Kapitel 15.) We are the warriors




Conan hatte bewirkt, dass der Captain ihnen ein paar freie Tage vermacht hatte. Er hatte natürlich verstanden, dass sie in Ruhe um Hank trauern wollten. Zum Glück fiel es dem RK900 noch nie schwer, sein undurchschaubares Pokerface aufzusetzen. Egal in welcher Situation.
Nebenbei hatte er ihnen auch noch ihre Dienstwaffen, schusssichere Westen und Scharfschützengewehre besorgt. Hank konnte sich noch genau daran erinnern, wie er in seiner Haustür stand und der Android zweimal zurück zum Auto laufen musste, um alles ins Haus zu tragen.
Er wollte einfach lieber nicht wissen, wie er das angestellt hatte, ohne dass auch nur eine Frage im Department aufgekommen war...

Doch jetzt tigerte der fortschrittliche Prototyp durch sein Wohnzimmer und machte ihn bald verrückt damit: „Conan verdammt! Musst du da die ganze Zeit hin und her laufen? Du machst mich wahnsinnig damit!“ Der RK900 war stehen geblieben und blickte den Lieutenant auf der Couch emotionslos an: „Ich hasse es sinnlos zu warten. Was ist, wenn sich dieser Informant nie meldet?“
„Er wird sich melden, ganz sicher.“ Warf Connor vom anderen Ende des Raumes ein. Schon eine ganze Weile war dem Lieutenant aufgefallen, dass sich der RK800 auffällig oft in der Nähe seiner Ziehtochter aufhielt. Er schob es bisher immer darauf, dass sie sicherlich verwirrt waren einander zu sehen. Connors Bewusstsein in Coleen würde sich sicherlich an sein altes Aussehen erinnern.

Seid dem sie am Hafen wiedervereint wurden, waren vier Tage vergangen. Vier Tage in denen selbst Hank und sogar Conan aufgefallen war, dass die Stimmung zwischen Coleen und Connor sich verändert hatte. Am Anfang hatte der RK900 noch geglaubt ein gewisses Konkurrenzdenken ausmachen zu können, gerade von Coleens Seite aus. Doch jetzt war er sich da nicht mehr sicher.
Wahrscheinlich wollte das schon etwas heißen, dass es sogar ihm aufgefallen war...
Auch wenn er den Lieutenant damit wohl weiter reizen würde, begann er wieder von einer Ecke in die andere zu laufen. Er konnte nicht einfach nur herumsitzen.

Die RK700 beobachtete, wie Conan, trotz Hanks unmissverständlichen Aufforderung, damit aufzuhören, wieder begann durch das Zimmer zu laufen. Hank auf der Couch stöhnte genervt auf.
Sie selbst saß neben Connor in der anderen Ecke des Wohnzimmers. Mit dem Rücken an die Wand gelehnt, hatte sich Sumo zwischen die beiden Androiden gesellt. Gedankenverloren ließ sie ihre Finger durch sein wolliges Fell streichen.
Sie hörte Connor neben sich einwerfen, dass sich sein Informant sicher bald melden würde, weshalb sie den RK800 neben sich wieder ansah. Auch er hatte, wie sie, eine Hand in Sumos Fell vergraben. Er lehnte seinen Kopf gegen die Wand und sah sie an:

'Du beobachtest mich.' Stellte Connor in dem Moment über ihre gedankliche Verbindung fest.
'Tue ich.' Coleen lächelte und Connor tat es ihr gleich.
Hank und Conan bekamen nicht mit, was in ihrem Rücken geschah.
'Was ist Conan eigentlich für dich?' Der RK800 heftete seinen Blick auf den größeren Androiden, der wahrscheinlich nie damit aufhören würde durch das Zimmer zu rennen.
'Ich würde sagen so etwas wie ein großer Bruder... Warum willst du das wissen?'
Connor schwieg und sein Blick glitt wieder nachdenklich zu Sumo, der die doppelte Streicheleinheit sichtlich genoss.
'Bist du eifersüchtig?' Geschickt fing Coleen den leicht entsetzten Blick ihres Gegenübers ein. Auf ihre Lippen hatte sich ein wissendes Lächeln geschlichen. Doch Connor hatte sich schnell wieder gefangen:
'Muss ich das denn?'
Die Androidin schüttelte belustigt den Kopf. Dieser Connor schien sich gerade einen ganz eigenen Platz in ihrem Gedankenpalast zu erarbeiten – doch es fühlte sich so anders an als das, was sie bisher Hank oder Conan entgegenbrachte...

Plötzlich wechselte Connors LED von blau auf gelb und er schloss für einen kurzen Augenblick seine Augen.
„Mein Informant hat sich gemeldet – CyberLife plant einen weiteren Verkauf.“
Hank sprang von seinem angestammten Sofaplatz auf: „Wann?“
„Morgen Abend. Wieder am Hafen, diesmal genau vor den CyberLife Docks.“
„Die scheinen sich ihrer Sache aber sehr sicher zu sein, wenn sie kaum den Ort der Übergabe wechseln.“
„Ansichtssache Lieutenant, das DPD würde kaum auf die Idee kommen, zweimal am selben Ort zu suchen.“
Conan war – endlich – stehen geblieben, während er das sagte.
„Ich würde lachen, wenn dein Informant, derselbe ist, der gegenüber Jeffrey behauptet hatte das dort eine Red-Ice Deal steigt.“ In alter Manier verschränkte Hank wieder die Arme.
„Deswegen wart ihr dort?“ Connor und Coleen hatten sich inzwischen auch wieder erhoben.
„Ja, irgendein Informant des DPD hat behauptet, das würde dort stattfinden – ich meine ja, es fand ein Deal statt. Nur der falsche. Für einen Schwarzmarkt-Waffenhandel-Deal wären wir da kaum nur zu dritt aufgetaucht. Unterbesetzung hin oder her.“
„Ich möchte sie ungern enttäuschen, Lieutenant, aber... Wir werden diesen ‚Schwarzmarkt-Waffenhandel-Deal‘ dieses Mal auch nur zu viert durchziehen.“



Es war bereits später Abend als Connor begann, mit Gegenständen aus Hanks Küche den Aufbau der CyberLife Docks zu erklären.
„Wir haben zwei Zugänge zum Gelände. Einen hier und einen hier.“ Der RK800 deutete mit zwei Gabeln die Zufahrten an. „Dann haben wir einige Überseecontainer, hinter denen wir nicht auffallen.“ Er legte die Schokoriegel, die er gefunden hatte zwischen die beiden Gabeln.
Coleen bedachte in diesem Moment Hank mit einer hochgezogenen Augenbraue. Eigentlich hatte sie den Menschen so weit gehabt, dass er nicht mehr Unmengen ungesundes Zeug in sich hineinstopfte. Doch dieser bedachte die Androidin nur mit einem entschuldigenden Blick und zuckte mit den Schultern. Er konnte halt nicht widerstehen.

„Ansonsten haben wir kaum eine Möglichkeit, strategisch geschickt einen Scharfschützen zu positionieren. Das einzige Gebäude dort gehört CyberLife selbst und ist so hell beleuchtet, dass jemand auf dem Dach sofort ins Auge fallen würde.“
„Glaubst du denn, dass sie diesmal mit mehr Leuten dort aufkreuzen werden?“ Conan hatte mit verschränkten Armen den Ausführungen des RK800 gefolgt.
„Ich gehe davon aus. Ich kann mir vorstellen, dass sie die Sicherheit ihrer Kunden auf jeden Fall gewährleisten wollen.“
„Weil tote Kunden, schlecht bezahlen. Schon verstanden. Das bedeutet aber wir müssen uns zu viert wahrscheinlich durch ein beschissenes Minenfeld kämpfen.“
„Haben Sie etwas Besseres vor, Lieutenant?“ Der RK900 bedachte den Menschen mit einem herausfordernden Blick.
„Ja warte, eigentlich ist Mittwochabend immer mein Tag in der Woche ein entspannendes Schaumbad zu nehmen – scheiße nein Blechbirne, ich bin dabei! Ich dachte langsam mal, du kennst mich.“

„Er kennt dich gut genug, um zu wissen, wie er dich für seinen Spaß provozieren kann, Hank.“
Der Lieutenant warf dem größeren Androiden einen vernichtenden Blick zu.
„Wir sollten uns ausruhen, morgen wartet einiges an Arbeit auf uns.“ Bald kam sich Connor selbst so vor, als wäre er der einzige Erwachsene in dieser Küche...
„Er hat recht. Husch, husch ins Körbchen mit euch, Kinder!“ Conan verdrehte die Augen, als er hinter dem Lieutenant aus der Küche lief.
Dieser strebte auf sein Badezimmer zu, bevor er sich noch einmal zu den beiden männlichen Androiden umdrehte: „Wenn ihr irgendwas brauchen solltet... Decken, Kissen oder der ganze Kram... bedient euch einfach im Schlafzimmerschrank.“
Conan wollte bereits dazu ansetzten, den Lieutenant erneut zu belehren, dass er keinen Schlaf und damit auch kein Bettzeug brauchte – als ihm Connor zu vorkam:
„Danke Lieutenant.“
Mit einem verwirrten Nicken verschwand Hank im Bad.
Danach verschwand Coleen nach dem Lieutenant in ihrem eigenen Zimmer, jedoch nicht ohne die beiden RK Androiden noch mit einem tadelnden Blick zu bedenken: „Benehmt euch Jungs!“

Conan und Connor sahen sich an. Das versprach, ein interessantes Aufeinandertreffen zu werden. Der Kampf der Giganten. CyberLife gegen das wohl effizienteste Team des DPD. Wer würde dieses Mal siegen?