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Wi(e)dersehen

Kurzbeschreibung
GeschichteAllgemein / P12 / Gen
Dr. Alicia Lipp Dr. Elias Bähr Florian Osterwald Prof. Dr. Karin Patzelt
18.03.2023
21.03.2023
9
14.628
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19.03.2023 1.946
 
Julia Berger sah, wie der kleine Emil sie ernst bis kritisch musterte. Was kleine Kinder da wohl denken, fragte sie sich in Momenten wie diesen immer wieder.
„Emil scheint ja sehr ruhig zu sein!“ meinte sie an Doktor Hoffmann gewandt. Sie kannte ihn schon länger. Als sie noch Assistenzärzte war, hatten sie gemeinsam einen kniffligen Doppelfall gelöst. Einer seiner Patienten und einer ihrer Patienten hatten die gleichen Symptome, nachdem sie eine Transplantation bekommen hatten. Während sein Patient in Leipzig gestorben war, kämpften sie um das Leben eines Altenpflegers, der eigentlich zur Erstkommunion zu seinem Sohn und seiner Familie nach Kroatien wollte.
„Oh, dass täuscht. Spätestens dann, wenn ich schlafen will, wird er meistens besonders munter und weckt mich oder seine Mutter auf.“
„Professor Weber?“ hakte die Fachärztin nach.
„Ja!“ sagte er. Offenbar machte er sich schon bereit für die nächsten sich aufdrängenden Fragen. Julia Berger beschloss ihn wegen dieser Beziehung nicht zu löchern, hatte sie doch mit der Beziehung zu Niklas, der Affäre mit Ben und Florian und der Vereinbarung mit Bärchen auch mit einigen Kollegen einen Beziehungsstatus.
„Wie geht es eigentlich Schwester Miriam? Sie wollte doch unbedingt ein Kind haben?“
„Gut… Sie hat ein Pflegekind aufgenommen, zusammen mit ihrer Freundin!“
„Schön… Und was macht Max? Der Sohn von Oberschwester Arzu?“
„Entwickelt sich gut, wie ich weiß. Warum wollen sie den ausgerechnet… Moment, sie waren mit Max Vater zusammen!“ meinte er lächelnd. Ein seltener Anblick, wie sie bemerkte.
„Stimmt. Niklas und ich waren ein Paar!“
Er schaute wieder auf seinen Sohn, der mit seinen Augen kämpfte und kurz vor dem Einschlafen war.
Dann öffnete sich die Tür und Professor Weber kam herein. Sie kannte sie natürlich ebenfalls von ihren früheren Aufenthalten im Johannes-Thal-Klinikum.
„Guten Tag Doktor Berger!“
„Guten Tag Professor Weber. Schön sie zu sehen!“
„Danke Gleichfalls!“
„Ich habe schon ihrem…“
„…Kollegen…“ sagte Doktor Hoffmann direkt gesagt und erntete überraschte Blicke von Julia Berger und ein Kopfschütteln der Chefärztin aus der Sachsenklinik.
„gesagt,“ setzte die Fachärztin für Allgemeinchirurgie fort, „dass ihr Emil ziemlich ruhig ist!“
„Ach ja?“ fragte sie und kam näher heran. „Das wundert mich aber. Eigentlich ist er kaum zu bremsen.“
„Mich wundert es auch, aber er ist wirklich ziemlich ruhig und schnell müde!“
Julia Berger schnappte sich das Stethoskop aus ihrem Mantel und setzte es sich auf. „Hören war mal, ob er vielleicht erkältet ist!“ Sie lächelte den Eltern zu. Während sie das Kind abhörte, schaute sie konzentriert. Irgendwas vernahm sie und offenbar passten sich ihre Gesichtszüge dem an.
„Ist was Doktor Berger?“
„Die Lunge ist…“ Sie setzte neu an. „…frei, aber…!“ Sie nahm das Stethoskop wieder ab und steckte es sich in die Tasche. „Ich mache am besten eine Sonographie“
Die beiden Eltern schauten sich an und natürlich waren sie besorgt, wenn ihr Kind offenbar krank war. Julia selbst ging um die Liege herum, auf der Emil lag und holte das Ultraschallgerät. Sie bestrich den Sensorkopf mit Gel und führte ihn über die Brust des kleinen Jungen, der sofort anfing zu heilen.
„Ich weiß, kleiner Mann, das habe ich auch nicht gerne, wenn das bei mir gemacht wird.“ Dann schaute sie auf den Monitor.

Professor Patzelt stand am Stationscounter und schaute sich eine Patientenakte an. Danach machte sie einen Eintrag. Hinter ihr hörte sie Schritte, die sich rasch näherten. Schon an der Schrittfrequenz hörte sie nicht nur, dass es sich um Wolfgang Berger handelte, einen ihrer besten Freunde, sondern auch, dass er mit etwas nicht zufrieden war. Sie ahnte bereits was kommen würde.
„Karin!“ sagte er mit leichter Erregung in der Stimme. „Die Kommission hat mich angerufen und mir mitgeteilt, dass Doktor Osterwald der Preis wieder aberkannt werden soll?“
„Er hat noch keinen Doktor!“ meinte sie und nahm sich die nächste Patientenakte vor.
„Das ist doch jetzt Nebensache!“ entrüstete sich Wolfgang Berger, der wie immer eine Anzug, mit Hemd und Krawatte trug. „Er hat sich diesen Preis verdient und es bedeutet einen Haufen Renommee für unsere Klinik.“
„Die er nur deshalb bekommen hat, weil er das Forschungsprojekt seiner Kollegen sabotiert hat!“
„Das ist doch egal!“
„Nein Wolfgang“ sagte sie und schaute ihn wütend an, „das ist es nicht. Du als kaufmännischer Leiter der Klinik darfst Dich nicht nur im Ruhm der Preise sonnen, sondern musst auch die Arbeit der Kollegen schützen und was Herr Osterwald getan hat, das kann man als Mobbing auslegen.“
„Willst Du ihn entlassen?“
„Wenn es sein muss… Ja!“
„Karin. Er hat eine gute Forschungsarbeit abgegeben und ich will ihn auch deshalb hier halten. Die Ausgaben für unser Labor müssen sich langsam mal bezahlt machen.“
„Du hast Moreau seinen Elfenturm gebaut!“
„Da forschen inzwischen auch andere drin!“ sagte er trotzig und drehte seinen Kopf für einen Moment weg. Er schaute ihn an. „Bitte Karin. Er ist ein hochbegabter junger Kollegen, der…“
„…dafür gesorgt hat, dass ein ebenfalls hochbegabter Chirurg das Klinikum Richtung Münster verlassen wird.“
„Was?“
Sie nahm sich eine Akte und hielt sie sich vor die Brust. „Ja. Doktor Elias Bähr hat ein sehr konkretes Angebot aus Münster. Nach seiner Beziehung mit Doktor Jahn, dem Wegziehen seiner Schwester, der Vergabe des Oberarztpostens an Doktor Ahlbeck…“
„Ich hätte meine Tochter genommen!“
„…und nun dem mangelnden Vertrauen gegenüber seiner Arbeit und ihm selbst von Seiten der Assistenzärzte und von Seiten von Doktor Lipp…“
„Was hat die denn damit zu tun?“ fragte Wolfgang Berger.
„…könnte ich ihn verstehen, wenn er geht!“
Er schaute ihr tief in die Augen. „Du hattest schon immer eine besondere Affinität zu diesem jungen Arzt… Ist es, weil er Herz-Thorax-Chirurg ist wie Du?“
Sie lächelte etwas. „Ich gebe zu ich mag ihn mehr als andere. Vielleicht weil er sich alles hat erkämpfen und erarbeiten müssen. Ich möchte nicht wissen, was seine Eltern alles auf die Beine gestellt haben, um ihm das Studium zu ermöglichen!“
Wolfgang Berger nickte ihr zu. „Du willst ihn später als deinen Nachfolger?“ fragte er, als er sicher war, dass niemand zuhörte und sprach trotzdem sehr leise.
„Wie kommst Du darauf, Wolfgang?“
Er lächelte noch breiter seine gute Freundin an. „Karin ich kenne Dich!“
Sie versteinerte ihr Gesicht wieder. „Dann weißt Du auch, wie ernst ich das mit Herr Osterwald und Frau Doktor Lipp meine“ sagte die Chefärztin und wollte gehen.
„Vorsicht!“ sagte Wolfgang, doch der Medikamentenwagen rauschte direkt in die Chefärztin hinein und lag im nächsten Moment auf dem Boden. Sie hielt ihre Hand, die schmerzte.

Eigentlich wollte Elias Bähr erst morgen anfangen, doch irgendwie hatte er keine Lust zu Hause nur rumzusitzen. Außerdem wäre morgen irgendwas organisiert worden und das wollte er nicht. Ein früheres Auftauchen entkräftete vermutlich jegliche Überraschungsfeier. Außer mit Julia und Ben wollte er so und so mit niemanden Anstoßen.
Im Aufenthaltsraum zog er sich seinen Kasack an. Als die Tür aufging hoffte er einen seiner Freunde zu sehen oder einen der Assistenzärzte wie Emma, Mikko, Rebecca oder Victoria, aber Doktor Lipp stand dort und lächelte ihn an.
Er hob die Hand und winkte, nachdem sie sich einige Momente angestarrt hatten. Sie grüßte zurück. Als er Anstalten machte zu gehen hielt sie ihn auf. Die führte die Fäuste – die sie gehoben hatte – nach unten, machte mit dem rechten Zeigefinger eine kreisende Bewegung und hielt anschließend die ausgestreckte rechte Hand gegen ihr Kinn. Dann schaute sie auf das Display ihres Handys. Elias war klar, dass sie das lesen wollte, was er ihr sagte.
„Ob wir reden können?“ wollte er sicher gehen, dass er die Gebärde richtig verstanden hatte. Nachdem sie es bestätigt hatte, schüttelte er den Kopf. „Nein!“
„Warum wollen sie gehen?“
„Das steht noch nicht fest!“
„Sie wollen wegen mir und Herrn Osterwald gehen!“ sagte sie. Sie hatte es nicht als Frage formuliert und so war es auch nicht gedacht gewesen. „Herr Osterwald vermisst sie!“
„Dann benimmt man sich anders!“ Er wusste zwar, dass sie es ablesen konnte, doch er kreuzte beide Zeigefinger und zog sie auseinander. Dann führte er seine Hände an seinem Oberarmansatz entlang, so als wenn er sie abtrennen wollte.
„Sein Vater ist dement!“ sagte sie.
„Er hat Alzheimer?“ fragte Elias erschrocken. Das Programm schrieb es auf. Sie las den Text und wandte sich wieder an ihn. Sie nickte ihm zu. Elias deutete mit dem Daumen nach rechts, als wollte er Anhalter machen, hob seine offene Hand mit der Innenfläche nach oben sie vor seine Brust. Dann drehte er die Hand um und hielt sie erst an seine Stirn, bevor er sie gegen das Kinn hielt. Am Ende hielt er beide Daumen nach oben und drückte sie nach vorne.
„Er will ihm helfen, ja!“ bestätigte sie. „Und er hat Angst, dass er es auch bekommen könnte“
Elias atmete tief durch. Er konnte es natürlich verstehen, war doch seine Schwester selbst durch seine Behandlungsmethode von ihm geheilt worden. „Ich habe ihm natürlich geholfen.“
„Und deshalb sind ihm Kollegen egal?“ fragte er. „Warum spricht er nicht mit mir?“
Sie hielt eine Faust vor ihre Brust.
Wieder atmete er tief ein. „Er hat Angst mit mir zu sprechen!“ fragte er auch in Gebärdensprache.
Doktor Lipp las des Text und nickte. „Dann bin ich der falsche als Ausbilder der Assistenzärzte!“ sagte Elias knapp. Schließlich klingelte sein Handy, während Alica Lipp den Text las, holte er sein Handy heraus und nahm das Gespräch an. „Julia!“
Er bemerkte, dass sie traurig war, das zu lesen.
„Hi Elias. Du, ich bräuchte Dich mal hier im JTK!“
„Wo bist Du?“
„Im Behandlungsraum auf der Kinderstation!“
„Ich bin in einer Minute da!“ antwortete er. Dann legte er auf und schaute Alica Lipp an, die etwas glasige Augen bekam. Er führte die Handkante seiner rechten Hand in die flache linke Hand und dann hochkant gegen das Kinn.
Sie nickte. „Ja, wir sind fertig!“

Emma Jahn hatte von Julia Berger die Aufgabe bekommen mit dem Patienten zu sprechen, weil sie sich mit dem Kind von Professor Weber und Doktor Hoffmann aus der Sachsenklinik beschäftigen musste.
Sie betrat die Intensivstation, auf die er sicherheitshalber verlegt worden war. Zu ihrer Erleichterung war er schon wach.
„Hallo Herr Brügge!“ sagte sie und lächelte freundlich wie fast immer.
„Was ist los?“ fragte er, der offenbar merkte, dass sein Gehör noch nicht besser geworden war.
„Wir mussten die Operation abbrechen, weil sie eine anaphylaktischen Schock erlitten haben!“
„Einen ana…“
„Sie haben auf etwas allergisch reagiert. Wir müssen jetzt noch rausbekommen auf was.“ Sie sah seine weit aufgerissenen Augen. „Sie haben bei der Anamnese angegeben, dass ihnen keine Allergien bekannt sind. Haben sie etwas ungewöhnliches gegessen?“
Er schüttelte den Kopf.
„Parfüm, Deo, Seife… Irgendetwas anderes?“
„Nein!“
„Wie lange haben sie das Piercing schon?“ fragte Emma weiter.
„Seit ungefähr drei Wochen…“ Er dachte noch einmal nach. „Vier!“ korrigierte er sich. Schließlich schaute er kritisch auf die Frau im Kasack vor ihm. „Hat dies den Schock ausgelöst?“
„Unwahrscheinlich. Dann wäre es schon früher aufgetreten, aber unmöglich ist es nicht. Kontaktallergien können sich auch später ausbilden.“
„Ich habe nichts Ungewöhnliches gegessen… glauben sie mir!“
Sie hob die Hand. „Schon gut. Sonst irgendwas, was sie berührt haben? angefasst?“
Er schüttelte den Kopf.
„Wir werden nochmal die Stoffe durchgehen, die wir hier im JTK gehabt haben und mit denen sie in Kontakt gekommen sind. Eine Allergie gegen die Narkosemittel können wir jedoch ausschließen.“
„Und was passiert jetzt mit meinem Ohr?“
„Wir müssen sicher gehen, dass wir sie mit der OP nicht unnötig in Gefahr bringen und werden deshalb erst mal rausfinden müssen, gegen was sie allergisch sind.“
„Und wie lange dauert das?“
„Das kommt darauf an… Ich lasse ihnen mal…“ Sie legte ihm etwas aufs Bett. „…diesen Block und diesen Stift hin. Schreiben sie alle Cremes, Seifen, Duschgele, Deos auf, mit denen sie sich gewaschen haben und natürlich alles, was sie gegessen haben.“
„In welchem Zeitraum?“
„In den letzten vierundzwanzig Stunden!“
Er nickte. „Gut!“
„Ich komme gleich wieder!“
Dann verließ sie den Behandlungsraum.
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