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Turn and face the stranger

von Kekune
Kurzbeschreibung
GeschichteKrimi, Liebesgeschichte / P16 / MaleSlash
Bob Andrews Jeffrey Palmer Jelena Charkova Justus Jonas Peter Shaw
12.03.2023
19.03.2023
4
9.776
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19.03.2023 3.888
 
III - THE EMPRESS
Femininity, beauty, nature, nurturing, abundance.

Mit jedem Zentimeter, den sich Bobs Hand dem Boden näherte, konnte Peter sein Leben erneut an sich vorbeiziehen sehen.
Wie ein sich aufhängender Diaprojektor, der immer genau an den Aufnahmen stockte, die zeigten, wie Peter und Bob in der Vergangenheit miteinander interagiert hatten; all die zufälligen Blicke, die vermeintlich unbewussten Berührungen, die neckenden Gesprächsfetzen, die ohne Kontext so gar nicht platonisch wirkten.
Bilder von alltäglicher Vertrautheit, von Routine; der Fakt, dass Bob wusste, wie er seinen Kaffee trank. Mit viel Milch und Zucker. Vermeintliche Kleinigkeiten. Festgehalten für die Ewigkeit. Wie sie schnell und ungestüm über den Film zu flattern schienen und bei Schlüsselmomenten langsamer wurden.
Wie auf einem Diaprojektor, der das eingelegte Band in endloser Schleife abspielte und doch immer nur Bob und ihn zeigte.
Der sich nicht ausschalten ließ, so oft er den Knopf auch drückte.

Vor seinem inneren Auge sah er die imaginären Lichtbilder.
Alte, zerkratze Erinnerungsfetzen ihres ersten Falles, bei dem der dritte Detektiv furchtlos seine Hand gehalten hatte, um ihn durch das Dunkel des Geisterschlosses zu führen. Und all das obwohl Bob damals sogar durch ein Gipsbein eingeschränkt gewesen war. Dennoch war er ohne zu zögern vorangegangen, als Peters Angst die Überhand genommen hatte, hatte sich vor ihn gestellt, als wäre er und nicht Peter der muskulöse Athlet, der jeder Gefahr trotzen konnte, weil er genau das sein würde, wenn Peter das von ihm brauchte. Weil er immer genau das war, was Peter brauchte.
Der Gedanke war nahezu unwirklich kitschig.

Erinnerungen waren unbeständige, treulose Geschöpfe, die einen immer dann heimsuchten, wenn man weder die Zeit noch die emotionale Kapazität für sie hatte, ihre Endlosspirale bereits in vollem Gange.
Und im Nachhinein konnte man nicht einmal mehr wissen, wie sehr die Zeit sie verzerrt hatte. Was wahr war, was Wunschdenken, was Furcht.

Das Rad der Erinnerung drehte sich weiter.
Unwillkürlich musste Peter an den zweiten Fall der drei Fragezeichen zurückdenken, als so wenig Platz auf der Rückbank des in Gold getauchten Rolls-Royce gewesen war, dass er auf Bobs Schoß hatte sitzen müssen. Ganz wie selbstverständlich. Keiner hatte es in Frage gestellt, nicht einmal ihr Fahrer.
Beim Gedanken daran wurde er rot im Gesicht und fühlte sich gleichzeitig unglaublich blind.
Etwas in ihm lichtete sich, ein Selbstverständnis, das ihm zuvor nicht richtig bewusst gewesen war.
Damals waren Bob und er zwar noch ein paar Jahre jünger gewesen, aber nicht jung genug, um die Implikationen nicht zu bemerken, die eine solche Geste mit sich brachte. Zwei Teenager, die nicht davor zurückschreckten, auf dem Schoß des jeweils anderen zu sitzen. Auch wenn es in diesem Fall die Situation erfordert hatte. Dass Skinny Norris sie dafür nicht heute noch aufzog, war ein wahres Wunder.
Dennoch: Warum hatten sie sich nie etwas dabei gedacht?
Jetzt steckte er schon so tief in der Tinte, dass diese ihn metaphorisch vollkommen durchtränkt hatte. Der Tintenfleck so groß, dass bereits alles ruiniert schien. Womöglich auch die Leichtigkeit, von der ihr Umgang miteinander immer geprägt war.

Peter musste kräftig schlucken.
Der Kloß in seinem Hals wollte sich kein Stück bewegen. Genauso wenig wie seine Hand, die in der Gegenwart immer noch über dem Boden baumelte, um das Mobiltelefon aufzuheben, das ihm aus der Hand gerutscht war.
Die Realität traf ihn wie ein Blitz. Ein Blitz, der ihn aus dem Gedankenchaos riss und einen Sturm lostrat.

Was wenn Bob die Nachricht an Jeffrey gelesen hatte, die immer noch in seinem Postausgang aufleuchtete?
Was, wenn er Peters Gedankenkreisen dazu genutzt hatte, um genau das zu tun?
Was wenn er mit einer unüberlegten Kurzschlussreaktion nicht nur seine Freundschaft zu Bob, sondern auch die ganze Gruppendynamik der drei Fragezeichen unüberwindbar aufs Spiel gesetzt hatte?
Was wenn Bob nie wieder mit ihm redete?
Ein "was" nach dem anderen kettete sich in einem undurchdringlichen Teufelskreis aneinander. Eines davon schlimmer als das andere. Kein Ende in Sicht.
Trotz des warmen Wetters und den restlichen Strahlen der Sonne lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Sein T-Shirt klebte an seiner Haut.

Als Bob jedoch nach dem Mobiltelefon griff, schaute dieser nicht einmal auf den Bildschirm vor ihm, sondern reichte es dem zweiten Detektiv ohne zu zögern; ein Lächeln auf den Lippen. Er schien den Display keines Blickes gewürdigt zu haben, seine Augen stattdessen auf Peter gerichtet. Ein Funkeln in ihnen.

"Hier, Zweiter. Ich hoffe, es ist noch alles intakt?", fragte Bob und streckte ihm den Arm samt des Telefons entgegen.
Peter hätte seinen Kollegen küssen können. Wortwörtlich.
Das musste aufhören.

Schnell griff er nach dem Mobiltelefon, dass er, ohne es überhaupt richtig zu überprüfen, in seine Hosentasche gleiten ließ.
Kaum merklich hatten sich ihre Finger berührt, als er nach dem Handy gegriffen hatte. Die Stelle an seiner Hand kribbelte. Peter rieb sie an seiner Hose, um die Empfindung zu vertreiben. Das raue Material half ein wenig.

"Danke dir, scheint noch alles heil zu sein.", presste Peter dann hervor.
Alles außer seinem Herzen, das blutete still und leise vor sich hin.
Zum Glück hatte er diese dramatische Betrachtungsweise nur gedacht und nicht laut ausgesprochen, obwohl Bob bestimmt herzlichst darüber gelacht hätte, wie er sich hier zum Clown machte.

Bob liebte es, wenn Peters Dramatik seine rationalen Gedanken ausschaltete und dieser sich noch dümmer als sonst anstellte. Nach eigenen Worten amüsierte ihn das sehr. Und wer war Peter, dem dritten Detektiv diese kleinen Freuden des Lebens nicht zu gönnen?
Er hörte Bobs schallendes Gelächter so gerne, dass er es gar nicht schlimm fand, ab und an mal das Ziel des Spottes zu sein; war dieser niemals ernsthaft verletzend.
Und allzu oft fand sich auch Bob am anderen Ende von Peters Witzen wieder.
So waren sie eben. Und das machte ihre Beziehung zueinander auch aus.

Irgendetwas in Peter, ein ganz kleiner, tief vergrabener Teil, hatte sich jedoch gegen alle Vernunft danach gesehnt, dass Bob seine Nachricht an Jeffrey gelesen hatte. Dass er bescheid wusste.
Dann hätten die Qualen der letzten Wochen endlich ein Ende, auch wenn die Situation vielleicht keinen positiven Ausgang gefunden hätte.
Aber ein negativer Ausgang war immer noch ein Ausgang und damit ein Abschluss des Ganzen.
Und allenfalls besser als dieses ewige in der Luft Gehänge, das Stehen zwischen den Stühlen.

Schnell klopfte er gegen seine Hosentasche, um sich zu versichern, dass er das Handy sachgemäß in dieser verstaut hatte. Jeffreys Reaktion konnte er auch später noch abhandeln. Dieser würde warten.
Wenn er denn überhaupt bereits geantwortet hatte. Jeffrey hatte schließlich auch noch ein Leben und konnte nicht immer Babysitter für Peters wilde Ergüsse spielen. Das tat er ohnehin schon viel zu oft.

Tatsächlich machte Peter sich nicht einmal Sorgen darüber, dass Jeffrey ihn nicht akzeptierte oder besonders überrascht sein würde. Er war wirklich ein guter Freund, dem Peters Wohlergehen bisher immer am Herzen gelegen hatte.
Auf den Kopf gefallen war er auch nicht. Und heterosexuell ebenso wenig, wie er Peter vor ein paar Jahren selbstbewusst erzählt hatte.
Damals hatte sein Geständnis ihm einen Stich des Mitgefühls versetzt, der viel zu vertraut gewesen war, um bloße Empathie zu sein. Dennoch hatte Jeffrey Peters unterstützende Worte dankend angenommen, ihn selbst aber zu nichts gedrängt, obwohl das Verhalten des Zweiten durchaus verräterisch gewesen war. Das Funkeln in seinen Augen musste ihn einfach verraten haben. Aber Jeffrey war geduldig geblieben.
Weshalb dieser hier nicht das eigentliche Problem darstellte.
Dieses war nämlich schlicht und ergreifend die Tatsache, das er ausgesprochen hatte, was besser niemals das Licht der Tage zu Gesicht bekommen sollte.
Ich glaube, ich habe mich in Bob verliebt.
Komplikationen über Komplikationen.

"Wollen wir uns auf den Weg zum Riesenrad machen?", fragte Justus, der anscheinend nichts von Peters Telefon-Debakel mitbekommen hatte.

"Hm.", grummelt er nur unbegeistert, während er seine Finger über den rauen Stoff des Schutzamuletts gleiten ließ, das Bob ihm gekauft hatte. Und sogar in rot, seiner Lieblingsfarbe, der genaue Ton seines MGs. Ob das Zufall war?
Nicht, dass das Amulett etwas bringen würde. Hübsch war es trotzdem.
Aber erstens trug er es ohnehin schon am Körper und zweitens war es irgendwie süß, dass Bob versuchte, seine Nerven zu beruhigen.
Der Talisman würde ein schönes Andenken dafür sein, dass der dritte Detektiv sich um Peter bemühte. Auch wenn eine kleine Spur des Hohnes mitgeschwungen hatte, wusste Peter in seinem Inneren, dass Bob es gut gemeint hatte.
Der Gedanke war tröstlich.

"Wenn es sein muss.", fügte er hinzu, als er seinen Kopf wieder auf den Schultern hatte.
"Wenn wir sterben, dann sterben wir wenigstens zu dritt. Und wenn nur ich sterbe, dann könnt ihr Gift darauf nehmen, dass ich euch heimsuche. Und da werden unsere paranormal erscheinenden Fälle nichts im Vergleich zu dem sein, was ich dann auf euch herabregnen lasse."
"Ich freue mich drauf, Peter, ich freue mich drauf."
Bob grinste schelmisch.
"Aber stell dir mal vor, nur wir beide sterben und können zusammen Just heimsuchen. Das wäre ein Fest."

Der Erste stieß einen Stoßseufzer aus.
Für seine beiden Kollegen sicherlich, für ihn war der Gedanke daran ein wahrgewordener Alptraum. So sehr Justus die anderen beiden auch schätzte, manchmal waren sie echte Nervensägen.
Das sagte er ihnen auch sogleich:
"Ihr nervt ganz schön."
"Immer gerne, Erster!", ließ Bob verlauten.
"Wir würden nicht wollen, dass du dich langweilst."



Die drei Detektive wurmten sich durch die Menschenmasse, die den Platz, auf dem der Jahrmarkt stattfand, bis zum Brechen füllte.
Sie kollidierten mit dem ein oder anderen enthusiastischen Besucher, der genau wie sie auch die unzähligen Attraktionen unsicher machen wollte.
Glückliches Gelächter füllte die Luft.

Je weiter die Stunde voranschritt, je voller schien das Gelände zu werden und je langsamer kamen sie voran. Der ganze Ort war größer als angenommen; irgendetwas Spannendes würde hier sicher noch passieren.
Der Staub, der durch die Anzahl von denen auf dem Schotter aufgekommenen Schuhe aufgewirbelt worden war, würde bestimmt auch einen Fall offenbaren, wenn sie nur aufmerksam genug verharrten.
Falls der Staub sich irgendwann lichtete.

Die blinkenden Lichter der Fahrgeschäfte und die schallenden Ansagen der Schausteller sorgten aber dafür, dass sich die Stimmung der Anwesenden nicht trüben ließ. So auch die Stimmung der drei Detektive, die bis auf Peters unterschwellige Beklommenheit, konzentriert und enthusiastisch wirkte.
Besonders Justus war in seinem Element und ließ die Augen gespannt über das Geschehen gleiten.

Ihr Weg zum Riesenrad führte die drei Jungen vorbei an den rasselnden Schreien der Geisterbahn und den verliebten Blicken der Paare, die sich für eine Fahrt durch den Tunnel der Liebe entschieden hatten. Dabei hatten die meisten von ihnen nur Augen für sich und hätten sich die kostspielige Fahrt gut sparen können, bemerkte Justus.
Aber Gefühle vertrieben bekanntlich jede Rationalität.
Ein gutes Beispiel dafür stand direkt vor ihm.

Die klassische Musik und rosenrote Beleuchtung des kitschigen Fahrgeschäfts ließen Peters Wangen gerötet erscheinen.
Denn ganz sicher konnte es sich bei der Röte in seinem Gesicht nur um die bunten Scheinwerfer handeln, die seine Haut in ihr Licht tauchten, als er an ihnen vorbeilief.
Er bildete sich ein, eine ähnliche Erscheinung auf Bobs Wangen ausmachen zu können, der sich leicht in die andere Richtung drehte und etwas am Horizont eindringlich zu studieren schien.
Seltsam, konnte dieser den Horizont vor lauter Menschenköpfen wohl kaum erkennen.

"Bob bereut bestimmt schon, dass er mit uns hier ist und nicht mit einer neuen Flamme.", ließ Justus verkünden, der ebenfalls Bobs Reaktion studierte, aber zu einer anderen Folgerung gekommen war.

"Ein paar Tage bleiben mir ja noch.", antwortete Bob grummelnd und drehte sich wieder in die Richtung seiner Kollegen.

"Ich habe schon überlegt, ob Kelly lieber mit mir ins Kino oder auf den Rummel will? Ich meine, sie redet immer über die neusten Filme, aber einen Jahrmarkt haben wir nicht so oft in Rocky Beach."
"Wer zur Hölle ist nun schon wieder diese Kelly?", entfuhr es Peter mit einem Augenrollen.
"Die aus unserer Parallelklasse, die rothaarige Cheerleaderin, die im Kino arbeitet."
"Du triffst dich mit einem Mädchen, die heißt wie meine Ex-Freundin? Na sag mal, Dritter!" Peter starrte missmutig drein.
Bob seufzte.
"Ist jetzt etwa jede Kelly dieser Welt für immer tabu? Meinst du nicht, das ist ein bisschen extrem?"
"Ein wenig Rücksicht ist doch wohl nicht zu viel verlangt?"
Peters Laune schien in den letzten Sekunden rasend schnell gesunken sein, seine Stimme frostig und belegt mit etwas, das er nicht ganz deuten konnte. Die Temperatur ganz und gar eisig.
Generell war die Stimmung des Zweiten heute die reinste Achterbahn. Wie passend, dachte Bob, wo sie sich doch auf einem Jahrmarkt befanden.

"Irgendwo hat Peter da schon recht.", sagte Justus. Die Mundwinkel des dritten Detektivs zuckten auffällig, als der Erste sich wie so oft auf Peters Seite schlug.

"Das ist gerade aber auch wirklich egal, ich bin schließlich mit euch hier.", versuchte Bob die beiden milde zu stimmen und dabei gekonnt abzulenken.
"Das bist du.", entgegnete Justus mit einem Seitenblick auf Peter, der seine Unterlippe mit den Fingern knetete, wie es Justus zuweilen beim Denken tat. Eine nervöse Angewohnheit.

Bob hingegen wurde aus seinen Kollegen und besonders aus Peters Verhalten nicht mehr schlau. Die verhielten sich auffällig merkwürdig. Folglich war da etwas im Busch. Was genau das war, wusste er aber nicht ganz. Vielleicht würde das der Abend zeigen. Er würde die Situation definitiv im Blick behalten. Und anfangen würde er mit Peter.



Mittlerweile hatten sich die drei Freunde aus der Menschenmasse gekämpft und waren am Riesenrad angekommen, wo sie sich sogleich in die Schar der Wartenden einreihten.

Die in verschiedenen Farben lackierten Gondeln stiegen aus der Nähe noch langsamer empor, als Peter aus der Ferne vermutet hatte, was ihn gleichzeitig beruhigte, ihm aber auch missfiel.
Zum einen konnte die ganze Angelegenheit bestimmt nicht so gefährlich sein, wenn das Tempo des Fahrgeschäfts so verschwindend gering war, zum anderen würde das sein Leiden aber nur in die Länge ziehen. Wie gewonnen, so zerronnen.
Positiv bleiben, er sollte sich hier wirklich auf das Positive konzentrieren, wenn er es nur finden konnte.
Unbewusst wanderte sein Blick zu Bob.

Mit jeder Sekunde des Wartens spannte sich Peter mehr an. Die lachenden Gesichter der Kinder vor ihnen schienen ihn mit ihrer enthusiastischen Vorfreude nahezu zu verspotten.
"Schisser Shaw", hörte er Skinny Norris gemeine Worte in seinem Kopf widerhallen. Wie er diese verabscheute.
Aber statt ihn anzustacheln und noch weiter zu verunsichern, fasste er seinen Mut zusammen. Er würde das schaffen, er würde es dem imaginären Skinny Norris in seinem Kopf schon zeigen.
Bereits mehrfach hatte sich Peter heute seiner Angst gestellt und er würde es wieder tun. Nimm das, Skinny!

Als würde er Peters Gedanken-Conundrum wittern, drückte Bob sein Hand kurz, eine Geste, die ihn aufmuntern sollte und das auch prompt schaffte.
Peter grinste den Dritten an, dessen Instinkte sich ihm gegenüber, wie diese Situation mal wieder zeigte, nur allzu oft als wahr erwiesen.
"Danke, Bob! Wird schon."
"Ich bin stolz auf dich, weißt du." Bobs Stimme war sanft und so nah an seinem Ohr, dass nur der zweite Detektiv die Worte hören konnte.
"Auf alles.", begann er erneut.
"Du bist mutiger als wir alle zusammen. Du magst zwar vielleicht denken, dass du nur der Muskel unser kleines Detektiv-Trios bist, aber das Herz ist auch nur ein Muskel und der hält den ganzen Körper am Leben." Bob stockte, überlegte kurz und sagte:
"Was ich damit sagen will, ist, dass wir dich mehr brauchen, als du vielleicht glaubst.“

Kurz dachte Peter darüber nach, ob er Bobs Hand zurückdrücken sollte, aber stattdessen schepperte der metallene Schutzbalken der Gondel vor ihnen und sprang mit einem Knarzen auf. Überrumpelt ließ Peter Bobs Hand los.

Das Geräusch bedeutete den drei Detektiven, dass sie nun an der Reihe waren.
"Einsteigen, die Herrschaften.", signalisierte ihnen ein recht junger Riesenrad-Arbeiter mit angespannten Gesichtszügen und richtungsweisender Handgeste.

"Du…", der junge Mann zeigte auf Justus.
"… setzt dich am besten auf die linke Seite. Du wirst den Platz für dich alleine brauchen."
Empört atmete Justus scharf ein.
Den Schausteller schien die Antipathie des ersten Detektivs entweder nicht zu kümmern oder er bemerkte diese einfach nicht. Gewohnt routiniert fuhr er fort.
"Und ihr beiden…", er zeigte auf Bob und Peter. "…nach rechts bitte. Und gut den Bügel zuziehen."
"Machen wir.", sagte Bob und salutierte zum Spaß, bevor er erneut ansetzte, dieses Mal ernster.
"Und es wäre mir recht, wenn sie meinen Freund nicht so von oben herab behandeln würden."
Der Mann grummelt nur kurz, während Justus Bob dankend zunickte.

Währenddessen folgte Peter den Anweisungen und ließ sich auf den Sitz des Fahrgeschäfts gleiten, nachdem der Riesenrad-Arbeiter ihm eine helfende Hand gereicht hatte. Anscheinend hatte sich der Mann Bobs Worte nicht zu Herzen genommen, sondern machte einfach weiter seinen Job, als hätte er Justus nicht gerade beleidigt. Ganz schön frech war das.

Als Peter in die wackelige Gondel eingestiegen war, hatte er auch nur ein bisschen getaumelt. Sein Gleichgewichtssinn war durch den ganzen Sport, den er machte, durchaus akzeptabel, nur seine Nerven etwas aufgekratzt.
Jetzt saß er aber in diesem Höllenteil und konnte nur hoffen, dass die Fahrt schnell beendet war. Und dabei hatte sie noch nicht einmal begonnen. Grauenhaft.

Ohne Umschweife umklammerte seine linke Hand den Handlauf der Riesenradgondel, bis seine Fingerknöchel weiß und blutleer im starken Kontrast zum dunklen Metall der Halterung standen. Sicherheitshalber krallte er nochmal fester zu, obwohl das physisch wohl kaum möglich war.

Einen kurzen Moment später kam Bob neben ihm zum Sitzen, die Gondel nun so eng, dass ihre Beine sich sanft berührten und gegeneinander pressten.
Wenn Peter das Pochen seines Herzens nicht bereits im Kopf gehörte hätte, wäre es spätestens jetzt soweit gewesen, die Härte anzuerkennen, mit der jeder Schlag gegen seine Schläfe ballerte. Sein Herz machte einen ausgezeichneten Job. Dass es immer noch pumpte, erschien Peter wie ein Wunder.

Bob legte einen Arm um Peter, nichtsahnend, dass Peters Herz dadurch nur noch wilder schlug.
Behutsam drückte Bob Peters rechte Hand abermals in seine und nutze die Geste, um den zweiten Detektiv schützend näher zu sich zu ziehen.
Seine Haut strahlte eine angenehme Wärme gegen die metallene Kälte des Bügels aus.
Ein fragiles Stück Gewohnheit, gleichzeitig vertraut und irgendwie neuartig, eine kostbare Nähe, die an den Grenzen ihrer Freundschaft kratzte, so erschien es Peter. Er hoffte, er interpretierte nicht zu viel in Bobs Geste. Freunde unterstützten einander schließlich. Und das waren sie: Freunde.

"Ich habe dich, Zweiter."
Es zerbrach Peter das eigene Herz, wie sehr er sich nach diesen Worten gesehnt hatte und der dritte Detektiv hatte sie einfach so gesagt, ohne nachzudenken, ohne Umschweife. Einfach so.
"Ich habe dich.", flüsterte er erneut.
Ich habe dich.
Ich habe dich.
Die Worte hallten in Endlosschleife in Peters Kopf, als dieser sein Gesicht an Bobs Schulter vergrub, während das Riesenrad sich zu drehen begann.
Sanft strich ihm Bob durch die Haare, während seine Finger beruhigend über die einzelnen Strähnen wanderten.
Für einen Moment vergaß Peter, dass sich die Gondel unter ihm bewegte und der Boden sich immer und immer weiter entfernte.
Es existierten nur noch er und Bob und das Gefühl von Bobs Fingern in seinen Haaren.



Ein Klicken riss Peter und Bob aus ihrer Zweisamkeit.
Als der zweite Detektiv sein Gesicht aus Bobs Schulter hervorkramte und ob der Sonne kurz blinzeln musste, schoss sein Blick zum Ersten.
Bunte Punkte tanzten immer noch vor seinem Sichtfeld.

Justus hielt eine Polaroid-Kamera in Händen, die das Geräusch augenscheinlich erzeugt hatte.
Ein mechanisches Zischen verlautete, als die Kamera die Fotografie ausdruckte.
"Justus Jonas, gib das sofort her!", rief Bob aus, als sich das Sofortbild aus dem Gehäuse der Kamera gewunden hatte.
"Was machst du da überhaupt?"
"Ihr saht ganz niedlich aus.", ließ Justus verlauten. "Ich dachte, das kommt ins Archiv."
"Sag mal, spinnst du? Wir haben ja nicht einmal einen Fall, für den eine Akte angelegt werden müsste."
Geschwind riss Bob das Polaroid aus Justus Fingern, der sich nicht wehren konnte, saßen sie immer noch in einer Gondel 50 Meter über dem Boden.
Er grummelt etwas Unverständliches und steckte das Foto in die Brusttasche seines Hemdes, ohne es überhaupt anzusehen.
Sein Haltung straffte sich und er wand den Arm weg von Peters Schulter.
"Denial is a river in Egypt.", murmelte Justus.
"Was hast du da gesagt, Just?"
"Nichts, Bob, absolut gar nichts. Beruhig dich wieder."

Die restliche Fahrt verlief merklich angespannt.
Justus verstand nicht, was er falsch gemacht hatte und Peter und Bob versuchten peinlichst, dass sich ihre Beine nicht mehr berührten.
Irgendwann sagte keiner der drei mehr ein Wort, bis das Riesenrad seine Fahrt beendet hatte.
Als das Gefährt zum Stehen kam, sprang Bob schneller auf, als Peter blinzeln konnte.

"Wollen wir noch kurz in der Zentrale vorbeischauen?", fragte Justus, während er verunsichert auf seiner Unterlippe herumkaute.
Bob grummelte nur, nickte aber letztendlich verhalten.
Ihr Weg vom Gelände des Jahrmarkts erfolgte in Stille.



In der Zentrale angekommen, ließen sich die drei Detektive auf ihre üblichen Sessel plumpsen. Der Abend hatte sie ganz schön geschlaucht. Ob das an der kalifornischen Hitze oder der gedrückten Stimmung lag, war nicht ganz klar. Wahrscheinlich eine Kombination aus beidem.

"Au!“, rief Justus schmerzvoll auf, als sein Hinterteil das Polster traf.
"Da ist was in meiner Hosentasche. Und ich habe mich natürlich prompt draufgesetzt. Wer rechnet denn auch mit sowas? Da war vorher nichts."
Der erste Detektiv kramte herum und zog ein kleines Glasgefäß hervor, welches er irritiert beäugte. Es schien mit einem Holzstopfen verschlossen zu sein und eine Art Wachs war darüber geträufelt worden.

"Was ist es?", fragte Peter, Verwirrung evident in seinem Gesicht.
Justus studierte das Behältnis eindringlich, das mit einem Etikett in kleiner Schreibmaschinenschrift beschriftet worden war und hielt es seinen Kollegen unter die Nase.

"Bevor das Schicksal Dich zerfrisst,
vor Panik Du nicht mehr Du selbst bist,
such schnell ein Zeichen des Schutzes!
Doch bist Du zu langsam,
kommt jede Hilfe zu spät,
ein Schluck aus dem Fläschchen mit dem roten Sekret, erlöst Dich auch!",
las Justus laut vor.

"Was auch immer uns das sagen mag, eine Drohung in Reimen ist mal was Neues. Und schlechte Reime sind es auch noch. Mit einem poetischen Genie à la Byron haben wir es hier nicht zu tun.", stellte der erste Detektiv umgehend fest; der vermeintliche Fall hatte ihm sofort ein Glitzern in die Augen gezaubert.

Derweil hatte auch Bob seine Hose abgeklopft und ebenfalls ein gläsernes Behältnis vorgefunden, was er auf seinen Fingerspitzen balancierte.
"Ich habe hier auch eins, Just.", sagte er und hielt dem Ersten ein identisches Fläschchen entgegen; Botschaft und Inhalt deckungsgleich. Das gleiche Etikett und die gleiche Flüssigkeit.
Bevor Justus etwas fragen konnte - und seinem Ausdruck nach zu urteilen, hatte er das vor - entgegnete Peter: "Ich habe keins, Kollegen."
"Bist du dir sicher, Zweiter?"
"Wenn ich es dir doch sage, Just."

Mit zusammengekniffenen Augen studierte Bob das rötliche Sekret genauer, konnte aber nicht identifizieren, um was für eine Substanz es sich dabei handelte.
"Hat irgendjemand eine Idee, was das Zeug eigentlich ist?"
Peter schüttelte nur den Kopf und auch Justus sah unschlüssig aus.

"Ich habe keine Ahnung, Bob. Aber da kleine Partikel in der Flasche schwimmen, die aus organischem Material zu bestehen scheinen, ist das wohl eine botanische Frage." Justus stockte. Die nächsten Worte sagte er nur ungern.
"Das ist nicht mein Fachgebiet, aber ich weiß, wer uns dabei behilflich sein könnte."
Besonders glücklich sah der Erste nicht aus, als er die Worte sagte. Aber Fortschritt war Fortschritt.
"Während wir die Substanz unserer Fachkraft überlassen, können wir uns derweil auf die Worte der Drohung konzentrieren."

"Na sag schon!", drängelten Peter und Bob gleichzeitig.
"Wen hast du da im Kopf?"

Justus Jonas seufzte und nach einem erneuten tiefen Atemzug, teilte er endlich seine Gedanken.

"Jelena Charkova."
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