everything i ever wanted
von vielsagerin
Kurzbeschreibung
Frisch mit der S.W.A.T.-Ausbildung fertig, verschlägt es Gwen nach Los Angeles. Auf der Flucht vor ihrem alten Leben, sucht sie hier einen Neuanfang. In L.A. findet sie schnell ein neues Zuhause und neue Freunde. Doch auch Etwas, das sie eigentlich meiden wollte. Doch die Anziehung zwischen Gwen und ihrer Kollegin Chris ist unausweichlich.
GeschichteLiebesgeschichte, Action / P12 / FemSlash
Christina "Chris" Alonso
10.02.2023
28.03.2023
59
122.388
1
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18.03.2023
1.922
Eine halbe Stunde später kamen wir bei Chris‘ Wohnung an. Die Autofahrt hatten wir im völligen Schweigen zurückgelegt. Ich hoffte inständig, dass Ben nach unserer Auseinandersetzung keine Szene machte. Das würde uns noch fehlen.
Atemlos ließ ich mich auf die Sofaecke fallen und legte meinen Kopf in den Nacken. Als wäre der pochende Schmerz in meinen Fingerknöcheln nicht schon genug, begann nun auch noch mein Kopf zu schmerzen. Ich war völlig ausgelegt.
Müde massierte ich mir die Schläfe, zuckte aber sofort zurück, als ein stechender Schmerz durch meine rechte Hand. Als könnte Chris meine Gedanken lesen, hockte sie in der nächsten Sekunde vor mir, nahm meine Hand und legte einen Beutel gefrorener Erben darauf.
Im ersten Moment tat die Berührung immens weh, doch der Schmerz ließ binnen weniger Wimpernschläge nach und wurde durch Kälte ersetzt, die meine Haut kühlte und dadurch vom Schmerz ablenkte.
„Was hat er gemacht?“, fragte Chris tonlos. Ich biss mir auf die Unterlippe und wandte den Blick von ihr ab. Ich wollte nicht an das Erlebnis zurückdenken. Eigentlich wollte ich nur ins Bett und schlafen. Ich war so müde.
„Nichts“, antwortete ich schnell. Etwas zu schnell. Chris sah mich forschend an. „Er wollte mich küssen, denke ich“, ergänzte ich leise.
„Küssen? Das sah nach mehr als nur küssen aus, Gwen.“ Ich schüttelte den Kopf. Das war die Wahrheit. Mehr war nicht passiert. Er war aufdringlich und viel zu betrunken. Wahrscheinlich würde Ben sich morgen nicht einmal daran erinnern. Ich wollte die Sache nur so schnell wie möglich vergessen.
„Es ist nicht mehr passiert. Du bist dann gekommen. Zum Glück.“ Ich wollte mir nicht vorstellen, wie weit Ben gegangenen wäre, wenn Chris nicht rechtzeitig aufgetaucht wäre und ihn aus dem Konzept gebracht hätte. Allein die Vorstellung ließ mich schaudern. Chris betrachtete meine Hand, die sie immer noch festhielt und den Eisbeutel darauf drückte. „Wie geht es deiner Hand?“
Probehalber drehte ich sie ein Stück. Der Schmerz hatte nachgelassen und bereitete mir keine Bauchschmerzen mehr. „Super“, erwiderte ich. „Das war es wert.“
Chris seufzte. „Das hättest du nicht tun brauchen.“ Ihr Blick suchte meinen. Den Ausdruck in ihren Augen konnte ich nicht recht deuten. Es war eine Mischung aus Wut und Aufgebrachtheit, aber ich meinte, auch Sorge darin zu erkennen.
„Das hättest du nicht tun brauchen“, widersprach Chris.
„Ich weiß, aber ich wollte es tun. Er hat es verdient. Ich möchte nicht, dass er so … so herablassend von dir spricht.“ Ein Lächeln stahl sich auf Chris’ Gesicht.
„Mein Retterin“, flüsterte sie und umfasste mein Gesicht, um mir einen flüchtigen Kuss auf die Stirn zu geben. Ich schloss die Augen und genoss das schwerelose Gefühl. Das Gefühl, von dem ich nie müde wurde, wenn Chris mich berührte.
Anfang der nächsten Woche war der Vorfall mit Ben schon fast vergessen. Lediglich die blauen und grünen Flecke an meiner Hand erinnerten an den Vorfall. Chris hatte die Begegnung mit Ben mit keinem Wort mehr erwähnt und respektierte meinen Wunsch, dass ich nicht mehr darüber sprechen wollte. Das rechnete ich ihr hoch an, denn natürlich bekam ich es mit, wie sie es wurmte. Seit dem Wochenende hatte sie diesen Blick im Gesicht. Immer, wenn sie dachte, ich würde sie nicht ansehen, grübelte sie vor sich her. Die Sache schien ihr nicht aus dem Kopf zu gehen. Ich verstand Chris’ Abneigung gegenüber Ben und bereute es zutiefst, dass ich nicht von Anfang an auf sie gehört hatte. Chris schien uns beiden definitiv den besseren Riecher mit Menschen zu haben.
Ich war gerade durch die Eingangstüren gekommen, als mir das 20-S.W.A.T. in voller Rüstung entgegenkam. Ein Blick auf die Uhr an meinem Handgelenk verriet mir, dass ich jedoch nicht zu spät dran war.
Street drehte mich an den Schultern wieder in Richtung Parkplatz. „Notruf aus South LA. Es gab eine Schießerei“, erklärte er. Meinen Rucksack verfrachtete ich in der Black Betty in die hinterste Ecke und zog mich während der Fahrt zum Einsatzort um. Mehrmals stieß ich mir dabei den Kopf und die Ellenbogen am Metall, weil Luca die Kurven zu schnell fuhr.
Hondo hielt uns derweil auf dem neusten Stand. Dass es sich dieses Mal wieder um die Blood und Crisps hielt, die sich auf offener Straße einen Kampf lieferte, überraschte mich nicht großartig. Die beiden Drogenbanden bekriegten sich gegenseitig um den höchsten Rang - Verluste waren da nicht relevant.
„Seht euch vor“, wies Hondo uns mit tiefer Stimme an. „Weder die Crisps noch die Bloods sind ungefährlich. Sie sind rücksichtslos und brutal und schrecken nicht davor zurück, jemanden zu erschießen. Bleibt also geschmeidig und achtet auf Deckung!“
Als wir aus der Black Betty sprangen, waren ein Großteil des Departements bereits vor Ort. Das 30-S.W.A.T. stand bei Cortez und Hicks und wartete auf Anweisungen. Streifenpolizisten wuselten auf der Straße herum wie kleine Ameisen, die ihren Bau nicht fanden. Aber außer Polizisten konnte ich niemanden ausmachen, der eine Gefahr darstellen sollte.
Vor uns lag eine einfache Straße, die in eine Wohngegend führte. Aber sie war menschenleer. Nicht einmal ein Fußgänger war zu sehen. Dann hörte ich sie. Schüsse. Aus Reflex duckte ich mich hinter der geöffneten Wagentür, bis mir auffiel, dass der Schusswechsel nicht aus direkter Nähe stammte.
Er kam aus einer nah stehenden, alten Fabrik, die mit ihren roten Backsteinen und langen Rissen in den Wänden nicht ins Bild passen wollte.
„Sie sind in das Fabrikgebäude geflüchtet!“, rief Cortez und kam mit wehenden Haaren auf uns zu. „Als sie uns kommen gesehen haben, haben sie ihren Kampf nach drinnen verlegt. Es gibt keinen Gebäudeplan. Daher ist größte Vorsicht geboten.“
Ich studierte das Gebäude. Es gab fünf Stöcke, Feuertreppen an den Außenseiten und schmale Fenster, bei denen bei den meisten schon das Glas fehlte. Dass wir quasi blind in die Fabrik gingen, behagte mir kein bisschen.
Hondo teilte uns in zwei Teams auf. Chris, Luca und ich sollten uns über die Feuertreppe auf der rechten Seite in den letzten Stock bewegen und uns von da an nach unten vorarbeiten, bis wir auf das zweite Team - das aus Tan, Hondo und Street bestand - stoßen würden.
Die Treppen nach oben zu steigen, war das geringste Übel. Nachdem wir jedoch durch ein kaputtes Fenster ins Innere gestiegen sind, wäre ich am liebsten wieder umgedreht. Drinnen roch es stark nach Verwesung, dass mir übel wurde. Von den Decken hingen lose Planen, die uns die Sicht versperrten. Die Ziegelsteine der Wände waren verblichen und bröckelig, als würden sie jeden Moment einstürzen. Der Boden sah kein Stück besser aus.
Staub wirbelte vom Beton unter unseren Füßen auf, als wir auf die Tür am anderen Ende des Raumes zugingen. Es gab keine einzelnen Räume in der letzten Etage - nur eine große Fläche, bei der an manchen Stellen noch Rückstände von gezogenen Wänden zu erkennen waren in Form von kleinen Steinhaufen.
Der vierte Stock war fast eine Kopie von der fünften Etage. Der Unterschied war, dass die Wände der ehemaligen abgegrenzten Räume etwas besser instand waren. Leider hieß das auch, dass wir noch weniger Sicht hatten. Wir teilten uns auf. Chris sollte die linke Seite übernehmen und Luca und ich die rechte, sodass wir uns an der Tür, die zum dritten Stock führte, treffen würden.
Dass diese Idee nicht die beste war, wurde mir klar, als das Feuer auf uns eröffnet wurde. Luca und ich gingen augenblicklich hinter einer halbhohen Wand in Deckung, als die Kugeln auch schon über unsere Köpfe flogen. Ich suchte nach Chris, doch durch die Steinhaufen und Planen war sie nicht zu entdecken. Ich konnte nur hoffen, dass sie rechtzeitig einen Unterschlupf gefunden hatte.
Schutt rieselte von der Decke und kitzelte mich im Gesicht. „Alles in Ordnung bei euch?“, fragte Luca. Ich nickte. Zwei ewig lang andauernde Sekunden später antwortete Chris über Funk. „Bei mir ist alles in Ordnung. Die Schüsse scheinen von vorne zu kommen. Ich sehe mindesten zwei Schützen. Hocken hinter letzten Wand links von euch.“
Luca und ich hoben den Kopf und lugten aus unserem Versteck hervor. Im nächsten Augenblick sah ich zwei weitere Köpfe, die höchsten zwanzig Meter vor uns ebenfalls aus ihrer Deckung hervorguckten. Noch bevor sie das Feuer auf uns eröffnen konnten, gaben Luca und ich Schüsse ab. Sofort gingen die beiden zu Boden.
„Gwen und ich kommen von rechts und kreisen sie ein“, gab Luca durch und winkte mich hinter sich her. Gebeugt folgte ich ihm, sah mich immer wieder um, um nicht in die Bedrängnis eines bis jetzt unentdeckten Schützen zu kommen. Endlich konnte ich einen Blick auf Chris werfen, als eine der Plan für einen Moment hoch wehte. Sie hockte hinter einem Steinhaufen auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes. Ich wäre zu gerne zu ihr gerannt, aber dann würde ich den Raum einmal ohne jegliche Deckungsmöglichkeit durchqueren müssen und das war Selbstmord.
„Habe freie Sicht auf den Schützen“, kam es mit einem Mal von Chris. Ich folgte dem Lauf ihrer Waffe. Sie richtete ihn auf eine Gestalt, die nicht weit entfernt von ihr stand. Ein Schuss löste sich und brachte den Schützen zu Boden. Dass neben dem einen Schützen jedoch noch ein zweiter kauerte, konnte Chris nicht sehen. Er hingegen hatte die perfekte Schusslinie. Meine Warnung blieb mir im Halse stecken, als Chris sich aus ihrer Deckung erhob. Sie hatte angenommen, dass jegliche Gefahr ausgeschalten war. Ein weiterer Schuss löste sich.
Wie in Zeitlupe traf er auf Chris und warf sie zu Boden. Ihr Waffe rutschte ihr aus der Hand, schlitterte über den Boden.
„Chris!“, schrie ich. Ohne nachzudenken, ließ ich mein Gewehr sinken und lief los. Luca rief noch meinen Namen, aber das war nebensächlich. Ich meinte, einen Schuss zu hören, doch das interessierte mich nicht. Es interessierte mich auch nicht, dass ich ohne jeglichen Schutz die Etage durchquerte. Chris lag regungslos auf dem Boden, rührte sich keinen Millimeter
Schlitternd kam ich vor ihrem Körper zum Stehen und kniete mich neben sie. Mit zitternden Fingern suchte ich ihren Körper nach der Schusswunden ab, aber ich konnte keine finden. Ich musste etwas übersehen haben. Immer wieder tastete ich sie von oben bis unten ab, fasste selbst unter die Weste, aber meine Hände blieben von Blut befreit. „Chris“, wiederholte ich nun zum fünfzehnten Mal ihren Namen, in der Hoffnung, dass aufwachen würde, aber das tat sie nicht. Vorsichtig öffnete ich den Verschluss ihres Helms. Keine Regung. Meine Augen brannten von den zurückgedrängten Tränen und vernebelten meine Sicht.
Jemand umfasste meine Schultern. Luca. Sachte schob er mich zur Seite, damit er Chris untersuchen konnte. Ich ließ ihn gewähren, auch wenn es mir schwerfiel.
„Was ist passiert?“ Hondos Stimme brachte mich aus meiner Trance. Schnell wischte ich mir über die Augen. Die Sache sollte mich nicht offensichtlich so mitnehmen.
„Wir haben einen Schützen übersehen“, gab ich zu und schaute wieder zu Luca, der Chris‘ Puls prüfte. „Chris … Chris wurde getroffen.“ Meine Stimme war hauchdünn. Es war nicht zu überhören, dass ich kurz vor einem Zusammenbruch stand. Deshalb führte ich die Erklärungen auch nicht weiter aus und konzentrierte mich auf Lucas Bewegungen.
„Na, sieh mal einer an“, meinte er plötzlich. „Da ist sie wieder.“ Ich musste mich auf die Zehenspitzen stellen, um an Lucas breiten Kreuz vorbeischauen zu können. Chris hatte ihre Augen leicht geöffnet, nur einen Spalt breit, aber sie war wieder zu sich gekommen. Erleichtert stieß ich meine angehaltene Luft aus. Chris setzte sich auf, hielt sich mit schmerzverzerrten Gesicht die Hand auf das Brustbein.
„Geht es?“, fragte Luca. Chris nickte mit bleichem Gesicht. „Alles in Ordnung. War nur die Weste.“
Die Weste. Es war nur die Weste. Ich wusste nicht, was ich getan hätte, wenn die Kugel sie fünf Zentimeter weiter oben getroffen hätte.
Atemlos ließ ich mich auf die Sofaecke fallen und legte meinen Kopf in den Nacken. Als wäre der pochende Schmerz in meinen Fingerknöcheln nicht schon genug, begann nun auch noch mein Kopf zu schmerzen. Ich war völlig ausgelegt.
Müde massierte ich mir die Schläfe, zuckte aber sofort zurück, als ein stechender Schmerz durch meine rechte Hand. Als könnte Chris meine Gedanken lesen, hockte sie in der nächsten Sekunde vor mir, nahm meine Hand und legte einen Beutel gefrorener Erben darauf.
Im ersten Moment tat die Berührung immens weh, doch der Schmerz ließ binnen weniger Wimpernschläge nach und wurde durch Kälte ersetzt, die meine Haut kühlte und dadurch vom Schmerz ablenkte.
„Was hat er gemacht?“, fragte Chris tonlos. Ich biss mir auf die Unterlippe und wandte den Blick von ihr ab. Ich wollte nicht an das Erlebnis zurückdenken. Eigentlich wollte ich nur ins Bett und schlafen. Ich war so müde.
„Nichts“, antwortete ich schnell. Etwas zu schnell. Chris sah mich forschend an. „Er wollte mich küssen, denke ich“, ergänzte ich leise.
„Küssen? Das sah nach mehr als nur küssen aus, Gwen.“ Ich schüttelte den Kopf. Das war die Wahrheit. Mehr war nicht passiert. Er war aufdringlich und viel zu betrunken. Wahrscheinlich würde Ben sich morgen nicht einmal daran erinnern. Ich wollte die Sache nur so schnell wie möglich vergessen.
„Es ist nicht mehr passiert. Du bist dann gekommen. Zum Glück.“ Ich wollte mir nicht vorstellen, wie weit Ben gegangenen wäre, wenn Chris nicht rechtzeitig aufgetaucht wäre und ihn aus dem Konzept gebracht hätte. Allein die Vorstellung ließ mich schaudern. Chris betrachtete meine Hand, die sie immer noch festhielt und den Eisbeutel darauf drückte. „Wie geht es deiner Hand?“
Probehalber drehte ich sie ein Stück. Der Schmerz hatte nachgelassen und bereitete mir keine Bauchschmerzen mehr. „Super“, erwiderte ich. „Das war es wert.“
Chris seufzte. „Das hättest du nicht tun brauchen.“ Ihr Blick suchte meinen. Den Ausdruck in ihren Augen konnte ich nicht recht deuten. Es war eine Mischung aus Wut und Aufgebrachtheit, aber ich meinte, auch Sorge darin zu erkennen.
„Das hättest du nicht tun brauchen“, widersprach Chris.
„Ich weiß, aber ich wollte es tun. Er hat es verdient. Ich möchte nicht, dass er so … so herablassend von dir spricht.“ Ein Lächeln stahl sich auf Chris’ Gesicht.
„Mein Retterin“, flüsterte sie und umfasste mein Gesicht, um mir einen flüchtigen Kuss auf die Stirn zu geben. Ich schloss die Augen und genoss das schwerelose Gefühl. Das Gefühl, von dem ich nie müde wurde, wenn Chris mich berührte.
Anfang der nächsten Woche war der Vorfall mit Ben schon fast vergessen. Lediglich die blauen und grünen Flecke an meiner Hand erinnerten an den Vorfall. Chris hatte die Begegnung mit Ben mit keinem Wort mehr erwähnt und respektierte meinen Wunsch, dass ich nicht mehr darüber sprechen wollte. Das rechnete ich ihr hoch an, denn natürlich bekam ich es mit, wie sie es wurmte. Seit dem Wochenende hatte sie diesen Blick im Gesicht. Immer, wenn sie dachte, ich würde sie nicht ansehen, grübelte sie vor sich her. Die Sache schien ihr nicht aus dem Kopf zu gehen. Ich verstand Chris’ Abneigung gegenüber Ben und bereute es zutiefst, dass ich nicht von Anfang an auf sie gehört hatte. Chris schien uns beiden definitiv den besseren Riecher mit Menschen zu haben.
Ich war gerade durch die Eingangstüren gekommen, als mir das 20-S.W.A.T. in voller Rüstung entgegenkam. Ein Blick auf die Uhr an meinem Handgelenk verriet mir, dass ich jedoch nicht zu spät dran war.
Street drehte mich an den Schultern wieder in Richtung Parkplatz. „Notruf aus South LA. Es gab eine Schießerei“, erklärte er. Meinen Rucksack verfrachtete ich in der Black Betty in die hinterste Ecke und zog mich während der Fahrt zum Einsatzort um. Mehrmals stieß ich mir dabei den Kopf und die Ellenbogen am Metall, weil Luca die Kurven zu schnell fuhr.
Hondo hielt uns derweil auf dem neusten Stand. Dass es sich dieses Mal wieder um die Blood und Crisps hielt, die sich auf offener Straße einen Kampf lieferte, überraschte mich nicht großartig. Die beiden Drogenbanden bekriegten sich gegenseitig um den höchsten Rang - Verluste waren da nicht relevant.
„Seht euch vor“, wies Hondo uns mit tiefer Stimme an. „Weder die Crisps noch die Bloods sind ungefährlich. Sie sind rücksichtslos und brutal und schrecken nicht davor zurück, jemanden zu erschießen. Bleibt also geschmeidig und achtet auf Deckung!“
Als wir aus der Black Betty sprangen, waren ein Großteil des Departements bereits vor Ort. Das 30-S.W.A.T. stand bei Cortez und Hicks und wartete auf Anweisungen. Streifenpolizisten wuselten auf der Straße herum wie kleine Ameisen, die ihren Bau nicht fanden. Aber außer Polizisten konnte ich niemanden ausmachen, der eine Gefahr darstellen sollte.
Vor uns lag eine einfache Straße, die in eine Wohngegend führte. Aber sie war menschenleer. Nicht einmal ein Fußgänger war zu sehen. Dann hörte ich sie. Schüsse. Aus Reflex duckte ich mich hinter der geöffneten Wagentür, bis mir auffiel, dass der Schusswechsel nicht aus direkter Nähe stammte.
Er kam aus einer nah stehenden, alten Fabrik, die mit ihren roten Backsteinen und langen Rissen in den Wänden nicht ins Bild passen wollte.
„Sie sind in das Fabrikgebäude geflüchtet!“, rief Cortez und kam mit wehenden Haaren auf uns zu. „Als sie uns kommen gesehen haben, haben sie ihren Kampf nach drinnen verlegt. Es gibt keinen Gebäudeplan. Daher ist größte Vorsicht geboten.“
Ich studierte das Gebäude. Es gab fünf Stöcke, Feuertreppen an den Außenseiten und schmale Fenster, bei denen bei den meisten schon das Glas fehlte. Dass wir quasi blind in die Fabrik gingen, behagte mir kein bisschen.
Hondo teilte uns in zwei Teams auf. Chris, Luca und ich sollten uns über die Feuertreppe auf der rechten Seite in den letzten Stock bewegen und uns von da an nach unten vorarbeiten, bis wir auf das zweite Team - das aus Tan, Hondo und Street bestand - stoßen würden.
Die Treppen nach oben zu steigen, war das geringste Übel. Nachdem wir jedoch durch ein kaputtes Fenster ins Innere gestiegen sind, wäre ich am liebsten wieder umgedreht. Drinnen roch es stark nach Verwesung, dass mir übel wurde. Von den Decken hingen lose Planen, die uns die Sicht versperrten. Die Ziegelsteine der Wände waren verblichen und bröckelig, als würden sie jeden Moment einstürzen. Der Boden sah kein Stück besser aus.
Staub wirbelte vom Beton unter unseren Füßen auf, als wir auf die Tür am anderen Ende des Raumes zugingen. Es gab keine einzelnen Räume in der letzten Etage - nur eine große Fläche, bei der an manchen Stellen noch Rückstände von gezogenen Wänden zu erkennen waren in Form von kleinen Steinhaufen.
Der vierte Stock war fast eine Kopie von der fünften Etage. Der Unterschied war, dass die Wände der ehemaligen abgegrenzten Räume etwas besser instand waren. Leider hieß das auch, dass wir noch weniger Sicht hatten. Wir teilten uns auf. Chris sollte die linke Seite übernehmen und Luca und ich die rechte, sodass wir uns an der Tür, die zum dritten Stock führte, treffen würden.
Dass diese Idee nicht die beste war, wurde mir klar, als das Feuer auf uns eröffnet wurde. Luca und ich gingen augenblicklich hinter einer halbhohen Wand in Deckung, als die Kugeln auch schon über unsere Köpfe flogen. Ich suchte nach Chris, doch durch die Steinhaufen und Planen war sie nicht zu entdecken. Ich konnte nur hoffen, dass sie rechtzeitig einen Unterschlupf gefunden hatte.
Schutt rieselte von der Decke und kitzelte mich im Gesicht. „Alles in Ordnung bei euch?“, fragte Luca. Ich nickte. Zwei ewig lang andauernde Sekunden später antwortete Chris über Funk. „Bei mir ist alles in Ordnung. Die Schüsse scheinen von vorne zu kommen. Ich sehe mindesten zwei Schützen. Hocken hinter letzten Wand links von euch.“
Luca und ich hoben den Kopf und lugten aus unserem Versteck hervor. Im nächsten Augenblick sah ich zwei weitere Köpfe, die höchsten zwanzig Meter vor uns ebenfalls aus ihrer Deckung hervorguckten. Noch bevor sie das Feuer auf uns eröffnen konnten, gaben Luca und ich Schüsse ab. Sofort gingen die beiden zu Boden.
„Gwen und ich kommen von rechts und kreisen sie ein“, gab Luca durch und winkte mich hinter sich her. Gebeugt folgte ich ihm, sah mich immer wieder um, um nicht in die Bedrängnis eines bis jetzt unentdeckten Schützen zu kommen. Endlich konnte ich einen Blick auf Chris werfen, als eine der Plan für einen Moment hoch wehte. Sie hockte hinter einem Steinhaufen auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes. Ich wäre zu gerne zu ihr gerannt, aber dann würde ich den Raum einmal ohne jegliche Deckungsmöglichkeit durchqueren müssen und das war Selbstmord.
„Habe freie Sicht auf den Schützen“, kam es mit einem Mal von Chris. Ich folgte dem Lauf ihrer Waffe. Sie richtete ihn auf eine Gestalt, die nicht weit entfernt von ihr stand. Ein Schuss löste sich und brachte den Schützen zu Boden. Dass neben dem einen Schützen jedoch noch ein zweiter kauerte, konnte Chris nicht sehen. Er hingegen hatte die perfekte Schusslinie. Meine Warnung blieb mir im Halse stecken, als Chris sich aus ihrer Deckung erhob. Sie hatte angenommen, dass jegliche Gefahr ausgeschalten war. Ein weiterer Schuss löste sich.
Wie in Zeitlupe traf er auf Chris und warf sie zu Boden. Ihr Waffe rutschte ihr aus der Hand, schlitterte über den Boden.
„Chris!“, schrie ich. Ohne nachzudenken, ließ ich mein Gewehr sinken und lief los. Luca rief noch meinen Namen, aber das war nebensächlich. Ich meinte, einen Schuss zu hören, doch das interessierte mich nicht. Es interessierte mich auch nicht, dass ich ohne jeglichen Schutz die Etage durchquerte. Chris lag regungslos auf dem Boden, rührte sich keinen Millimeter
Schlitternd kam ich vor ihrem Körper zum Stehen und kniete mich neben sie. Mit zitternden Fingern suchte ich ihren Körper nach der Schusswunden ab, aber ich konnte keine finden. Ich musste etwas übersehen haben. Immer wieder tastete ich sie von oben bis unten ab, fasste selbst unter die Weste, aber meine Hände blieben von Blut befreit. „Chris“, wiederholte ich nun zum fünfzehnten Mal ihren Namen, in der Hoffnung, dass aufwachen würde, aber das tat sie nicht. Vorsichtig öffnete ich den Verschluss ihres Helms. Keine Regung. Meine Augen brannten von den zurückgedrängten Tränen und vernebelten meine Sicht.
Jemand umfasste meine Schultern. Luca. Sachte schob er mich zur Seite, damit er Chris untersuchen konnte. Ich ließ ihn gewähren, auch wenn es mir schwerfiel.
„Was ist passiert?“ Hondos Stimme brachte mich aus meiner Trance. Schnell wischte ich mir über die Augen. Die Sache sollte mich nicht offensichtlich so mitnehmen.
„Wir haben einen Schützen übersehen“, gab ich zu und schaute wieder zu Luca, der Chris‘ Puls prüfte. „Chris … Chris wurde getroffen.“ Meine Stimme war hauchdünn. Es war nicht zu überhören, dass ich kurz vor einem Zusammenbruch stand. Deshalb führte ich die Erklärungen auch nicht weiter aus und konzentrierte mich auf Lucas Bewegungen.
„Na, sieh mal einer an“, meinte er plötzlich. „Da ist sie wieder.“ Ich musste mich auf die Zehenspitzen stellen, um an Lucas breiten Kreuz vorbeischauen zu können. Chris hatte ihre Augen leicht geöffnet, nur einen Spalt breit, aber sie war wieder zu sich gekommen. Erleichtert stieß ich meine angehaltene Luft aus. Chris setzte sich auf, hielt sich mit schmerzverzerrten Gesicht die Hand auf das Brustbein.
„Geht es?“, fragte Luca. Chris nickte mit bleichem Gesicht. „Alles in Ordnung. War nur die Weste.“
Die Weste. Es war nur die Weste. Ich wusste nicht, was ich getan hätte, wenn die Kugel sie fünf Zentimeter weiter oben getroffen hätte.