Ein Verlangen nach Bananen
Kurzbeschreibung
Kann das Verlangen nach Bananen zu einem Unglück führen? - Zeitrahmen: Die Geschichte spielt nicht in der Vergangenheit.
GeschichteHumor / P12 / Gen
Guy of Gisburne
Nasir
OC (Own Character)
23.02.2023
23.02.2023
1
2.073
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23.02.2023
2.073
Die Frau in dem langen roten Kleid blickte immer wieder über ihre Schulter und erweckte damit den Eindruck, als habe sie das Gefühl beobachtet zu werden, was aber nicht weiter verwunderlich war, denn sie müsste mit ihrer Art der Bekleidung in der Menge ziemlich auffallen. Aber seltsamerweise konnte Jean niemanden entdecken, der sich für sie zu interessieren schien. Die Menschen, auf die ihr Blick fiel, gingen offenbar alle ihren normalen Tätigkeiten nach. Zumindest war dies ihre Vermutung, aber eigentlich war sie sich nicht sicher, wie ein normaler Alltag sich an diesem Ort darstellte. Genauso wenig, wie sie sich sicher war, wo dieser Ort sich befand. Aber das beunruhigte sie nicht weiter.
Sie blickte wieder nach vorne, allerdings wurde sie dadurch nur daran erinnert, dass sie nicht genau wusste, ob sie sich in die richtige Richtung bewegte. Sie hob den Saum ihres roten Kleides an und tat einige Schritte, nur um dann erneut stehenzubleiben und darüber nachzudenken, was sie hier auf dieser staubigen Straße – unter der sengenden Sonne des Südens – eigentlich wollte. Und wer waren all die seltsam gekleideten Fremden? Doch dann zuckte sie mit den Schultern, als ob die Erkenntnis keine Antwort auf diese Fragen zu haben ihr schon genügen würde.
Wieder bewegte sie sich ein Stück vorwärts, bevor sie sich erneut umsah und da erblickte sie sie auf einmal. Dort, nur einige Schritte von ihr entfernt, befanden sich die Männer, deretwegen sie hierhergekommen war. Die Männer, deretwegen sie sich zwischen all diese Fremden gewagt hatte, obwohl diese so ganz anders waren als die Menschen, mit denen sie gewöhnlicherweise zu tun hatte. Aber all ihre Überlegungen, all ihre Fragen verschwanden so plötzlich wie ein Eis in der Sommersonne, denn sie blickte endlich auf diejenigen, die sie gesucht hatte.
Ihr ungläubiges Staunen war ihr nur zu bewusst, als sie die beiden Männer auf der anderen Straßenseite betrachtete. Schnell sah Jean an sich herunter und strich noch einmal mit ihren Händen über ihr langes rotes Kleid, während sie sich auf einmal darüber wunderte, wieso sie sich ausgerechnet für dieses Kleidungsstück entschieden hatte. Wieso hatte sie etwas angezogen, das sich in diesem Wetter als viel zu warm herausstellte, schließlich war ihr doch bekannt, was sie im Outremer erwartete. Mal abgesehen davon, dass sie damit in der Menge auffiel wie … Für einen Augenblick überfiel sie Unsicherheit, weil ihr kein passender Vergleich einfiel, aber dann schob sie diesen Gedanken als unwichtig wieder zur Seite.
Statt weiter darüber nachzugrübeln, was sie dazu getrieben haben könnte in diesem roten Kleid hierherzukommen, richtete sie ihren Blick lieber auf etwas viel Erfreulicheres. Und die beiden Männer, die sich nicht weit von ihr entfernt befanden, fielen ganz sicherlich in diese Kategorie.
Die beiden waren dem Klima– aber auch der hiesigen Kultur – entsprechend gekleidet, aber nur einer von ihnen könnte ohne Probleme als Einheimischer durchgehen. Der andere war auf jeden Fall größer als die Mehrheit der Einwohner dieser Stadt, dazu noch mit breiten Schultern und schmalen Hüften ausgestattet, obwohl diese unter seinem weiten Gewand nicht zu sehen waren. Trotzdem war sich Jean dieser Tatsache ganz sicher, allerdings hatte sie bereits zuvor gewusst, dass es nicht diese Merkmale waren, die ihn aus der hiesigen Menge herausstechen ließen. Wenn der Mann hier auffiel, dann lag das an seinen leuchtend-blauen Augen und seinem goldglänzenden Haar, welches er aber viel länger trug, als es in seiner Heimat üblich war. Jean war aber der Meinung, dass ihm dies sehr gutstand, obwohl sie auch nicht leugnen wollte, in seinem Fall voreingenommen zu sein.
Der andere Mann war von kleinerer Gestalt, dafür aber kompakter gebaut. Das lockige Haar, welches sein Gesicht umrahmte, war genauso dunkel wie das Bärtchen, das die Strenge seines Eindrucks etwas milderte oder die Augen, die die Umgebung unablässig auf Gefahren hin musterten. Das hielt ihn aber nicht davon ab, zwischendurch immer wieder einen besitzergreifenden Blick auf seinen Begleiter zu werfen. Allerdings konnte Jean auch nicht die Zärtlichkeit in seinem Blick entgehen, was ihr das Herz erwärmte, auch wenn der Dunkelhaarige diese Empfindung nur zeigte, wenn er der Meinung war, niemand würde ihn beobachten. Gleich darauf richtete er dann seine Augen wieder auf seine Umgebung und auf die Menschen, die sich an den beiden Männern vorbeibewegten. Seltsamerweise schien die Frau in dem roten Kleid seine Aufmerksamkeit nicht zu erregen.
Schließlich wandte der Mann seinen Blick von der Straße ab und richtete einige Worte an seinen blonden Begleiter, woraufhin die beiden sich dann durch ein Tor entfernten, das Jean erst in diesem Moment auffiel und von dem sie wusste, dass sich dahinter der Hof eines Hauses befand. Die Frau wartete nur einen Augenblick, bevor sie den Männern folgte, wobei sie sich geschickt einen Weg durch die Menschen suchte, die ihr allerdings auch keinerlei Beachtung schenkten. Das war ihr nur recht, denn sie wollte jetzt keine Zeit hier auf der Straße vergeuden, sondern stattdessen herausfinden, was sich hinter diesem Tor abspielte.
Sie atmete erleichtert auf, als sie erkannte, dass die beiden Männer nicht in ihrem Haus verschwunden waren, weil sie sich sicher war, ihr würde dort kein Einlass gewährt werden. Aber so wie es war, würde sie die beiden auch weiterhin beobachten können und dafür war sie ja hierhergekommen.
Auch hier auf dem Hof ließ der Dunkelhaarige seinen Blick weiterhin über die Umgebung schweifen, während der Große mit dem langen blonden Haar nun mit einem wundervollen Hengst beschäftigt war, einem pechschwarzen Tier, das nur ein kleines weißes Abzeichen auf der Stirn hatte. Jean bewunderte das Spiel seiner Muskeln unter dem glänzenden Fell ebenso wie die Muskeln, die sie unter dem weiten Gewand des Blonden zwar nur erahnen konnte, von denen sie aber genau wusste, dass sie vorhanden waren. Mehr brauchte sie in diesem Moment nicht.
„Was hast du mitgebracht, Malik“, wollte der Blonde auf einmal wissen und Jean erkannte voller Bewunderung, wie gut sein Arabisch schon war. Wieso sie sich nicht darüber wunderte, dass sie ihn verstehen konnte, war ihr aber nicht klar. Sie tat es als unwichtig ab.
Nasir schaute auf seine Hände und auf das, was er darinnen hielt, als würde er das zum ersten Mal sehen, aber dann zuckte er mit den Schultern. Diese geringfügige Bewegung wäre Jean sicherlich entgangen, wenn sie ihn nicht so genau im Auge behalten hätte.
„Das sind Bananen, Guy“, beantwortete er die Frage des anderen.
„Bananen? Davon habe ich noch nie gehört“, erwiderte Guy, ohne seinen Blick von dem Hengst zu lösen, dessen Fell er gerade striegelte.
Jean dagegen hatte das Wort Bananen kaum vernommen, als ihr mit einem Mal einfiel, was sie bei ihrem wöchentlichen Einkauf vergessen hatte. Wie hatte ihr nur ein solcher eklatanter Fehler unterlaufen können? Kaum war ihr bewusst geworden, was geschehen war, da verspürte sie schon ein unwiderstehliches Verlangen nach diesen Früchten. Bevor sie auch nur Gelegenheit hatte darüber nachzudenken, was sie tat, war sie bereits auf Nasir zugelaufen und hatte ihm die Bananen entrissen. Sofort schälte sie bereits die erste und steckte sie sich in den Mund, während sie gleichzeitig deren Schale achtlos auf den Boden fallen ließ. Erst dann hob sie ihren Kopf wieder und blickte damit direkt in das entgeisterte Gesicht des Sarazenen, der offenbar nicht glauben konnte, dass er gerade bestohlen worden war.
Aber als Nasirs Hand zum Griff eines der beiden Schwerter ging, die er auf dem Rücken trug, da weiteten sich Jeans Augen und sie entschied sich ganz spontan für einen taktischen Rückzug. Weil ihr im gleichen Moment aufging, dass sie dem Mann in ihrem langen roten Kleid nicht würde davonlaufen können, war ihr sofort klar, dass sie zu anderen Mitteln greifen musste. Aber sie hatte auch schon eine Idee, wie sie entkommen könnte.
„Beam me up, Scotty!“, rief sie aus und hörte gleich darauf das vertraute Geräusch des Transporters, während sie gleichzeitig bereits spürte, wie ihr Körper sich auflöste. Sie atmete erleichtert auf, weil sie sich nun sicher war sich der Verfolgung entzogen zu haben.
Aber dieses Gefühl hielt nur einige Sekunden vor, denn dann ließ sie Guys Stimme zusammenschrecken, weil er ihren Ruf perfekt imitierte. Bevor sie völlig entmaterialisiert war hörte sie erneut das vertraute Geräusch des Transporters, was ihr überhaupt nicht gefiel. Darüber hinaus wusste sie auch nicht, wohin sie gebeamt wurde und sie konnte nur hoffen, nicht vom Regen in die Traufe zu geraten.
Als sie im nächsten Moment nicht mehr als eine geflieste Wand erkennen konnte, benötigte sie einen Augenblick, um ihre Verwirrung zu überwinden. In diesem Moment fiel ihr auch wieder ein, dass ihr das immer so ging, wenn sie transportiert wurde und deshalb dachte sie nicht sofort daran, sich herumzudrehen, um herauszufinden, wo sie sich befand.
Nachdem sie das aber dann doch getan hatte, verschwand ihre Verwirrung nicht sofort, denn nun blickte sie auf einen großen Haufen schmutziger Wäsche und auf Clarissa, die darin herumwühlte, sich aber dann ganz unvermittelt aufrichtete und die andere Frau anstarrte.
„Jean“, rief sie etwas unwirsch aus. „Was machst du in meiner Waschküche?“
„Ich dachte, ich komme mal bei dir vorbei und bringe dir ein paar Bananen aus Outremer“, nuschelte die Frau im roten Kleid, weil sie sich schon wieder eine der Früchte in den Mund gesteckt hatte und sie hatte auch erneut die Schale einfach achtlos fallengelassen, was ihr einen strafenden Blick von Clarissa einbrachte, die den Abfall dann von ihrer Wäsche entfernte und auf den Boden vor der Wand beförderte.
„Bananen aus Outremer? Hältst du das für eine gute Idee?“, wollte die andere Frau dann wissen.
Jean wollte gerade nicken, aber dann erinnerte sie sich auf einmal an das, was sie kurz vor ihrer Entmaterialisierung gehört hatte. „Vorsicht!“, rief sie aus, aber bevor sie Clarissa erklären konnte, vor was diese sich vorsehen sollte, waren schon zwei Männer und ein schwarzer Hengst in der Waschküche erschienen und nahmen nun den gesamten verbliebenen Platz in dem nicht so großen Raum ein. Dabei blieb es nicht aus, dass sie auf der schmutzigen Wäsche herumtrampelten, was auch ihnen einen strafenden Blick von Clarissa einbrachte.
Nasir zog nur erstaunt seine Augenbrauen hoch, aber Guy wollte sich offenbar sofort auf die beiden Frauen stürzen, aber bevor er sie erreichen konnte, rutschte er auf einmal auf der achtlos weggeworfenen Bananenschale aus und verlor auf der Stelle sein Gleichgewicht. Jean ließ die Bananen los, als der blonde Ritter in ihre Richtung fiel, als habe sie vor den Mann aufzufangen, aber stattdessen riss er sie mit zu Boden und sie landeten beide auf dem Wäscheberg, wobei sie sich in den Laken verfingen.
„Verdammt“, fluchte Guy. „Wieso passiert so etwas immer nur mir?“
Diese Frage konnte Jean natürlich nicht beantworten, was ihr aber in diesem Moment nicht so wichtig war, weil sie gerade einen blonden Ritter in ihren Armen hielt. Da musste es doch verständlich sein, dass sie sich für sonst nichts interessierte.
„Du musst aufstehen!“, forderte Clarissa sie auf, aber das wollte die Frau in dem langen roten Kleid auf keinen Fall hören, denn dann hätte sie ja den Ritter loslassen müssen.
„Du musst aufstehen!“, hörte sie die Worte noch einmal, aber nun klang die Stimme mehr wie die ihres Ehemannes, woraufhin Jean erschrocken die Augen aufriss, weil sie doch immer noch Guy umklammert hielt.
„Du bist aus dem Bett gefallen. Hast du dir weggetan? Kannst du allein aufstehen?“, erkundigte sich ihr Mann fürsorglich.
Jean blickte sich rasch um, aber von Guy war nichts mehr zu sehen, genauso wenig wie von Nasir, Fury oder Clarissa. Wo waren sie alle so plötzlich hin verschwunden? Sie war verwirrt, denn sie hatte nichts davon mitbekommen, dass der Transporter erneut benutzt worden war.
„Ist es möglich, dass du den Wein zum Abendessen nicht vertragen hast?“, wollte ihr Mann auf einmal wissen. „Du fällst du sonst nicht einfach aus dem Bett.“
Der Wein! Das war auf jeden Fall eine gute Erklärung für ihren Sturz, dachte Jean, weil sie ihrem Mann ja schlecht erklären konnte, wer sie eigentlich zu Fall gebracht hatte. Aber sie dachte mit Bedauern daran, dass sie nicht länger an dem anderen Ort hatte bleiben können, obwohl sie eigentlich nicht gerne auf einem Haufen schmutziger Wäsche liegen wollte.
Vielleicht klappt es ja beim nächsten Mal tröstete Jean sich, als sie in ihr Bett zurückkletterte, während sie gleichzeitig beschloss in Zukunft lieber auf ungewohnten Nachtisch zu verzichten, denn sie war sich sicher, dieser wäre die Ursache dafür, dass ihr die ganze Nacht verdorben worden war. Ihrem Mann gegenüber würde sie aber bei der Geschichte mit dem Wein bleiben, weil sie ihm dann keine weitere Erklärung liefern müsste.
Jean schloss ihre Augen und war auf der Stelle wieder eingeschlafen. Aber in dieser Nacht reiste sie nicht erneut nach Outremer.
Sie blickte wieder nach vorne, allerdings wurde sie dadurch nur daran erinnert, dass sie nicht genau wusste, ob sie sich in die richtige Richtung bewegte. Sie hob den Saum ihres roten Kleides an und tat einige Schritte, nur um dann erneut stehenzubleiben und darüber nachzudenken, was sie hier auf dieser staubigen Straße – unter der sengenden Sonne des Südens – eigentlich wollte. Und wer waren all die seltsam gekleideten Fremden? Doch dann zuckte sie mit den Schultern, als ob die Erkenntnis keine Antwort auf diese Fragen zu haben ihr schon genügen würde.
Wieder bewegte sie sich ein Stück vorwärts, bevor sie sich erneut umsah und da erblickte sie sie auf einmal. Dort, nur einige Schritte von ihr entfernt, befanden sich die Männer, deretwegen sie hierhergekommen war. Die Männer, deretwegen sie sich zwischen all diese Fremden gewagt hatte, obwohl diese so ganz anders waren als die Menschen, mit denen sie gewöhnlicherweise zu tun hatte. Aber all ihre Überlegungen, all ihre Fragen verschwanden so plötzlich wie ein Eis in der Sommersonne, denn sie blickte endlich auf diejenigen, die sie gesucht hatte.
Ihr ungläubiges Staunen war ihr nur zu bewusst, als sie die beiden Männer auf der anderen Straßenseite betrachtete. Schnell sah Jean an sich herunter und strich noch einmal mit ihren Händen über ihr langes rotes Kleid, während sie sich auf einmal darüber wunderte, wieso sie sich ausgerechnet für dieses Kleidungsstück entschieden hatte. Wieso hatte sie etwas angezogen, das sich in diesem Wetter als viel zu warm herausstellte, schließlich war ihr doch bekannt, was sie im Outremer erwartete. Mal abgesehen davon, dass sie damit in der Menge auffiel wie … Für einen Augenblick überfiel sie Unsicherheit, weil ihr kein passender Vergleich einfiel, aber dann schob sie diesen Gedanken als unwichtig wieder zur Seite.
Statt weiter darüber nachzugrübeln, was sie dazu getrieben haben könnte in diesem roten Kleid hierherzukommen, richtete sie ihren Blick lieber auf etwas viel Erfreulicheres. Und die beiden Männer, die sich nicht weit von ihr entfernt befanden, fielen ganz sicherlich in diese Kategorie.
Die beiden waren dem Klima– aber auch der hiesigen Kultur – entsprechend gekleidet, aber nur einer von ihnen könnte ohne Probleme als Einheimischer durchgehen. Der andere war auf jeden Fall größer als die Mehrheit der Einwohner dieser Stadt, dazu noch mit breiten Schultern und schmalen Hüften ausgestattet, obwohl diese unter seinem weiten Gewand nicht zu sehen waren. Trotzdem war sich Jean dieser Tatsache ganz sicher, allerdings hatte sie bereits zuvor gewusst, dass es nicht diese Merkmale waren, die ihn aus der hiesigen Menge herausstechen ließen. Wenn der Mann hier auffiel, dann lag das an seinen leuchtend-blauen Augen und seinem goldglänzenden Haar, welches er aber viel länger trug, als es in seiner Heimat üblich war. Jean war aber der Meinung, dass ihm dies sehr gutstand, obwohl sie auch nicht leugnen wollte, in seinem Fall voreingenommen zu sein.
Der andere Mann war von kleinerer Gestalt, dafür aber kompakter gebaut. Das lockige Haar, welches sein Gesicht umrahmte, war genauso dunkel wie das Bärtchen, das die Strenge seines Eindrucks etwas milderte oder die Augen, die die Umgebung unablässig auf Gefahren hin musterten. Das hielt ihn aber nicht davon ab, zwischendurch immer wieder einen besitzergreifenden Blick auf seinen Begleiter zu werfen. Allerdings konnte Jean auch nicht die Zärtlichkeit in seinem Blick entgehen, was ihr das Herz erwärmte, auch wenn der Dunkelhaarige diese Empfindung nur zeigte, wenn er der Meinung war, niemand würde ihn beobachten. Gleich darauf richtete er dann seine Augen wieder auf seine Umgebung und auf die Menschen, die sich an den beiden Männern vorbeibewegten. Seltsamerweise schien die Frau in dem roten Kleid seine Aufmerksamkeit nicht zu erregen.
Schließlich wandte der Mann seinen Blick von der Straße ab und richtete einige Worte an seinen blonden Begleiter, woraufhin die beiden sich dann durch ein Tor entfernten, das Jean erst in diesem Moment auffiel und von dem sie wusste, dass sich dahinter der Hof eines Hauses befand. Die Frau wartete nur einen Augenblick, bevor sie den Männern folgte, wobei sie sich geschickt einen Weg durch die Menschen suchte, die ihr allerdings auch keinerlei Beachtung schenkten. Das war ihr nur recht, denn sie wollte jetzt keine Zeit hier auf der Straße vergeuden, sondern stattdessen herausfinden, was sich hinter diesem Tor abspielte.
Sie atmete erleichtert auf, als sie erkannte, dass die beiden Männer nicht in ihrem Haus verschwunden waren, weil sie sich sicher war, ihr würde dort kein Einlass gewährt werden. Aber so wie es war, würde sie die beiden auch weiterhin beobachten können und dafür war sie ja hierhergekommen.
Auch hier auf dem Hof ließ der Dunkelhaarige seinen Blick weiterhin über die Umgebung schweifen, während der Große mit dem langen blonden Haar nun mit einem wundervollen Hengst beschäftigt war, einem pechschwarzen Tier, das nur ein kleines weißes Abzeichen auf der Stirn hatte. Jean bewunderte das Spiel seiner Muskeln unter dem glänzenden Fell ebenso wie die Muskeln, die sie unter dem weiten Gewand des Blonden zwar nur erahnen konnte, von denen sie aber genau wusste, dass sie vorhanden waren. Mehr brauchte sie in diesem Moment nicht.
„Was hast du mitgebracht, Malik“, wollte der Blonde auf einmal wissen und Jean erkannte voller Bewunderung, wie gut sein Arabisch schon war. Wieso sie sich nicht darüber wunderte, dass sie ihn verstehen konnte, war ihr aber nicht klar. Sie tat es als unwichtig ab.
Nasir schaute auf seine Hände und auf das, was er darinnen hielt, als würde er das zum ersten Mal sehen, aber dann zuckte er mit den Schultern. Diese geringfügige Bewegung wäre Jean sicherlich entgangen, wenn sie ihn nicht so genau im Auge behalten hätte.
„Das sind Bananen, Guy“, beantwortete er die Frage des anderen.
„Bananen? Davon habe ich noch nie gehört“, erwiderte Guy, ohne seinen Blick von dem Hengst zu lösen, dessen Fell er gerade striegelte.
Jean dagegen hatte das Wort Bananen kaum vernommen, als ihr mit einem Mal einfiel, was sie bei ihrem wöchentlichen Einkauf vergessen hatte. Wie hatte ihr nur ein solcher eklatanter Fehler unterlaufen können? Kaum war ihr bewusst geworden, was geschehen war, da verspürte sie schon ein unwiderstehliches Verlangen nach diesen Früchten. Bevor sie auch nur Gelegenheit hatte darüber nachzudenken, was sie tat, war sie bereits auf Nasir zugelaufen und hatte ihm die Bananen entrissen. Sofort schälte sie bereits die erste und steckte sie sich in den Mund, während sie gleichzeitig deren Schale achtlos auf den Boden fallen ließ. Erst dann hob sie ihren Kopf wieder und blickte damit direkt in das entgeisterte Gesicht des Sarazenen, der offenbar nicht glauben konnte, dass er gerade bestohlen worden war.
Aber als Nasirs Hand zum Griff eines der beiden Schwerter ging, die er auf dem Rücken trug, da weiteten sich Jeans Augen und sie entschied sich ganz spontan für einen taktischen Rückzug. Weil ihr im gleichen Moment aufging, dass sie dem Mann in ihrem langen roten Kleid nicht würde davonlaufen können, war ihr sofort klar, dass sie zu anderen Mitteln greifen musste. Aber sie hatte auch schon eine Idee, wie sie entkommen könnte.
„Beam me up, Scotty!“, rief sie aus und hörte gleich darauf das vertraute Geräusch des Transporters, während sie gleichzeitig bereits spürte, wie ihr Körper sich auflöste. Sie atmete erleichtert auf, weil sie sich nun sicher war sich der Verfolgung entzogen zu haben.
Aber dieses Gefühl hielt nur einige Sekunden vor, denn dann ließ sie Guys Stimme zusammenschrecken, weil er ihren Ruf perfekt imitierte. Bevor sie völlig entmaterialisiert war hörte sie erneut das vertraute Geräusch des Transporters, was ihr überhaupt nicht gefiel. Darüber hinaus wusste sie auch nicht, wohin sie gebeamt wurde und sie konnte nur hoffen, nicht vom Regen in die Traufe zu geraten.
Als sie im nächsten Moment nicht mehr als eine geflieste Wand erkennen konnte, benötigte sie einen Augenblick, um ihre Verwirrung zu überwinden. In diesem Moment fiel ihr auch wieder ein, dass ihr das immer so ging, wenn sie transportiert wurde und deshalb dachte sie nicht sofort daran, sich herumzudrehen, um herauszufinden, wo sie sich befand.
Nachdem sie das aber dann doch getan hatte, verschwand ihre Verwirrung nicht sofort, denn nun blickte sie auf einen großen Haufen schmutziger Wäsche und auf Clarissa, die darin herumwühlte, sich aber dann ganz unvermittelt aufrichtete und die andere Frau anstarrte.
„Jean“, rief sie etwas unwirsch aus. „Was machst du in meiner Waschküche?“
„Ich dachte, ich komme mal bei dir vorbei und bringe dir ein paar Bananen aus Outremer“, nuschelte die Frau im roten Kleid, weil sie sich schon wieder eine der Früchte in den Mund gesteckt hatte und sie hatte auch erneut die Schale einfach achtlos fallengelassen, was ihr einen strafenden Blick von Clarissa einbrachte, die den Abfall dann von ihrer Wäsche entfernte und auf den Boden vor der Wand beförderte.
„Bananen aus Outremer? Hältst du das für eine gute Idee?“, wollte die andere Frau dann wissen.
Jean wollte gerade nicken, aber dann erinnerte sie sich auf einmal an das, was sie kurz vor ihrer Entmaterialisierung gehört hatte. „Vorsicht!“, rief sie aus, aber bevor sie Clarissa erklären konnte, vor was diese sich vorsehen sollte, waren schon zwei Männer und ein schwarzer Hengst in der Waschküche erschienen und nahmen nun den gesamten verbliebenen Platz in dem nicht so großen Raum ein. Dabei blieb es nicht aus, dass sie auf der schmutzigen Wäsche herumtrampelten, was auch ihnen einen strafenden Blick von Clarissa einbrachte.
Nasir zog nur erstaunt seine Augenbrauen hoch, aber Guy wollte sich offenbar sofort auf die beiden Frauen stürzen, aber bevor er sie erreichen konnte, rutschte er auf einmal auf der achtlos weggeworfenen Bananenschale aus und verlor auf der Stelle sein Gleichgewicht. Jean ließ die Bananen los, als der blonde Ritter in ihre Richtung fiel, als habe sie vor den Mann aufzufangen, aber stattdessen riss er sie mit zu Boden und sie landeten beide auf dem Wäscheberg, wobei sie sich in den Laken verfingen.
„Verdammt“, fluchte Guy. „Wieso passiert so etwas immer nur mir?“
Diese Frage konnte Jean natürlich nicht beantworten, was ihr aber in diesem Moment nicht so wichtig war, weil sie gerade einen blonden Ritter in ihren Armen hielt. Da musste es doch verständlich sein, dass sie sich für sonst nichts interessierte.
„Du musst aufstehen!“, forderte Clarissa sie auf, aber das wollte die Frau in dem langen roten Kleid auf keinen Fall hören, denn dann hätte sie ja den Ritter loslassen müssen.
„Du musst aufstehen!“, hörte sie die Worte noch einmal, aber nun klang die Stimme mehr wie die ihres Ehemannes, woraufhin Jean erschrocken die Augen aufriss, weil sie doch immer noch Guy umklammert hielt.
„Du bist aus dem Bett gefallen. Hast du dir weggetan? Kannst du allein aufstehen?“, erkundigte sich ihr Mann fürsorglich.
Jean blickte sich rasch um, aber von Guy war nichts mehr zu sehen, genauso wenig wie von Nasir, Fury oder Clarissa. Wo waren sie alle so plötzlich hin verschwunden? Sie war verwirrt, denn sie hatte nichts davon mitbekommen, dass der Transporter erneut benutzt worden war.
„Ist es möglich, dass du den Wein zum Abendessen nicht vertragen hast?“, wollte ihr Mann auf einmal wissen. „Du fällst du sonst nicht einfach aus dem Bett.“
Der Wein! Das war auf jeden Fall eine gute Erklärung für ihren Sturz, dachte Jean, weil sie ihrem Mann ja schlecht erklären konnte, wer sie eigentlich zu Fall gebracht hatte. Aber sie dachte mit Bedauern daran, dass sie nicht länger an dem anderen Ort hatte bleiben können, obwohl sie eigentlich nicht gerne auf einem Haufen schmutziger Wäsche liegen wollte.
Vielleicht klappt es ja beim nächsten Mal tröstete Jean sich, als sie in ihr Bett zurückkletterte, während sie gleichzeitig beschloss in Zukunft lieber auf ungewohnten Nachtisch zu verzichten, denn sie war sich sicher, dieser wäre die Ursache dafür, dass ihr die ganze Nacht verdorben worden war. Ihrem Mann gegenüber würde sie aber bei der Geschichte mit dem Wein bleiben, weil sie ihm dann keine weitere Erklärung liefern müsste.
Jean schloss ihre Augen und war auf der Stelle wieder eingeschlafen. Aber in dieser Nacht reiste sie nicht erneut nach Outremer.