, „MOMENT MAL! AUSZEIT!“ Das Erdmännchen holte einmal tief Luft bevor sie zu zetern begann, „Also, noch mal von vorne … Du kennst den da. Er kennt dich … die da kennst du aber nicht … Aber die will uns auffressen … Und alle sind damit einverstanden? HAB ICH WAS NICHT MITGEKRIEGT?!?“ „Beruhige dich, Alya.“, brummte Félix abgelenkt, als Adrien nun liebevoll über seine Lefzen leckte und noch immer fassungslos den Kopf schüttelte, „Félix, ich kann es kaum erwarten den Anderen zu erzählen, dass du hier bist …“ „Niemand soll es erfahren.“, Félix wand sich brüsk ab und schnaubte, als Adrien ihm folgte, „Natürlich sollen sie! Sie glauben alle, du wärst tot!“ „Ich ...“, überrascht drehte Félix sich um und schüttelte ungläubig den Kopf, „ … und tot?“ „Ja ...“, der blinde Bruder senkte den Kopf und sofort trat Chloé wieder an seine Seite und brummte beruhigend, „Adrien ...“„Mama hat uns alles über die Schlucht erzählt.“, fuhr Adrien, seine Leibwächterin ignorierend fort und Félix runzelte nun verwirrt die Stirn, „Hat sie das? Was hat sie euch denn noch erzählt?“ „Was spielt das für eine Rolle?!“, Adrien scharrte ungeduldig in der weichen, fruchtbaren Erde, „Du lebst. Und das bedeutet, dass … dass du der König bist!“ „König?“, das Erdmännchen trat nun zwischen die ungleichen Löwen und schüttelte amüsiert den Kopf, als der blinde Blick an ihm vorbei zu gehen schien, „Tut mir leid, Blindschleiche … Aber, da hast du auf den falschen Löwen gesetzt.“ Der König?“, Nino trabte nun eilig näher und verneigte sich vor Félix, „Majestät! Ich liege dir zu Pfoten!“„Hör auf damit!“, forderte Félix ungehalten und zog hastig seine Pfote weg, während Alya nun verärgert schnaubte, „Ich liege dir zu Füßen und nicht zu Pfoten … Und, LASS DAS! Er ist doch nicht der König … oder?“ „Nein.“, Félix senkte den Kopf und lächelte dunkel, „Ich sollte einmal König werden, aber … das ist schon lange her ...“ „Also ...“, Alya kratzte sich am Kopf, „Du bist der König? Ohne uns ein Wörtchen zu sagen?“ „Ich bin immer noch der Gleiche!“, versuchte Félix sich zu verteidigen, aber Alya zog ihn an seiner Mähne zu sich und ihre Augen glitzerten, „Ja, aber mächtig!“„Würdet ihr uns ...“, mischte Adrien sich ein, „ … entschuldigen? Nur für ein paar Minuten?“ „Hey.“, Alya lächelte selbstgefällig und tätschelte die Flanke des Löwen, „Wenn er was zu sagen hat, kann er es auch vor uns tun. Nicht wahr, Félix?“ „Mmmmh ...“, der Blick des einstigen Prinzen wanderte über seine beiden Freunde, bevor er dann mit einem müden Seufzen den Kopf senkte, „Vielleicht ist es besser … wirklich besser, wenn ihr gehen würdet.“ „Schon geht’s los ...“, sichtlich getroffen senkte Alya den Kopf, trat an Ninos Seite und verschwand mit dem Warzenschwein zusammen im dichten Gebüsch, „ … das man sich so in jemandem täuschen kann ...“ „Du auch.“, wand sich Adrien nun an Chloé und schüttelte störrisch den Kopf, als diese sogleich widersprechen wollte, „Ich will nur mit meinem Bruder reden. Das kann ich auch ohne dich ...“„Ist sie deine ...“, Félix leckte sich, kaum dass sie alleine waren, über die Lefzen und schien erst einmal nach den passenden Worten suchen zu müssen, „ … Partnerin … Frau?“ Adriens Augen weiteten sich bei der Frage unwillkürlich, dann aber ließ er den Kopf traurig hängen, während ein sarkastisches Lächeln seine Miene zierte, „Nein ...“ „Oh ...“, der ältere Bruder scharrte plötzlich nervös im Sand, „Aber, hast du sie lieb?“ „Sie ist meine Leibwächterin.“, erklärte Adrien leise und
trat wieder an die Seite seines Bruders, „Aber, es ist egal … Félix … Es ist, als wärst du wieder auferstanden … Du hast keine Ahnung, was das uns bedeuten wird … Was es für mich bedeutet ...“ „Ren ...“, Félix schluckte, aber der blinde Löwe trat nun ein Schritt zurück, „Ich wollte niemals König sein … Das musst du mir glauben … Bitte, Félix.“
Kann es wirklich Liebe sein?
„Du bist bestimmt ein wundervoller König, denke ich.“, Félix rieb seinen Kopf gegen Adrien, der aber mit einem unwilligen Knurren zurückwich, „Ich?“ Der blinde Löwe schüttelte mehrfach ungläubig den Kopf und schien dann auch im die Worte kämpfen zu müssen, bis er plötzlich aufsah und störrisch fauchte, „Was denkst du … Ich bin kein guter König …“ Aber ...“, unterbrach Félix seinen Bruder, der aber nur die Augen schloss, „Das Land liegt im Sterben ...“ „Aber, das kann doch nicht deine Schuld sein!“, versuchte Félix ein weiteres mal seinen kleinen Bruder zu beruhigen, verstummte aber, als Adrien nun seine Krallen in den Boden grub, „Du verstehst es nicht! Wir alle werden sterben, wenn … wenn du ...“ Der blinde Löwe holte tief Luft und sein blinder Blick schien seinen Bruder zu suchen, „ … nicht zurückkommst.“ „Ich kann nicht.“, Félix wich unwillkürlich einen Schritt zurück, der ehemalige Prinz schloss die Augen und schüttelte dann traurig den Kopf, „Nach alle dem, was passiert ist … damals in der Schlucht ...“ „NA UND?“, Adrien leckte sich in einer hilflosen Geste über die Lefzen und seine Stimme schien nun einen beinahe verzweifelten Klang angenommen zu haben, als er Félix förmlich anflehte, „Bitte Félix. Bitte, komm zurück … mit mir ...“ „NEIN!“, der ehemalige Kronprinz fauchte fast schon panisch und verschwand dann mit langen Sprüngen im Gebüsch.Adrien seufzte und beinahe sofort erschien der Leibwächter neben ihm und stupste ihn tröstend an. Wortlos rieb Chloé ihren Kopf gegen den des Königs und erst, als Adrien sich ausreichend beruhigt zu haben schien, dirigierte sie den blinden Löwen auf einen Pfad in das Dickicht.Längst stand der Mond hoch am Himmel und seine silbrigen Strahlen verwandelten den grünen Dschungel in eine geheimnisvolle Märchenlandschaft. Das Abbild der schmalen Sichel spiegelte sich im kleinen Teich und wurde vom Abbild eines jungen Löwen ersetzt, als Félix sich zum Trinken hinunterbeugte.„Hoheit?“, Félix seufzte, blieb aber dennoch stehen, als er plötzlich gerufen wurde und schüttelte müde seinen Köpf, „Was willst du, Chloé?“ „Reden.“, die Löwin schloss nun zu Félix auf, hielt aber dennoch respektvollen Abstand, „Einfach nur mit dir reden.“ „Einfach nur … mit mir reden.“, Félix schien die Worte erst einmal auszutesten, bevor er dann aber verstimmt schnaubte und müde den Kopf hob, „Also … schickt Adrien dich? Weil er mich nicht überzeugen konnte, sollst du es jetzt versuchen? Oder sollst du mich überwältigen, damit ihr mich zwingen könnt?“ Trotz seiner abweisenden Art, setzte Félix seinen Weg nun langsam genug fort , dass die fremde Löwin zu ihm aufschließen konnte, bevor er dann fragte, „Worüber willst du denn … reden?“„Ist es wirklich wahr?“, Chloé blieb scheinbar respektvoll einige Schritte hinter dem ehemaligen Kronprinzen und betrachtete ihn dennoch voller Neugier, als Félix sich nun verspannte, „Hast du wirklich euren Vater getötet?“Versteckt hinter einem Busch beobachteten Alya und Nino die beiden so unterschiedlichen Löwen. „Weißt du was … Etwas liegt in der Luft ...“, das Erdmännchen seufzte frustriert, „Und, mir stinkt's.“ „Oh, Tschuldigung.“, entgegnete Nino sogleich peinlich berührt, aber Alya winkte eilig ab, „Nicht du … Erst dachte ich, dass die Blindschleiche … wie war noch sein Name … Ah, Adrien … Also, dass Adrien das Problem wird … Aber, ich habe mich wohl geirrt ...“ „Huh?“, das Warzenschwein legte verwirrt, fragend den Kopf schief, woraufhin Alya ein weiteres Mal seufzte und auf die beiden Löwen deutete, „Er … und diese Leibwächterin … Sie beide … Alleine.“ „Was hast du denn dagegen?“, erkundigte sich Nino nun vollkommen verwirrt, aber das Erdmännchen breitete nur in einer allumfassenden Geste die Arme aus, „Ich seh's jetzt schon kommen ...“ „Was?“, versuchte Nino ihn zu unterbrechen, aber Alya ignorierte ihn und krauste die Nase, „Sie ist das A und O. Sie werden sich verlieben … Glaub es mir! Dann sind wir nur noch zwo ...“ „Oh.“, Nino ließ traurig den Kopf hängen.„Bleib doch endlich mal stehen, Félix!“, forderte Chloé und folgte dem älteren Löwen den steilen Pfad am Wasserfall hinunter, „Du kannst doch nicht ewig davon laufen!“ „Wie solls dir erklären? Ob du es denn verstehst? Du willst die Wahrheit, die Vergangenheit ...“, der ehemalige Prinz zuckte
zusammen und betrachtete kurz sein Spiegelbild im ruhigen Wasser der Lagune am Fuß des silbernen Wasserfalls, „Wer weiß, ob du denn endlich gehst?“ „Was willst du denn nur verbergen?“, Chloé trat vorsichtig an Félix' Seite und betrachtete ihre beiden so unterschiedlichen, aber doch auch so ähnlich wirkenden Spiegelbilder, „Du tust es die ganze Zeit … Warum willst du nur kein König sein, dann mit dir als König wäre Adrien endlich frei!“Félix hob den Kopf und betrachtete die junge Löwin bei der Aussage beinahe verblüfft, bevor er dann schnaubte und in den bis dahin ruhig daliegenden Teich sprang. Erschrocken wich Chloé zurück, beobachtete dann aber in einer Mischung aus Besorgnis und Angst die stille Wasseroberfläche. „Félix?“, vorsichtig kam sie näher und verharrte unruhig am Uferrand, nur um erschrocken zurückzuweichen, als der große Löwe plötzlich mit einem verspielten Knurren die Wasseroberfläche durchbrach. Starke Pranken zogen nun aber die überraschte Chloé in die friedliche Lagune und drückte ihn verspielt unter Wasser.Tropfnass und das kurze, sandfarbene Fell eng am schlanken, aber dennoch muskulösen Körper klebend, kletterte Chloé fast panisch aus dem Wasser und schüttelte sich angeekelt. Als Félix ihr nun aber folgen wollte, schubste sie den anderen Löwen wieder ins Wasser und sprang lachend davon.„Warte! Chloé!“, mit langen Sprüngen folgte Félix ihm, sprang sie von hinten an und schaffte es durch den Überraschungsmoment die Löwin zu Boden zu reißen. Verspielt balgten die beiden ungleichen Löwen miteinander, verloren dabei aber plötzlich an einem sanft abfallenden Abhang den Halt und stolperten hinunter. Félix schaffte es dabei irgendwie die Oberhand zu gewinnen und pinnte die Löwin unter sich fest.Im silbrigen Mondlicht betrachtete Félix sie fast nachdenklich und voller Unglauben. Aber Chloé grinste plötzlich und leckte Félix zärtlich, beinahe schon einem sanften Kuss gleich über die helle Schnauze. Der ehemalige Prinz starrte sie nun vollkommen überrascht an, aber Chloés Lächeln gewann nun beinahe eine verführerische Note, als sie sich vorsichtig unter Félix hervor arbeitete und behände davon sprang. Félix zögerte, aber Chloé blieb immer wieder lockend stehen und warf kokette Blicke über ihre Schulter, sodass der ehemalige Prinz schließlich all seine Zweifel vergaß. Mit einem herausfordernden Brüllen folgte er ihr in das schützende Dickicht.„Und wenn er sich heut' Nacht verliebt ...“, murmelte Alya traurig, während Nino neben ihr lautstark die Nase hochzog, „Kommen wir nicht drum rum ...“ „Die schöne Zeit ...“, das Warzenschwein seufzte und auch Alya schien nun mit den Tränen zu kämpfen und vergrub ihr Gesicht in Ninos dichte schwarze Mähne, „ … der Unbekümmertheit … ist um mein Freund, wie dumm ...“„Ist es nicht schön hier?“, Félix rieb seinen Kopf schnurrend unter Chloés Kinn und seufzte zufrieden, als die Löwin sanft schnaubte, „Ja schon … Aber, trotzdem verstehe ich etwas nicht … Du warst doch die ganze Zeit am Leben. Warum bist du nicht zum Königsfelsen zurückgekommen? Adrien hat dich vermisst … Er hätte dich gebraucht.“ „Adrien ...“, Félix schloss die Augen und bettete den Kopf auf seine Vorderpfoten, „Nun, ich … äh … musste mal was alleine unternehmen. Mein eigenes Leben führen … Das habe ich auch ...“ Félix zögerte kurz und schüttelte dann den Kopf, fast so, als würde er sich selber überzeugen müssen, bevor er weitersprach, „Und, es ist toll.“ „Wir hätten dich gebraucht.“, Chloé rieb ihren Kopf liebevoll gegen den des ehemaligen Prinzen, „Adrien hätte dich dringend gebraucht.“ „Niemand braucht mich.“, brummte Félix niedergeschlagen, aber der andere Löwe schüttelte widerspenstig den Kopf, „Doch, das tun wir … Du bist der König!“„Chloé, begreife es doch endlich ...“, Félix seufzte und sein Schwanz schlug unruhig, während er seine Krallen angespannt in die weiche Erde grub, „Ich bin nicht der König. Adrien … Er ist der König!“ „Aber ...“, Chloé zögerte und seufzte dann, „Er ist kein … kein guter König … Seine … Eure Mutter, sie hat die Macht … Sie ist die Kronregentin … und ihretwegen sind die Hyänen im Geweihten Land!“ „Was?“, Félix erhob sich und halbwegs und starrte die Löwin, die aber nur nickte, an, „Es ist alles zerstört … Es gibt nichts zu essen. Zu trinken … Adrien hat es vorhergesehen, aber … Émilie wollte nicht auf ihn hören … Und, er selber … Félix, wenn du nicht bald was unternimmst, werden alle sterben.“„Das kann ich nicht mehr.“, mutlos ließ der Löwe den Kopf sinken, während Chloé langsam ungeduldig zu werden schien, „WARUM?“ „Das würdest du nicht verstehen ...“, seufzte Félix, was nun aber durchaus Ärger in Chloé zu wecken schien, „WAS WÜRDE ICH NICHT VERSTEHEN?“ „Nein … Nein … Vergiss es.“, Félix schloss müde die Augen, „Hakuna Matata.“ „Was?“, die Löwin krauste irritiert die Nase, aber Félix schien sie nicht zu beachten, „Hakuna Matata. Das habe ich hier draußen gelernt. Weißt du, schlimme Dinge passieren eben ...“ „FÉLIX!“, fauchte Chloé und löste sich von Félix, der aber unbeirrt weitersprach, „ … man kann überhaupt nichts dagegen machen … Warum sich also Sorgen machen?“Eilig, beinahe schon hastig, sprang Félix über einen alten Baumstamm, während Chloé ihm mit langen Schritten folgte, „Weil es immer noch deine Pflicht ist!“ „Du bist doch auch weggegangen, oder nicht?“, fauchte Félix verärgert und die Löwin schüttelte müde den Kopf, „Ja … WIR sind gegangen, um Hilfe zu suchen … Adrien hatte einen … Traum … Er wusste, wohin wir … gehen sollten … Wir haben dich gefunden … Ich habe dich gefunden … Und … du bist unsere einzige Hoffnung!“„Tut mir leid.“, Félix klang wirklich bedauernd, aber Chloé schnaubte nur, „Du sollst Adriens Bruder sein? Das kann ich nicht glauben … Adrien ist blind, aber er ist kein erbärmlicher Feigling!“ „Oh ja, Adrien … Der verwöhnte Adrien … Mamas Augenstern!“, Félix brüllte nun fast und hob drohend eine Pfote, „Glaubst du, du kannst hier einfach auftauchen und mein Leben umkrempeln? Du weißt nicht einmal, was ich durchgemacht habe!“ „Sag es mir endlich, dann weiß ich es!“, forderte die Jüngere, aber Félix schnaubte wiederum nur abweisend, „VERGISS ES, Leibwächterin.“ „Schön.“, Chloé grollte, „Ich gehe zu Adrien und sage ihm, dass sein Bruder zu feige ist, um uns zu helfen.“ „Mach doch!“, Félix ließ sich, als die Schritte der Löwin verklungen waren, mit einem frustrierten Seufzen in das zerdrückte Gras, das zuvor ihr Liebesnest gepolstert hatte, sinken, „VERSCHWINDET BLOSS!“
Erinnere dich!
„Er irrt sich ...“, Félix schnaubte und schlug verärgert mit einer großen Pfote nach dem hohen Gras, durch das unruhig trabte, „Ich kann nicht mehr zurück … Wozu denn überhaupt? Dadurch ändert sich nichts! Man kann die Vergangenheit nicht ändern!“ Der Löwe blieb stehen und sah beinahe sehnsüchtig zu den Sternen auf, seufzte dann aber, bevor er schließlich verärgert den Kopf schüttelte, „Du hast versprochen immer für uns da zu sein … Für mich! Aber, du bist es nicht … Es ist alles meinetwegen … Es ist meine Schuld! Ich bin an allem Schuld!“Traurig senkte Félix den Kopf und bemühte sich gegen die heißen Tränen anzukämpfen. Immer wieder schüttelte der Löwe den Kopf, wie um die finsteren Gedanken zu vertreiben, hielt aber plötzlich inne, als er eine dunkle Stimme, die ihm irgendwie bekannt vorkam, hörte. Er blinzelte gegen die prickelnden Tränen an und sah sich mit einem verärgerten Knurren um, „Wer ist da?“ Ein dunkler Schatten strich unweit scheinbar lauernd durch das hohe Gras und Félix seufzte, „Wer immer du bist, lass bitte mich zufrieden ...“Es raschelte, nun ganz in der Nähe und Félix schüttelte seufzend den Kopf, bevor er einige Schritte weiterlief. Der große Schatten folgte ihm beinahe lautlos, aber nun in einigem Abstand, sodass der Löwe schließlich beschloss ihn nicht mehr zu beachten. Félix rannte durch das hohe Gras und sprang letztlich auf einen alten, umgestürzten Baumstamm, der als eine Art natürliche Brücke über einen silbrig im Mondlicht schimmernden Teich ragte.Seufzend betrachtete der Löwe sein Spiegelbild im ruhigen Wasser und knurrte verärgert, als ein Stein in das Wasser fiel und sein Abbild verschwamm. Kurz schloss Félix verärgert die Augen, bevor er dann seufzend den Kopf in Richtung seines Verfolgers wand, „Hör mal, mach hier bitte keinen Aufstand, ja?“ Der Schatten, eine Löwin, brach nun durch die hohen Gräser und musterte Félix fast schon belustigt, „Ich muss nicht aufstehen. Du musst aufstehen.“ „Lass es ...“, schlecht gelaunt erhob der helle Löwe sich und wand seiner Artgenossin den Rücken zu, „Ich will doch nur meine Ruhe.“Wieder raschelte es irgendwo hinter Félix im Gras, sodass der nach einigen Schritten stehen blieb und sich seiner Verfolgerin wütend stellte, „Hör endlich auf mir zu folgen! Wer bist du überhaupt?“ „Die Frage ist ...“, die Löwin lächelte süffisant und machte einen letzten Schritt, bis sie beinahe unangenehm nahe vor Félix stand, „Wer bist du?“ „Ich ...“, Félix schloss kurz die Augen, als müsste er erst einmal darüber nachdenken, „Ich wusste es mal. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher.“ „Ich weiß, wer du bist.“, die fremde Löwin legte mit einem sanften Lächeln den Kopf schief, „Du bist der Bruder des Königs.“„Ja … Nein!“, Félix schüttelte verwirrt den Kopf, „Aber … Was willst du von mir?“ „Nichts. Ich möchte etwas vom König.“, die Stimme der Löwin war sanft, aber Félix brüllte nun verärgert, „DANN SOLLTEST DU ZU ADRIEN GEHEN!“ „Du scheinst etwas durcheinander zu sein.“, sie schien
weiterhin unbeeindruckt von Félix' Vorwürfen, sondern lächelte nur wissend, „Glaub mir, hier ist nur einer verwirrt. Du weißt doch nicht einmal mehr, wer du bist, Félix.“ „Oh ...“, höhnte Félix sichtlich verärgert, „Und du weißt es natürlich.“ „Natürlich.“, die Fremde senkte respektvoll den Kopf und ihre Stimme klang ungewohnt sanft, „Du bist Gabriels Sohn … Der einstige Kronprinz. Jetziger König … Und, natürlich auch trotzdem noch immer der Bruder von Adrien.“„Hey! Warte!“, eilig bemühte Félix sich nun doch der Löwin zu folgen und holte sie schließlich schwer atmend auf der Kuppe eines nahen, grasbewachsenen Hügels ein, „Du kanntest meinen Vater?“ „Falsch.“, die andere Löwin drehte sich nicht zu Félix, sondern betrachtete weiterhin die mondbeschienene Ebene, die sich unter ihm weit erstreckte, „Ich kannte deinen Vater nicht … Aber, ich kenne deinen Vater.“„Nimm es bitte nicht so schwer.“, Félix trat nun an ihre Seite und seufzte, „Aber … Gabriel ist vor langer Zeit gestorben.“ „Schon wieder falsch!“, sie erhob sich und lief mit langen, eleganten und kraftvollen Schritten voran, „Er lebt. Und, ich werde es dir auch beweisen. Komm mit!“Die Löwin führte Félix über das Grasland und schließlich auch durch ein verdorrtes, dorniges Dickicht. Und recht bald hatte der ehemalige Kronprinz Mühe mit ihr mitzuhalten und hechelte atemlos, „Hey! Moment mal! Warte!“ „Komm!“, sie wartete aber nicht, sondern sprang elegant durch einen Spalt zwischen zwei längst vertrockneten Bäumen, bevor sie sich dann mit einem beinahe nachsichtigen Lächeln zu Félix umdrehte, „Leise nun. Sieh da hinein.“Zögerlich kam der Löwe näher und spähte misstrauisch an dem Dunklen vorbei, „Was ist das?“ „Sieh hin.“, wiederholte die andere nur und dieses Mal trat Félix an ihr vorbei und sah vorsichtig in den ruhig vor ihm liegenden Teich, der silbrig im Mondlicht glänzte. Sein Spiegelbild erschien im ruhigen Wasser und Félix seufzte fast schon enttäuscht, während er den Kopf schüttelte, „Das ist nicht mein Vater. Das ist doch nur mein Spiegelbild.“„Nein.“, die Löwin klang nun beinahe mitleidig, „Sieh genauer hin.“ Félix runzelte die Stirn, kam dem Befehl aber dennoch noch immer etwas zögerlich und argwöhnisch nach und spähte erneut in das klare, silbrige Wasser, „Was ...“ „Siehst du.“, sie trat nun an seine Seite, aber ihr Spiegelbild erschien nicht in der spiegelnden Fläche. Stattdessen kräuselte sich die Wasseroberfläche im plötzlich aufkommenden, sanften Wind und helle Wolken zogen über den, bis dahin makellosen Sternenhimmel.Die weißen Wolken türmten sich auf und schienen erste, noch verschwommene Umrisse zu bilden, die aber immer deutlicher wurden und schließlich die schimmernden Umrisse eines Löwenkopfs zu bilden schienen. In den Augen schimmerten die Sterne und auch in der Wolkenmähne schienen sie zu glitzern, aber dennoch erkannte Félix die vertrauten Züge sofort und starrte hinauf zum Himmel, „Papa ...“„Félix ...“, die Stimme des Himmelslöwen schien ein fernes Donnern zu sein, dass über das Grasland rollte, „Du hast mich vergessen ...“ „NEIN!“, Félix schüttelte den Kopf, „Das könnte ich nicht!“ „Du hast vergessen, wer du bist und … somit auch mich.“, donnerte das Abbild des ehemaligen Königs nun ärgerlicher und schüttelte grollend den Kopf, „Hör auf dein Herz, Félix. Adrien ist zu etwas anderem bestimmt, er sollte nicht König sein … Du bist vom Schicksal dazu bestimmt worden. Ihr beide müsst euren richtigen Platz im Ewigen Kreis einnehmen!“„Und … Wie soll ich das machen?“, seufzte Félix hilflos und senkte fast beschämt wirkend den Kopf, als würde er sich vor seinem Vater schämen, „Ich bin nicht mehr derselbe.“ „Vergiss niemals, wer du bist.“, der Himmelslöwe klang nun beinahe sanft und er schien zu lächeln, „Du bist mein Sohn, ebenso wie Adrien. Aber, du bist der wahre König … Du musst dich wieder daran erinnern ...“ Der wieder aufkommende Wind trieb die Wolken auseinander und hilflos rannte Félix der nun verschwindenden Erscheinung seines Vaters hinterher und flehte „NEIN! BITTE! VERLASS MICH NICHT!“„Was war das denn?“, die Löwin trat nun wieder an seine Seite und ließ sich mit einem müden Seufzen neben ihm ins warme Gras sinken, während sie gespielt amüsiert den Kopf schüttelte, „Das Wetter … äußerst seltsam, findest du das nicht auch?“ „Ja ...“, Félix bettete mit einem unzufriedenen Seufzen seinen Kopf auf seine Vorderpfoten und schnaubte knapp, „Der Wind wechselt wohl seine Richtung.“ „Wechsel ist gut.“, nickte sie, aber Félix schnaubte wiederum nur, „Ja, aber nicht so einfach … Ich weiß, was meine Pflicht ist. Aber, wenn ich zurückgehe … Dann muss ich mich meiner Vergangenheit stellen … Und, ich bin solange davor geflohen.“ Die Löwin biss Félix in den Schwanz, woraufhin der Löwe erst zusammenzuckte und dann grollend aufsprang, „Aua! Hey! Warum hast du das gemacht?“„Ist doch egal?“, die Löwin zuckte elegant mit den Schultern, „Es ist Vergangenheit.“ „Ja ...“,
gestand Félix ein und schlug vorsichtig mit dem malträtierten Schwanz, „Aber, es tut immer noch weh!“ „Oh ja, die Vergangenheit kann sehr weh tun.“, sie lächelte finster und machte nun wiederum Anstalten den Löwen spielerisch anzugreifen, „Aber, wie ich es sehe, läuft man entweder davon … oder aber man lernt daraus.“ Félix sprang, den spielerischen Angriff dieses Mal erahnend, beiseite und brachte die Löwin dann grollend unter sich. Dieser schien aber noch immer wenig beeindruckt, sondern bleckte nun herausfordernd die Zähne, „Siehst du? Also, was hast du jetzt vor?“ Félix erhob sich und schüttelte beinahe ungläubig, fast schon von sich selbst überrascht wirkend, die helle Mähne, „Ich gehe dahin, wo ich hingehöre!“Lautes Schnarchen hallte durch den nächtlichen Dschungel, laut genug, um den blinden Löwen zu führen. Adrien verharrte noch kurz am Rand der Lichtung, bevor er dann seufzend den Kopf schüttelte und schnaubte, „Alya? Nino?“ Sowohl das Warzenschwein, als auch das Erdmännchen reagierten nicht auf die Rufe des blinden Löwen, sondern schienen stattdessen sogar noch lauter zu schnarchen. Adrien trat lautlos noch näher und stupste das schnarchende Erdmännchen dann behutsam mit der Pfote an, „Hey, wacht auf!“Verschlafen öffnete Alya die Augen und fing sogleich erschrocken an zu schreien, als er einen Löwen so dicht vor sich sah, „AHHHHHHHH!“ Durch das Schreien seines Freundes wurde nun aber auch Nino wach und reagierte eben so panisch und erschrocken, „AHHHHHHHHHH!“ „Beruhigt euch … Be … Beruhigt euch! Schon gut!“, versuchte Adrien die beiden etwas hilflos wirkend zu beruhigen und trat einen Schritt zurück, sodass sie ihn besser sehen konnte, „Ich bin es, Adrien!“„Mach das nie wieder, verstehst du?“, Alya klang atemlos und presste eine Pfote auf ihr wild pochendes Herz, „Fleischfresser, man ...“ „Wisst ihr vielleicht wo Félix ist?“, erkundigte Adrien sich mühsam beherrscht und sichtlich ungeduldig, während das Erdmännchen nun abfällig schnaubte, „Frag doch besser deine Leibwächterin, Blindschleiche. Da hat es ja ziemlich heftig geknistert … Vielleicht haben sie ja Spaß irgendwo im Gebüsch ...“ „Er war bei mir.“, nun trat auch die Leibwächterin auf die Lichtung und hielt sich wieder dicht neben ihrem blinden Schutzbefohlenen. Ihre dunklen Augen zeigten kurz Schmerz, bevor Chloé seufzend den Kopf senkte, „Aber, jetzt ist er weg … Ich weiß nicht, wo er hin ist ...“„Aber ich.“, ein dunkler Schatten fiel auf die Lichtung und beim Anblick der Löwin knurrte Chloé, „Was machst du denn hier?“ „Marinette.“, Adriens Schwanz zuckte kurz unruhig, aber er entspannte sich gleich wieder, als die andere Löwin nun an seiner Seite trat und ihm zur Begrüßung sanft über die Lefzen leckte, „Adrien ...“ „Man … Ist hier heute Treffen der heimlich verliebten Löwen?“, schnaubte Alya genervt und wich überwältigt von den vielen Raubtieren zurück, „Aber, jetzt habe ich mal eine Frage … Was soll das aber alles?“ „Der König ...“, Marinette warf einen liebevollen Blick Adrien, bevor sie sich dann aber schmunzelnd verbesserte, „Der wahre König ist zurückgekehrt.“„Ich kann es nicht glauben!“, Chloés Krallen gruben sich tief in die fruchtbare Erde, aber sie schüttelte immer wieder ungläubig den Kopf, „Er geht wieder zurück … Er geht tatsächlich wieder zurück!“ „Zurück?“, das Erdmännchen sah ratlos zwischen den aufgeregten Löwen hin und her, „Was meint ihr damit?“ „Félix wird zurückgehen und gegen Émilie antreten.“, Marinettes blauer Blick lag schwer auf Adrien, der aber nur schnaubend die Augen schloss und sich gegen die Löwin zu lehnen schien. „Wen?“, das Erdmännchen runzelte die Stirn und dieses Mal war es Chloé, die antwortete und den Namen der Kronregentin abfällig hervorstieß, „Émilie.“„Was bitte ist eine Émilie?“, mischte sich nun auch Nino reichlich verwirrt ein und Chloé knurrte unwillig, verfiel aber gleich wieder in Schweigen, als Marinette sich räusperte, „Sie ist die Mutter von Félix und Adrien ...“ „Émilie ist also die Mutter der Blindschleiche und von unserem Félixi ...“, Alya überlegte laut und wurde dieses Mal vom merklich aufgeregten Adrien unterbrochen, „Er will Mama vertreiben und … seinen Platz als König einnehmen.“ „Moment, warst du nicht König?“, das Erdmännchen runzelte die Stirn und musterte den blinden Löwen, der aber wieder nur schnaubte, „Ich ...“ „Adrien sollte niemals König werden.“, Marinette rieb seinen Kopf unter dem Kinn des Löwen und gab einen beinahe schnurrenden Laut von sich, „Félix war schon immer dazu bestimmt … Adrien' Bestimmung … ist eine andere.“
Hula?!
Vorsichtig, fast schon ungläubig betrachtete Félix das zerstörte Land von einem Felsvorsprung aus. Alles, was in seiner Kindheit grün und lebendig gewesen war, schien nun grau und trist geworden zu sein. Die einst fruchtbaren, von zahlreichen Tieren bevölkerten Ebenen erstreckten sich nun leer
und verlassen vor ihm und in den dunklen Wolken rollte bedrohlich der Donner. Fassungslos schüttelte Félix den Kopf, aber gleichzeitig knurrte der Löwe wütend.„Félix, warte ...“, Chloé schloss nun mit weiten Sprüngen zu ihm auf und sah denn ebenfalls seufzend über das sterbende Land, „Es ist furchtbar, nicht wahr?“ „Ich wollte es nicht glauben.“, Félix schloss die Augen, als ob er den Anblick nun nicht mehr länger ertragen könnte und knurrte unwillig, „Und Adrien … hat es...“ „Es gewusst, ja.“, gestand Chloé nach einem kurzen Zögern leise ein, sprach aber eilig weiter, als Félix unwillig oder vielleicht auch eher ungläubig knurrte, „Er hat versucht es zu verhindern, aber … sie hat ihm niemals richtig zugehört ...“„Émilie?“, Félix öffnete die Augen wieder, wand aber den Blick von den staubigen Ebenen ab, sondern musterte stattdessen Chloé, die wieder kurz zögerte, bevor sie dann bestätigend nickte, „Ja.“ „Und du? Was ist mit dir?“, der Blick war nun dunkel und herausfordernd, aber Chloé begegnete dem Blick ebenso störrisch, „Ich beschütze Adrien.“ „Und, wo ist er jetzt?“, Félix warf einen hastigen Blick zurück über seine Schulter, aber Chloé lachte nur rau, „Was denkst du von mir? Ich habe ihn in der Obhut von Marinette gelassen … Dort ist er … in Sicherheit.“ „Und, was ist mit deiner Sicherheit?“, Félix klang nun deutlich besorgt, aber die Löwin rieb ihren Kopf gegen seinen und schnaubte gleichzeitig, „Ich weiß, was ich tue, Félix. Ich werde dir folgen.“ „Aber, es wird gefährlich werden, Chloé.“, warnte Félix, woraufhin die Löwin wieder nur abfällig schnaubte, „Schlimmer als Adrien zu beschützen, kann es nicht werden.“„Ihr redet von der Blindschleiche?“, überrascht drehten sich die beiden Löwen um und Félix runzelte die Stirn, als er seine beiden Freunde musterte, „Alya … Nino … Was macht ihr denn hier?“ „Stets zu Diensten.“, das Warzenschwein verbeugte sich vor ihm, „Majestät.“ „Oh ...“, Alya hatte in der Zwischenzeit einen ersten Blick auf das Land, das sich vor ihnen erstreckte geworfen und krauste nun wenig begeistert von dem Anblick die Nase, „Kämpfen wir mit deiner Mutter etwa … um das hier?“ „Ja.“, Félix lächelte sanft, „Das ist mein Zuhause.“ „Na ja ...“, Alya sprang geschickt auf den Kopf des Warzenschweins und seufzte, „Ein bisschen überholungsbedürftig … Aber gut, wenn es dir so wichtig ist … dann bleiben wir bis zum bitteren Ende bei dir.“Alte Knochen brachen unter den Pfoten der Löwen und den Hufen des Warzenschweins und schwarzer, heißer Staub wehte über die Ebene und kennzeichnete ihren Weg zum Königsfelsen. Noch immer ragte der schwarze Felsen steil und hoheitsvoll in den dunklen Himmel. Seine Spitze schien bis weit in die finsteren Wolken zu reichen, als ob er die bedrohlichen Gewitterwolken kitzeln wollte. Verborgen hinter einem vertrockneten Baumstamm, beobachteten Félix und Chloédie zahlreichen, lauernden Hyänen, während Alya und Nino sich unweit hinter einem längst toten Busch versteckten.„Ich hasse Hyänen ...“, flüsterte Alya und wand sich nun etwas zweifelnd an Félix, „Und, wir wollen wir jetzt an diesen Typen vorbeikommen?“ „Lebendiges Fleisch.“, Félix bleckte amüsiert die Zähne und Alya nickte erst, bevor er dann begriff und prompt aufbegehrte, „MOMENT!“ „Komm schon, Alya.“, Félix stupste das Erdmännchen sanft an, „Ihr müsst sie irgendwie ablenken!“ „Soll ich mich etwa in einen Fummel schmeißen ...“, Alya krauste die Nase und schnaubte angewidert, „ … und Hula tanzen?“„Bitte nicht.“, ein dunkler Schatten fiel auf sie und als Félix und Chloé kampfbereit die Krallen ausfuhren und sich umdrehten, glommen hinter ihnen die blauen Augen Marinettes. “Marinette.“, Félix war überrascht, aber Chloé knurrte und ihr blauer Blick wanderte wachsam über die Ebene, „Wo ist Adrien? Hast du ihn etwa alleine gelassen …?“ „Nein.“, Marinette trat nun einen Schritt zur Seite und enthüllte nun die schmale Gestalt des blinden Löwen, der unwillig den Kopf schüttelte und erstaunlich selbstsicher klang, „Ihr braucht uns.“„Wir haben schon einen Plan!“, widersprach Félix, aber sein Bruder schnaubte nur abfällig, „Oh ja, ich habe es gehört. Hulatanzen ...“ „Hast du denn eine bessere Idee?“, erkundigte Félix sich zwischen zusammengebissenen Zähnen und knurrte verärgert, als Adrien nun wie selbstverständlich an die Seite seinesrLeibwächterin trat. „Natürlich.“, der blinde Löwe hob stolz den Kopf, „Chloé und ich, wir gehen vor.“ „Adrien ...“, versuchte Félix sogleich zu intervenieren, aber Chloé nickte schließlich zustimmend, wenn auch nicht wirklich erfreut über den Plan wirkend, „Sie kennen uns … Wir sind hier Zuhause. Niemand wird Verdacht schöpfen ...“ Adrien brummte nur zustimmend und auch Marinette seufzte nun, mit einem schiefen, wenig erfreuten Lächeln und bedachte den blinden Löwen mit einem besorgten Blick, „Ich hasse es, das zugeben zu müssen ...“ „Aber, die Blindschleiche hat Recht.“, Alya konnte die Erleichterung nicht ganz aus ihrer Stimme verbannen und grinste nun schief, als alle Blicke sich plötzlich auf sie richteten, „Was denn? Ich bin furchtbar beim Hulatanzen! Limbo oder Karaoke liegen mir viel besser … Könnten wir nicht
vielleicht ...“ Félix' frustriertes Grollen ließ sie verstummen, „Adrien! Chloé!“Die beiden Löwen hatten das Versteck aber bereits verlassen und ignorierten den leisen Ruf einfach. Stattdessen lief Chloé immer einen Schritt vor Adrien und schien die Schritte des blinden Löwen zu lenken. Die Hyänen hoben bei ihrem Nahen kurz die Köpfe und schienen die beiden zähnefletschend zu beobachteten, bevor sie wieder die letzten Fleischfetzen von den Knochen rissen und sich winselnd um die Reste stritten. Adrien hielt den Kopf stolz erhoben und schien das wütende Knurren und Geifern nicht zu hören, während Chloé sich immer wieder schützend zwischen den blinden Löwen und die aufgeregten Aasfresser drängen musste, um ihn zu schützen.„ADRIEN!“, Émilies Stimme hallte von den dunklen Felsen wieder und bei dem Klang versteckte Félix sich hinter einigen Felsen, um das Geschehen erst einmal zu beobachten, „ADRIEN! WO BIST DU?“ „Ja, Mutter?“, Adrien kam nun, gefolgt von Chloé, auf das Plateau und neigte respektvoll den Kopf vor der Löwin, die aber nur knurrte, „Wo warst du?“ „Ich habe mich umgehen.“, Adrien hielt sich weiterhin hoheitsvoll aufrecht, während Chloé sich weiterhin beschützend neben ihm hielt. „Umgesehen?“, die Löwin runzelte misstrauisch die Stirn und ihre Stimme klang nun deutlich süffisant und beinahe schon höhnisch, „Und, was hast du GESEHEN, mein BLINDES Lämmchen?“ „Die Herden sind weitergezogen. Es gibt keine Beute mehr.“, Adrien ging nicht auf die Provokation seiner Mutter ein, sondern schüttelte traurig, aber dennoch überzeugt wirkend den Kopf, „Es ist vorbei, Mutter. Uns bleibt nur eine Wahl … Nein, mir bleibt nur eine Wahl, als König ... “„Ein blinder König triff Entscheidungen ...“, Émilie lächelte scharf, „Nun, dann erleuchtet mich. Was sollen wir denn Eurer Meinung nach tun, Hoheit?“ „Den Königsfelsen verlassen.“, entgegnete Adrien ruhig, aber seine Mutter lachte nur rau und trat bedrohlich einen Schritt auf ihren Sohn zu, „Und, wenn wir den Königsfelsen verlassen … wohin sollten wir denn gehen?“ „Irgendwohin!“, fauchte Adrien, „Es ist doch völlig egal! Schlimmer, als hier kann es nicht sein ...Ich übernehme die Verantwortung … Als König ...“ „Als König?“, Émilie trat einen raschen Schritt auf ihren Sohn zu und noch bevor Chloé reagieren konnte, schlug sie ihn mit der Pfote zu Boden, „Du bist gar nichts, Adrien! Kein König … Nur ein blinder Löwe ...“„ADRIEN!“, Félix sprang nun ohne zu überlegen aus seinem Versteck und schob sich knurrend zwischen seinen verletzten Bruder und seine Mutter, die ihn nun vollkommen entsetzt anstarrte und zurückwich, „Gabriel … Aber nein … du bist tot!“ Félix ignorierte sie, sondern stupste vorsichtig seinen Bruder an, „Alles in Ordnung, Ren?“ „Ja.“, der blinde Löwe kam schwerfällig auf die Beine und winselte, als er über die frischen Striemen auf seiner Schnauze leckte. „Versteck dich.“, Félix stieß ihn behutsam mit der Schnauze an, „Das ist nun nicht mehr dein Kampf ...“ „Félix ...“, Adrien wollte verärgert aufbegehren, wich dann aber zurück, als ihre Mutter grollte, „Félixi... Félixi … Oh, was für eine freudige Überraschung … Du ...“ Sie warf nun einen verächtlichen Blick auf die drei Hyänen, die sich beeilten schuldbewusst in den tiefen Schatten der Höhlen zu verschwinden„ … lebst noch.“„Nenn mir einen guten Grund, warum ich dich nicht in Stücke reißen sollte!“, Félix schnappte verärgert nach der Löwin und grollte wütend, als Émilie zurückwich, bis sie schließlich an einer der steil aufragenden Wände des Königsfelsen stand. „Oh, Félixi … das musst du verstehen … Adrien … Die Sorge um ihn … und dann die Pflichten als Königsmutter … und als Kronregentin ...“, versuchte sie sich zu rechtfertigen, aber Félix schnaubte nur, „ … sind nicht länger die deinen, Mutter. Danke ab.“„Das ist alleine Adriens Entscheidung.“, die Löwin senkte kurz den Kopf, aber ihre Augen blitzten herausfordernd, als sie ihn gleich darauf wieder hob und Félix wütend anstarrte, „Es gibt da nur ein klitzekleines … Problem ...“ Émilie deutete nach oben, wo auf einem höher gelegenen Plateau die zähnefletschenden Hyänen, bereit auf ihren Befehl anzugreifen, lauerten, „Sie sind Adrien … Und mir treu ergeben ...“„Ich will keine Hyänen.“, Adrien trat wieder an die Seite seines Bruders, wie immer gefolgt von Chloés schlanker Gestalt, „Ich danke ab, Mutter.“ „Siehst du?“, Félix atmete schnaubend ein, „Entweder du folgst seinem Beispiel und dankst ab … oder du kämpfst.“ „Oh … muss es immer in Gewalt enden?“, die Löwin verzog angewidert das Gesicht, „Ich wäre ungern für den Tod eines Familienmitgliedes verantwortlich … Das ist ja eher dein Fachgebiet, Félixi, oder?“ „Dieses Mal falle ich nicht darauf rein, Mutter.“, Félix schüttelte beinahe amüsiert den Kopf, „Das habe ich hinter mir gelassen.“ „Oh ...“, ihr Lächeln wurde eine Spur schärfer, „Und, was ist mit deinen treuen … Untertanen? Ob sie es hinter sich gelassen haben? Oder hast du dein kleines Geheimnis etwa noch für dich behalten? Wissen sie etwa nicht, dass du deinen Vater getötet hast?“
„Es ist egal … Aber ja ...“, Félix schloss kurz die Augen, aber seine Stimme klang trotzdem weiterhin fest, „Es ist wahr ...“ „Seht ihr!“, Émilie wand sich nun an die anderen Löwinnen, die nach wie vor unschlüssig schienen, auf wessen Seite sie sich schlagen sollten, „Er gibt es zu! Er ist ein Mörder!“ Ein gleißender Blitz zerriss den Himmel und das darauffolgende Donnern brachte selbst den Königsfelsen zum Erbeben und stahl Félix die Worte von den Lippen, „Nein! Es war keine Absicht!“ „Keine Absicht?“, Émilie trat nun vor die Löwinnen und hob ihre Stimme Beifall heischend, „Wenn Félix nicht gewesen wäre, dann wäre Gabriel noch am Leben! Seinetwegen ist er tot!“„Nein, das leugne ich nicht.“, Félix stand noch immer aufrecht, flankiert von seinem Bruder und Chloé und zuckte auch nicht zusammen, als Émilies Stimme nun lauter und anklagender wurde, „Dann bist du schuldig!“ „Ja. Aber, ich bin kein Mörder!“, widersprach Félix, nun leiser, aber Émilie umrundete ihn und wisperte heiser, „Oh, Félixi … Was hast du jetzt wieder angestellt. Aber, dein Papi kann dich dieses Mal nicht mehr retten … Und, jetzt weiß auch jeder WARUM!“Schritt für Schritt trieb Émilie ihren Sohn in Richtung immer weiter des Abgrunds und lachte rau, als der junge Löwe schließlich rücklings den Halt verlor und abzurutschen drohte. Félix grub die Krallen nach Halt suchend in den harten Stein und versuchte verzweifelt mit den Hinterbeinen Halt zu finden, als nun ein weiterer, gleißender Blitz das vertrocknete Holz unter ihm entzündete. Die Bemühungen des jungen Löwen wurden hektischer, während Émilie ruhig hoch über ihm aufragte und nun nachdenklich den Kopf schief legte, „Wo hab ich das nur schon mal gesehen …?“ „Oh ja ...“, die Löwin lächelte kalt, als sie sich nun verschwörerisch zu ihrem hilflos zappelnden Sohn hinunterbeugte, „Oh ja, ich erinnere mich … Genauso sah dein Vater nämlich kurz vor seinem Tod aus ...“Félix keuchte, als Émilie nun ihre Krallen in seine Vorderpfoten schlug, „Mama ...“ „Ich verrate dir mein kleines Geheimnis.“, Émilie kicherte und in ihren Augen flackerte der Wahnsinn ebenso hell wie das tobende Feuer, das sich immer weiter ausbreitete, „Ich tötete Gabriel.“
Der Kreis ist vollendet
„NEIN!“, mit einem gewaltigen Sprung stürzte sich Félix auf seine Mutter und brachte sie mit einem wütenden Knurren unter sich, „Mörderin!“ „Félix … Félixi ...“, pure, nackte Angst schimmerte im panischen Blick der Löwin, „Bitte ...“ „Sag ihnen die Wahrheit!“, forderte Félix mit gepresster, nur noch mühsam gesenkt gehaltener Stimme, aber Émilie wehrte sich, „Wahrheit … Die Wahrheit liegt im Auge des Betra … Ugh ...“ Eine Pfote auf der Kehle seiner Mutter unterbrach sie und Félix' Augen funkelten fordernd, als er nun knurrte, „Die Wahrheit.“ „Na gut ...“, Émilie hustete, sprach dann aber so leise, dass sie kaum zu verstehen war, „Ich habe es getan.“ „Lauter!“, forderte Félix grollend und hob drohend die Pranke, „Sodass sie dich hören!“ „Ich ...“, nur äußerst widerwillig kam Émilie der Forderung ihres Sohnes nach, „ … tötete Gabriel ...“Chloés Brüllen durchbrach die Stille und löste die Starre, die auf den Tieren lag. Und während die Löwin sich auf Émilie stürzen wollte, griffen die Hyänen nun Félix an. Aber auch die Löwinnen schienen nun auch endlich ihre Seite gewählt zu haben und gingen auf die Hyänen los, dicht gefolgt von Alya und Nino, die sich ebenfalls ohne zu zögern auf die überraschten Aasfresser stürzten, „Platz da!“Félix wehrte sich gegen die wütenden, geifernden Hyänen, drohte dann aber doch zu Boden zu gehen, als eine weitere Hyäne ihm auf den Rücken sprang und nach seinem Hals schnappte. Der Löwe winselte schmerzerfüllt, aber aus den Augenwinkeln sah er einen dunklen Schatten und gleich darauf lag der Aasfresser leblos im Sand. „Du solltest besser aufpassen.“, Marinette zog in einer fast schon amüsierten Geste die Lefzen hoch, bevor sie mit einem weiteren Schlag ihrer Pranke die nächste Hyäne davon schleuderte und herausfordernd brüllte.„Hilfe!“, das Erdmännchen floh, dicht gefolgt von Audrey und den anderen beiden Hyänen in eine der zahlreichen Höhlen und sah sich dort im Halbdunkeln hektisch nach einem möglichen Versteck um. „Lass mich raus!“, die flehentlichen Rufe des noch immer eingesperrten Vogels wiesen Alya schließlich den Weg und atemlos schlüpfte er zwischen den Knochen des Brustkorbs hindurch in den improvisierten Käfig zu Luca, „Lass mich rein!“Die beiden unterschiedlichen Tiere drängten sich an die Rückwand des Käfigs, um den scharfen, zuschnappenden Zähnen der wütenden und sicher auch hungrigen Hyänen zu entgehen, „Fresst uns nicht! Wir schmecken nicht!“ „Pfoten weg!“, Nino massiger Schatten tauchte im hellen Oval des Höhleneingangs auf und das Warzenschwein scharrte ungeduldig und verärgert mit dem Huf,
als es nun angriffsbereit den Kopf senkte, „Sofort!“ „Hey ...“, Audrey hatte sich überrascht umgesehen und musterte Nino kurz verwirrt, „Wo kommt die Sau her?“„Redest du mit mir?“, Nino schnaubte und scharrte provozierend, während Alya nur beinahe mitleidig den Kopf schüttelte, „Oh oh … Er hat Sau gesagt!“ „Redest du mit mir?“, wiederholte das Warzenschwein und Alya schloss die Augen, während Luca verständnislos blinzelte, „Häh?“ „Das wirst du bereuen … Jetzt ist alles aus ...“, Alya wand sich ab, „Sie tun mir beinahe leid … Beinahe ...“ „Man nennt mich ...“, nach einem letzten Scharren stürzte Nino sich mit gesenktem Kopf auf die überraschten Hyänen, „WARZENSCHWEIN!“Feuer tobte um den Felsen herum, hatte sich das trockene Unterholz doch durch die mächtigen Blitzschläge entzündet. Rauch und Feuer erschwerte die Sicht und das Atmen, aber dennoch wurde scheinbar überall auf dem Königsfelsen gekämpft. Die Löwinnen schienen zwar langsam die Oberhand über die Aasfresser zu gewinnen, aber dennoch gab es bereits auf beiden Seiten viele Opfer zu beklagen. Tote Löwen und Hyänen säumten die Wege und die Verletzten winselten leise, als der Kampf zwischen Mutter und Sohn sich nun langsam immer weite gen Spitze des steilen Felsen zu verlagern schien.Der wütende Félix drängte seine Mutter immer weiter zum Rand und als ihre Hinterpfote abzurutschen drohte, warf die Löwin einen panischen Blick den steilen Abgrund hinunter. Brüllend brach der junge Löwe durch die züngelnden Flammen und schritt langsam auf seine erschrockene Mutter zu, „Mörderin.“ „Félix … Félixi ...“, Émilie sah sich hastig nach einem möglichen Ausweg um, senkte aber den Kopf, als sie die momentane Aussichtslosigkeit ihrer Lage erkannte, „Bitte … Bitte … Habe doch Erbarmen. Ich flehe dich an …“„Du verdienst es nicht am Leben zu bleiben!“, knurrte Félix unbeeindruckt und trat bedrohlich einen weiteren Schritt auf seine Mutter zu. „Aber, Félixi ...“, unsicher sah die Löwin sich noch einmal um und senkte dann verschwörerisch die Stimme, „Ich bin doch deine Mutter … Ich liebe dich! Félix, die wahren Feinde … dass sind die Hyänen! Es ist alles ihre Schuld! Es war alles ihre Idee!“Die lauschenden Hyänen wichen knurrend in die Schatten zurück.„Warum sollte ich dir glauben?“, knurrte Félix angespannt, „Du hast mir mein ganzes Leben lang doch immer nur Lügen erzählt!“ „Was hast du denn jetzt vor?“, Émilie senkte unterwürfig den Kopf, „Du wirst doch deine eigene Mutter nicht töten?“ „Nein ...“, der junge Löwe schüttelte sanft den Kopf, „Ich bin nicht wie du … Außerdem kann ich das Adrien nicht antun …“ „Oh, Félix … danke schön.“, Émilie atmete erleichtert auf, „Du bist zu gütig … Ich mach es wieder gut … Ich verspreche es … Sag mir … äh … wie ich es dir beweisen soll? Sag es mir, ich tu alles ...“ „Lauf weg.“, Félix senkte die Stimme, bis zu einem heiseren Knurren und die filz grauen Augen funkelten dunkel, „Lauf weg … Und komm nie mehr zurück.“ „Natürlich … Wie Ihr wünscht ...“, aus den Augenwinkeln hatte die Löwin noch glimmende Asche entdeckt und schlug nun das schwelende Feuer in die Richtung ihres Sohnes, „ … Eure Majestät!“Félix brüllte vor Schmerzen, nicht nur von der heißen Glut, sondern auch von Émilies heimtückischen Angriff, der ihn zu Boden zwang. Blindlings schlug Félix um sich und dieses Mal war es seine Mutter, die schmerzerfüllt aufschrie, als die Krallen ihr Ziel fanden. Félix humpelte, aber sichtlich eine Pfote schonend davon und versuchte etwas Abstand zwischen sich und die Löwin zu bringen. „Félixi … Wo bist du? Félixilein … Wo bist du?“, höhnte Émilie, bevor sie durch eine Feuerwand sprang und sich ein weiteres Mal auf ihren Sohn stürzen wollte. Irgendwie gelang es dem Jüngeren aber doch noch blindlings auszuweichen, sodass seine Mutter, von ihrem eigenen Schwung getragen, über den Rand des Königsfelsen stürzte.„Ah...“, humpelnd kam Émilie nach ihrem Sturz und der harten Landung in einigen glimmenden Büschen wieder auf die Beine und musterte mit sichtbarer Erleichterung das Herannahen der Hyänen, „Meine Freunde ...“ „Freu … heun … de?“, Audrey leckte sich über die Lefzen und legte den Kopf schief, „Hat er nicht eben noch gesagt, wir wären die Feinde?“ „So hab ich es auch verstanden.“, nickte Nathalie, trat nun knurrend an Audreys Seite und wand sich mit einem fragenden Blick an Lila, die aber nur bösartig lachte. „Nicht doch … La … Lasst mich erklären!“, Émilie sah sich nervös nach einem möglichen Fluchtweg um, „Nein … Ihr versteht das falsch … Nein, ich meinte doch nicht … Nein … Nein … Ich hab doch nicht ...“Geifernd und sabbernd stürzten sich die Hyänen auf die Löwin. Émilies schmerzerfüllte Schreie hallten durch die finstere Nacht, als die Aasfresser ihre Beute verschlangen. Ein letztes Donnern vermischte sich mit ihrem letzten Aufschrei und prasselnde Regentropfen wuschen das Blut davon
und löschten die hungrigen Feuer.Müde schloss Félix die Augen, bevor er Chloé, die sofort an seine Seite eilte und ihre Schnauze sanft gegen seine rieb, merklich erleichtert begrüßte, „Bist du in Ordnung, Chloé?“ Die Löwin nickte lächelnd und schloss zufrieden die Augen, als Félix über ihre Schnauze leckte, „Und …?“ „Félix.“, der dunkle Schatten der heiligen Löwin zeichnete sich scharf vor der letzten Glut ab und seine blauen Augen funkelten in dem Regensturm, als er das Paar unterbrach, „Die Zeit ist gekommen.“Der junge Löwe nickte, aber sein Blick schien etwas zu suchen und schließlich wand er sich stirnrunzelnd an Marinette, die an die Seite ihrer Mutter humpelte, „Wo ist Adrien? Er sollte an meiner Seite sein ...“ „Es tut mir leid.“, die Löwin senkte in einer traurigen Geste den Kopf und für einen kurzen Moment schien Félix wie erstarrt, dann sah er sich suchend um, als ob der die Wahrheit nicht glauben wollte und schüttelte störrisch den Kopf, „Nein … Das kann nicht sein!“ „Félix.“, Chloé, die ebenso entsetzt wie der ungekrönte König schien, fiepte sanft, um die Aufmerksamkeit von Félix auf sich zu ziehen, aber Félix schüttelte einfach den Kopf, „Das kann nicht sein … Adrien ...“ „Es ist so.“, Marinette sah wieder auf und stupste den zukünftigen König an, „Er ist bestimmt sehr stolz auf dich ...“ Es blitzte in den grünen Augen, als die Trauer nun von Ärger und Wut ersetzt wurde, aber dennoch senkte Félix seufzend den Kopf, „Es tut mir leid, Ren ...“Das stetige Prasseln des Regens verstummte abrupt. Die dunklen Wolken brachen lautlos auf und enthüllten die lang vermissten, funkelnde Sterne hoch oben am Himmel, als Félix nun langsam den steilen Pfad hinaufstieg. Kurz verharrte der junge König noch einmal am Anfang der königlichen Felsnadel und schien plötzlich zu zögern den letzten Schritt zu machen. Er warf noch einen letzten, fragenden Blick zurück zu den anderen, bevor er dann doch hoheitsvoll bis an den Rand des Vorsprungs, der weit über das regennasse Land ragte, hinaustrat.
Félix' Brüllen hallte über das Land.
Verheißungsvoll.
Fordernd.
Rufend.
Aber auch verkündend.
Der König war zurückgekehrt.