The Maze - Läuferin
von Ivaya
Kurzbeschreibung
Ein Mädchen, in einem Labyrinth voller Jungs - kann das gut gehen? *Ihr neues Leben begann im Stehen, umgeben von kalter Dunkelheit und staubiger Luft. Und dann wurde ihr klar, dass sie sich an nichts erinnern konnte. An Nichts. Außer an ihren Namen. Mona.*
GeschichteFreundschaft, Liebesgeschichte / P12 / Gen
Alby
Gally
Minho
Newt
OC (Own Character)
04.03.2023
22.03.2023
19
58.525
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18.03.2023
3.132
15.
“Verdammte-”, hob Newt an, unterbrach sich dann aber wieder. Er schloss die Augen und atmete tief durch. “Das geht nicht. Es geht einfach nicht. Klar? Sag bloß nicht was wieder von nem beklonkten Suchtrupp. Das ist hundertprozentig gegen die Regeln. Vor allem, wenn die beklonkten Tore gleich zu gehen.”
“Aber warum?” Thomas war genauso unruhig wie Newt insgeheim, Mona sah das. “Holen die Griewer sie denn nicht, wenn sie da draußen bleiben? Warum tut denn niemand etwas?”
Newt wirbelte wutentbrannt herum. “Halt deine beklonkte Fresse, Neuer! Du verstehst nichts davon. Nichts! Noch keine verdammte Woche bist du hier und willst uns allen was einreden! Glaubst du, dass du es besser weißt, he? Glaubst du nicht, dass Mona und ich nicht genauso gerne losrennen würden? Glaubst du nicht, dass wir unser Leben aufs Spiel setzen würden für die beiden, he?”
“Nein - ich … es tut mir leid, Newt, Mona. Ich wollte euch nicht...”, stotterte Thomas vor sich hin. Mona wusste, dass er es nicht so gemeint hatte. Aber als ob Thomas selbst etwas unternehmen würde. Immer nur andere anklagen, he, dachte Mona. Aber wenn sie so ernsthaft darüber nachdachte, würde Thomas es wahrscheinlich doch tun. Der Strunk war vieles, aber kein Feigling.
Sie drückte sich näher an Newt und der umarmte sie beschützend. Seine Miene wurde wieder gutmütig. “Du verstehst das nicht, Tommy. Nachts rauszugehen, heißt, sein Leben wegwerfen. Wir dürfen nicht noch mehr Leute verlieren. Wenn die beiden es nicht zurück schaffen...” Newt seufzte und fuhr sich wieder durch’s Haar. Er sprach nicht weiter.
Aber Thomas sah aus, als ob er es verstehen würde.
“Newt will’s nicht aussprechen”, kam es leise von Chuck. “also sag ich es jetzt. Wenn sie jetzt nicht zurück sind, heißt das, sie sind tot. Minho ist zu schlau, um sich zu verlaufen. Unmöglich. Sie sind tot.”
Newt und Mona schwiegen. Chuck machte kehrt und ging bedrückt und mit hängendem Kopf zurück zum Gehöft.
Thomas schwieg auch. Wahrscheinlich musste er das ganze erstmal verarbeiten.
“Der Strunk hat Recht”, durchbrach schließlich Mona die Stille. “Wir können einfach nicht daraus gehen, so sehr wie wir auch wollen. Newt ist der stellvertretende Anführer und ich bin zuversichtlich, dass er die Lichter zusammenhalten kann. Wenn er im Labyrinth stirbt... Wir können uns einfach nicht leisten, die Situation noch schlimmer zu machen, als sie sowieso schon ist.”
Mona traten Tränen in die Augen. Sie wollte, verdammt noch mal, da raus gehen und Minho und Alby suchen. Und finden. Aber Newt wäre zerstört, würde sie das tun. Würde sie sterben. Und deswegen tat sie es nicht.
“In zwei Minuten gehen die Tore zu”, sagte Newt und es klang etwas Endgültiges in seiner Stimme mit.
Er drehte sich um und ging langsam weg. Mona folgte ihm, irgendwie trotz allem in der Hoffnung, dass Minho und Alby gleich aus dem Tor stürmen würden.
Das Schaben, Knarzen und Gedröhne ging los. Mona kannte es genau. Die Tore schlossen sich, und damit verschwand auch die Hoffnung, Minho, ihren großen Bruder, und Alby, den Anführer, jemals wieder zu sehen. Es brach Mona ihr verdammtes Herz.
Sie waren schon beim Gehöft, aber auf einmal: “Newt! Mona!!”, brüllte Thomas, komplett außer sich.
Sie wirbelten herum.
“Sie kommen! Ich kann sie sehen!”, schrie Thomas.
Mona fing an, wieder zum Tor zu rennen, Newt gleich neben ihr.
Thomas stand am Tor, und dahinter bewegte sich tatsächlich etwas. Es waren Minho und Alby, auch wenn Mona nur Schemen erkannte, auf die Entfernung.
Mona schrie, weil sie wusste, dass die beiden es niemals schaffen würden, bis die Tore sich schlossen. Und Mona selbst war auch nicht schnell genug, auch wenn sie schneller als der Wind wäre.
Mona und Newt kamen Thomas näher. Minho stolperte und fiel. Das war’s, zog sich durch Mona’s Kopf. Das war’s mit meinem großen Bruder, und ich konnte nichts tun.
Sie achtete nur auf die Personen hinter den Toren, nicht auf Thomas, sonst hätte sie ebenfalls gesehen, was Newt neben ihr sah.
Thomas wollte losrennen. Ins Labyrinth.
“Tu’s nicht, Tommy! Nein, tu es nicht!”, schrie Newt neben Mona.
Aber Thomas ignorierte das.
Sein ganzer Körper streckte sich. Er rannte. Und dann war er auf der anderen Seite, im Labyrinth. Das letzte, was Mona durch den Schlitz zwischen den Mauern sah, war Thomas’ Gesicht.
Dann knallten die Mauern zu, und auf der ganzen Lichtung hallte es wie ein endgültiger Schlag.
Kraftlos ließ sich Mona mit den Knien auf den Rasen fallen.
Sie hatten nicht nur Minho und Alby verloren, sondern auch Thomas. Den Frischling, der sie alle hätte retten können, auch wenn das anfangs nur ein Spaß war.
Sie hatten ALLES verloren.
Schluchzend sackte Mona zusammen. Newt umarmte sie von hinten, versuchte, ihr Halt zu geben.
Aber auch ihm liefen Tränen über die Wangen und tropften ihr auf das Haar.
Sie hasste es, zu verlieren.
Und sie hatte gerade den zweitwichtigsten Menschen in ihrem Leben verloren.
Mona konnte nicht anders. Sie schrie. So laut, dass es jeder auf der Lichtung bestimmt hörte. Vielleicht hörten es auch Minho und Thomas noch im Labyrinth.
Vielleicht wusste Minho, wie sie sich fühlte.
Es war ein gepeinigter Schrei, voller Schmerz und Verlust.
Nachdem sie geschrien hatte, sackte sie in Newt’s Armen zusammen. Erschöpfung überkam sie. Mona wollte nicht mehr. Sie wollte nicht mehr verlieren.
Newt hob sie auf und trug sie zu ihrem Schlafplatz, auch wenn alle Lichter sie anschauten, als sie am Gehöft vorbeikamen.
Er bettete sie liebevoll in ihren Schlafsack und nahm sie in ihre Arme.
Mona wollte vergessen. Und das konnte sie am besten im Schlaf. Also flüchtete sie.
Als Mona aufwachte, war es noch dunkel. Sie fühlte sich gerädert und ihr tat alles weh. Ihre Wangen und Augen waren vertrocknet vom Weinen.
Minho. Minho. Ihr großer Bruder.
Alby. Ihr Anführer.
Thomas. Ihr Frischling. Ihr verdammter kleiner Frischling.
Mona hätte am liebsten noch mal geschrien.
Newt war nicht neben ihr, bemerkte sie. Aber er saß nur an einen Baum ein paar Meter weiter gelehnt, in die schwarze Nacht heraus starrend.
Mona hievte ihren schweißgebadeten Körper hoch und setzte sich neben ihn.
Newt schwieg lange.
“Sie schreien”, sagte Newt schließlich leise.
Mona legte den Kopf schief und lauschte. Aus dem Labyrinth um sie herum kamen leise, hallende Geräusche.
Die Griewer schrien. Newt hatte Recht.
“Meinst du, sie sind schon tot?”, fragte sie.
Newt zuckte mit den Schultern. Er nahm Mona so fest in den Arm, dass sie wusste, dass er sich Sorgen machte. Große Sorgen. Das alles den beklonkten Bach herunter gehen würde.
Mona schluchzte unterdrückt auf. Und lauschte dann wieder stumm den schrillen Schreien der Griewer.
Etwa eine Stunde saßen sie da so, dann rappelte Newt sich auf.
“Komm, Mona. Ich will sehen, wie sie nicht mehr herauskommen. Die Tore öffnen sich gleich.”
Mona nickte und wischte sich die eingetrockneten Tränen weg. Wenig würdevoll zog sie die Nase hoch und folgte Newt zu dem Westtor.
Ihre Nase fing einfach immer an zu laufen, wenn sie heulte.
Zu zweit standen sie vor den riesigen Mauern. Hand in Hand standen sie da, und warteten auf den endgültigen Beweis, dass Minho, Thomas und Alby tot waren.
Nach und nach wurde es heller und nach und nach kamen Lichter und stellten sich hinter sie. Alle waren still.
Dann öffneten sich die Tore.
Niemand stand da. Newt seufzte und wandte sich ab.
Aber dann bogen sie um die Ecke.
Minho.
Und Thomas.
Mona zog Newt an seinem Ärmel wieder herum und lief ins Labyrinth, um Minho zu umarmen.
Er war durchgeschwitzt, aber am Leben – und er drückte sie zurück, und das war etwas, von dem Mona gedacht hatte, dass sie es nie mehr fühlen würde.
Newt war hinter ihr und umarmte einfach Mona und Minho gemeinsam.
Dann ließ er sie los und fixierte Minho und Thomas, schon beinah wütend.
“Was ist passiert? Was zum-” Newt war schon fast sprachlos. Mona auch. Aber gerade überwog die Freude, dass ihr Bruder und ihr Frischling noch lebten. Alby verdrängte Mona einfach.
“Erzählen wir dir später”, unterbrach Thomas Newt. “Wir müssen Alby retten.”
“Was? Lebt er noch? Sag mir, dass er noch lebt, Tommy!”, flüsterte Mona.
Thomas zuckte etwas hilflos mit den Schultern. “Kommt mit”
Er führte sie einen Gang nach rechts, mit einer Wand voller Efeu, und deutete nach oben.
Dort, etwa zehn Meter über dem Boden des Labyrinths hing Alby, festgeschnürt und in einem Stück. Aber ohne jegliches Lebenszeichen.
Newt neben ihr keuchte auf, als er Sekunden nach ihr ihren Anführer entdeckte. Er war jetzt nicht mehr nur geschockt, sondern regelrecht fassungslos. “Ja, aber … lebt er noch?”, fragte Newt etwas zitternd und sprach Mona damit aus der Seele.
“Weiß nicht. Als ich ihn dahingehängt hab, hat er noch gelebt.”, murmelte Thomas und starrte ebenso wie Minho und Newt auf den leblosen Körper da oben.
“Hingehängt … “, stellte Mona fest. Thomas nickte, ohne den Blick von Alby abzuwenden.
Hm.
Es kam Mona nicht ganz in den Kopf, wie er das geschafft haben sollte.
Eigentlich war die ganze Situation Klonk und vollkommen unwirklich. Minho und Thomas hatten immerhin eine Nacht im Labyrinth überlebt.
Vielleicht träumte sie auch.
Mona zwickte sich.
Es sah nicht so aus, nein.
Sie seufzte.
Newt schüttelte nur den Kopf. Mona nahm an, dass er genauso geplättet war wie sie selbst.
“Thomas und Minho, ihr geht nach drinnen und lasst euch von den Sanis versorgen, aber zackig. Können uns nicht leisten, dass ihr hier vor Erschöpfung zusammenbrecht. Ihr seht schlimm aus. Wenn sie mit euch fertig sind und ihr ausgepennt habt, will ich alles hören.”
Thomas sah nicht so aus, als ob er damit einverstanden wäre, aber jetzt zeigte Minho auch endlich wieder eine Regung und nahm ihn am Arm und zog ihn in Richtung Hof. “Wir brauchen Schlaf. Und Verbände. Sofort.”
Thomas gab augenscheinlich nach und folgte Minho aus dem Labyrinth.
Mona blieb stehen, ebenso wie Newt neben ihr, auf Alby da oben starrend. Schließlich zwang sie sich, sich wieder zu bewegen. „Ich geh mal ein paar Läufer holen.“, murmelte sie und lief los, um Freddie und Woolf aus der kleinen Lichteransammlung vor dem Westtor herauszupicken, um Alby da runterzuholen.
Vielleicht hatte er zwar überlebt, dank Thomas, aber ganz gesund sah das Hängen da oben auch nicht aus.
Irgendwie war Veränderung doch nicht so schlecht. Ohne Veränderung wären Thomas, Minho und Alby sowieso jetzt tot.
Freddie, der schon gestochen worden war, glaubte nicht, dass es Thomas gewesen war, der Alby dahingehangen hatte. Er mochte Thomas nicht, ebenso wie Gally.
Woolf hielt sich aus allem heraus. Er war aber kein schlechter Läufer.
Mona und Freddie kletterten an dem Efeu hoch, und ließen Alby nach und nach herunter. Unten standen Newt und Woolf, um Alby in Empfang zu nehmen.
Als die vier Läufer Alby auf die Lichtung brachten, standen da schon Clint und ein Mona fremder Sani, sie glaubte, Konstantin hieß er, mit einer Trage, um ihn zum Gehöft zu tragen.
Alby war vollkommen leblos. Aber er hatte noch Pulsschlag.
Clint verabreichte ihm sofort das Griewer-Serum und brachte ihn dann gemeinsam mit Konstantin zum Verwandlungszimmer.
Danach kam Clint, vollkommen erschlagen von all den Ereignissen, zu Mona und Newt, von denen anscheinend alle dachten, dass sie wüssten, was zu tun wäre.
„Er wird wahrscheinlich übern Berg kommen“, berichtete er.
„Gut, das“, nickte Newt und fuhr sich durch’s Haar.
Mona nickte auch. Aber eher, weil sie nicht wusste, was sie sonst machen sollte.
Clint nickte ihnen zu und ging wieder zu all seinen Patienten.
Vielleicht mag ich Veränderungen doch, dachte Mona.
Sonst hätten sie ihren Anführer verloren, auch wenn Alby nach der Verwandlung nicht mehr derselbe sein würde.
Newt drückte Mona’s Hand.
„Sie leben noch“, sagte er. „Sie haben’s verdammt noch mal geschafft, eine Nacht im Labyrinth zu überleben.“
Mona lachte. „Ja. Ja, haben sie. Und ich hab meinen Bruder nicht verloren.“
„Und ich nicht meinen besten Freund“, lächelte er und vergrub seine Nase in ihrem Haar.
Mona nickte glücklich.
Dann kam Gally auf sie zugelaufen.
„Ich will eine Versammlung einberufen, Newt“, sagte er ernst.
Newt seufzte und nickte. „Ja, ich denke, das muss sein. Aber keine öffentliche, nur die Hüter, Thomas und Mona.“
„Verzeihung, aber gibt es einen Grund, warum Mona dabei sein muss? Sie ist keine Hüterin“, warf ein Licht ein, das zugehört hatte. Mona glaubte, dass es Marco war, der Hüter der Eintüter.
„Sie ist meine Freundin“, fauchte Newt.
„Ah, dann darf ich also auch Neil mitnehmen? Meinen besten Freund?“, fragte Marco lauernd.
„Nein“, sagte Gally. „Mona gehört zu den verdammten Führungspersonen, sie gehört zu Newt. Die beiden sind doch eh fast eine Person.“
Mona musste selbst zugeben, dass die Begründung nicht sehr schlüssig war. Aber an sich stimmte es, dass sie zu den ‚Führungspersonen‘ gehörte. Nur hatte sie es noch nie wirklich so gesehen.
Marco schnaubte angepisst, aber Gally ignorierte das.
„Wir lassen Thomas und Minho bis morgen früh schlafen“, bestimmte Newt. „Die beiden müssen ausschlafen. Irgendwann dann halten wir die Versammlung ab. Gally, sag den Hütern, übermorgen um Punkt elf. Keine Sekunde später, okay?“
Gally nickte und fing an, die Hüter zu suchen.
Newt seufzte und fuhr sich durchs Haar. „Komm, Mo.“
„Mo?“, fragte Mona, während sie ihm wohin auch immer hin folgte.
„Ist mir nur gerade so eingefallen.“, grinste Newt.
„Nach eineinhalb Jahren, ja?“, stellte Mona fest.
Newt nickte lächelnd.
Am nächsten Morgen hatte Chuck Thomas geweckt, und Minho war selbst aufgewacht.
Mona wusste nicht, wie sie im Labyrinth überlebt hatte, weil Minho sich weigerte zu reden, damit er nicht alles zweimal erzählen musste.
Aber von dem Respekt, der in seiner Stimme mitschwang, wenn Minho über Thomas sprach, erkannte Mona, dass es ein großer Einschnitt in sein Leben gewesen war.
Mona war froh, das Minho, Thomas und Alby überlebt hatten.
Wer wäre das nicht, außer Marco und seine Freunde, die Gestochenen? Und Gally wünschte Thomas durchaus den Tod, war aber nicht so dumm, dasselbe bei Minho und Alby zu tun.
Der Tag flog vor sich hin, und schließlich war Mona irgendwie neben Newt im Gehöft gekommen und unterhielt sich mit Thomas und Chuck, wobei Newt wie sie alle besorgt und traurig blickte.
Es machten sich alle Sorgen um Alby.
Aber Clint hatte ihr und Newt vorhin versichert, dass sie jetzt sicher sagen konnten, dass er überleben würde.
„Ich glaube, der schlimmste Teil ist überstanden“, berichtete Newt, für Thomas und Chuck. „Alby wird jetzt wahrscheinlich noch ein paar Tage schlafen. Aber wenn er aufwacht, ist er wieder okay. Vielleicht krakeelt er noch ein bisschen rum, aber er überlebt.“
Betont beiläufig fragte Thomas: „Jetzt mal ehrlich, Newt. Was passiert da gerade mit Alby? Ich kapiere einfach nicht, was diese Verwandlung sein soll.“
„Glaubst du etwa, wir verstehen es?“, fragte Mona und zuckte mit den Schultern. „Wir wissen nur, was wir selbst gesehen haben. Wenn man von den beklonkten Griewern gestochen wird, muss das Griewer-Serum gespritzt werden, sonst stirbt man. Nach dem Serum tickt der Körper total aus, man zittert wie verrückt und so nen Klonk halt. Sieht nach allem aus, aber nicht nach einem Weg, wieder gesund zu werden. Aber es hilft.“
„Aber warum nennt ihr es die Verwandlung? Was ist man danach? Ich will wissen, was da oben im Gehöft vor sich geht!“, echauffierte sich Thomas.
„Neugierig bis zum Tod, was?“, murmelte Mona grinsend, auch wenn das Thema gar nicht witzig war.
Newt seufzte neben ihr. „Dabei kommen Erinnerungen zurück. Nur kleine Fetzen, aber auf jeden Fall Erinnerungen an vorher, bevor wir an diesen beschissenen Ort verfrachtet worden sind. Jeder, der sie durchgemacht hat, benimmt sich danach wie ein verdammter Psychopath. Allerdings nicht so schlimm wie Benny. Es scheint jedenfalls so zu sein, dass man sein altes Leben zurückbekommt, nur damit es einem dann wieder weggenommen wird.“
„Bist du dir sicher?“, fragte Thomas.
„Blöde Frage, Strunk“, warf Mona ein. „Sicher können wir uns natürlich nicht sein. Hab doch gesagt, wir wissen nur, was wir gesehen haben.“
„Sind sie anders, weil sie zu ihrem alten Leben zurückkehren wollen, oder weil sie so deprimiert sind, dass ihr altes Leben auch nicht besser ist als das, was sie jetzt haben?“, fragte Thomas.
Mona starrte ihn an und seufzte dann. „Wer weiß.“
„Die Leute, die es mitgemacht haben, wollen nie richtig darüber reden“, sagte Newt gedankenverloren. „Sie werden anders. Unleidlich. Eine Handvoll gibt es hier auf der Lichtung. Ich kann sie nicht ausstehen. Bis auf Gally, der ist eigentlich ganz okay. Betonung auf eigentlich.“
„Das kannst du laut sagen“, pflichtete Chuck Newt nickend bei. „Aber ich finde, der schlimmste ist Gally.“
„Alles Ansichtssache“, murmelte Mona.
Klar, Gally hatte eindeutig was gegen Thomas. Aber die Welt war nicht schwarz-weiß, und sie hatte selbst nichts dagegen, wenn ihre Freunde sich nicht mochten. Das war deren Sache.
„Irgendwas Neues von dem Mädchen?“, fragte Thomas. „Ich hab oben gesehen, wie die Sanis sie gefüttert haben.“
„Nichts Neues“, sagte Mona. Sie hatte im Laufe des Vormittags nochmal bei Clint und Cliff vorbeigeschaut. „Liegt immer noch im Koma oder was das ist. Ab und zu redet sie – sinnloses Zeug, als ob sie träumen würde. Mir ist sie irgendwie unsympathisch. Schmeißt alles durcheinander hier. Aber Essen nimmt sie an und sieht sonst auch gesund aus. Alles nicht normal.“
Thomas, Newt und Chuck schwiegen.
Schließlich brach Newt das angestrengte Schweigen. „Egal. Nächster Tagesordnungspunkt ist auf jeden Fall, was wir mit unserem Tommy hier machen.“
„Was meinst du?“, fragte Thomas verwirrt.
„Du Neppdepp von einem Frischling hast unser ganzes Leben auf den Kopf gestellt. Die Hälfte der Lichter hält dich für Gott höchstpersönlich. Die andere Hälfte will dich den Schacht runterschmeißen. Gibt viel zu besprechen.“
„Was denn, Newt?“, fragte Thomas beunruhigt.
„Warts ab“, antwortete Mona statt Newt. „Nach dem Wecken morgen weißt du mehr.“
„Morgen erst? Warum?“
„Gally hat eine Versammlung einberufen. Um dich geht’s, das heißt, du wirst dabei sein. Du bist das beklonkte einzige Thema auf der Tagesordnung.“, erklärte Newt mit etwas, das als kleines amüsiertes Lächeln gewertet werden konnte.
Dann drehten Mona und Newt sich um und gingen, um Thomas und Chuck ein bisschen Zeit für sich selbst zu geben.
Die Zeit flog vor sich hin, und auf einmal war es schon so weit, und die Hüter hatten sich im Versammlungsraum eingefunden.
Thomas saß ziemlich unruhig auf einem Stuhl, schwitzend und nervös. Er sah aus wie ein Angeklagter, was er letztlich auch eigentlich war.
Mona lehnte sich an Newt’s Beine, der rechts von Alby’s leerem Stuhl saß.
Es gab nur 12 Stühle, und da Mona weder Hüterin noch Stellvertretende Anführerin war, so wie Newt, hatte sie keinen Stuhl.
Und sich auf Alby’s leeren Stuhl zu setzen, fand sie dann doch etwas respektlos.
Minho sah sie das erste Mal, nachdem er aufgewacht war. Er hatte lange geschlafen und sich danach stoisch im Kartenraum eingesperrt, alle Karten durchsehend. Er sah ziemlich erschöpft aus.
Newt stand auf und versuchte, sich Aufmerksamkeit zu verschaffen.
„Anstelle unseres kranken Anführers erkläre ich diese Versammlung für eröffnet.“, erklärte Newt, auch wenn er diese Formalitäten nicht mochte.
“Verdammte-”, hob Newt an, unterbrach sich dann aber wieder. Er schloss die Augen und atmete tief durch. “Das geht nicht. Es geht einfach nicht. Klar? Sag bloß nicht was wieder von nem beklonkten Suchtrupp. Das ist hundertprozentig gegen die Regeln. Vor allem, wenn die beklonkten Tore gleich zu gehen.”
“Aber warum?” Thomas war genauso unruhig wie Newt insgeheim, Mona sah das. “Holen die Griewer sie denn nicht, wenn sie da draußen bleiben? Warum tut denn niemand etwas?”
Newt wirbelte wutentbrannt herum. “Halt deine beklonkte Fresse, Neuer! Du verstehst nichts davon. Nichts! Noch keine verdammte Woche bist du hier und willst uns allen was einreden! Glaubst du, dass du es besser weißt, he? Glaubst du nicht, dass Mona und ich nicht genauso gerne losrennen würden? Glaubst du nicht, dass wir unser Leben aufs Spiel setzen würden für die beiden, he?”
“Nein - ich … es tut mir leid, Newt, Mona. Ich wollte euch nicht...”, stotterte Thomas vor sich hin. Mona wusste, dass er es nicht so gemeint hatte. Aber als ob Thomas selbst etwas unternehmen würde. Immer nur andere anklagen, he, dachte Mona. Aber wenn sie so ernsthaft darüber nachdachte, würde Thomas es wahrscheinlich doch tun. Der Strunk war vieles, aber kein Feigling.
Sie drückte sich näher an Newt und der umarmte sie beschützend. Seine Miene wurde wieder gutmütig. “Du verstehst das nicht, Tommy. Nachts rauszugehen, heißt, sein Leben wegwerfen. Wir dürfen nicht noch mehr Leute verlieren. Wenn die beiden es nicht zurück schaffen...” Newt seufzte und fuhr sich wieder durch’s Haar. Er sprach nicht weiter.
Aber Thomas sah aus, als ob er es verstehen würde.
“Newt will’s nicht aussprechen”, kam es leise von Chuck. “also sag ich es jetzt. Wenn sie jetzt nicht zurück sind, heißt das, sie sind tot. Minho ist zu schlau, um sich zu verlaufen. Unmöglich. Sie sind tot.”
Newt und Mona schwiegen. Chuck machte kehrt und ging bedrückt und mit hängendem Kopf zurück zum Gehöft.
Thomas schwieg auch. Wahrscheinlich musste er das ganze erstmal verarbeiten.
“Der Strunk hat Recht”, durchbrach schließlich Mona die Stille. “Wir können einfach nicht daraus gehen, so sehr wie wir auch wollen. Newt ist der stellvertretende Anführer und ich bin zuversichtlich, dass er die Lichter zusammenhalten kann. Wenn er im Labyrinth stirbt... Wir können uns einfach nicht leisten, die Situation noch schlimmer zu machen, als sie sowieso schon ist.”
Mona traten Tränen in die Augen. Sie wollte, verdammt noch mal, da raus gehen und Minho und Alby suchen. Und finden. Aber Newt wäre zerstört, würde sie das tun. Würde sie sterben. Und deswegen tat sie es nicht.
“In zwei Minuten gehen die Tore zu”, sagte Newt und es klang etwas Endgültiges in seiner Stimme mit.
Er drehte sich um und ging langsam weg. Mona folgte ihm, irgendwie trotz allem in der Hoffnung, dass Minho und Alby gleich aus dem Tor stürmen würden.
Das Schaben, Knarzen und Gedröhne ging los. Mona kannte es genau. Die Tore schlossen sich, und damit verschwand auch die Hoffnung, Minho, ihren großen Bruder, und Alby, den Anführer, jemals wieder zu sehen. Es brach Mona ihr verdammtes Herz.
Sie waren schon beim Gehöft, aber auf einmal: “Newt! Mona!!”, brüllte Thomas, komplett außer sich.
Sie wirbelten herum.
“Sie kommen! Ich kann sie sehen!”, schrie Thomas.
Mona fing an, wieder zum Tor zu rennen, Newt gleich neben ihr.
Thomas stand am Tor, und dahinter bewegte sich tatsächlich etwas. Es waren Minho und Alby, auch wenn Mona nur Schemen erkannte, auf die Entfernung.
Mona schrie, weil sie wusste, dass die beiden es niemals schaffen würden, bis die Tore sich schlossen. Und Mona selbst war auch nicht schnell genug, auch wenn sie schneller als der Wind wäre.
Mona und Newt kamen Thomas näher. Minho stolperte und fiel. Das war’s, zog sich durch Mona’s Kopf. Das war’s mit meinem großen Bruder, und ich konnte nichts tun.
Sie achtete nur auf die Personen hinter den Toren, nicht auf Thomas, sonst hätte sie ebenfalls gesehen, was Newt neben ihr sah.
Thomas wollte losrennen. Ins Labyrinth.
“Tu’s nicht, Tommy! Nein, tu es nicht!”, schrie Newt neben Mona.
Aber Thomas ignorierte das.
Sein ganzer Körper streckte sich. Er rannte. Und dann war er auf der anderen Seite, im Labyrinth. Das letzte, was Mona durch den Schlitz zwischen den Mauern sah, war Thomas’ Gesicht.
Dann knallten die Mauern zu, und auf der ganzen Lichtung hallte es wie ein endgültiger Schlag.
Kraftlos ließ sich Mona mit den Knien auf den Rasen fallen.
Sie hatten nicht nur Minho und Alby verloren, sondern auch Thomas. Den Frischling, der sie alle hätte retten können, auch wenn das anfangs nur ein Spaß war.
Sie hatten ALLES verloren.
Schluchzend sackte Mona zusammen. Newt umarmte sie von hinten, versuchte, ihr Halt zu geben.
Aber auch ihm liefen Tränen über die Wangen und tropften ihr auf das Haar.
Sie hasste es, zu verlieren.
Und sie hatte gerade den zweitwichtigsten Menschen in ihrem Leben verloren.
Mona konnte nicht anders. Sie schrie. So laut, dass es jeder auf der Lichtung bestimmt hörte. Vielleicht hörten es auch Minho und Thomas noch im Labyrinth.
Vielleicht wusste Minho, wie sie sich fühlte.
Es war ein gepeinigter Schrei, voller Schmerz und Verlust.
Nachdem sie geschrien hatte, sackte sie in Newt’s Armen zusammen. Erschöpfung überkam sie. Mona wollte nicht mehr. Sie wollte nicht mehr verlieren.
Newt hob sie auf und trug sie zu ihrem Schlafplatz, auch wenn alle Lichter sie anschauten, als sie am Gehöft vorbeikamen.
Er bettete sie liebevoll in ihren Schlafsack und nahm sie in ihre Arme.
Mona wollte vergessen. Und das konnte sie am besten im Schlaf. Also flüchtete sie.
Als Mona aufwachte, war es noch dunkel. Sie fühlte sich gerädert und ihr tat alles weh. Ihre Wangen und Augen waren vertrocknet vom Weinen.
Minho. Minho. Ihr großer Bruder.
Alby. Ihr Anführer.
Thomas. Ihr Frischling. Ihr verdammter kleiner Frischling.
Mona hätte am liebsten noch mal geschrien.
Newt war nicht neben ihr, bemerkte sie. Aber er saß nur an einen Baum ein paar Meter weiter gelehnt, in die schwarze Nacht heraus starrend.
Mona hievte ihren schweißgebadeten Körper hoch und setzte sich neben ihn.
Newt schwieg lange.
“Sie schreien”, sagte Newt schließlich leise.
Mona legte den Kopf schief und lauschte. Aus dem Labyrinth um sie herum kamen leise, hallende Geräusche.
Die Griewer schrien. Newt hatte Recht.
“Meinst du, sie sind schon tot?”, fragte sie.
Newt zuckte mit den Schultern. Er nahm Mona so fest in den Arm, dass sie wusste, dass er sich Sorgen machte. Große Sorgen. Das alles den beklonkten Bach herunter gehen würde.
Mona schluchzte unterdrückt auf. Und lauschte dann wieder stumm den schrillen Schreien der Griewer.
Etwa eine Stunde saßen sie da so, dann rappelte Newt sich auf.
“Komm, Mona. Ich will sehen, wie sie nicht mehr herauskommen. Die Tore öffnen sich gleich.”
Mona nickte und wischte sich die eingetrockneten Tränen weg. Wenig würdevoll zog sie die Nase hoch und folgte Newt zu dem Westtor.
Ihre Nase fing einfach immer an zu laufen, wenn sie heulte.
Zu zweit standen sie vor den riesigen Mauern. Hand in Hand standen sie da, und warteten auf den endgültigen Beweis, dass Minho, Thomas und Alby tot waren.
Nach und nach wurde es heller und nach und nach kamen Lichter und stellten sich hinter sie. Alle waren still.
Dann öffneten sich die Tore.
Niemand stand da. Newt seufzte und wandte sich ab.
Aber dann bogen sie um die Ecke.
Minho.
Und Thomas.
Mona zog Newt an seinem Ärmel wieder herum und lief ins Labyrinth, um Minho zu umarmen.
Er war durchgeschwitzt, aber am Leben – und er drückte sie zurück, und das war etwas, von dem Mona gedacht hatte, dass sie es nie mehr fühlen würde.
Newt war hinter ihr und umarmte einfach Mona und Minho gemeinsam.
Dann ließ er sie los und fixierte Minho und Thomas, schon beinah wütend.
“Was ist passiert? Was zum-” Newt war schon fast sprachlos. Mona auch. Aber gerade überwog die Freude, dass ihr Bruder und ihr Frischling noch lebten. Alby verdrängte Mona einfach.
“Erzählen wir dir später”, unterbrach Thomas Newt. “Wir müssen Alby retten.”
“Was? Lebt er noch? Sag mir, dass er noch lebt, Tommy!”, flüsterte Mona.
Thomas zuckte etwas hilflos mit den Schultern. “Kommt mit”
Er führte sie einen Gang nach rechts, mit einer Wand voller Efeu, und deutete nach oben.
Dort, etwa zehn Meter über dem Boden des Labyrinths hing Alby, festgeschnürt und in einem Stück. Aber ohne jegliches Lebenszeichen.
Newt neben ihr keuchte auf, als er Sekunden nach ihr ihren Anführer entdeckte. Er war jetzt nicht mehr nur geschockt, sondern regelrecht fassungslos. “Ja, aber … lebt er noch?”, fragte Newt etwas zitternd und sprach Mona damit aus der Seele.
“Weiß nicht. Als ich ihn dahingehängt hab, hat er noch gelebt.”, murmelte Thomas und starrte ebenso wie Minho und Newt auf den leblosen Körper da oben.
“Hingehängt … “, stellte Mona fest. Thomas nickte, ohne den Blick von Alby abzuwenden.
Hm.
Es kam Mona nicht ganz in den Kopf, wie er das geschafft haben sollte.
Eigentlich war die ganze Situation Klonk und vollkommen unwirklich. Minho und Thomas hatten immerhin eine Nacht im Labyrinth überlebt.
Vielleicht träumte sie auch.
Mona zwickte sich.
Es sah nicht so aus, nein.
Sie seufzte.
Newt schüttelte nur den Kopf. Mona nahm an, dass er genauso geplättet war wie sie selbst.
“Thomas und Minho, ihr geht nach drinnen und lasst euch von den Sanis versorgen, aber zackig. Können uns nicht leisten, dass ihr hier vor Erschöpfung zusammenbrecht. Ihr seht schlimm aus. Wenn sie mit euch fertig sind und ihr ausgepennt habt, will ich alles hören.”
Thomas sah nicht so aus, als ob er damit einverstanden wäre, aber jetzt zeigte Minho auch endlich wieder eine Regung und nahm ihn am Arm und zog ihn in Richtung Hof. “Wir brauchen Schlaf. Und Verbände. Sofort.”
Thomas gab augenscheinlich nach und folgte Minho aus dem Labyrinth.
Mona blieb stehen, ebenso wie Newt neben ihr, auf Alby da oben starrend. Schließlich zwang sie sich, sich wieder zu bewegen. „Ich geh mal ein paar Läufer holen.“, murmelte sie und lief los, um Freddie und Woolf aus der kleinen Lichteransammlung vor dem Westtor herauszupicken, um Alby da runterzuholen.
Vielleicht hatte er zwar überlebt, dank Thomas, aber ganz gesund sah das Hängen da oben auch nicht aus.
Irgendwie war Veränderung doch nicht so schlecht. Ohne Veränderung wären Thomas, Minho und Alby sowieso jetzt tot.
Freddie, der schon gestochen worden war, glaubte nicht, dass es Thomas gewesen war, der Alby dahingehangen hatte. Er mochte Thomas nicht, ebenso wie Gally.
Woolf hielt sich aus allem heraus. Er war aber kein schlechter Läufer.
Mona und Freddie kletterten an dem Efeu hoch, und ließen Alby nach und nach herunter. Unten standen Newt und Woolf, um Alby in Empfang zu nehmen.
Als die vier Läufer Alby auf die Lichtung brachten, standen da schon Clint und ein Mona fremder Sani, sie glaubte, Konstantin hieß er, mit einer Trage, um ihn zum Gehöft zu tragen.
Alby war vollkommen leblos. Aber er hatte noch Pulsschlag.
Clint verabreichte ihm sofort das Griewer-Serum und brachte ihn dann gemeinsam mit Konstantin zum Verwandlungszimmer.
Danach kam Clint, vollkommen erschlagen von all den Ereignissen, zu Mona und Newt, von denen anscheinend alle dachten, dass sie wüssten, was zu tun wäre.
„Er wird wahrscheinlich übern Berg kommen“, berichtete er.
„Gut, das“, nickte Newt und fuhr sich durch’s Haar.
Mona nickte auch. Aber eher, weil sie nicht wusste, was sie sonst machen sollte.
Clint nickte ihnen zu und ging wieder zu all seinen Patienten.
Vielleicht mag ich Veränderungen doch, dachte Mona.
Sonst hätten sie ihren Anführer verloren, auch wenn Alby nach der Verwandlung nicht mehr derselbe sein würde.
Newt drückte Mona’s Hand.
„Sie leben noch“, sagte er. „Sie haben’s verdammt noch mal geschafft, eine Nacht im Labyrinth zu überleben.“
Mona lachte. „Ja. Ja, haben sie. Und ich hab meinen Bruder nicht verloren.“
„Und ich nicht meinen besten Freund“, lächelte er und vergrub seine Nase in ihrem Haar.
Mona nickte glücklich.
Dann kam Gally auf sie zugelaufen.
„Ich will eine Versammlung einberufen, Newt“, sagte er ernst.
Newt seufzte und nickte. „Ja, ich denke, das muss sein. Aber keine öffentliche, nur die Hüter, Thomas und Mona.“
„Verzeihung, aber gibt es einen Grund, warum Mona dabei sein muss? Sie ist keine Hüterin“, warf ein Licht ein, das zugehört hatte. Mona glaubte, dass es Marco war, der Hüter der Eintüter.
„Sie ist meine Freundin“, fauchte Newt.
„Ah, dann darf ich also auch Neil mitnehmen? Meinen besten Freund?“, fragte Marco lauernd.
„Nein“, sagte Gally. „Mona gehört zu den verdammten Führungspersonen, sie gehört zu Newt. Die beiden sind doch eh fast eine Person.“
Mona musste selbst zugeben, dass die Begründung nicht sehr schlüssig war. Aber an sich stimmte es, dass sie zu den ‚Führungspersonen‘ gehörte. Nur hatte sie es noch nie wirklich so gesehen.
Marco schnaubte angepisst, aber Gally ignorierte das.
„Wir lassen Thomas und Minho bis morgen früh schlafen“, bestimmte Newt. „Die beiden müssen ausschlafen. Irgendwann dann halten wir die Versammlung ab. Gally, sag den Hütern, übermorgen um Punkt elf. Keine Sekunde später, okay?“
Gally nickte und fing an, die Hüter zu suchen.
Newt seufzte und fuhr sich durchs Haar. „Komm, Mo.“
„Mo?“, fragte Mona, während sie ihm wohin auch immer hin folgte.
„Ist mir nur gerade so eingefallen.“, grinste Newt.
„Nach eineinhalb Jahren, ja?“, stellte Mona fest.
Newt nickte lächelnd.
Am nächsten Morgen hatte Chuck Thomas geweckt, und Minho war selbst aufgewacht.
Mona wusste nicht, wie sie im Labyrinth überlebt hatte, weil Minho sich weigerte zu reden, damit er nicht alles zweimal erzählen musste.
Aber von dem Respekt, der in seiner Stimme mitschwang, wenn Minho über Thomas sprach, erkannte Mona, dass es ein großer Einschnitt in sein Leben gewesen war.
Mona war froh, das Minho, Thomas und Alby überlebt hatten.
Wer wäre das nicht, außer Marco und seine Freunde, die Gestochenen? Und Gally wünschte Thomas durchaus den Tod, war aber nicht so dumm, dasselbe bei Minho und Alby zu tun.
Der Tag flog vor sich hin, und schließlich war Mona irgendwie neben Newt im Gehöft gekommen und unterhielt sich mit Thomas und Chuck, wobei Newt wie sie alle besorgt und traurig blickte.
Es machten sich alle Sorgen um Alby.
Aber Clint hatte ihr und Newt vorhin versichert, dass sie jetzt sicher sagen konnten, dass er überleben würde.
„Ich glaube, der schlimmste Teil ist überstanden“, berichtete Newt, für Thomas und Chuck. „Alby wird jetzt wahrscheinlich noch ein paar Tage schlafen. Aber wenn er aufwacht, ist er wieder okay. Vielleicht krakeelt er noch ein bisschen rum, aber er überlebt.“
Betont beiläufig fragte Thomas: „Jetzt mal ehrlich, Newt. Was passiert da gerade mit Alby? Ich kapiere einfach nicht, was diese Verwandlung sein soll.“
„Glaubst du etwa, wir verstehen es?“, fragte Mona und zuckte mit den Schultern. „Wir wissen nur, was wir selbst gesehen haben. Wenn man von den beklonkten Griewern gestochen wird, muss das Griewer-Serum gespritzt werden, sonst stirbt man. Nach dem Serum tickt der Körper total aus, man zittert wie verrückt und so nen Klonk halt. Sieht nach allem aus, aber nicht nach einem Weg, wieder gesund zu werden. Aber es hilft.“
„Aber warum nennt ihr es die Verwandlung? Was ist man danach? Ich will wissen, was da oben im Gehöft vor sich geht!“, echauffierte sich Thomas.
„Neugierig bis zum Tod, was?“, murmelte Mona grinsend, auch wenn das Thema gar nicht witzig war.
Newt seufzte neben ihr. „Dabei kommen Erinnerungen zurück. Nur kleine Fetzen, aber auf jeden Fall Erinnerungen an vorher, bevor wir an diesen beschissenen Ort verfrachtet worden sind. Jeder, der sie durchgemacht hat, benimmt sich danach wie ein verdammter Psychopath. Allerdings nicht so schlimm wie Benny. Es scheint jedenfalls so zu sein, dass man sein altes Leben zurückbekommt, nur damit es einem dann wieder weggenommen wird.“
„Bist du dir sicher?“, fragte Thomas.
„Blöde Frage, Strunk“, warf Mona ein. „Sicher können wir uns natürlich nicht sein. Hab doch gesagt, wir wissen nur, was wir gesehen haben.“
„Sind sie anders, weil sie zu ihrem alten Leben zurückkehren wollen, oder weil sie so deprimiert sind, dass ihr altes Leben auch nicht besser ist als das, was sie jetzt haben?“, fragte Thomas.
Mona starrte ihn an und seufzte dann. „Wer weiß.“
„Die Leute, die es mitgemacht haben, wollen nie richtig darüber reden“, sagte Newt gedankenverloren. „Sie werden anders. Unleidlich. Eine Handvoll gibt es hier auf der Lichtung. Ich kann sie nicht ausstehen. Bis auf Gally, der ist eigentlich ganz okay. Betonung auf eigentlich.“
„Das kannst du laut sagen“, pflichtete Chuck Newt nickend bei. „Aber ich finde, der schlimmste ist Gally.“
„Alles Ansichtssache“, murmelte Mona.
Klar, Gally hatte eindeutig was gegen Thomas. Aber die Welt war nicht schwarz-weiß, und sie hatte selbst nichts dagegen, wenn ihre Freunde sich nicht mochten. Das war deren Sache.
„Irgendwas Neues von dem Mädchen?“, fragte Thomas. „Ich hab oben gesehen, wie die Sanis sie gefüttert haben.“
„Nichts Neues“, sagte Mona. Sie hatte im Laufe des Vormittags nochmal bei Clint und Cliff vorbeigeschaut. „Liegt immer noch im Koma oder was das ist. Ab und zu redet sie – sinnloses Zeug, als ob sie träumen würde. Mir ist sie irgendwie unsympathisch. Schmeißt alles durcheinander hier. Aber Essen nimmt sie an und sieht sonst auch gesund aus. Alles nicht normal.“
Thomas, Newt und Chuck schwiegen.
Schließlich brach Newt das angestrengte Schweigen. „Egal. Nächster Tagesordnungspunkt ist auf jeden Fall, was wir mit unserem Tommy hier machen.“
„Was meinst du?“, fragte Thomas verwirrt.
„Du Neppdepp von einem Frischling hast unser ganzes Leben auf den Kopf gestellt. Die Hälfte der Lichter hält dich für Gott höchstpersönlich. Die andere Hälfte will dich den Schacht runterschmeißen. Gibt viel zu besprechen.“
„Was denn, Newt?“, fragte Thomas beunruhigt.
„Warts ab“, antwortete Mona statt Newt. „Nach dem Wecken morgen weißt du mehr.“
„Morgen erst? Warum?“
„Gally hat eine Versammlung einberufen. Um dich geht’s, das heißt, du wirst dabei sein. Du bist das beklonkte einzige Thema auf der Tagesordnung.“, erklärte Newt mit etwas, das als kleines amüsiertes Lächeln gewertet werden konnte.
Dann drehten Mona und Newt sich um und gingen, um Thomas und Chuck ein bisschen Zeit für sich selbst zu geben.
Die Zeit flog vor sich hin, und auf einmal war es schon so weit, und die Hüter hatten sich im Versammlungsraum eingefunden.
Thomas saß ziemlich unruhig auf einem Stuhl, schwitzend und nervös. Er sah aus wie ein Angeklagter, was er letztlich auch eigentlich war.
Mona lehnte sich an Newt’s Beine, der rechts von Alby’s leerem Stuhl saß.
Es gab nur 12 Stühle, und da Mona weder Hüterin noch Stellvertretende Anführerin war, so wie Newt, hatte sie keinen Stuhl.
Und sich auf Alby’s leeren Stuhl zu setzen, fand sie dann doch etwas respektlos.
Minho sah sie das erste Mal, nachdem er aufgewacht war. Er hatte lange geschlafen und sich danach stoisch im Kartenraum eingesperrt, alle Karten durchsehend. Er sah ziemlich erschöpft aus.
Newt stand auf und versuchte, sich Aufmerksamkeit zu verschaffen.
„Anstelle unseres kranken Anführers erkläre ich diese Versammlung für eröffnet.“, erklärte Newt, auch wenn er diese Formalitäten nicht mochte.