TRIGGERWARNUNG: Kindstod/Hirntod



"Atmen Sie, Sylvia. Sie machen das sehr gut. Und jetzt pressen."
Unter größtmöglicher Anstrengung tat ich, was die Hebamme von mir wollte. Sebastian lag im Schockraum nebenan, der arme war vorhin umgekippt und Eleven war dazu übergegangen, leise Klassikmusik abzuspielen. Was mich wiederum total nervte. Plötzlich ging so etwas wie Ruck durch meinen Körper und irritiert blinzelte ich mehrmals.
"Geschafft! Da ist ihr kleines Mädchen", lächelte die Hebamme und trat nit dem Neugeborenen zum bereitstehenden Kinderarzt. Ich lehnte mich erschöpft zurück und schloss einen Moment die Augen.
"Sylvia, irgendwas stimmt da nicht...", meldete sich plötzlich Eleven und sofort war ich wieder hellwach.
"Vitalwerte?"
"Normal bis auf..."
"Was ist, Eleven?"
Doch bevor die KI antworten konnte, traten Hebamme und der Arzt wieder zu mir. Bliss lag ganz ruhig in einer Art Brutkasten. An der Seite war ein Sauerstoffkonzentrator angebracht. Sie wurde also beatmet. Geschockt blickte ich zu den Medizinern.
"Frau Dr. Hohn... Es tut mir aufrichtig Leid aber Bliss... Ihre Tochter... Sie ist hirntot. Dürfen wir... Ihre Organe spenden?"
Mir klappte der Mund auf.
"Was? Hirntod? Aber das CTG... Ihr Herz schlägt doch!"
"Aber sie zeigt keinerlei messbaren Hirnströme. Sonst ist sie vollkommen... Sie wissen schon."
Ich blickte auf mein Baby, welches friedlich zu schlafen schien. Doch in Wahrheit lief ihr Körper bloß auf Autopilot... Am Leben gehalten von dem Beatmungsgerät im Brutkasten.
"Lassen Sie mich darüber nachdenken... Mein Baby..."
Ich konnte nicht mehr länger gegen die aufsteigenden Tränen ankämpfen und brach weinend zusammen. Die Mediziner entfernten sich nickend und ließen mich allein.

>Auch wenn dir die Ärzte sagen, das es keine Rettung gibt. Höre nicht auf sie und lasse Eleven freie Hand. Hast du mich verstanden?<

Plötzlich kam mir das Gespräch mit Elli in den Sinn und ich atmetete tief durch. Dann griff ich in meine Tasche, die glücklicherweise neben meinem Bett stand. Der Stirnreif...Ich brauchte meinen Visor. Nachdem ich gefunden hatte, was ich wollte, setzte ich mir den Reif auf.
"Eleven! Such nach Möglichkeiten, Bliss zu retten."
"Sylvie..."
"Tu es. Aktiviere Protokoll 0815... Zugang zu den medizinischen Forschungen."
"Protokoll aktiviert, Suche nach Ergebnissen wird gestartet... Die Suche wird etwa fünf Minuten dauern."
"Tu, was du tun musst."
"Verstanden."
In den nächsten Minuten rasselten alle möglichen Informationen über den holografischen Bildschirm. Eines musste man der Foundation wirklich lassen, ihre Forschung im Bereich der Medizin waren Gold wert. Schließlich stoppte die Suche bei einem geheimen Protokoll der Stufe 4... Na geht doch. Ich öffnete die Datei und schluckte. Laut den Berichten war es einem Forschungsteam tatsächlich gelungen, Hirnströme wiederherzustellen, indem sie der hirntoten Person eine KI eingepflanzt hatten. Soweit so gut... Aber wo sollte ich denn jetzt eine KI herbekommen?
"Ich mache es."
"Was?"
"Ich werde mich in Bliss' Körper transferieren."
"Eleven..."
"So werde ich ein sterbliches Geschöpf und erlange Menschlichkeit."
Elevens Avatar erschien auf meinen Bildschirm und lächelte mich an.
"Hab Vertrauen. Ich habe sämtliche Protokolle gespeichert und die Abläufe bereits ins System heruntergeladen."
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und Sebastian kam herein. Er blickte auf den Brutkasten, dann zu mir und schien eins und zwei zusammen zu zählen. Mit einem Mal wirkte er fit und hellwach.
"Was hast du vor? Sylvia..."
"Es gibt eine Möglichkeit, Bliss zu retten. Und diese werden Eleven und ich jetzt ergreifen."
Sebastian wurde blass.
"Ich trauere genauso wie du, Sylvia. Aber damit setzt du dich über deine Kompetenzen hinweg! Damit rufst du die Inquisition auf den Plan!"
"Besser als du, der bis gerade eben noch ausgeknockt war. Ich rette jetzt unser Kind."
Mit wackeligen Beinen stand ich auf und trat an den Brutkasten. Sebastian trat neben mich und nickte mir aufmunternd zu.
"Ich liebe dich, Sylvia. Wir tun das hier gemeinsam. Für Bliss."
"Ich habe die Tür verriegelt. Allerdings müssen wir uns etwas beeilen", meldete Eleven und ich nickte. Dann hoben wir den Deckel des Kastens herunter und ich legte den Stirnreif um den Kopf des Kindes. Dann hob ich mein Handgelenk um in meine Smartwatch zu sprechen.
"SCP-011-DE beginne umgehend den Datentransfer."
"Datentransfer wurde eingeleitet."
"Eleven... Vielen Dank für alles", sagte Sebastian plötzlich.
"Kein Problem. Schließlich bleibe ich ja bei dir und Sylvie. Bis später."
Der Stirnreif blinkte auf.
"Datentransfer abgeschhhhhhhhhhhhhh"
Elevens Stimme wurde zu einem Rauschen und ich nahm Bliss den Stirnreif ab. Ein Klicken signalisierte, das die Tür zum Kreißsaal entriegelt worden war. Der Kinderarzt, die Hebamme und zwei Sicherheitskräfte stürmten in den Raum. Doch ich hatte bloß Augen für meine wunderschöne Tochter. Ihr Haar wurde schneeweiß und Bliss' Augenlieder begannen zu flattern. Dann öffnete das Baby ihre Augen und violette Iriden blickten uns neugierig an. Schließlich  stieß sie ein ungehaltenes Quietschen aus und eilig zog ich sie in meine Arme. Es hatte geklappt... Mit seinem Opfer hatte Eleven unsere Tochter gerettet.

Fortsetzung folgt...