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Ich halte dich

Kurzbeschreibung
OneshotFreundschaft, Schmerz/Trost / P12 / Gen
Rechtsmediziner Professor Karl Friedrich Boerne Rechtsmedizinerin Silke Haller
16.03.2023
16.03.2023
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A/N: Nicht besonders lang und ausführlich. Nicht sehr einfallsreich und explizit. Nur eine wahllose Anreihung von Andeutungen. Aber ich hoffe, es hilft ein bisschen. Leider inspiriert vom sehr tragischen Real Life.


Für Khaladriel

Ich halte dich

Ein Blick auf den Leichnam und alles war klar. Ein kurzer schwermütiger Blickwechsel. Mehr brauchte es nicht. Heute würde es keinen einzigen Witz geben. Nicht über seine Eitelkeit und schon gar nicht über kleine niedliche Zwerge.

Klar. Sie waren Profis. Hatten schon so viel gesehen. Seltsame Dinge erlebt und manches auch einfach nur überlebt. Ihr kombiniertes dickes Fell hatte mehr als Lederniveau. Aber das hier…das war immer noch schwer zu ertragen. Ganz egal wie viele Jahre sie in diesem Job zusammengezählt auf dem Buckel hatten.

Also machten sie das, was sie am besten konnten, und versuchten es gemeinsam zu schultern. Irgendwie. Das Leben musste ja weitergehen. Ihres zumindest musste das. Irgendwie. Auch, wenn das des kleinen Mädchens, das nun vor ihnen lag, viel zu früh beendet worden war…mit ganzen 12 Messerstichen. Nein, das Leben war wirklich nicht fair.

Es war ungewöhnlich still. Sie wechselten kein einziges Wort während der gesamten Obduktion. Vorteil ihrer jahrelangen Zusammenarbeit. Sie verstanden sich eben auch ganz ohne Worte. Stattdessen trauerten sie stumm. Weinten beide leise und ohne jede Träne um dieses junge Leben. Jeder auf seine Art.

Danach wurde es sogar noch stiller um sie. Vielleicht auch etwas dunkler, kälter. Der Kaffee, den sie in dem verzweifelten Versuch sich ein wenig zu wärmen in seinem Büro tranken, schmeckte nach nichts.

„Thiel geht’s auch nicht gut.“ Blanke Feststellung, keine Frage. Eine Antwort bekam sie dennoch.

„Nein.“ So schwer dieses eine Wort. Es schien den ganzen Mann herunterzuziehen. Und doch fühlte sie sich beinahe geehrt, dass er sich das erlaubte vor ihr. Mit ihr. Dass er sich schutzlos hingab und einfach mit einem Seufzen vor ihr in sich zusammenfiel. All der Stolz. All die Selbstverliebtheit. Für den Moment nur ein schwaches Echo. Denn hier mit ihr durfte er sein, wer er wirklich war. Hier konnte er ihn zeigen. Den tiefen Kummer, den er sonst vor der restlichen Welt tunlichst verbarg.

„Er kommt nachher vorbei.“ Wieder nur eine bloße Tatsachenfeststellung. Nein, keine Frage. Auch Thiels Platz war in Momenten wie diesen genau hier. Zwischen ihnen. Vereint in tiefer Trauer. Dennoch nickte er knapp zur Bestätigung.

„Gut, ich koch‘ den Kaffee.“ Ein altes Ritual. Liebgewonnen und teuer erkauft. „Ich hol‘ den Rum.“ Ein schwaches Lächeln. Das war schon genug. Dennoch hakte sie wie immer gewissenhaft nach. Das war immerhin ihre Aufgabe. „Ist noch was da vom…?“ Vom letzten Mal. Das ließ sie in der Luft hängen. Er verstand es auch so. Stille Übereinkunft. Wieder nur ein knappes Nicken seinerseits.

Damit hätte es gut sein können, vielleicht sogar sollen. Aber das waren eben nicht sie. An Tagen wie diesen, da brauchte es einfach etwas mehr.

„Alberich.“ Wieder ein einziges Wort mit so viel Gewicht. Nur dieses Mal zog es ihn nicht in den Abgrund. Dieses Mal klang es leichter und ein bisschen nach…so etwas wie Hoffnung.

„Darf…darf ich? Nur ausnahmsweise.“ Die Stimme klein. Fast nicht als seine zu erkennen, die sonst mühelos ganze Tanzsäle füllen konnte. Ein vager Schritt in ihre Richtung. Der Blick viel zu unsicher. Wie konnte das sein? Dass er das noch immer infrage stellte. Wusste er denn nicht, welchen Stellenwert er hatte, wer er war in ihrem Leben?

„Natürlich.“ Tat sie das, was SIE allein am besten konnte. Was sie immer tat. Starke Schulter sein, der Goldstandard in Zuverlässigkeit, der Fels in der Brandung, der einzig sichere Hafen in einem Meer aus Ungewissheit, der Halt, den er brauchte.

Er hielt sie dieses Mal länger und eigentlich ein bisschen zu fest. Sie hielt es aus. Ein paar blaue Flecke mehr. Was machte das schon? Sie würden irgendwann verblassen. Dieser Moment aber würde für immer bleiben. Und immerhin. Das wärmte sie beide sehr viel effektiver als irgendein koffeinhaltiges Getränk es konnte.

Sie brauchten es gar nicht abzusprechen. Es war doch eh alles klar. Zur Beerdigung gingen sie wieder wie selbstverständlich zu dritt. Und wenn er bei der Trauerrede ihre Hand kurz in seine nahm, dann hatte das rein gar nichts zu bedeuten. Außer das eine. Das, was zählte, was er nicht laut aussprechen musste. ‚Schön, dass du da bist. Denn ich weiß nicht, was ich ohne dich täte.‘

Ihre Antwort würde wieder schlicht ausfallen. Würde nur ein zartes Lächeln in seine Richtung, einen sanften Händedruck brauchen. Mehr war ja auch gar nicht nötig, sodass er ihre stille Botschaft verstand. Sodass er es spüren konnte, was sie ihm sagen wollte. Ein altes Versprechen. Unwissend anonym gegeben und doch noch immer wahr.

‚Natürlich. Du weißt doch. Ich halte dich.‘
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