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Darkmoor (1)- Die Symbiose

von Blacktron
Kurzbeschreibung
GeschichteFantasy / P16 / Het
Zombies & andere Untote
14.03.2023
19.03.2023
8
23.594
1
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19.03.2023 3.275
 
Kapitel 8 - Die Kastanie


Es war ein herrlicher Tag ist Augst. Die Sonne stand brütend heiß am Himmel und das Gras unter Nates Rücken fühlte sich trocken und kratzig an. Aus dem Schulgebäude war klar das Läuten zu vernehmen, das die große Pause beendete. Zu gerne wäre Nate den anderen Kindern gefolgt, doch er konnte nicht.
Mit bleierner Schwere saß Edward auf seinem Bauch und hielt Nates Arme an den Handgelenken herunter gedrückt.
Was immer er auch versuchte, er war kleiner, schmächtiger und ganz einfach schwächer als sein Gegner – er kam einfach nicht von ihm frei.
„Edward! Die Pause ist zu Ende!“ stammelte Nate atemlos.
Der andere Junge, mit dem er gemeinsam in die vierte Klasse ging, fixierte ihn stumm. Seine Augen waren blau und wirkten irgendwie kalt. Edward hatte ein blasses Gesicht mit Sommersprossen und kurze, rote Haare.
„Mir scheißegal!“ sagte er.
„Wir werden Ärger mit Miss Green bekommen!“ knurrte Nate.
„Mir auch scheißegal! Ich freue mich schon den ganzen Tag darauf!“ sagte Edward und zeigte jetzt endlich eine Regung auf seinem Gesicht. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem gemeinen Grinsen.
Nate wusste, was jetzt folgen würde. Edward zog die Nase hoch und gab ein widerliches, röchelndes Geräusch von sich. Er schien den Rotz förmlich aus der hintersten Ecke seines Körpers nach oben zu ziehen. Ruckartig versuchte Nate erneut frei zu kommen – erneut erfolglos. Angewidert begann er zu schreien und sah sich hilfesuchend um. Der Schulhof hatte sich inzwischen geleert und er war vollkommen allein mit diesem Idioten.
Vögel zwitscherten in den Kronen der Bäume.
„Du Drecksau!“ fluchte Nate angewidert und erkannte bereits eine Mischung aus Rotz und Spucke, die Edward an seinen Lippen sammelte.
Er riss den Kopf herum und drehte sein Gesicht verekelt zu den sonnenbeschienen Büschen und Bäumen hin. Weit und breit kein Lehrer, der ihm helfen konnte.
Doch da waren plötzlich Schritte im trockenen Gras zu hören.
Im nächsten Moment riss Edward seine Augen erschrocken auf und gab einen fürchterlichen Schrei von sich. Er krümmte sich nach hinten vor Schmerz. Blut spritze und eine silberne Messerspitze ragte vorne aus seiner Brust.
Nate überkam erneut der Ekel, als einige Spritzer davon sein Gesicht trafen. Er bekam seine Arme frei und stieß den rothaarigen Jungen mit aller Kraft von sich weg. Dieser fiel schreiend zur Seite, krümmte sich auf dem Rasen und dann verstummten seine Laute. Ein langes Messer war von hinten durch seinen gesamten Oberkörper gedrungen.
Nate blinzelte, als sich vor der Sonne ein Körper vor ihm abzeichnete. Da stand ein unbekanntes Kind vor ihm. Sie war ungefähr in seinem Alter. Sie trug eine der üblichen Schuluniformen für Mädchen, mit förmlicher Jacke und einem Bundfaltenrock, aber ihre Sachen waren vollkommen schwarz. Körper und Gesicht des Mädchen wirkten blass und ihre schwarzen, langen Haare trug sie offen.
Sie streckte ihre Hand nach Nate aus, doch dieser dachte gar nicht daran, sich von ihr beim aufstehen helfen zu lassen. Immerhin hatte dieses unscheinbare Ding gerade Edward grausam ermordet! Sein Blut klebte noch auf seiner Brust. Er kroch auf allen Vieren nach hinten und versuchte, auf Abstand zu ihr zu gelangen.
Die Kleine rollte genervt die Augen. „Was soll das denn? Du hörst mir jetzt mal zu!“ sagte sie und setzte sich plötzlich auf Nates Bauch, genau so wie Edward gerade noch auf ihm gesessen hatte. Ihre schlanken Hände packten ihn bei den Handgelenken und drückten sie auf den Boden herunter.
Er wehrte sich heftig gegen sie.
„Hör auf damit!“ schrie sie und ihr Gesicht war jetzt direkt vor seinen Augen. Sie hatte hellwache, grüne Augen und einen Blick, der in ihn hinein traf, wie ein Messer.
Auch dieses Mädchen war offenbar stärker als er. Viel größer konnte die Schmach nicht mehr werden.
„Warum hast du den ganzen Tag über den Ring abgenommen? Das ist respektlos von dir! Ich habe dich in deinen Träumen bewacht und habe dir den ruhigen Schlaf verschafft, den du so dringend gebraucht hast. Und so dankst du es mir?“
Nate gab seinen Widerstand auf und starrte gebannt in ihre Augen. Er verstand plötzlich, dass er gerade träumte. „Was willst du von mir?“ stammelte er.
„Respekt! Ich will Respekt von dir! Du brauchst weder genervt von mir zu sein, noch Angst vor mir zu haben! Betrachte mich doch einfach als eine gute Fee. Ich gewähre dir drei Wünsche und dafür gewährt du mir drei! Okay?“
Nate starrte verblüfft in das blasse, schlanke Gesicht. Obwohl er gerade begriff, dass er träumte, veränderte sein Körper sich nicht zum Erwachsenen. Wer oder was war dieses Mädchen nur?
„Die Putzfrau!“ sagte er nachdenklich.
Sie rollte erneut die Augen. „Na klar, die Putzfrau! Junge, bist du vielleicht schwer von Begriff! Die Putzfrau, die Mitschülerin, die schwarze Katze - Ich schaue dir schon seit ein paar Nächten zu und die meiste Zeit erkennst du mich entweder gar nicht nicht, oder du erinnerst dich nicht an mich. Was ist mit meinem Vorschlag?“
„Du willst ein Geschäft mit mir machen?“
„Endlich kapierst du mal was!“
„Geh weg von mir!“ brüllte er aus voller Kehle. „Willst du mich jetzt auch abstechen? Hör auf, mich zu verfolgen! Wer bist du? Was bist du? Du machst mich krank!“
Sie ließ seine Hände los und setzte sich aufrecht. Sie legte leicht den Kopf zur Seite und ihre Mundwinkel gingen nach unten. Irgendwie wirkte sie getroffen von seinen Worten. Nachdenklich schaute sie für einen Moment durch ihn hindurch.
„Nate, ich versuche nur, mir Gehör zu verschaffen“, sagte sie ruhig. „Ich war nett, ich habe sogar versucht witzig und hilfsbereit zu sein. Aber du bist schwer zu knacken. Na gut, versuchen wir etwas anderes. Du weißt, Frauen sind wie der Wetter. Man weiß nie, wann es umgschlägt.“
Sie saß still auf seinem Bauch. Gleichzeitig veränderte sich der Himmel über ihnen. Er ging von blau zu grau über. Dieses Grau verdunkelte sich von Sekunde zu Sekunde.
Regentropfen fielen plötzlich vom Himmel und Wind kam auf.
Ein regelrechtes Unwetter brach über sie herein. Trockene Grashalme und Müll wurden durch die Luft gewirbelt. Dann begannen Hagelkörper, dick wie Murmeln, vom Himmel zu fallen.
Nate hielt schützend die Hände vors Gesicht. Wo immer die Hagelkörner trafen – es brannte wie Feuer!
„Der 23. Oktober, Nate“, sagte die Stimme des Mädchens.
Er biss die Zähne zusammen und schaute auf, zu ihrem Gesicht. Sie hatte sich verändert. Ihre hübschen grünen Augen waren vollkommen schwarz geworden.
Er schrie spitz auf, als ihn ein weiteres Hagelkorn nahe seines Auges traf.
Das Gesicht des fremden Mädchens näherte sich jetzt wieder seinem. Sie schütze ihn vor den Hagelkörnern, aber sie dachte offenbar gar nicht daran, von ihm aufzustehen.
Nate legte seine Hände um ihren Hals und drückte zu, so fest er konnte. Sie hingegen legte ihre Hände auf seinen Kopf und tippte auf seine Stirn.
„Der 23. Oktober, Nate. Also in fast genau vier Wochen. Marsha kommt hoch in dein Büro, weil sie dich den ganzen Tag über nicht gesehen hat“, sagte sie.
Nate ließ ihren Hals wieder los. Es zeigte sowieso keine Wirkung. Marsha? Büro? Was lief hier?
„Drück ruhig weiter. Das war sehr schön!“ Sie lächelte jetzt diabolisch. „Marsha kommt herein und sieht wie du reglos am Boden liegst, direkt bei deinem Schreibtisch.“
Dampf stieg vom aufgeheizten Rasen auf. Hagelkörper lagen überall verstreut.
„Hör auf! Geh runter von mir!“ brüllte er.
Sie tippte erneut auf seine Stirn. „Ein Aneurysma in deinem Gehirn, Nate! Du weißt, was das ist? Ein aufgeblähtes Gefäß in deinem Kopf. Es zerplatzt irgendwann, ohne Vorwarnung, und Blut verteilt sich in deiner hohlen Birne.“
Sie erhob sich von ihm und drehte ihm den Rücken zu.
Nate ging in die Hocke und drückte seine Stirn gegen die Knie. Der Hagel ließ langsam nach.
„Marsha ruft sofort einen Notarzt, aber am Tag darauf stellen sie im Krankenhaus nur noch deinen Hirntod fest. Einen weiteren Tag später hat sich deine Familie an deinem Krankenbett versammelt. Da stehen deine beiden Eltern, dein Bruder und deine Schwester. Sie sehen sehr schick aus, so als hätten sie sich für diesen Anlass extra herausgeputzt. Gemeinsam beschließen sie, dass die Maschinen abgestellt werden.“
Nate starrte ungläubig ihren Rücken an.
„Wollen wir es abkürzen? Ich kann das Ding auch gleich zum platzen bringen!“
„Ist das eine Drohung?“ fragte er.
„Ja!“ sagte sie und schaute über ihre Schulter zu ihm. Ihre Augen waren wieder grün.
Der Hagel ging jetzt in Regen über.
„Ich habe versucht, nett zu sein“, erinnerte sie ihn. „Es ist deine Entscheidung, auf welche Art und Weise du mich in deinem Leben haben willst“, erklärte sie.
„Ich will dich überhaupt nicht in meinem Leben!“ schrie er sie an.
„Es muss nicht so kommen, Nate! Ich kann Segen oder Fluch für dich sein. Es liegt in deiner Hand. Ich kann dein Aneurysma zum platzen bringen, oder ich kann es heilen. Die Entscheidung liegt allein bei dir. Hast du dich mal gefragt, woher diese stechenden Kopfschmerzen seit Wochen kommen?“
„Ich habe keine Angst vor dir! Bei welcher Temperatur schmilzt eigentlich Silber? Sobald ich wieder wach werde, werde ich diesen verdammten Ring einfach vernichten!“ drohte er.
Das kleine Mädchen wandte sich ihm zu und lächelte.
„Wer sagt, dass du wieder wach wirst?“
Nate erhob sich und betrachtete Edward, dessen Blut, vermischt mit Regenwasser, auf dem Rasen versickerte. Der Junge zeigte keinerlei Regung mehr. Das Messer steckte noch immer in seinem Rücken.
„Du kannst es heilen?“ fragte er.
Das Mädchen nickte und lächelte sanft.
Gemeinsam standen sie im Regen und Wind und studierten den Blick des anderen, viele endlose Sekunden lang.
Ein leeres, kaltes Gefühl der Hoffnungslosigkeit stieg in ihm auf – Resignation.
„Du hast gewonnen!“ sagte er. „Was forderst du von mir?“
Ihre schwarze Haare fielen ihr in nassen Strähnen über Gesicht und Hals.
„Ich will nur ein Mindestmaß an Respekt von dir, Nate! Das ist nicht zu viel verlangt! Und ich will, dass du den Ring trägst.“
„Einverstanden! Was muss ich tun, damit du meinen Kopf heilst? Du hast vorhin von drei Wünschen gesprochen,“ erinnerte er sich.
„Du gehorcht mir für vier Wochen! In dieser Zeit erfüllst du mir drei Wünsche. Und ich erfülle dir drei. Wenn diese Partnerschaft gut funktioniert, dann heile ich zum Dank dein Aneurysma. Dann verschwinde ich so plötzlich wieder, wie ich gekommen bin und du siehst mich nie wieder.“
Nate überlegte einen Moment. Aber eigentlich gab es da nicht viel zu überlegen. Er hatte verloren, sie gewonnen. Er würde ihre Bedingungen annehmen.
„Ich bin einverstanden!“ sagte er und reichte ihr die Hand. Sie trat zwei Schritte an ihn heran, schüttelte seine Hand und erforschte dabei argwöhnisch seine Augen. Ihre Hand war kalt und nass vom Regen.
„Ein Pakt ist ein Pakt“, sagte sie.
„Natürlich ist er das. Was muss ich tun, damit du meinen Kopf heilst? Jemanden ermorden?“
„Nein, ich verspreche dir, dass du niemanden ermorden musst. Wir Zwei sind die Guten! Du wirst ein paar einfache Dinge wie Botengänge und Erledigungen für mich machen. Komplizierter wird es nicht. Und ich verspreche dir: Deine Belohnungen werden atemberaubend ausfallen! Und von deinen Belohnungen wirst du noch profitieren, wenn ich schon längst wieder weg bin“, erklärte sie
Nate nickte erleichtert.
Die Kleine ging über die regennasse Wiese und setzte sich auf eine hölzerne Bank mit Füßen aus Beton. Nate folge ihr und setzte sich ihr gegenüber. Regen fiel noch immer auf sie herab.
Sie studierten einander wie die Spinne und die Fliege und Nate war dabei vollkommen klar, dass er bei diesem Spiel nicht die Spinne war.
„Eines haben wir beide gemeinsam“, erklärte die Schwarzhaarige. „Wir sind beide nicht gerne hier. Du bist von mir genervt und ich von dir. Allerdings müssen wir zusammen arbeiten. Es ist für mich eine Arbeit und Arbeit macht selten Spaß.
„Sag schon - Was ist dein erster Wunsch?“ fragte er ernst.
Sie musste nicht lange überlegen. Aus ihrer nassen Jacke holte sie einen kleinen Gegenstand und drückte ihn in Nates Hand. Das Ding erinnerte auf den ersten Blick an eine Kastanie. Allerdings war die Oberfläche nicht braun, sondern schwarz. Da waren schimmernde Unebenheiten, kleine Vertiefungen und gleichmäßige Rillen in dem Gebilde.
„Ein Meteorit? Ein Kokon? Was ist das?“ fragte er und betrachtete sich das Ding von allen Seiten. „Kennst du Oakwood, am südlichen Rand der Insel?“ fragte sie.
Nate nickte.
„Kennst du das Oakwood Asylum?“
Er nickte erneut.
„Nur ein paar Dutzend Meter von der Klinik entfernt liegt der Waldrand. Dort schaufelst du ein Loch von einem Meter Tiefe und begräbst ihn dort, verstanden?“
„Und das ist alles?“ fragte er.
„Ja, das ist alles. Nimm den Kettenanhänger mit, den du, mit dem Ring zusammen, gefunden hast. Bevor du den schwarzen Stein vergräbst, beträufelst du sowohl den Stein als auch den Kettenanhänger mit deinem Blut.“
„Mein Blut?!“ sträubte sich Nate.
„Ein kleiner Schnitt in deiner Hand wird dir das doch wohl wert sein! Im Gegenzug schenke ich dir einen gesunden Schlaf für den Rest deines Lebens. Aber behalte den Ring an deinem Finger. Und vergrab’ das Ding hier bitte nachts. Und jetzt wach auf!“ sagte das Mädchen.
„Moment! Ich weiß weder wer, noch was du bist. Kannst du mir bitte wenigstens deinen Namen sagen?“ bat er.
„Mein Name ist Lilith“, antwortete sie.
Nate wachte in seinem Bett auf. Er fühlte sich ausgeruht. Sein Kopf tat nicht mehr weh. Er wollte nach seinem Ring tasten. Dabei fiel ihm ein Widerstand in seiner Hand auf. Es war der schwarze Stein aus seinem Traum.

Noch in der gleichen Nacht machte sich Nate auf den Weg.
Es regnete. Er fuhr seinen rostigen, weißen Transporter in Richtung von Oakwood. Sein Weg führte ihn über eine Landstraße, durch den Wald.
Es war fast vier Uhr morgens und auf der Strecke waren ihm bisher nur zwei Autos begegnet. Der Wald wirkte schwarz und verlassen und die mächtigen Bäume lagen unter einem Dunstschleier.
Als der Wald endete, erkannte er ein Orts-Schild, mit dem Namen Oakwood darauf, in einiger Entfernung.
Neben der Stadt Darkmoor gab es noch ein paar kleine Gemeinden auf der Insel. Oakwood war die kleinste und südlichste davon. Im Vergleich zur Stadt wirkte Oakwood verschlafen und mickrig. Es gab eigentlich nur zwei Dinge, die an dem kleinen Dorf überhaupt interessant waren. Im Zentrum gab es ein exzellentes Restaurant, das für seine Fisch-Gerichte weithin bekannt war. Und dann gab es da noch das Oakwood Asylum – eine renommierte Klinik, zur Behandlung und Betreuung psychisch erkrankter.
Nate konnte sich dunkel erinnern, dass er diese Klinik schon mehrfach, beim vorbei fahren, gesehen hatte. Sie lag zwischen grasbewachsenen Hügeln, in einem kleinen Tal.
Den genauen Weg hatte er zwar vergessen, aber die Wegweiser waren gut zu erkennen. Bald konnte er das weiße Gebäude durch seine regennasse Scheibe hindurch erkennen. Es wurde eingerahmt durch zahlreiche Bäume und Blumenbeete. Offenbar war es bei Nacht beleuchtet. Das Klinik-Gebäude war schön anzusehen, allerdings störte ein Zaun die Idylle, der das gesamte Grundstück weiträumig umschloss.
Nate hielt den Wagen an und stellte ihn am rechten Waldrand ab.
Regen rieselte in seinen Nacken, als er seine Arbeit begann. Der Waldboden war sehr locker und er kam mit seiner Schaufel gut voran. Glücklicherweise war der Stein nicht groß, von daher war auch kein großes Loch für ihn von Nöten.
Knapp eine Viertelstunde später war die Arbeit getan. Er hatte ein Loch gegraben, so tief dass er bis zur Hüfte darin stehen konnte. Er rieb sich den Schweiß von der Stirn - So harte, körperliche Arbeit war er nicht gewohnt. Angewidert schaute er das Küchenmesser an, das er in seine Jackentasche gesteckt hatte. Auch das Amulett mit dem roten Stein hatte er nicht vergessen.
Wo tat ein Schnitt in das eigene Fleisch eigentlich am wenigsten weh?
Nate entschied sich für seinen Handrücken, biss die Zähne zusammen und machte den Schnitt, ohne lange darüber nachzudenken. Sofort vermischte sich das Regenwasser auf seinen Händen mit Blut.
„Ich glaube ich bin bescheuert! Boah, mir wird gleich schlecht“, knurrte er leise rieb seinen blutigen Handrücken über den schwarzen Stein.
Das Ding reagierte! Es gab ein leises Zischen von sich, ähnlich Wasser das auf einer heißen Herdplatte verdampft. Nate erschrak sich, ließ den Stein aber nicht fallen. Stattdessen bückte er sich und legte ihn an die tiefste Stelle des gegrabenen Loches ab. Er fühlte sich seltsam an – so als würde er ganz leicht pulsieren. Er drückte seinen Handrücken gegen den silbernen Kettenanhänger und sein Blut verteilte sich auf Stein und Einfassung.
Auch hier passierte etwas. Der rote Stein begann ganz leicht zu glimmen. Es war so unscheinbar, dass man es bei ein wenig Tageslicht schon gar nicht mehr erkennen würde.
Nate hatte den Anhänger an einem Lederband befestigt, da die metallene Kette nicht mehr zu gebrauchen war. Er hängte sich das Ding um seinen Hals und band sich dann ein Tuch um seine Hand. Zufrieden schaute er sich um. Niemand war weit und breit zu sehen. Bisher war er unbemerkt geblieben. Nach wenigen Minuten hatte er auch noch das verdammte Loch zu gebuddelt und klopfte den Hügel mit seiner Schaufel platt.
Er hörte ein merkwürdiges Geräusch. Sofort war er sich sicher, dass es nicht aus seiner unmittelbaren Umgebung stammen konnte. Es war eine pulsierende Folge von Vibrationen, die er in seinem Kopf spürte. Er fühlte sich an den Vorfall in seinem Keller erinnert. Nate hielt sich den Kopf und befürchtete den Schmerz – doch diesmal stellte sich keiner ein. Die Taktung der Vibrationen wurde schneller. Sie formten sich langsam zu Lauten.
Lilith versuchte offenbar, Verbindung zu ihm aufzunehmen. Doch diesmal außerhalb seiner Träume.
„Verdammt, was willst du von mir?“ brüllte er genervt.
[Kaaaannnnnnnnnn!]
„Sachte! Nicht so stark – nicht so laut! Sachte!“ ermahnte er sie.
[Kannst du mich hören?] - formte sich aus den knackenden und dröhnenden Lauten.
Nate schaute sich um. Gut! Er war, nach wie vor, allein mit sich. Aber offenbar auch nicht mehr so ganz...
„Ja! Habe ich alles richtig gemacht?“ fragte er.
[Ja, das war sehr gut]
Die Stimme, dich sich formte, klang jetzt feminin. Sie erinnerte entfernt an den Klang der Stimme dieses schwarzgekleideten Mädchens, in seinem Traum.
[Du hast dir guten Schlaf verdient. Das was du um deinem Hals trägst, das nennt man einen Pakt-Stein. Wenn er leuchtet, dann bedeutet dies, dass er aktiv ist. Der Pakt besteht nun zwischen uns beiden. Von nun an sind wir Partner in unserer Aufgabe. Versuch dich irgendwie an mich zu gewöhnen. Nur für ein paar Wochen, dann bist du mich wieder los.]
Er verstand Lilith jetzt klar und deutlich. Gleichzeitig war er sich sicher, dass nur er sie hören könnte. Diese Stimme formte sich innerhalb seines Kopfes. War die Stimme wirklich da, oder war dies mehr eine Art telepathischer Verbindung, der sein Verstand eine Stimme verlieh?
„Was genau macht dieser Stein, den ich vergraben habe?“ fragte er.
[Sage ich dir ein anders Mal. Für heute reicht es. Ich lasse dir deine Ruhe.]
Nate lehnte sich an den nassen Lieferwagen und zündete sich eine Zigarette an. Er rauchte ein paar Minuten in vollkommener Stille, bis auf das leise Plätschern des Regens. Lilith blieb stumm. Er war nicht gewillt, sich damit abzufinden dass sie ihn derart im dunkeln ließ.
„Für was ist dieser Pakt nötig?“ fragte er.
[Nate, fahr’ nach Hause und schlaf!]
„Haben dieser Ring und dieses Amulett Zauberkräfte?“
[So etwas wie Zauberkräfte gibt es gar nicht! Lass mich! Du bist gerade überfordert und ich auch. Schlaf und verarbeite erst mal, was passiert ist. Ich melde mich wieder bei dir, wenn ich dir etwas zu sagen habe.]
Nate warf wütend seine Zigarette von sich. Funken stoben, als sie auf dem nassen Waldboden aufprallte.
„Das war’s dann also? Dafür haben wir jetzt einen Pakt? Dafür, dass ich dein Laufbursche bin und du mir nicht mal sagst, was du eigentlich bist? So läuft das nicht!“ zischte er und reckte sein Gesicht zum dunklen Himmel. Es kam keine Antwort mehr von ihr.
Das verdammte Miststück! - schoss ihm durch den Kopf, doch er sprach es nicht aus.
 
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