Kaltes Gift
von ReScripta
Kurzbeschreibung
Normalerweise ergreift Klapperschlangen Jake für niemanden Partei. Hauptsache der Preis stimmte. Doch als er während eines Jahrmarktes auf einen kleinen Wanderzirkus trifft, macht er eine Ausnahme …
GeschichteAngst, Schmerz/Trost / P12 / Gen
Klapperschlangen Jake
OC (Own Character)
30.01.2023
18.03.2023
3
5.444
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18.03.2023
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Hallo, bevor es zum Kapitel geht, noch ein Wort vorweg gegen die Klapperschlangen-Schlachtungen, die diesen Monat leider wieder losgehen. Entgegen der Meinung der gefühlskalten Veranstalter, dass es nicht so schlimm sei, Klapperschlangen so zu behandeln, muss gesagt werden, dass auch Klapperschlangen wie andere Tiere Schmerzen und Leiden spüren können. Von daher wird dieses Kapitel vielleicht auch für dieses düstere Wochenende eine kleine Beileidsbekundung für die Klapperschlangen werden, die in Sweetwater/Texas gerade Schlimmes durchmachen müssen. RIP.
Es war tief in der Nacht. Ruhe war über dem Zirkusplatz eingekehrt. Im Gegensatz zu den Häusern der Stadt, wo das Trinkgelage erst jetzt richtig losging. Jake konnte die grölenden Rufe der Betrunkenen sogar bis zu seinem Versteck hören. Doch er ignorierte das hirnlose Leben der anderen. Er behielt nur das Zelt im Auge. Es wunderte ihn, dass noch keiner herauskommen war wie letzte Nacht, um in den Wohnwagen zu gehen. Auch war kein Geräusch aus dem Zelt zu hören, und genau das machte Jake nervös.
Was tat sich da drinnen gerade? Ob er doch nochmal nachsehen sollte?
Wie aufs Stichwort leuchtete auf einmal eine Lampe am Zelteingang auf. Jake drückte sich gegen den Felsen. Ramirez verließ das Zelt. Er hielt eine Laterne vor sich und trug eine Art Bündel auf den Schultern. Jake konnte nicht erkennen, was es war. Dafür war das Licht und der Mond zu schwach. Ramirez entfernte sich vom Zelt, doch statt auf den Wohnwagen zuzugehen, entfernte er sich vom Gelände. Jake ließ eine Weile verstreichen, bis er sich von dem Felsen löste und der Spur mit seinem Geruchssinn folgte. So bestand keine Gefahr für ihn entdeckt zu werden, falls Ramirez sofort zurückkehren sollte. Die Fährte führte den Hügel rauf, Richtung der alten Mienen. Jake verengte die Augen. Was hatte dieser Typ mitten in der Nacht dort vor?
Es war einsam in der Nähe des alten Mienenwerkes. Vor dem nächsten Stollen befanden sich baufällige Verschläge alter Bretterbuden. Neben einer von ihnen hielt Ramirez an. Dort an einem Haken hängte er die Laterne und drehte sie voll auf. Anschließend warf er das Bündel von seinen Schultern ab.
Jake, der ihm bisher gefolgt war, lugte um einen Felsen. Das Laternenlicht beleuchtete gut die Umgebung. Jetzt konnte Jake sehen, was Ramirez die ganze Zeit getragen und auf den Boden geworfen hatte. Die vier kleinen Klapperschlangen waren aneinander zusammengebunden wie ein Bündel Stroh. Mühsam wanden sie sich in den Stricken, fanden aber keinen Weg um freizukommen. Ramirez beugte sich zu ihnen herunter. Im Licht blitzte ein Messer auf. Jake vernahm einen dumpfen Kinderschrei. Da er keine klaren Rufe hören konnte, waren den Schlangen wahrscheinlich wieder die Mäuler zugebunden. Ramirez schnitt eine von ihnen los und schliff sie am Schwanz hinter sich her wie einen nassen Sack. Die kleine Klapperschlange zappelte wie ein Wurm in seinem Griff. Jake konnte nur vermuten, dass es dieselbe Schlange gewesen war, die dem Betrunkenen gebissen hatte. Als die kleine Schlange mit dem Kopf nach Ramirez stieß, versetzte er ihr einen harten Fußtritt. Die Schlange schrie dumpf auf, und es klang beinahe wie ein weinerliches Betteln. Trotz ihrer hilflosen Lage versuchte sie sich mit dem Körper auf den Boden zu stemmen, doch Ramirez zog sie erbarmungslos hinter sich her.
Neben einer der Hütten hielt er an, packte die Schlange am Genick und hängte sie an einen hohen Zaun, wie ein zum trocknen aufgehängtes altes Wäschestück.
Jake erkannte im Dunkeln nicht viel, fühlte sich aber in seiner Vermutung bestätigt, dass die kleine Schlange wieder ein Seil ums Maul gebunden bekommen hat, woran sie jetzt in der Luft hing.
Anschließend trat Ramirez ein paar Schritte zurück, holte seine Peitsche raus und schlug ein paar mal auf die hängende Schlange ein, woraufhin eine Reihe wimmernde Schreie folgten. Jakes Augenmerk wanderte kurz zu den drei zusammengebundenen kleinen Schlangen auf dem Boden, die sämtliche Versuche unternahmen sich aus den Stricken herauszuwinden.
Eines davon rief etwas dumpf durch den geknebelten Mund, vermutlich eine Bitte um Gnade.
Doch Ramirez spuckte nur auf den Boden und rollte die Peitsche zusammen. Doch in der gleichen Sekunde schlug er mit der Peitsche nach den am Boden liegenden Schlangenkindern. Der schmerzhafte Schlag ließ die Kleinen aufjaulen.
Wieder spuckte Ramirez auf den Boden. „Das hätte euch erspart bleiben können“, begann er abfällig, „wenn eurer Bruder sich heute nicht so daneben benommen hätte.“ Wieder schlug er mit der Peitsche, allerdings diesmal laut in die Luft. Anscheinend um ihnen weiterhin Angst einzujagen. „Wenn herauskommen sollte, dass ich euch die Giftdrüsen entfernt habe, und ihr nicht giftig seid, dann ist es aus für meine Nummer.“
Jake hob aufmerksam den Kopf. Das war also der „Trick“ gewesen.
Ramirez steckte die Peitsche ein und holte eine Pistole aus der Jacke heraus. „Ich werde es euch wohl so beibringen müssen, damit ihr es lernt.“
Zuerst herrschte absolute Stille, doch dann erhob sich eine der kleinen Klapperschlangen im Bündel und rief Ramirez etwas zu.
Ramirez schnalzte spöttisch mit der Zunge. „Zu spät für Entschuldigungen.“ Er griff erneut in die Tasche und holte einen länglichen Gegenstand hervor. Jakes Augen weiteten sich, als er es auf die Pistole draufschraubte.
Ein Schalldämpfer. Niemand sollte den Schuss hören. Elender Feigling.
Dumpfe Schreie wurden laut, als Ramirez die Pistole auf das Bündel richtete. Er feuerte ab, schoss aber nur neben die Kleinen in den Boden. Die drei schrien auf, rollten sich herum, aus Angst er würde sie wirklich treffen.
Ramirez lachte amüsiert und feuerte erneut ab, wieder daneben.
Jake hörte die Kleinen nur dumpf weinen. Wenigstens zeigte Ramirez kein Interesse an den jammernden Reptilien vor sich und drehte die Pistole spielerisch in der Hand herum.
„Ach, bestraft werdet ihr noch später. Jetzt kommt erst mal euer Bruder dran.“
Er wandte sich ab. Doch das veranlasste eine der Kleinen den Kopf zu heben und laute jammernde Geräusche auszurufen. Doch dem Dompteur ließ es völlig kalt und wandte sich jetzt der immer noch hängenden Klapperschlange zu. „Dein Auftritt von heute war leider hundsmiserabel“, knurrte Ramirez sie an. „Willst du wissen, wie man jemandem Manieren beibringt, der sich nicht benimmt? Schon gar nicht auf einer Aufführung?“ Er hielt die Pistole hoch. „Das werde ich dir gerne zeigen.“ Er richtete die Pistole auf die hängende Klapperschlange. „Du hast mich heute äußerst lächerlich gemacht.“ Er trat näher an sie heran. „Glücklicherweise kann ich auch gut eine Show mit nur drei Bandwürmern aufführen.“ Die Kugel traf den Klapperschlangen-Jungen fast in der Körpermitte. Ein Schuss war zwar nicht zu hören, doch die Schlange zuckte heftig zusammen, dicht gefolgt von einem unterdrückten Schrei. Ramirez ließ ein paar Sekunden verstreichen, ließ die angeschossene Schlange etwas zappeln vor Schmerz. Anscheinend amüsierte ihn das. Schließlich boxte er dem Jungen in die Seite, woraufhin sich die hängende Schlange krümmte. Dann packte er ihn am Schwanz und drückte die Pistole jetzt auf seinen Kopf.
In Jakes Hirn legte sich ein Schalter bei diesem Anblick, der alles um ihn herum ausknipste. Er sah nichts mehr als nur einen Tunnelblick, beherrscht von einem blinden Zorn. Er fühlte nicht mehr wie er den Hügel runterrutschte. Schnell und dennoch fast geräuschlos.
In dieser einen Sekunde nahm der Dompteur eine Bewegung aus dem Augenwinkel war. Zwar feuerte er die Kugel in den Kopf des Schlangenjungen ab, aber diese kurze Ablenkung hatte ihn dazu veranlasst den Lauf der Pistole etwas zur Seite zu schwenken. Ramirez drehte sich zwar noch zu Jake um, doch er kam nicht mehr dazu einen Schuss auf ihn abzufeuern. Wie eine Wand warf sich der Western-Sensenmann gegen Ramirez und packte ihn in seinem tödlichen Würgegriff. Mit Zorn geladen drückte Jake kräftig zu. Es war nur eine Frage von Sekunden. Jake spürte nur noch ein Knacken zwischen seinen Körperschlingen und wie der Puls seines Opfers abrupt abbrach. Jake verharrte noch ein paar Sekunden, dann lockerte er seinen Würgegriff und Ramirez’ Leiche sank zu Boden.
Totenstille trat ein. Als hätte die Luft rundherum aufgehört zu atmen. Alles wirkte wie tot.
Noch immer zittrig vor Wut starrte Jake auf den toten Körper. Ein Mord ohne Bezahlung. Wenigstens hatte er weder Gift noch Kugeln für diesen Müll verschwenden müssen.
Irgendwann wandte er sich von der Leiche ab und sein Blick wanderte zu der noch am Zaun hängenden kleinen Klapperschlange. Zögernd näherte er sich ihr und befühlte den Körper. Der Junge bewegte sich nicht mehr, doch Jake konnte noch einen leichten Puls spüren. Er züngelte mit der Zunge. Er roch das Blut, das aus den Schusswunden trat. Sachte schlang Jake einen Teil seines Körpers um den Hängenden herum und holte ihn vom Zaun herunter. Sorgsam betrachtete er ihn. Die Augen waren geschlossen und wie vermutet, war das Maul der Schlange mit einem Tuch verstopft und mit Seilen verschnürt. Die Kugel hatte zwar den Kopf getroffen, aber der Tod war noch nicht eingetreten. Schweigend starrte Jake auf ihn herab. Sollte er den Jungen von seinem Leid erlösen? Ein Kopfschuss musste nicht heißen, dass er sterben würde, aber war es das wert noch etwas zu unternehmen?
Jake hielt den Schlangenjungen mehr ins Laternenlicht. Bei jeder Bewegung, die er auf den Jungen ausübte, spürte er die leichten Krämpfe des kleinen Körpers. Jake war hin- und hergerissen. Er war kurz davor, dem Jungen einfach den Gnadenschuss zu verpassen, aber seine eigene Spezies zu eliminieren war nicht seine Art. Schon gar nicht unter diesen Umständen.
So langsam spürte Jake eine Eile in sich aufsteigen, die seinen Puls höher schlagen ließ. Wenn er noch etwas tun wollte, dann musste er so schnell wie möglich weg von hier. Der nächste für ihn bekannte Arzt war zwar nicht um die Ecke, aber je länger er wartete, desto mehr schwanden die Chancen.
Jake horchte auf, als er ein Rascheln nicht weit vernahm und er drehte sich zu den kleinen gefesselten Klapperschlangen um. Jake fing ihre ängstlichen Blicke auf. Sie atmeten heftig und auch ihre Münder waren wie bei dem angeschossenen Jungen auf die gleiche Art und Weise geknebelt.
Mit einem Seufzer kroch Jake auf sie zu. Ramirez hatte sie wirklich stark verschnürt. Es war ein Wunder, dass die Kleinen noch mit ihrer Lunge atmen konnten, doch um die Fesseln zu lösen, würde das für Jake, ohne Hände und Messer, etwas Zeit in Anspruch nehmen. Und genau diese hatte er nicht.
Vorsichtig schob er seine Schwanzspitze vor und umwickelte das Schlangenbündel. Die Körper der Kinder waren zwar verkrampf, aber gleichzeitig auch dünn und erschöpft. Sie hatten in der Gefangenschaft wohl kaum etwas zu Essen bekommen. Kaum hatte Jake sie feste im Griff, wanden sich die Kleinen heftig. Sie erwarteten wohl, dass ihnen dasselbe widerfuhr wie ihrem ehemaligen Peiniger. Jake konnte sich vorstellen, dass seine glühenden Augen für die Kleinen dämonisch wirkten, aber daran konnte er jetzt nichts ändern. Jedoch konnte er nicht viel mit zappelnden Schlangenkindern anfangen. Er wollte nicht das Risiko eingehen, sie im Maul zu transportieren und darin Gefahr bestand sie mit seinen Giftzähnen zu verletzen.
„Hört auf damit!“, wies Jake sie an. „Ich habe nicht vor euch was anzutun, aber wenn ihr euch weiterhin so aufführt, kann ich euch auch einfach hier liegenlassen. Wegen euch kann ich keine Zeit verschwenden.“ Sein Blick wanderte auf den Klapperschlangen-Jungen. „Wenn er noch länger hier bleibt, dann stirbt er.“ Jake konnte zwar nicht sagen, ob der Junge überhaupt noch eine Überlebenschance hatte, aber immerhin er hatte noch eine Minimale. „Also werdet ihr euch jetzt ruhig verhalten?“
Zuerst verharrten die Schlangenkinder mucksmäuschenstill. Sie wirkten verstört, was Jake ihnen nicht verdenken konnte. Schließlich nickte eines von ihnen mit dem Kopf, was Jake wieder friedlicher in seinem Tonfall stimmte. „Na also.“
Geschickt bugsierte er die zusammengebundenen Schlangen auf seinen Hals unterhalb seines Kopfes. Jake spürte ihre heftigen Pulsschläge. Die angeschossene Schlange legte er auf seinen Rücken ab. Wegen seines Kugelgürtels konnte sie ihm nicht wegrutschen. Nachdem er sich sicher war, dass die Kleinen auf seinem Hals nicht herunterfallen konnten, setzte er sich in Bewegung. Er machte sich nicht einmal die Mühe Ramirez’ Leiche verschwinden zu lassen und verließ so schnell er konnte diese Gegend.
3. Todgeweihte
Es war tief in der Nacht. Ruhe war über dem Zirkusplatz eingekehrt. Im Gegensatz zu den Häusern der Stadt, wo das Trinkgelage erst jetzt richtig losging. Jake konnte die grölenden Rufe der Betrunkenen sogar bis zu seinem Versteck hören. Doch er ignorierte das hirnlose Leben der anderen. Er behielt nur das Zelt im Auge. Es wunderte ihn, dass noch keiner herauskommen war wie letzte Nacht, um in den Wohnwagen zu gehen. Auch war kein Geräusch aus dem Zelt zu hören, und genau das machte Jake nervös.
Was tat sich da drinnen gerade? Ob er doch nochmal nachsehen sollte?
Wie aufs Stichwort leuchtete auf einmal eine Lampe am Zelteingang auf. Jake drückte sich gegen den Felsen. Ramirez verließ das Zelt. Er hielt eine Laterne vor sich und trug eine Art Bündel auf den Schultern. Jake konnte nicht erkennen, was es war. Dafür war das Licht und der Mond zu schwach. Ramirez entfernte sich vom Zelt, doch statt auf den Wohnwagen zuzugehen, entfernte er sich vom Gelände. Jake ließ eine Weile verstreichen, bis er sich von dem Felsen löste und der Spur mit seinem Geruchssinn folgte. So bestand keine Gefahr für ihn entdeckt zu werden, falls Ramirez sofort zurückkehren sollte. Die Fährte führte den Hügel rauf, Richtung der alten Mienen. Jake verengte die Augen. Was hatte dieser Typ mitten in der Nacht dort vor?
Es war einsam in der Nähe des alten Mienenwerkes. Vor dem nächsten Stollen befanden sich baufällige Verschläge alter Bretterbuden. Neben einer von ihnen hielt Ramirez an. Dort an einem Haken hängte er die Laterne und drehte sie voll auf. Anschließend warf er das Bündel von seinen Schultern ab.
Jake, der ihm bisher gefolgt war, lugte um einen Felsen. Das Laternenlicht beleuchtete gut die Umgebung. Jetzt konnte Jake sehen, was Ramirez die ganze Zeit getragen und auf den Boden geworfen hatte. Die vier kleinen Klapperschlangen waren aneinander zusammengebunden wie ein Bündel Stroh. Mühsam wanden sie sich in den Stricken, fanden aber keinen Weg um freizukommen. Ramirez beugte sich zu ihnen herunter. Im Licht blitzte ein Messer auf. Jake vernahm einen dumpfen Kinderschrei. Da er keine klaren Rufe hören konnte, waren den Schlangen wahrscheinlich wieder die Mäuler zugebunden. Ramirez schnitt eine von ihnen los und schliff sie am Schwanz hinter sich her wie einen nassen Sack. Die kleine Klapperschlange zappelte wie ein Wurm in seinem Griff. Jake konnte nur vermuten, dass es dieselbe Schlange gewesen war, die dem Betrunkenen gebissen hatte. Als die kleine Schlange mit dem Kopf nach Ramirez stieß, versetzte er ihr einen harten Fußtritt. Die Schlange schrie dumpf auf, und es klang beinahe wie ein weinerliches Betteln. Trotz ihrer hilflosen Lage versuchte sie sich mit dem Körper auf den Boden zu stemmen, doch Ramirez zog sie erbarmungslos hinter sich her.
Neben einer der Hütten hielt er an, packte die Schlange am Genick und hängte sie an einen hohen Zaun, wie ein zum trocknen aufgehängtes altes Wäschestück.
Jake erkannte im Dunkeln nicht viel, fühlte sich aber in seiner Vermutung bestätigt, dass die kleine Schlange wieder ein Seil ums Maul gebunden bekommen hat, woran sie jetzt in der Luft hing.
Anschließend trat Ramirez ein paar Schritte zurück, holte seine Peitsche raus und schlug ein paar mal auf die hängende Schlange ein, woraufhin eine Reihe wimmernde Schreie folgten. Jakes Augenmerk wanderte kurz zu den drei zusammengebundenen kleinen Schlangen auf dem Boden, die sämtliche Versuche unternahmen sich aus den Stricken herauszuwinden.
Eines davon rief etwas dumpf durch den geknebelten Mund, vermutlich eine Bitte um Gnade.
Doch Ramirez spuckte nur auf den Boden und rollte die Peitsche zusammen. Doch in der gleichen Sekunde schlug er mit der Peitsche nach den am Boden liegenden Schlangenkindern. Der schmerzhafte Schlag ließ die Kleinen aufjaulen.
Wieder spuckte Ramirez auf den Boden. „Das hätte euch erspart bleiben können“, begann er abfällig, „wenn eurer Bruder sich heute nicht so daneben benommen hätte.“ Wieder schlug er mit der Peitsche, allerdings diesmal laut in die Luft. Anscheinend um ihnen weiterhin Angst einzujagen. „Wenn herauskommen sollte, dass ich euch die Giftdrüsen entfernt habe, und ihr nicht giftig seid, dann ist es aus für meine Nummer.“
Jake hob aufmerksam den Kopf. Das war also der „Trick“ gewesen.
Ramirez steckte die Peitsche ein und holte eine Pistole aus der Jacke heraus. „Ich werde es euch wohl so beibringen müssen, damit ihr es lernt.“
Zuerst herrschte absolute Stille, doch dann erhob sich eine der kleinen Klapperschlangen im Bündel und rief Ramirez etwas zu.
Ramirez schnalzte spöttisch mit der Zunge. „Zu spät für Entschuldigungen.“ Er griff erneut in die Tasche und holte einen länglichen Gegenstand hervor. Jakes Augen weiteten sich, als er es auf die Pistole draufschraubte.
Ein Schalldämpfer. Niemand sollte den Schuss hören. Elender Feigling.
Dumpfe Schreie wurden laut, als Ramirez die Pistole auf das Bündel richtete. Er feuerte ab, schoss aber nur neben die Kleinen in den Boden. Die drei schrien auf, rollten sich herum, aus Angst er würde sie wirklich treffen.
Ramirez lachte amüsiert und feuerte erneut ab, wieder daneben.
Jake hörte die Kleinen nur dumpf weinen. Wenigstens zeigte Ramirez kein Interesse an den jammernden Reptilien vor sich und drehte die Pistole spielerisch in der Hand herum.
„Ach, bestraft werdet ihr noch später. Jetzt kommt erst mal euer Bruder dran.“
Er wandte sich ab. Doch das veranlasste eine der Kleinen den Kopf zu heben und laute jammernde Geräusche auszurufen. Doch dem Dompteur ließ es völlig kalt und wandte sich jetzt der immer noch hängenden Klapperschlange zu. „Dein Auftritt von heute war leider hundsmiserabel“, knurrte Ramirez sie an. „Willst du wissen, wie man jemandem Manieren beibringt, der sich nicht benimmt? Schon gar nicht auf einer Aufführung?“ Er hielt die Pistole hoch. „Das werde ich dir gerne zeigen.“ Er richtete die Pistole auf die hängende Klapperschlange. „Du hast mich heute äußerst lächerlich gemacht.“ Er trat näher an sie heran. „Glücklicherweise kann ich auch gut eine Show mit nur drei Bandwürmern aufführen.“ Die Kugel traf den Klapperschlangen-Jungen fast in der Körpermitte. Ein Schuss war zwar nicht zu hören, doch die Schlange zuckte heftig zusammen, dicht gefolgt von einem unterdrückten Schrei. Ramirez ließ ein paar Sekunden verstreichen, ließ die angeschossene Schlange etwas zappeln vor Schmerz. Anscheinend amüsierte ihn das. Schließlich boxte er dem Jungen in die Seite, woraufhin sich die hängende Schlange krümmte. Dann packte er ihn am Schwanz und drückte die Pistole jetzt auf seinen Kopf.
In Jakes Hirn legte sich ein Schalter bei diesem Anblick, der alles um ihn herum ausknipste. Er sah nichts mehr als nur einen Tunnelblick, beherrscht von einem blinden Zorn. Er fühlte nicht mehr wie er den Hügel runterrutschte. Schnell und dennoch fast geräuschlos.
In dieser einen Sekunde nahm der Dompteur eine Bewegung aus dem Augenwinkel war. Zwar feuerte er die Kugel in den Kopf des Schlangenjungen ab, aber diese kurze Ablenkung hatte ihn dazu veranlasst den Lauf der Pistole etwas zur Seite zu schwenken. Ramirez drehte sich zwar noch zu Jake um, doch er kam nicht mehr dazu einen Schuss auf ihn abzufeuern. Wie eine Wand warf sich der Western-Sensenmann gegen Ramirez und packte ihn in seinem tödlichen Würgegriff. Mit Zorn geladen drückte Jake kräftig zu. Es war nur eine Frage von Sekunden. Jake spürte nur noch ein Knacken zwischen seinen Körperschlingen und wie der Puls seines Opfers abrupt abbrach. Jake verharrte noch ein paar Sekunden, dann lockerte er seinen Würgegriff und Ramirez’ Leiche sank zu Boden.
Totenstille trat ein. Als hätte die Luft rundherum aufgehört zu atmen. Alles wirkte wie tot.
Noch immer zittrig vor Wut starrte Jake auf den toten Körper. Ein Mord ohne Bezahlung. Wenigstens hatte er weder Gift noch Kugeln für diesen Müll verschwenden müssen.
Irgendwann wandte er sich von der Leiche ab und sein Blick wanderte zu der noch am Zaun hängenden kleinen Klapperschlange. Zögernd näherte er sich ihr und befühlte den Körper. Der Junge bewegte sich nicht mehr, doch Jake konnte noch einen leichten Puls spüren. Er züngelte mit der Zunge. Er roch das Blut, das aus den Schusswunden trat. Sachte schlang Jake einen Teil seines Körpers um den Hängenden herum und holte ihn vom Zaun herunter. Sorgsam betrachtete er ihn. Die Augen waren geschlossen und wie vermutet, war das Maul der Schlange mit einem Tuch verstopft und mit Seilen verschnürt. Die Kugel hatte zwar den Kopf getroffen, aber der Tod war noch nicht eingetreten. Schweigend starrte Jake auf ihn herab. Sollte er den Jungen von seinem Leid erlösen? Ein Kopfschuss musste nicht heißen, dass er sterben würde, aber war es das wert noch etwas zu unternehmen?
Jake hielt den Schlangenjungen mehr ins Laternenlicht. Bei jeder Bewegung, die er auf den Jungen ausübte, spürte er die leichten Krämpfe des kleinen Körpers. Jake war hin- und hergerissen. Er war kurz davor, dem Jungen einfach den Gnadenschuss zu verpassen, aber seine eigene Spezies zu eliminieren war nicht seine Art. Schon gar nicht unter diesen Umständen.
So langsam spürte Jake eine Eile in sich aufsteigen, die seinen Puls höher schlagen ließ. Wenn er noch etwas tun wollte, dann musste er so schnell wie möglich weg von hier. Der nächste für ihn bekannte Arzt war zwar nicht um die Ecke, aber je länger er wartete, desto mehr schwanden die Chancen.
Jake horchte auf, als er ein Rascheln nicht weit vernahm und er drehte sich zu den kleinen gefesselten Klapperschlangen um. Jake fing ihre ängstlichen Blicke auf. Sie atmeten heftig und auch ihre Münder waren wie bei dem angeschossenen Jungen auf die gleiche Art und Weise geknebelt.
Mit einem Seufzer kroch Jake auf sie zu. Ramirez hatte sie wirklich stark verschnürt. Es war ein Wunder, dass die Kleinen noch mit ihrer Lunge atmen konnten, doch um die Fesseln zu lösen, würde das für Jake, ohne Hände und Messer, etwas Zeit in Anspruch nehmen. Und genau diese hatte er nicht.
Vorsichtig schob er seine Schwanzspitze vor und umwickelte das Schlangenbündel. Die Körper der Kinder waren zwar verkrampf, aber gleichzeitig auch dünn und erschöpft. Sie hatten in der Gefangenschaft wohl kaum etwas zu Essen bekommen. Kaum hatte Jake sie feste im Griff, wanden sich die Kleinen heftig. Sie erwarteten wohl, dass ihnen dasselbe widerfuhr wie ihrem ehemaligen Peiniger. Jake konnte sich vorstellen, dass seine glühenden Augen für die Kleinen dämonisch wirkten, aber daran konnte er jetzt nichts ändern. Jedoch konnte er nicht viel mit zappelnden Schlangenkindern anfangen. Er wollte nicht das Risiko eingehen, sie im Maul zu transportieren und darin Gefahr bestand sie mit seinen Giftzähnen zu verletzen.
„Hört auf damit!“, wies Jake sie an. „Ich habe nicht vor euch was anzutun, aber wenn ihr euch weiterhin so aufführt, kann ich euch auch einfach hier liegenlassen. Wegen euch kann ich keine Zeit verschwenden.“ Sein Blick wanderte auf den Klapperschlangen-Jungen. „Wenn er noch länger hier bleibt, dann stirbt er.“ Jake konnte zwar nicht sagen, ob der Junge überhaupt noch eine Überlebenschance hatte, aber immerhin er hatte noch eine Minimale. „Also werdet ihr euch jetzt ruhig verhalten?“
Zuerst verharrten die Schlangenkinder mucksmäuschenstill. Sie wirkten verstört, was Jake ihnen nicht verdenken konnte. Schließlich nickte eines von ihnen mit dem Kopf, was Jake wieder friedlicher in seinem Tonfall stimmte. „Na also.“
Geschickt bugsierte er die zusammengebundenen Schlangen auf seinen Hals unterhalb seines Kopfes. Jake spürte ihre heftigen Pulsschläge. Die angeschossene Schlange legte er auf seinen Rücken ab. Wegen seines Kugelgürtels konnte sie ihm nicht wegrutschen. Nachdem er sich sicher war, dass die Kleinen auf seinem Hals nicht herunterfallen konnten, setzte er sich in Bewegung. Er machte sich nicht einmal die Mühe Ramirez’ Leiche verschwinden zu lassen und verließ so schnell er konnte diese Gegend.