Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast 

Birth of Hope

von Moerf
Kurzbeschreibung
GeschichteFreundschaft / P18 / Gen
10.03.2023
18.04.2023
6
6.483
2
Alle Kapitel
8 Reviews
Dieses Kapitel
2 Reviews
 
 
10.03.2023 1.237
 
Schwarze Wolken zogen dicht auf und ließen die Nacht in vollkommener Dunkelheit versinken. Der heulende Wind, der stark durch die Lüfte wehte, entriss Äste der riesigen Bäume des Waldes, die Mühe hatten, nicht aus der Erde zu fallen und der unendliche Regen, dessen dicke Tropfen auf den Grund schmetterten, überfluteten den Boden.

Die herumliegenden Laubblätter pappten durch die Nässe zusammen und bildeten eine glatte Oberfläche. Nur durch die schnellen Schritte, die durch den Wald eilten, wurden sie aufgewirbelt und trotz der hohen Rutschgefahr, schaffte es die Gestalt, Bekanntschaft mit dem kühlen Boden zu vermeiden.

Der eisige Wind peitschte mit voller Wucht in das Gesicht und die kalte Luft brannte in den Lungen, die versuchten genug Sauerstoff zu sammeln, um mit dem rasenden Tempo mitzuhalten. Auch der dunkle Umhang schützte die Gestalt nicht vor dem Regen, so hatten sich die Klamotten längst mit dem Wasser vollgesogen und klebten mit Gewicht an ihm. Die weite Kapuze klappte nach hinten und offenbarte langes, dunkelgrünes Haar, das zu einem geflochtenen Zopf gebunden war. Einzelne Strähnen schafften es, immer wieder vor sein Auge zu fallen. Und das, obwohl er eine Maske trug.

Er war auf der Suche nach Nahrung gewesen, als das Wetter plötzlich einen Rundumschlag machte. Da er noch kein Lager aufgeschlagen hatte, versuchte er, einen vorübergehenden Unterschlupf zu finden, um dort zu nächtigen und dann weiterzureisen.

In dieser Dunkelheit, in der nicht einmal der Mond als Lichtquelle fungieren konnte, erblickte er etwas im Augenwinkel und blieb abrupt stehen. Beinahe wäre er auf dem nassen Laub ausgerutscht, so schnell wie er zum Stehen kam - das wäre ziemlich peinlich gewesen. Vorsichtig näherte er sich und griff für alle Fälle nach seiner Waffe. Er war von einem wilden Monster ausgegangen, doch das, was er zu Gesicht bekam, strahlte keine Gefahr aus.

Es war ein Menschenkind.

Einige Wunden zierten den schmalen, nackten Körper und der leere Blick in seinen blauen Augen verriet, dass er ein Überbleibsel der Massenproduktion war. Vermutlich ist er beim Transport heruntergefallen oder wurde zurückgelassen. Die Menschen aus diesen Plantagen hatten keinen Wert. Wahrscheinlich wurde das Menschlein deshalb zurückgelassen - ein Monster würde früher oder später über ihn herfallen.

Auch als das grünhaarige Monster sein Gesicht in das des Kindes steckte, kam keine Reaktion. Tot war der Mensch jedenfalls nicht und aus irgendeinem unbegreiflichen Grund fragte er sich, ob solche Menschen überhaupt etwas fühlten oder denken konnten.

Er wusste, dass die Kinder aus der Massenproduktion keine Intelligenz besaßen und nur als Fressen gezüchtet wurden, aber der Anblick von einem zurückgelassenen Kind, das keinen eigenen Willen hatte und nie eine Sekunde leben konnte, berührte ihn. Da hatten die Premiumwaren ein großes Glück, einem anderen Schicksal zugeteilt worden zu sein.

Eine gute Weile sah er sich das menschliche Kind an, während es im Hintergrund donnerte und blitzte. Nach wie vor gab es keine Anzeichen, dass das Wetter sich beruhigte. Es war erstaunlich, dass das Kind nicht wegen Unterkühlung gestorben war. Er war versucht, das Kind liegen zu lassen, es würde sowieso nicht merken, wenn es gefressen werden würde. Das brachte ihn auf den Gedanken, ihn selbst zu verspeisen und ihn von seinem Elend zu erlösen.

Aber letztendlich war er neugierig.

Er schulterte seine Waffe und nahm den Menschen behutsam auf den Arm. Mit seiner größeren Hand schützte er den Kopf und setzte seinen Weg fort. Wer wusste schon, wie der menschliche Instinkt funktionierte? Er glaubte an ein Wunder. Niemand war nutzlos oder existierte ohne Sinn und Zweck. Das würde er dem Kleinen als erstes beibringen.

Nach ungefähr einer weiteren halben Stunde, fand er einen riesigen Baum, der im Stamm eine eingedrückte Delle hatte und aussah wie ein Höhleneingang. Weit und breit schien auch kein Monster unterwegs zu sein, kein Wunder bei dem Wetter. Bis zum Morgen sollte es hier sicher sein.

Er setzte sich in den Baum, lehnte sich gegen den Stamm und wrang das Wasser aus seinem dicken Haar. Jetzt, da ihm nicht ständig der Wind ins Gesicht klatschte, wurde ihm wieder etwas wärmer - trotz der nassen Klamotten. Hin und wieder blickte er zu dem Jungen, der immer noch eine gewaltige Leere in den Augen besaß und gar nicht aussah, als würde er noch leben. Er regte sich nicht, blinzelte kaum und nur der leicht hebende und senkende Brustkorb zeigte, dass er atmete, so als wäre der Autopilot eingeschaltet.

Er lauschte dem Regen und schloss die Augen. Einen weiten Weg hatte er zurückgelegt und er war erleichtert, einfach rasten zu können. Deswegen machte er sich auch keine unnötigen Gedanken und ruhte sich aus.

Die hellen Strahlen der Sonne vertrieben am frühen Morgen die dichten Wolken und befreiten den Himmel. Vögel trällerten ihre Lieder, die Bewohner des Waldes begaben sich auf Nahrungssuche und langsam fing alles an zu trocknen. Man musste aufpassen, wo man hintrat, weil der Wald durch das stürmische Wetter der vergangenen Nacht verwüstet wurde.

Das Licht kitzelte ihn auf der Haut und weckte ihn aus seinem leichten Schlaf. Für einen Moment war er verwirrt, als er die Augen öffnete und nur einen Holzstamm zu Gesicht bekam. Doch er entspannte sich danach sofort und widmete sich dem Kind, das regungslos neben ihm lag und Löcher in die Luft starrte. Aber sein knurrender Magen offenbarte, dass sein Körper intakt war.

Ein leichtes Schmunzeln schlich sie auf die Lippen des Monsters und er rappelte sich auf. Dem Kind dürften auch etliche Vitamine fehlen, also vergewisserte er sich, dass seine Umgebung sicher war, damit er das Kind ohne Probleme beim Lager lassen konnte und ging auf Nahrungssuche. Trotz des Durcheinanders, das im Wald herrschte, strahlte er eine Idylle aus. Die Sonnenstrahlen bahnten sich durch die Baumkronen und beleuchteten den Weg, während der Schatten der Bäume genug Kontrast spendete, um den Wald analysieren zu können.

Futter war schnell gefunden. Mit seiner Doppelklinge hatte er zwei Hasen erlegt. Mit einer Vidar vollführte er die Prozedur, um den Segen der Götter zu erhalten und als dies der Fall war, suchte er nach einigen Kräutern und Beeren. Auf dem Weg zurück sammelte er trockene Äste ein, um ein kleines Lagerfeuer zu machen.

Er bereitete die Mahlzeit zu und überreichte es dem Kind, das wohlgemerkt immer noch keine Klamotten anhatte. Stutzig sah er sich den Jungen an, dessen Bauch vor Hunger schrie, aber sich immer noch nicht bewegte. Etwas überfordert kramte der Grünhaarige in seinem kleinen Beutel und zerschnitt mit einem Dolch einen Teil seines Umhangs, um das Kind darin zu wickeln. Es schien nicht unbedingt bequem zu sein, sollte aber vorübergehend reichen.

Danach setzte er das Kind aufrecht hin und gab ihm das Hasenfleisch in die Hand. Er zeigte ihm, wie er es essen konnte und gestikulierte wild umher. Allerdings brachte sein Bemühen nichts. Das Kind fokussierte nicht einmal das Essen und ohne Stütze des Monsters würde es wie ein Sack voller Kartoffeln umkippen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte er die Schnauze voll und pflückte das zarte Fleisch auseinander, damit er es ihm in kleinen Happen zuführen konnte, ohne dass es gleich erstickte. Mit manueller Bewegung des Kiefers bekam das Kind endlich etwas zu essen.

Auch die nächsten Monate verliefen nicht anders. Das Monster musste sich durchgehend um das Kind kümmern, weil es ohne ihn nicht überlebensfähig war. Aber sein Einsatz sollte sich auszahlen.


~*~


“Es gibt nunmal eine von Gott geschaffene Weltordnung, in der der Mensch als überlegenes Lebewesen gilt. Der Mensch braucht Fleisch zum Überleben. Das Monster hingegen denkt, dass es den Menschen braucht, um leben zu können.” - Die Dämonin des Schicksals zum grünhaarigen Monster
 
 Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast