An Utterson Case – Janus
Kurzbeschreibung
Mr. Gabriel John Utterson behandelt nur selten eine Rechtsangelegenheit, die ihn aus dem Takt bringt. Doch eines Tages hat er ein Ansinnen auf dem Tisch, da ihn an einen alten Freund erinnert, einem Janus gleich war dieser Mann gewesen, und ähnlich erscheint Utterson das Ansinnen dem er sich nun widmen soll. Doch wer stellt so ein Ansinnen? Beunruhigt lädt er den Mandanten ein, den er zuvor nicht einmal gesehen hat...
KurzgeschichteDrama, Tragödie / P16 / Gen
John Utterson
OC (Own Character)
03.02.2023
03.02.2023
1
2.085
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03.02.2023
2.085
Mr. Gabriel John Utterson ist kein Rechtsanwalt, der all zu oft überrascht ist, und dennoch war es am dritten Tage des Juli in den bekümmerten Jahre 1889 ein wenig anders.
Während das Kaminfeuer prasselte studierte er mehrere Bögen Papier, gelegentlich an seine Pfeife schmauchend deren wohlriechende Gestank den Geruch Londons ein wenig minderte, denn an diesem Tage standen die Winde besonders ungünstig weshalb ein abscheulicher Dunst durch die Fenster- und Türritzen kroch. So ekelerregend war der widerliche Dunst, dass er sogar schwermütig überlegte ob er seine Frau bitten solle ein wenig von ihrem teuren Parfume zu versprühen, doch das wäre eine nahezu verbrecherische Verschwendung. So konzentrierte er sich auf die Papierbögen, die über und über mit Liedtexten gefüllt waren, sowohl in Englisch als auch Deutsch abgedruckt, welche dahingehend zu überprüfen waren ob sie wohl für Heranwachsende bekömmlich waren.
Utterson vermutete, dass er es mit einem Scherz oder einer Wette unter zu tun haben müsse, denn er konnte nicht sehen, wie das möglich sein solle. Keine einzige Zeile, die anständig war, keine einzige Zeile, die nicht verstörend war, keine einzige Zeile, die nicht betrübt. Nicht einmal die Anmerkung, dass alles in fröhlichen, beschwingten Stimmungen zu singen sei und beschwingt statt als Trauermarsch
„A pill pie… Meat and Greed… Fan-teasy… Sue-Song… Theft her noon“, murmelte Utterson, blickte dann auf die Deutschen Zeilen, eine Sprache die er kaum verstand, aber halbwegs im Klang lesen konnte.
„Apfelkuchen… Treffen und Kennenlernen… Phantasie… Zoo-Lied… Dieb..stahl ihren Mittag?“, las er vorsichtig vor. Irgendwas daran erschien ihm nicht richtig, er hatte im Gefühl, dass die Übersetzung nicht korrekt sein könne. Dennoch begann er sich kurze Notizen anzufertigen, letztlich einen kurzen Brief zu schreiben.
„Sehr geehrter Mr. Plank,
Schon in den ersten 4 Zeilen finde ich direkt 4 Satzstücke, die nicht akzeptabel sind. Ein Pillenkuchen sollte nicht gekauft werden, Fleisch und Gier sind kein guter Weg Liebe zu finde, und die Kunstwörter Fächer-reizend und Verklagen-Lied klingen geradezu frivol. Wenn ich jedoch in der fünften Zeile Diebstahl ihren Mittag lese, kann ich nicht mal zu dem Schluss kommen, dass Sie der englischen Sprache mächtig sind. Das ist besonders bedenklich, da Heranwachsende noch mehr mit dem Herzen und Abneigung gegen das kühle Denken der Erwachsenen hören, weshalb diese Altersgruppe mit besonderer Vorsicht zu behandeln ist. Ich werde Ihnen ein Exempel senden, das nicht für die Ohren Heranwachsender gestattet ist, und wenn Sie mir erläutern können, was der Fehler ist, bitte ich Sie mit Ihrem Übersetzer in meiner Kanzlei zur Besprechung vorbei zu schauen.
Das Exempel sei Buddy, auf Deutsch: Kumpan.
Hochachtungsvoll
Mr. Utterson“
Er ließ der Tinte Zeit zu trocknen, dann faltete er das Papier sorgfältig, packte den Brief in einen schweren Umschlag und verschloss ihn sowohl mit gefärbten Papierleim als auch mit seinem persönlichen Kanzleisiegel. Als der Siegellack fest war, übergab er den Brief einen seiner zwei Botenjungen, der sofort los hastete. Utterson hingegen wandte sich weiter anderen Arbeiten zu, ein wenig unruhig, da der Gestank ihn quälte und er das Gefühl nicht verlor, dass ihn der Tabak nur betrog.
So verging eine Stunde, dann eine weitere, die nächste folgte, und eine vierte verstrich, und es war noch nicht ganz die fünfte angebrochen als es läutete.
Utterson war nicht weiter beunruhigt, er war selten beunruhigt. Sein Beruf brachte mit sich gewöhnt zu sein den schlimmsten Psychen mit Rechtsstaatlichkeit auf die Füße zu treten und die edelsten Herzen zu zwingen nüchtern ihre Unschuld zu beweisen. Wer auch immer seine Kanzlei betrat, würde gleich in Begleitung seines treuen Dieners ein Anlegen unterbreiten, wie üblich.
Ein hagerer Mann kam in den Raum, sein heller Anzug wirkte nur mehr grau, vermutlich hatte dieser Mann nicht verstanden was die Londoner Mode prägte. Ruß, Ruß und nochmals Ruß.
Seine Haare waren unangenehm lang und wirr, sein Bart hingegen gepflegt, doch zur höchsten Überraschung wurde der Mann von einer Art kleinen Gnom begleitet. Scheußlich in der Gestalt und in der Mode. Der Gnom lächelte ihn an, Goldzähne blitzten auf und das schüttere, graue Haar erzitterte.
„Mr. Utterson, ich Julius Carolius Featherham“, stellte sich der Gnom mit feiner Stimme vor, deutete dann auf den anderen Mann, „und das ist Mr. Plank. Er möchte, dass seine Lieder so ins Deutsche übersetzt werden, dass die Heranwachsenden diese hören dürfen“
Utterson runzelte verwundert die Stirn, was selten geschah. Was ein merkwürdiges Anliegen.
„Mr. Plank, Sie sollten verstehen, dass keines Ihrer Lieder dafür in Frage kommt“, erklärte er verschnupft. Er hatte vermutet, dass die Lieder vielleicht unpassend vom Deutschen ins Englische übertragen worden waren, nun war das Ansinnen das Gegenteil und unpassende Lieder sollten in angemessenes Deutsch übersetzt werden. Ein wenig Neugierde verspürte er dennoch.
„Mr. Utterson“, begann der Mann mit wütend zitternder Stimme, „Ich bin der festen Überzeugung, dass die deutsche Bürokratie keinen Fehl finden wird, die Lieder werden doch nicht mal gleich heißen! Die Melodien sind jugendlich froh, alles ist anders, das sollte wohl passend sein“
Mr. Utterson fühlte sich ein wenig unwohl, fragte dann, was denn der Zweck sei. Mr. Plan plusterte sich auf, doch der Gnom eilte zwischen ihn und Utterson, verneigte sich dann tief.
„Es ist simpel, viele frivole Phrasen können leicht in gewöhnliche übersetzt werden, der Unterschied sind nur sachte Betonung und Schreibform. Ich zeige es Ihnen“
Schwungvoll zog der Gnom eine Schreibfeder hervor, dann folgte ein Tintenfass, zuletzt ein kleines Büchlein. Er ging zum großen Schreibtisch, den Utterson mit einer grünen Schieferplatte belegt hatte, und breitete alles aus. Dann schrieb er sorgfältig auf.
„A pill pie wird Apple pie
Meat and Greed wird Meet and Greet
Fan-teasy wird Fantasy
Sue-Song wird Zoo-Song
Theft her noon wird the afternoon
Buddy wird nie Buddy, denn Kumpan ist kein Körper“
Utterson betrachtete das Papier und schüttelte dann unruhig den Kopf. Das gesamte Ansinnen war absurd und nicht eines Gentleman unwürdig. Er würde die Männer belehren müssen.
„Mr. Featherham, Mr. Plan, das kann ich nicht akzeptieren“, erklärte er ruhig, mit ernsten Blick, „sobald Sie so vorgehen wird leicht der Schluss folgen, dass Absicht dahinter steckte. Sie können das nicht damit gleichsetzen, was Jungspunde mit reinherzigen Liedern anstellen, Sie möchten ein unsittliches Lied der Jungspunde in ein sittsames Lied für Jungspunde umdichten ohne zu beachten, dass schon ein Einziger reicht, der des Englischen mächtig ist damit bald die halbe Deutsche Jugend nichts besseres zu tun hat als damit über alles Edle und Gute zu spotten. Ich muss Ihr Ansinnen ablehnen, niemals werde ich meinen Namen dafür hergeben“
Der Gnom lächelte sofort nur noch sehr dünn, sein Kunde schnaubte wütend. Utterson blickte nach Links. Sein Diener, der das Signal verstand, fasste den schweren Leuchter in seiner Hand ein wenig fester. Falls die Männer die Fasson verlieren sollten, würden sie 10 Pfund versilbertes Metall zu spüren bekommen. Mr. Plank plusterte sich nun auf, lächelte dann plötzlich unglaublich charmant.
„Mr. Utterson, ich glaube Sie missverstehen mich. Ich möchte mit anständigen Liedern genau so viel verdienen, wie es andere mit unanständigen Zoten tun. Was ist dagegen einzuwenden?“
Utterson blickte ihn ungehalten an, betrachtete erneut die Liedtexte. Was sei denn dagegen einzuwenden? Er dachte darüber nach, schüttelte dann erneut den Kopf.
„Das ist nicht akzeptabel. Bald würden Übersetzungen auf Englisch kursieren, und innerhalb von Wochen führen überall anständige Kinder und Heranwachsende diese Lieder auf, manche werden bereits nach wenigen Tagen merken warum das widerlichste Gesindel sie noch motiviert zu singen und andere nicht mal nach Monaten. Es geht darum, was Heranwachsende hören können, wenn sie nicht mit kühlem Kopf hören wollen um Respekt zu zollen, Ihr Ansinnen ist so grauenhaft wie Ihre Idee. Die verdorbenste Art ist immerhin nicht die offensichtliche Unsittlichkeit, sondern die unbewusste Unsittlichkeit zu der geradezu trickreich verleitet wird. Ihre Lieder sind wie Janus, mein Herr, und Jana zugleich, ich muss Ihr Ansinnen ablehnen und rate davon ab“
Der Gnom wurde bleich, seine Lippen schmal, sein Lächeln eiskalt. Mr. Plank wirkte als ob er jemanden erwürgen wollte. Da schnellte er auch schon vor, ergriff den Gnom und schrie ihn an.
„Du wirst keine Farthing von mir bekommen, du Taugenichts!“, donnerte der Mann.
Der Diener wartete darauf, dass er ein Zeichen bekam einzugreifen, doch Utterson wartete ab. Da ließ der Mann auch schon von dem Gnom ab, schnaubte verächtlich, entspannte die Fäuste. Schaute dann charmant drein, zwinkerte Utterson betont freundlich zu, als sei alles nur der Streich eines kleinen Jungen gewesen.
„Verzeihen Sie bitte“, bot der Mann an, „Ich habe Wochen Arbeit investiert, die ich profitabel verbringen wollte. Ich werde diesen boshaften Gnom laufen lassen, er darf seine Geschäftsidee behalten. Julius, geh, und versuche nicht mir einen anderen Anwalt aufzuschwatzen. Was schulde ich ihnen, Mr. Utterson?“
Utterson sah zu, wie der Gnom Papier, Feder und Büchlein verschwinden ließ. Dann tonlos verschwand. Ihn beruhigte, dass sein Diener im Raum blieb. Der Mann hatte selbst was von Janus, und beunruhigt dachte Utterson an einen früheren Freund.
„1 Englisches Pfund, dafür haben Sie bald eine ausführliche Begründung in der Hand“, darauf bestand er mit ruhiger Miene, denn Mr. Plank wirkte nicht so als ob er eine freigiebige Natur sei.
Er wirkte nicht erfreut, aber beglich die Rechnung, was Utterson fröhlich quittierte. Dann lächelte der Mann erneut jungenhaft, verneigte sich höflich, und ging.
Utterson jedoch fragte sich noch Jahre später, ob er diesem Janus nun geholfen hatte Gift zu verbreiten, oder ihm geschadet, denn kein einziges Lied dieses Mannes das ihm zu Ohren kam, wirkte auch nur im geringsten anständig. Überall troff das Frivole hervor, flossen die Möglichkeiten, sprühten Fantasien bis noch ein Lied kniender, höflicher Liebe anmutete wie eine Zote, so denn man bereit war die Räume und Träume zu wünschen welche der Jugend im Reflex leicht fallen.
Bald mehrten sich die Gerüchte, dass Mr. Plank verhaftet werden solle, bald schwanden sie wieder, und dann war er verschwunden. Das Einzige Gerücht das blieb war, dass dieser Janus für jene Lieder verantwortlich war, die immer öfter aus Deutschland herüber schwappten wie eine giftige Mode. So lud Utterson erneut den Gnom zu sich ein, denn ihn besorgte, was sich in der Gesellschaft bewegte.
Der Gnom fand sich bei ihm ein und setzte sich an den Tisch, Stille waberte zwischen beiden wie Smog.
„Mr. Gabriel John Utterson“, stellte sich Utterson vor, „Ich wäre erfreut über einen Rat unter Gelehrten“
Der Gnom lächelte listig, streckte die Hand aus und ließ eine 5-Pfundnote auf den Tisch fallen.
„Julius Carolius Featherham“, stellte er sich vor, „Ich wäre erfreut, wenn Sie mich in der Frage vertreten ob Mr. Plank mich um Gewinne betrogen hat“
Utterson lehnte die Pfundnote verwundert ab, immerhin war das nicht sein Metier.
„Verraten Sie mir doch, was nach unserem letzten Gespräch vorgefallen ist“, schlug er vor.
Der Gnom lief rot an, Zornesfalten zogen tiefe Furchen auf seiner Stirn, dann grollte er leise.
„Der miese Hund hat seine Lieder als Zoten für Heranwachsende verbreitet, und die blinden Eltern wollten nicht erkennen wie bitter Apfelkuchen sein kann. Sie erkennen nicht, wie frivol die Möglichkeiten sind und verkennen das Herz ihrer Kinder wie naive Mädchen“, erklärte der Gnom düster.
Utterson seufzte und ließ den Kopf hängen.
„Dann hat er Ihre Idee rechtlich nicht befolgt, sondern sie verworfen. Es tut mir Leid, aber so ist es“
Der Gnom schwieg lange, nickte dann grimmig und ging. Aber Utterson zitterte, einen ganze Woche konnte er keine Ruhe finden, immerhin war ihn erneut ein Janus entwischt. Nur hatte dieser Janus nichts von seinem früheren Freund an sich, keine edlen Züge, wie die Verkörperung eines gierigen Bacchus war er aufgetaucht von Sehnsüchten gebändigt, hatte Julius Carolius Featherham zusammen mit Utterson betrogen um dann die ganze Welt zu betrügen. Er hatte versagt und das wusste er. Er war ans Schweigen gebunden, das sein Berufsethos mit sich brachte, wie damals bei seinem Freund.
Das war der Grund warum Utterson entschied nie wieder Menschen zu beraten, die einem Janus gleichte und nichts anderes im Sinn zu haben schien als die Jugend zwischen Mühlsteinen der Gier eines heidnischen Königs zu zermalmen bis alle als Janus lebten, ob Junge oder Mädchen, Vater oder Mutter, Bruder oder Schwester.
Eine Woche später setzte sich Utterson zur Ruhe und überließ die Kanzlei Julius Carolius Featherham für eine ungewöhnlich geringe Summe mit einer Klausel als Bedingung:
„Die Schweigepflicht dieser Kanzlei endet dort, wo drei Bischöfe der Anglikanischen Kirche entscheiden schriftlich Einspruch einzulegen, wenn die Kanzlei diese ohne Nennung des Namens des Mandaten um Rat in der vertretenen Rechtsangelegenheit bittet“
Das und nur das gab Utterson den Frieden, den er die letzten Jahre seines Lebens tief in sich trug, dort wo Gott wieder Raum hatte und die Gier in Zaum gehalten blieb, wie er es immer gehalten hatte.
Ende.
Während das Kaminfeuer prasselte studierte er mehrere Bögen Papier, gelegentlich an seine Pfeife schmauchend deren wohlriechende Gestank den Geruch Londons ein wenig minderte, denn an diesem Tage standen die Winde besonders ungünstig weshalb ein abscheulicher Dunst durch die Fenster- und Türritzen kroch. So ekelerregend war der widerliche Dunst, dass er sogar schwermütig überlegte ob er seine Frau bitten solle ein wenig von ihrem teuren Parfume zu versprühen, doch das wäre eine nahezu verbrecherische Verschwendung. So konzentrierte er sich auf die Papierbögen, die über und über mit Liedtexten gefüllt waren, sowohl in Englisch als auch Deutsch abgedruckt, welche dahingehend zu überprüfen waren ob sie wohl für Heranwachsende bekömmlich waren.
Utterson vermutete, dass er es mit einem Scherz oder einer Wette unter zu tun haben müsse, denn er konnte nicht sehen, wie das möglich sein solle. Keine einzige Zeile, die anständig war, keine einzige Zeile, die nicht verstörend war, keine einzige Zeile, die nicht betrübt. Nicht einmal die Anmerkung, dass alles in fröhlichen, beschwingten Stimmungen zu singen sei und beschwingt statt als Trauermarsch
„A pill pie… Meat and Greed… Fan-teasy… Sue-Song… Theft her noon“, murmelte Utterson, blickte dann auf die Deutschen Zeilen, eine Sprache die er kaum verstand, aber halbwegs im Klang lesen konnte.
„Apfelkuchen… Treffen und Kennenlernen… Phantasie… Zoo-Lied… Dieb..stahl ihren Mittag?“, las er vorsichtig vor. Irgendwas daran erschien ihm nicht richtig, er hatte im Gefühl, dass die Übersetzung nicht korrekt sein könne. Dennoch begann er sich kurze Notizen anzufertigen, letztlich einen kurzen Brief zu schreiben.
„Sehr geehrter Mr. Plank,
Schon in den ersten 4 Zeilen finde ich direkt 4 Satzstücke, die nicht akzeptabel sind. Ein Pillenkuchen sollte nicht gekauft werden, Fleisch und Gier sind kein guter Weg Liebe zu finde, und die Kunstwörter Fächer-reizend und Verklagen-Lied klingen geradezu frivol. Wenn ich jedoch in der fünften Zeile Diebstahl ihren Mittag lese, kann ich nicht mal zu dem Schluss kommen, dass Sie der englischen Sprache mächtig sind. Das ist besonders bedenklich, da Heranwachsende noch mehr mit dem Herzen und Abneigung gegen das kühle Denken der Erwachsenen hören, weshalb diese Altersgruppe mit besonderer Vorsicht zu behandeln ist. Ich werde Ihnen ein Exempel senden, das nicht für die Ohren Heranwachsender gestattet ist, und wenn Sie mir erläutern können, was der Fehler ist, bitte ich Sie mit Ihrem Übersetzer in meiner Kanzlei zur Besprechung vorbei zu schauen.
Das Exempel sei Buddy, auf Deutsch: Kumpan.
Hochachtungsvoll
Mr. Utterson“
Er ließ der Tinte Zeit zu trocknen, dann faltete er das Papier sorgfältig, packte den Brief in einen schweren Umschlag und verschloss ihn sowohl mit gefärbten Papierleim als auch mit seinem persönlichen Kanzleisiegel. Als der Siegellack fest war, übergab er den Brief einen seiner zwei Botenjungen, der sofort los hastete. Utterson hingegen wandte sich weiter anderen Arbeiten zu, ein wenig unruhig, da der Gestank ihn quälte und er das Gefühl nicht verlor, dass ihn der Tabak nur betrog.
So verging eine Stunde, dann eine weitere, die nächste folgte, und eine vierte verstrich, und es war noch nicht ganz die fünfte angebrochen als es läutete.
Utterson war nicht weiter beunruhigt, er war selten beunruhigt. Sein Beruf brachte mit sich gewöhnt zu sein den schlimmsten Psychen mit Rechtsstaatlichkeit auf die Füße zu treten und die edelsten Herzen zu zwingen nüchtern ihre Unschuld zu beweisen. Wer auch immer seine Kanzlei betrat, würde gleich in Begleitung seines treuen Dieners ein Anlegen unterbreiten, wie üblich.
Ein hagerer Mann kam in den Raum, sein heller Anzug wirkte nur mehr grau, vermutlich hatte dieser Mann nicht verstanden was die Londoner Mode prägte. Ruß, Ruß und nochmals Ruß.
Seine Haare waren unangenehm lang und wirr, sein Bart hingegen gepflegt, doch zur höchsten Überraschung wurde der Mann von einer Art kleinen Gnom begleitet. Scheußlich in der Gestalt und in der Mode. Der Gnom lächelte ihn an, Goldzähne blitzten auf und das schüttere, graue Haar erzitterte.
„Mr. Utterson, ich Julius Carolius Featherham“, stellte sich der Gnom mit feiner Stimme vor, deutete dann auf den anderen Mann, „und das ist Mr. Plank. Er möchte, dass seine Lieder so ins Deutsche übersetzt werden, dass die Heranwachsenden diese hören dürfen“
Utterson runzelte verwundert die Stirn, was selten geschah. Was ein merkwürdiges Anliegen.
„Mr. Plank, Sie sollten verstehen, dass keines Ihrer Lieder dafür in Frage kommt“, erklärte er verschnupft. Er hatte vermutet, dass die Lieder vielleicht unpassend vom Deutschen ins Englische übertragen worden waren, nun war das Ansinnen das Gegenteil und unpassende Lieder sollten in angemessenes Deutsch übersetzt werden. Ein wenig Neugierde verspürte er dennoch.
„Mr. Utterson“, begann der Mann mit wütend zitternder Stimme, „Ich bin der festen Überzeugung, dass die deutsche Bürokratie keinen Fehl finden wird, die Lieder werden doch nicht mal gleich heißen! Die Melodien sind jugendlich froh, alles ist anders, das sollte wohl passend sein“
Mr. Utterson fühlte sich ein wenig unwohl, fragte dann, was denn der Zweck sei. Mr. Plan plusterte sich auf, doch der Gnom eilte zwischen ihn und Utterson, verneigte sich dann tief.
„Es ist simpel, viele frivole Phrasen können leicht in gewöhnliche übersetzt werden, der Unterschied sind nur sachte Betonung und Schreibform. Ich zeige es Ihnen“
Schwungvoll zog der Gnom eine Schreibfeder hervor, dann folgte ein Tintenfass, zuletzt ein kleines Büchlein. Er ging zum großen Schreibtisch, den Utterson mit einer grünen Schieferplatte belegt hatte, und breitete alles aus. Dann schrieb er sorgfältig auf.
„A pill pie wird Apple pie
Meat and Greed wird Meet and Greet
Fan-teasy wird Fantasy
Sue-Song wird Zoo-Song
Theft her noon wird the afternoon
Buddy wird nie Buddy, denn Kumpan ist kein Körper“
Utterson betrachtete das Papier und schüttelte dann unruhig den Kopf. Das gesamte Ansinnen war absurd und nicht eines Gentleman unwürdig. Er würde die Männer belehren müssen.
„Mr. Featherham, Mr. Plan, das kann ich nicht akzeptieren“, erklärte er ruhig, mit ernsten Blick, „sobald Sie so vorgehen wird leicht der Schluss folgen, dass Absicht dahinter steckte. Sie können das nicht damit gleichsetzen, was Jungspunde mit reinherzigen Liedern anstellen, Sie möchten ein unsittliches Lied der Jungspunde in ein sittsames Lied für Jungspunde umdichten ohne zu beachten, dass schon ein Einziger reicht, der des Englischen mächtig ist damit bald die halbe Deutsche Jugend nichts besseres zu tun hat als damit über alles Edle und Gute zu spotten. Ich muss Ihr Ansinnen ablehnen, niemals werde ich meinen Namen dafür hergeben“
Der Gnom lächelte sofort nur noch sehr dünn, sein Kunde schnaubte wütend. Utterson blickte nach Links. Sein Diener, der das Signal verstand, fasste den schweren Leuchter in seiner Hand ein wenig fester. Falls die Männer die Fasson verlieren sollten, würden sie 10 Pfund versilbertes Metall zu spüren bekommen. Mr. Plank plusterte sich nun auf, lächelte dann plötzlich unglaublich charmant.
„Mr. Utterson, ich glaube Sie missverstehen mich. Ich möchte mit anständigen Liedern genau so viel verdienen, wie es andere mit unanständigen Zoten tun. Was ist dagegen einzuwenden?“
Utterson blickte ihn ungehalten an, betrachtete erneut die Liedtexte. Was sei denn dagegen einzuwenden? Er dachte darüber nach, schüttelte dann erneut den Kopf.
„Das ist nicht akzeptabel. Bald würden Übersetzungen auf Englisch kursieren, und innerhalb von Wochen führen überall anständige Kinder und Heranwachsende diese Lieder auf, manche werden bereits nach wenigen Tagen merken warum das widerlichste Gesindel sie noch motiviert zu singen und andere nicht mal nach Monaten. Es geht darum, was Heranwachsende hören können, wenn sie nicht mit kühlem Kopf hören wollen um Respekt zu zollen, Ihr Ansinnen ist so grauenhaft wie Ihre Idee. Die verdorbenste Art ist immerhin nicht die offensichtliche Unsittlichkeit, sondern die unbewusste Unsittlichkeit zu der geradezu trickreich verleitet wird. Ihre Lieder sind wie Janus, mein Herr, und Jana zugleich, ich muss Ihr Ansinnen ablehnen und rate davon ab“
Der Gnom wurde bleich, seine Lippen schmal, sein Lächeln eiskalt. Mr. Plank wirkte als ob er jemanden erwürgen wollte. Da schnellte er auch schon vor, ergriff den Gnom und schrie ihn an.
„Du wirst keine Farthing von mir bekommen, du Taugenichts!“, donnerte der Mann.
Der Diener wartete darauf, dass er ein Zeichen bekam einzugreifen, doch Utterson wartete ab. Da ließ der Mann auch schon von dem Gnom ab, schnaubte verächtlich, entspannte die Fäuste. Schaute dann charmant drein, zwinkerte Utterson betont freundlich zu, als sei alles nur der Streich eines kleinen Jungen gewesen.
„Verzeihen Sie bitte“, bot der Mann an, „Ich habe Wochen Arbeit investiert, die ich profitabel verbringen wollte. Ich werde diesen boshaften Gnom laufen lassen, er darf seine Geschäftsidee behalten. Julius, geh, und versuche nicht mir einen anderen Anwalt aufzuschwatzen. Was schulde ich ihnen, Mr. Utterson?“
Utterson sah zu, wie der Gnom Papier, Feder und Büchlein verschwinden ließ. Dann tonlos verschwand. Ihn beruhigte, dass sein Diener im Raum blieb. Der Mann hatte selbst was von Janus, und beunruhigt dachte Utterson an einen früheren Freund.
„1 Englisches Pfund, dafür haben Sie bald eine ausführliche Begründung in der Hand“, darauf bestand er mit ruhiger Miene, denn Mr. Plank wirkte nicht so als ob er eine freigiebige Natur sei.
Er wirkte nicht erfreut, aber beglich die Rechnung, was Utterson fröhlich quittierte. Dann lächelte der Mann erneut jungenhaft, verneigte sich höflich, und ging.
Utterson jedoch fragte sich noch Jahre später, ob er diesem Janus nun geholfen hatte Gift zu verbreiten, oder ihm geschadet, denn kein einziges Lied dieses Mannes das ihm zu Ohren kam, wirkte auch nur im geringsten anständig. Überall troff das Frivole hervor, flossen die Möglichkeiten, sprühten Fantasien bis noch ein Lied kniender, höflicher Liebe anmutete wie eine Zote, so denn man bereit war die Räume und Träume zu wünschen welche der Jugend im Reflex leicht fallen.
Bald mehrten sich die Gerüchte, dass Mr. Plank verhaftet werden solle, bald schwanden sie wieder, und dann war er verschwunden. Das Einzige Gerücht das blieb war, dass dieser Janus für jene Lieder verantwortlich war, die immer öfter aus Deutschland herüber schwappten wie eine giftige Mode. So lud Utterson erneut den Gnom zu sich ein, denn ihn besorgte, was sich in der Gesellschaft bewegte.
Der Gnom fand sich bei ihm ein und setzte sich an den Tisch, Stille waberte zwischen beiden wie Smog.
„Mr. Gabriel John Utterson“, stellte sich Utterson vor, „Ich wäre erfreut über einen Rat unter Gelehrten“
Der Gnom lächelte listig, streckte die Hand aus und ließ eine 5-Pfundnote auf den Tisch fallen.
„Julius Carolius Featherham“, stellte er sich vor, „Ich wäre erfreut, wenn Sie mich in der Frage vertreten ob Mr. Plank mich um Gewinne betrogen hat“
Utterson lehnte die Pfundnote verwundert ab, immerhin war das nicht sein Metier.
„Verraten Sie mir doch, was nach unserem letzten Gespräch vorgefallen ist“, schlug er vor.
Der Gnom lief rot an, Zornesfalten zogen tiefe Furchen auf seiner Stirn, dann grollte er leise.
„Der miese Hund hat seine Lieder als Zoten für Heranwachsende verbreitet, und die blinden Eltern wollten nicht erkennen wie bitter Apfelkuchen sein kann. Sie erkennen nicht, wie frivol die Möglichkeiten sind und verkennen das Herz ihrer Kinder wie naive Mädchen“, erklärte der Gnom düster.
Utterson seufzte und ließ den Kopf hängen.
„Dann hat er Ihre Idee rechtlich nicht befolgt, sondern sie verworfen. Es tut mir Leid, aber so ist es“
Der Gnom schwieg lange, nickte dann grimmig und ging. Aber Utterson zitterte, einen ganze Woche konnte er keine Ruhe finden, immerhin war ihn erneut ein Janus entwischt. Nur hatte dieser Janus nichts von seinem früheren Freund an sich, keine edlen Züge, wie die Verkörperung eines gierigen Bacchus war er aufgetaucht von Sehnsüchten gebändigt, hatte Julius Carolius Featherham zusammen mit Utterson betrogen um dann die ganze Welt zu betrügen. Er hatte versagt und das wusste er. Er war ans Schweigen gebunden, das sein Berufsethos mit sich brachte, wie damals bei seinem Freund.
Das war der Grund warum Utterson entschied nie wieder Menschen zu beraten, die einem Janus gleichte und nichts anderes im Sinn zu haben schien als die Jugend zwischen Mühlsteinen der Gier eines heidnischen Königs zu zermalmen bis alle als Janus lebten, ob Junge oder Mädchen, Vater oder Mutter, Bruder oder Schwester.
Eine Woche später setzte sich Utterson zur Ruhe und überließ die Kanzlei Julius Carolius Featherham für eine ungewöhnlich geringe Summe mit einer Klausel als Bedingung:
„Die Schweigepflicht dieser Kanzlei endet dort, wo drei Bischöfe der Anglikanischen Kirche entscheiden schriftlich Einspruch einzulegen, wenn die Kanzlei diese ohne Nennung des Namens des Mandaten um Rat in der vertretenen Rechtsangelegenheit bittet“
Das und nur das gab Utterson den Frieden, den er die letzten Jahre seines Lebens tief in sich trug, dort wo Gott wieder Raum hatte und die Gier in Zaum gehalten blieb, wie er es immer gehalten hatte.
Ende.
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