Jahrestag (Beilzeit; Schwertzeit; Windzeit; Wolfzeit - Teil 6)
Kurzbeschreibung
Der Sheriff ist nachtragend, gehässig und verletzend. Wie immer. - Zeitrahmen: Die Geschichte spielt nach der Episode „Richard Löwenherz (The King’s Fool)“. - Diese Geschichte ist die Fortsetzung von "Mitgefühl ist ein Fluch" und die Vorgeschichte zu "Der Stoff, aus dem die Alpträume sind", die ich hier nicht veröffentlichen kann.
GeschichteAllgemein / P12 / Gen
Guy of Gisburne
Robert de Rainault der Sheriff of Nottingham
19.01.2023
19.01.2023
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1.440
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„Ich habe mir überlegt, dass wir an diesem Abend ein bisschen feiern könnten, Gisburne“, verkündete der Sheriff, nachdem Sir Guy – nach einem langen, anstrengenden und frustrierenden Tag – in die Burg zurückgekehrt war. Dem Ritter war zwar auf keinem Fall nach Feiern zumute, aber was sollte er machen, wenn dies der Wunsch von de Rainault war. Allerdings war ihm nicht bewusst, dass es irgendetwas zu feiern geben könnte.
Andererseits … etwas Ablenkung konnte nicht schaden. Die Wintermonate waren zwar in Bezug auf Gesetzlose verhältnismäßig ruhig verlaufen, dafür war in der Burg zu keiner Zeit Ruhe eingekehrt, was mit den Reparaturarbeiten zusammenhing. Die Handwerker waren auch noch nicht fertig damit geworden die Schäden auszubessern, die durch König Richards Belagerungsmaschinen angerichtet worden waren.
„My Lord?“, war dann allerdings alles, was er entgegnete, weil er dem anderen Mann nicht zeigen wollte, dass er keine Ahnung hatte, wovon dieser sprach.
„Ihr habt doch nicht etwa den Jahrestag vergessen, Gisburne“, erwiderte de Rainault mit einem Grinsen, welches dem Ritter überhaupt nicht gefiel.
„Welchen Jahrestag?“ Die Antwort des anderen hatte ihn ziemlich überrascht und daher schaffte er es nicht seine Verblüffung zu verbergen. Seit wann pflegte der Sheriff Jahrestage zu feiern?
„Na, Euren natürlich, Gisburne!“ Das Grinsen des Älteren hatte sich noch verstärkt. Es war nicht zu übersehen, dass der Sheriff sich köstlich zu amüsieren schien.
„Meinen?“ Sir Guy wusste nun überhaupt nicht mehr, woran er war, denn er war sich sicher, er habe keinen Jahrestag zu feiern. Er war sich sogar sehr sicher, dass er überhaupt nichts zu feiern hatte. Dies hatte sich zu keiner Zeit anders dargestellt, seitdem er in Nottingham angekommen war, obwohl er sich das sicherlich anders vorgestellt hatte.
„Natürlich Euren. Obwohl …“, der andere Mann machte eine kurze Pause, „eigentlich sind es sogar zwei Jahrestage. Aber nun beeilt Euch, schließlich werde ich es Euch sicherlich nicht erlauben, Euch in diesen dreckigen Sachen zu mir an die Tafel zu setzen, um zu feiern.“
Zwei Jahrestage? Während er sich aus der Großen Halle entfernte, zerbrach sich der Ritter den Kopf, was der Sheriff damit gemeint haben könnte, aber schließlich musste er – zumindest sich selbst gegenüber – zugeben, dass er keine Ahnung hatte, was los war. Das nutzte allerdings nichts. Wenn de Rainault feiern wollte, dann konnte er daran nichts ändern. Er konnte sich der Aufforderung nicht entziehen, auch wenn er hundemüde war. Sobald er sich also frische Kleidung angezogen hatte – er konnte nicht leugnen, dass es eine Wohltat war das Kettenhemd losgeworden zu sein und die verdreckten Sachen ebenfalls – machte er sich auf den Weg zurück in die Große Halle.
Dort angekommen musste der Ritter feststellen, dass der Sheriff mit dem abendlichen Mahl nicht auf ihn gewartet hatte, aber ehrlich gesagt hatte er das auch nicht erwartet. Beim Anblick des Essens machte ihn sein Magen sofort darauf aufmerksam, dass er an diesem Tag kaum Gelegenheit gehabt hatte, etwas zu sich zu nehmen. Er zögerte nicht lange und durchquerte die Halle mit langen Schritten, um sich an dem Tisch niederzulassen, der sich vor dem erhöht platzierten Stuhl befand, auf dem der Sheriff thronte.
Danach waren die beiden Männer eine ganze Zeitlang nur mit dem Essen beschäftigt, ohne dass einer von ihnen ein einziges Wort geäußert hätte. Der Sheriff enthielt sich sogar seiner üblichen Fragen nach den Geschehnissen dieses Tages, worüber Sir Guy ziemlich froh war. Natürlich war der Ritter sich bewusst, dass er zu einem späteren Zeitpunkt darüber berichten musste, dass er nicht alle Gelder hatte eintreiben können, die die sächsischen Bauern und Leibeigenen de Rainault schuldeten, obwohl er alles mitzurückgebracht hatte, worauf er seine Hände hatte legen können. Dabei hatte er sich glücklich geschätzt, von Hood und seinen Leuten nichts gesehen zu haben.
„Auf Eure Jahrestage, Gisburne!“, rief der Sheriff ganz unvermittelt aus – womit er den Ritter ein weiteres Mal überraschte - und erhob seinen Trinkbecher. Dem Angesprochenen blieb nichts anderes übrig, als sein Mahl zu unterbrechen und seinen Becher ebenfalls zu erheben, auch wenn er immer noch keine Ahnung hatte, worauf der andere eigentlich hinauswollte.
Aber wieder einmal hatte er es nicht geschafft seine Verwirrung vor dem Sheriff zu verbergen. „Ich sehe, dass Ihr mal wieder nicht die geringste Ahnung habt, Gisburne“, gab der Sheriff in einem verächtlichen Tonfall von sich. „Ich kläre Euch aber gerne auf, schließlich bin ich nichts anderes von Euch gewöhnt.“
Er nahm einen weiteren Schluck aus seinem Becher und grinste seinen Untergebenen dann an. Es war offensichtlich, dass ihm diese Situation sehr viel Freude bereitete, weshalb Gisburne nichts Gutes schwante.
„Es ist jetzt zwei Jahre her, dass Robin Hood Euch das erste Mal aus Sherwood herausgeworfen hat. Oder habt Ihr das schon vergessen, so wie Ihr Euch an so vieles andere auch nicht mehr erinnern könnt?“
Sir Guy hatte Glück, dass er in diesem Moment gerade nicht aus seinem Becher trank, denn er hätte sich – aufgrund der Worte des Sheriffs - entweder verschluckt oder Wein über den Tisch gespuckt. Mit großer Wahrscheinlichkeit letzteres. Der erste Rauswurf aus Sherwood? Natürlich erinnerte er sich an diese Demütigung, obwohl er die ganze Angelegenheit gerne vergessen würde. Aus welchem Grund musste de Rainault dies wieder hervorbringen? Hoffentlich war das andere nicht …
„Aber Ihr habt doch sicherlich nicht vergessen, was Ihr vor einem Jahr angestellt habt, Gisburne!“ Mit einem Mal war die Stimme des Sheriffs schneidend geworden und das Grinsen war aus seinem Gesicht verschwunden. „Oder habt Ihr auch die Tatsache aus Eurem Gedächtnis entfernt, dass Ihr eine Scheune im Burghof niedergebrannt habt. Es grenzte schon an ein Wunder, dass nicht noch mehr in Flammen aufgegangen ist!“ Der Sheriff nahm erneut einen Schluck Wein, während Sir Guy wie versteinert auf seinem Platz verharrte, denn er hatte die Situation, auf die der andere anspielte, keinesfalls vergessen und würde dies wohl auch niemals können.
Der Sheriff ließ sich jedoch nicht beirren und fuhr bereits fort: „Ach, ich vergaß. Ihr seid ja ebenfalls in Flammen aufgegangen. Davor habt Ihr es allerdings noch geschafft Euch in den Rücken schießen zu lassen. Sagt mir, welcher Idiot kehrt einem Feind mit einer Armbrust den Rücken zu, Gisburne? Nein, Ihr müsst mir darauf nicht antworten. Aber Ihr seid doch sicherlich meiner Meinung, dass wir diesen Jahrestag feiern sollten?“
Der Ritter musste an sich halten, um nicht aufzuspringen und den Tisch umzuwerfen, um seiner Wut Herr zu werden. Vielleicht würde es aber auch schon reichen, wenn er dem Sheriff seinen Becher an den Kopf warf, denn die Erinnerung an diese Nacht brannte ganz gewiss genauso heiß in ihm wie die Flammen damals auf seinem Körper gebrannt hatten. Darüber hinaus hatte er auch die Narben, die ihn immer wieder an alles erinnerten. Daran, dass er nicht mitbekommen hatte, wie einer der Soldaten seine Armbrust ablegte. Daran, dass er „Lady“ Marion nicht als Gefahr angesehen hatte, sondern sich stattdessen ausschließlich auf Hood konzentrierte. Daran, wie der Bolzen in seinen Rücken eindrang, an den fürchterlichen Schmerz und an das Gefühl, keine Luft zu bekommen. An den Sturz. Und dann erstmal an nichts mehr, bis die Flammen ihn erreicht hatten.
Dem Sheriff schien aber egal zu sein, wie es seinem Untergebenen ging. Er war offenbar noch nicht fertig, denn er fuhr bereits fort. „Ganz zu schweigen davon, dass Ihr Euren Auftrag nicht zu Ende gebracht habt. Es war reines Glück, dass der König die Stadt schon verlassen hatte und auch keine Zeit hatte zurückzublicken. Oder dass niemand sonst etwas von dem wusste, was Ihr hättet tun sollen. Es war eine so einfache Aufgabe. Ihr hättet nur ein paar Menschen im Schlaf töten müssen.“
Gisburne konnte bis heute nicht sagen, was ihn an diesem Tag hatte zögern lassen. Hatte er Hood geweckt, um die Furcht in seinen Augen zu sehen, anstatt ihn im Schlaf zu töten? Er war sich nicht sicher, ob hinter seiner Entscheidung nicht etwas anderes gesteckt hatte. Aber eigentlich war das völlig egal, denn die ganze Sache hatte in einem Desaster geendet und er wäre infolgedessen beinahe selbst gestorben. Im Nachhinein hatte es ihn nur verwundert, dass der Sheriff sich überhaupt die Mühe gemacht hatte ihn behandeln zu lassen. Es wäre doch so viel einfacher gewesen, …
„Warum trinkt Ihr nicht zur Feier Eurer Jahrestage, Gisburne?“, unterbrach die grausame Stimme seines Herrn seine Gedanken und dem Ritter blieb nichts anderes übrig, als dieser Aufforderung Folge zu leisten, obwohl er seine Zähne so fest zusammengebissen hatte, dass es ihm fast unmöglich war, seinen Mund zu öffnen. Aber nun war ihm bewusst, dass er es auf andere Weise schaffen musste, seine Wut – aber vor allem seinen Schmerz – nicht sichtbar werden zu lassen.
Jahrestag! Sir Guy konnte nur hoffen, dass de Rainault nächstes Jahr um diese Zeit an anderes zu denken hatte.
Dann war der Ritter den restlichen Abend über nur noch damit beschäftigt, sich bis zur Besinnungslosigkeit zu besaufen.
Andererseits … etwas Ablenkung konnte nicht schaden. Die Wintermonate waren zwar in Bezug auf Gesetzlose verhältnismäßig ruhig verlaufen, dafür war in der Burg zu keiner Zeit Ruhe eingekehrt, was mit den Reparaturarbeiten zusammenhing. Die Handwerker waren auch noch nicht fertig damit geworden die Schäden auszubessern, die durch König Richards Belagerungsmaschinen angerichtet worden waren.
„My Lord?“, war dann allerdings alles, was er entgegnete, weil er dem anderen Mann nicht zeigen wollte, dass er keine Ahnung hatte, wovon dieser sprach.
„Ihr habt doch nicht etwa den Jahrestag vergessen, Gisburne“, erwiderte de Rainault mit einem Grinsen, welches dem Ritter überhaupt nicht gefiel.
„Welchen Jahrestag?“ Die Antwort des anderen hatte ihn ziemlich überrascht und daher schaffte er es nicht seine Verblüffung zu verbergen. Seit wann pflegte der Sheriff Jahrestage zu feiern?
„Na, Euren natürlich, Gisburne!“ Das Grinsen des Älteren hatte sich noch verstärkt. Es war nicht zu übersehen, dass der Sheriff sich köstlich zu amüsieren schien.
„Meinen?“ Sir Guy wusste nun überhaupt nicht mehr, woran er war, denn er war sich sicher, er habe keinen Jahrestag zu feiern. Er war sich sogar sehr sicher, dass er überhaupt nichts zu feiern hatte. Dies hatte sich zu keiner Zeit anders dargestellt, seitdem er in Nottingham angekommen war, obwohl er sich das sicherlich anders vorgestellt hatte.
„Natürlich Euren. Obwohl …“, der andere Mann machte eine kurze Pause, „eigentlich sind es sogar zwei Jahrestage. Aber nun beeilt Euch, schließlich werde ich es Euch sicherlich nicht erlauben, Euch in diesen dreckigen Sachen zu mir an die Tafel zu setzen, um zu feiern.“
Zwei Jahrestage? Während er sich aus der Großen Halle entfernte, zerbrach sich der Ritter den Kopf, was der Sheriff damit gemeint haben könnte, aber schließlich musste er – zumindest sich selbst gegenüber – zugeben, dass er keine Ahnung hatte, was los war. Das nutzte allerdings nichts. Wenn de Rainault feiern wollte, dann konnte er daran nichts ändern. Er konnte sich der Aufforderung nicht entziehen, auch wenn er hundemüde war. Sobald er sich also frische Kleidung angezogen hatte – er konnte nicht leugnen, dass es eine Wohltat war das Kettenhemd losgeworden zu sein und die verdreckten Sachen ebenfalls – machte er sich auf den Weg zurück in die Große Halle.
Dort angekommen musste der Ritter feststellen, dass der Sheriff mit dem abendlichen Mahl nicht auf ihn gewartet hatte, aber ehrlich gesagt hatte er das auch nicht erwartet. Beim Anblick des Essens machte ihn sein Magen sofort darauf aufmerksam, dass er an diesem Tag kaum Gelegenheit gehabt hatte, etwas zu sich zu nehmen. Er zögerte nicht lange und durchquerte die Halle mit langen Schritten, um sich an dem Tisch niederzulassen, der sich vor dem erhöht platzierten Stuhl befand, auf dem der Sheriff thronte.
Danach waren die beiden Männer eine ganze Zeitlang nur mit dem Essen beschäftigt, ohne dass einer von ihnen ein einziges Wort geäußert hätte. Der Sheriff enthielt sich sogar seiner üblichen Fragen nach den Geschehnissen dieses Tages, worüber Sir Guy ziemlich froh war. Natürlich war der Ritter sich bewusst, dass er zu einem späteren Zeitpunkt darüber berichten musste, dass er nicht alle Gelder hatte eintreiben können, die die sächsischen Bauern und Leibeigenen de Rainault schuldeten, obwohl er alles mitzurückgebracht hatte, worauf er seine Hände hatte legen können. Dabei hatte er sich glücklich geschätzt, von Hood und seinen Leuten nichts gesehen zu haben.
„Auf Eure Jahrestage, Gisburne!“, rief der Sheriff ganz unvermittelt aus – womit er den Ritter ein weiteres Mal überraschte - und erhob seinen Trinkbecher. Dem Angesprochenen blieb nichts anderes übrig, als sein Mahl zu unterbrechen und seinen Becher ebenfalls zu erheben, auch wenn er immer noch keine Ahnung hatte, worauf der andere eigentlich hinauswollte.
Aber wieder einmal hatte er es nicht geschafft seine Verwirrung vor dem Sheriff zu verbergen. „Ich sehe, dass Ihr mal wieder nicht die geringste Ahnung habt, Gisburne“, gab der Sheriff in einem verächtlichen Tonfall von sich. „Ich kläre Euch aber gerne auf, schließlich bin ich nichts anderes von Euch gewöhnt.“
Er nahm einen weiteren Schluck aus seinem Becher und grinste seinen Untergebenen dann an. Es war offensichtlich, dass ihm diese Situation sehr viel Freude bereitete, weshalb Gisburne nichts Gutes schwante.
„Es ist jetzt zwei Jahre her, dass Robin Hood Euch das erste Mal aus Sherwood herausgeworfen hat. Oder habt Ihr das schon vergessen, so wie Ihr Euch an so vieles andere auch nicht mehr erinnern könnt?“
Sir Guy hatte Glück, dass er in diesem Moment gerade nicht aus seinem Becher trank, denn er hätte sich – aufgrund der Worte des Sheriffs - entweder verschluckt oder Wein über den Tisch gespuckt. Mit großer Wahrscheinlichkeit letzteres. Der erste Rauswurf aus Sherwood? Natürlich erinnerte er sich an diese Demütigung, obwohl er die ganze Angelegenheit gerne vergessen würde. Aus welchem Grund musste de Rainault dies wieder hervorbringen? Hoffentlich war das andere nicht …
„Aber Ihr habt doch sicherlich nicht vergessen, was Ihr vor einem Jahr angestellt habt, Gisburne!“ Mit einem Mal war die Stimme des Sheriffs schneidend geworden und das Grinsen war aus seinem Gesicht verschwunden. „Oder habt Ihr auch die Tatsache aus Eurem Gedächtnis entfernt, dass Ihr eine Scheune im Burghof niedergebrannt habt. Es grenzte schon an ein Wunder, dass nicht noch mehr in Flammen aufgegangen ist!“ Der Sheriff nahm erneut einen Schluck Wein, während Sir Guy wie versteinert auf seinem Platz verharrte, denn er hatte die Situation, auf die der andere anspielte, keinesfalls vergessen und würde dies wohl auch niemals können.
Der Sheriff ließ sich jedoch nicht beirren und fuhr bereits fort: „Ach, ich vergaß. Ihr seid ja ebenfalls in Flammen aufgegangen. Davor habt Ihr es allerdings noch geschafft Euch in den Rücken schießen zu lassen. Sagt mir, welcher Idiot kehrt einem Feind mit einer Armbrust den Rücken zu, Gisburne? Nein, Ihr müsst mir darauf nicht antworten. Aber Ihr seid doch sicherlich meiner Meinung, dass wir diesen Jahrestag feiern sollten?“
Der Ritter musste an sich halten, um nicht aufzuspringen und den Tisch umzuwerfen, um seiner Wut Herr zu werden. Vielleicht würde es aber auch schon reichen, wenn er dem Sheriff seinen Becher an den Kopf warf, denn die Erinnerung an diese Nacht brannte ganz gewiss genauso heiß in ihm wie die Flammen damals auf seinem Körper gebrannt hatten. Darüber hinaus hatte er auch die Narben, die ihn immer wieder an alles erinnerten. Daran, dass er nicht mitbekommen hatte, wie einer der Soldaten seine Armbrust ablegte. Daran, dass er „Lady“ Marion nicht als Gefahr angesehen hatte, sondern sich stattdessen ausschließlich auf Hood konzentrierte. Daran, wie der Bolzen in seinen Rücken eindrang, an den fürchterlichen Schmerz und an das Gefühl, keine Luft zu bekommen. An den Sturz. Und dann erstmal an nichts mehr, bis die Flammen ihn erreicht hatten.
Dem Sheriff schien aber egal zu sein, wie es seinem Untergebenen ging. Er war offenbar noch nicht fertig, denn er fuhr bereits fort. „Ganz zu schweigen davon, dass Ihr Euren Auftrag nicht zu Ende gebracht habt. Es war reines Glück, dass der König die Stadt schon verlassen hatte und auch keine Zeit hatte zurückzublicken. Oder dass niemand sonst etwas von dem wusste, was Ihr hättet tun sollen. Es war eine so einfache Aufgabe. Ihr hättet nur ein paar Menschen im Schlaf töten müssen.“
Gisburne konnte bis heute nicht sagen, was ihn an diesem Tag hatte zögern lassen. Hatte er Hood geweckt, um die Furcht in seinen Augen zu sehen, anstatt ihn im Schlaf zu töten? Er war sich nicht sicher, ob hinter seiner Entscheidung nicht etwas anderes gesteckt hatte. Aber eigentlich war das völlig egal, denn die ganze Sache hatte in einem Desaster geendet und er wäre infolgedessen beinahe selbst gestorben. Im Nachhinein hatte es ihn nur verwundert, dass der Sheriff sich überhaupt die Mühe gemacht hatte ihn behandeln zu lassen. Es wäre doch so viel einfacher gewesen, …
„Warum trinkt Ihr nicht zur Feier Eurer Jahrestage, Gisburne?“, unterbrach die grausame Stimme seines Herrn seine Gedanken und dem Ritter blieb nichts anderes übrig, als dieser Aufforderung Folge zu leisten, obwohl er seine Zähne so fest zusammengebissen hatte, dass es ihm fast unmöglich war, seinen Mund zu öffnen. Aber nun war ihm bewusst, dass er es auf andere Weise schaffen musste, seine Wut – aber vor allem seinen Schmerz – nicht sichtbar werden zu lassen.
Jahrestag! Sir Guy konnte nur hoffen, dass de Rainault nächstes Jahr um diese Zeit an anderes zu denken hatte.
Dann war der Ritter den restlichen Abend über nur noch damit beschäftigt, sich bis zur Besinnungslosigkeit zu besaufen.