Nord bei Nordwest - Langzeitfolgen (Folge 19 "Canasta")
von Maybe44
Kurzbeschreibung
Der Kriminalfall ist gelöst, aber war da nicht noch eine andere Sache, die in Schwanitz unvollendet geblieben ist? - (M)ein alternatives Ende der Folge 19, "Canasta".
OneshotLiebesgeschichte / P12 / Gen
Hannah Wagner
Hauke Jacobs
Jule Christiansen
19.01.2023
19.01.2023
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1.629
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Die Ostsee zu seiner Linken schwappte heute träge in flachen Wellen an den Strand. Holly stromerte fröhlich vor und zurück, die Nase fest am Boden, um ja keine aufregenden Duftspur zu verpassen. Hauke Jacobs stapfte durch den feuchten Sand, genoss die frische Brise, die ihm um die Nase wehte und beneidete seinen Hund ein bisschen. Holly lebte stets im Moment, hatte keine Probleme, die er hin- und herwälzte und doch am Ende des Tages nicht lösen konnte.
Hauke hatte, wohl unter dem Einfluss des Betäubungsmittels, das ihm gestern verabreicht worden war, tief und traumlos auf seinem Boot geschlafen. Am Morgen war er aufgewacht und hatte sich ernsthaft gefragt, ob er das alles nur geträumt hatte. Doch die Vernehmung, die er gerade gemeinsam mit Hannah Wagner durchgeführt hatte und die Schilderungen von Bestatter Michi Töteberg und Rinderzüchterin Annette Weinert hatten ihn schnell eines Besseren belehrt.
Er hatte nicht geträumt.
Hildegard Knutzen hätte sie alle, auch ihn, ohne zu Zögern geopfert, um sich mit dem Geld aus dem Staub zu machen. Dieser Umstand allein wäre vermutlich schon ausreichend, um einen Menschen in tiefe Grübeleien zu stürzen.
Und dann war da ja noch Jule.
Jule Christiansen, die er gestern beinahe geküsst hatte und dann notgedrungen einfach in der Tierarztpraxis stehengelassen hatte, als Hannah Wagner hereingeplatzt war. Dennoch war Jule ihm nicht böse gewesen. Sie hatte ihn am späten Abend noch angerufen, sich nach seinem Befinden erkundigt und ihm berichtet, dass sie Attila, den kleinen Hund der nun inhaftierten Hildegard Knutzen, auf Schwanitz' Straßen aufgelesen und in ihre Obhut genommen hatte. Hauke war froh über diese Nachricht gewesen, denn auch wenn der kleine Kläffer ihn auf Geheiß seines mörderischen Frauchens hin angegriffen hatte, waren die Gefahren für einen Hund in freier Wildbahn doch nicht zu unterschätzen. Sogar im beschaulichen Schwanitz. Deswegen hatte auch Jule nicht gezögert und nicht eher geruht, bis das weiße Fellknäuel in Sicherheit war. Jule war einfach großartig und hatte ein solch großes Herz für alle Vier- und Zweibeiner, dass ihm allein beim Gedanken daran, dort auch ein kleines Plätzchen inne zu haben, schon ganz warm ums Herz wurde.
Doch gerade war es die kühle, blonde Hannah Wagner, die neben ihm am Strand entlangspazierte und fragte, ob er noch Kopfschmerzen habe. Ja, die hatte er noch, jedoch nicht von den Nachwirkungen des Betäubungsmittels, sondern vielmehr, weil er deutlich spürte, dass er an einem Wendepunkt angekommen war. Das sagte er ihr natürlich nicht. Doch er wusste, traf er heute die falsche Entscheidung, würde dies sein Leben nachhaltig beeinflussen. Gleiches galt natürlich auch - oder vielleicht sogar noch viel mehr- für den Fall, dass er die richtige Entscheidung traf, bemerkte er schmunzelnd. Und das hatte er sich auch ganz fest vorgenommen: Die richtige Entscheidung zu treffen.
Hannah Wagner schien allerdings schwer damit zu hadern, dass er gleich noch in die Tierarztpraxis fahren würde. Vielleicht hätte er ihr nicht die Mär von der dringenden Herzoperation auftischen sollen. Aber in gewisser Weise war es genau das, was ihm bevorstand. Er würde sein Herz öffnen und sich damit schutzlos ausliefern und er konnte nur, er musste, darauf vertrauen, dass am Ende alles gut werden würde und das lebenswichtige Organ dort gut aufgehoben war, wo er es hinzuschenken gedachte.
"So Herzgeschichten sind ja wahrscheinlich nie ganz ohne... wenn man an die möglichen Langzeitfolgen denkt," bemerkte Hannah nun und blickte ihn dabei aufmerksam von der Seite an, bevor sie ihren Blick wieder auf den Sandboden zu ihren Füßen richtete.
Innerlich seufzte Hauke auf. Hannah Wagner war nicht umsonst eine blitzgescheite, erfolgreiche Ermittlerin. Natürlich hatte sie keine Sekunde geglaubt, dass es um eine Operation einer seiner tierischen Patienten ging.
"Da haben Sie wohl recht," antwortete er absichtlich vage.
"Wissen Sie, was ich denke? Dass Sie auf keinen Fall mehr arbeiten sollten, nach allem, was Sie durchgemacht haben."
Hauke stutze. Auf einmal sollte er keinesfalls mehr arbeiten? Gegen die Vernehmung im Polizeirevier vorhin hatte Frau Wagner komischerweise keine Einwände erhoben. Im Gegenteil, da hatte sie zuvor regelrecht auf seine Anwesenheit bestanden.
Sie waren mittlerweile am Strand stehengeblieben und standen sich nun dicht gegenüber. Hauke konnte gar nicht anders, als die Situation absurd und amüsant zugleich zu finden.
Suchte Hannah Wagner sich tatsächlich gerade ausgerechnet den heutigen Tag dazu aus, um unmissverständlich ihr Interesse an ihm zu bekunden? Ausgerechnet den Tag, an dem er gedachte, endlich, endlich mit Jule Christiansen einen Schritt weiterzugehen?
Oder war das alles vielleicht gar kein Zufall und Hannah Wagner hatte die Situation, in die sie gestern so unglücklich hineingeplatzt war, genau richtig interpretiert und sah nun ihre Felle davonschwimmen?
Nun strich sie ihm auch noch sanft über die Wange und erklärte ihm, er gehöre ins Bett. Hauke wusste nicht, ob er sich über die Aufmerksamkeit, die ihm mit einem Mal zuteil wurde, freuen oder sie verfluchen sollte. Hannah Wagner war eine schöne Frau und er schätzte sie nicht nur als Kollegin, er mochte sie mittlerweile wirklich gerne.
Aber sie war nicht diejenige, die sein Herz höher schlagen ließ. Das war einzig und allein die rothaarige Frohnatur Jule Christiansen, die soeben hinter ihnen am Strand aufgetaucht war und sich mit einem fröhlichen "Hey!" bemerkbar machte.
Ihr warmes, strahlendes Lächeln dazu konnte Hauke selbst auf die Entfernung spüren, obgleich er es nicht sah.
"Am Besten, Frau Christiansen und ich bringen Sie gleich," sagte Hannah Wagner da noch und machte kehrt, um Jule entgegenzulaufen.
Während er den beiden Frauen folgte, schwirrten Hannahs Worte ihm noch immer im Kopf herum.
Langzeitfolgen.
Sie hatte es so gesagt, als sei das grundsätzlich etwas Schlechtes.
Was hatte sie bloß damit gemeint? Dass er im Begriff war, seine Unabhängigkeit aufzugeben, wenn er sich auf eine feste Beziehung mit Jule einließ? Komischerweise schreckte ihn der Gedanke nicht im Geringsten ab. Selbst nachdem er jahrelang frei und ungebunden gelebt hatte und sich zugegebenermaßen an das Junggesellenleben mit Holly gewöhnt hatte, wollte er die warmherzige Frau mit den unbändigen, wilden Locken, die gerade unbeschwert mit Holly über den Strand tobte, an seiner Seite wissen - in jeglicher Hinsicht. Wenn die Langzeitfolgen, die Frau Wagner so kryptisch angesprochen hatte, also die sein sollten, dass er irgendwann mit einem Ring am Finger und einer Rasselbande voller kleiner, quirliger Rotschöpfe leben würde - er freute sich sogar darauf!
Mit dieser Erkenntnis und einem erwartungsfrohen Lächeln auf den Lippen schloss er zu Jule und Hannah auf. Er hatte seine Entscheidung längst getroffen. Er würde sich seiner Herzoperation stellen und den Langzeitfolgen obendrein.
Nun hatte er keine Zeit mehr zu verlieren. Wer wusste schon, was sonst im eigentlich so beschaulichen Schwanitz als nächstes passieren würde!
"Frau Christiansen, wir müssen los!", sagte er deswegen bestimmt.
Beide Frauen schauten ihn gleichermaßen verdutzt an. Während es Hannah für den Moment schlicht die Sprache verschlagen hatte, antwortete Jule vorsichtig: "Okay... Aber ich dachte, Sie wollten sich lieber wieder hinlegen, wegen Ihrer anhaltenden Kopfschmerzen?"
Hauke Jacobs hatte seine Hand nun auf Jules Rücken gelegt und schob sie bereits sanft in Richtung seines Autos, in dem Holly bereits auf dem Rücksitz Platz genommen hatte. "Das geht schon. Aber Frau Wagner hat vorhin etwas Interessantes gesagt, bezüglich der Langzeitfolgen nach, erm, nach einer Herzoperation. Das lässt mich jetzt nicht mehr los. Da bräuchte ich wirklich dringend Ihre Expertise."
Jules Blick wanderte fragend zwischen Hauke und Hannah hin und her. "Wie jetzt? Langzeitfolgen?" Als sie sah, wie Hannah Wagner resigniert seufzte und Hauke Jacobs energisch mit dem Kopf nickte, wurde ihr einiges klar. "Ach sooo, die Langzeitfolgen! Stimmt, da sollten wir dringend drüber sprechen." Ihren Blick hatte Jule dabei mitfühlend aber zugleich bestimmt auf die andere Frau gerichtet. Sie hatte in Hannah beinahe so etwas wie eine Freundin gefunden, seit die Polizistin vor einiger Zeit nach Schwanitz gekommen war. Aber sie war nicht umhin gekommen zu bemerken, dass auch Hannah an Hauke interessiert war. Nichts lag Jule ferner, als jemanden zu verletzen, aber hatte nicht auch sie ein Stück vom Glück verdient? Und war dieses Glück nicht gerade jetzt zum Greifen nahe?
Hauke war mittlerweile auf den Fahrersitz geklettert und trommelte ungeduldig mit den Fingern auf das Lenkrad. "Frau Christiansen!"
Jule löste ihren Blick von Hannah. "Ja. Ja, ich komme. Tschüss, Hannah." Eilig lief sie um das Auto herum und sprang auf den Beifahrersitz.
Hauke Jacobs lehnte sich aus dem Fenster. "Ich sehe Sie am Montag, Frau Wagner!" Er winkte noch einmal kurz, dann gab er Gas.
Zurück blieb Hannah Wagner, die dem davonrasenden Wagen stumm hinterher schaute.
Hauke Jacobs lenkte das Auto in Richtung der Tierarztpraxis. Den Blick nach vorne, auf die Straße gerichtet, tastete er mit seiner Hand vorsichtig nach Jules. Die blickte überrascht auf ihre Hände, als seine Fingerspitzen zart ihren Handrücken berührten. Doch sie zögerte nicht, drehte ihre Handfläche nach oben und verschränkte ihre Finger mit den seinen. Holly schob vorsichtig den Kopf zwischen den Vordersitzen hindurch und legte ihn auf Jules Schulter. Sie schmunzelte und strich dem treuen Weimaraner mit der freien Hand sanft über den Kopf.
Hauke Jacobs musste unwillkürlich lächeln.
"Was?", erwiderte Jule ebenfalls lächelnd.
"Holly. Holly mag Sie. Wir... ich mag Sie auch."
Jules Lächeln wurde eine Spur breiter. "Trotz möglicher Langzeitfolgen?", neckte sie ihn, doch ein wenig Besorgnis schwang in ihrer Stimme mit.
Hauke nickte ernst. Gerade waren sie bei der Tierarztpraxis angekommen. Während er den Motor abstellte und sich zu Jule umwandte, blickte er sie treuherzig an: „Sie wissen, dass ich keine Angst vor möglichen Langzeitfolgen habe, oder?“
Wenn überhaupt möglich, wurde Jules Strahlen noch breiter und sie beugte sich vor. „Ich auch nicht. Nicht, solange wir zusammen sind," flüsterte sie und als nun auch Hauke sich ein Stückchen vorbeugte, trafen sich ihre Lippen schließlich zu einem ungestörten, leidenschaftlichen Kuss, dem noch viele weitere folgen sollten.
Hauke hatte, wohl unter dem Einfluss des Betäubungsmittels, das ihm gestern verabreicht worden war, tief und traumlos auf seinem Boot geschlafen. Am Morgen war er aufgewacht und hatte sich ernsthaft gefragt, ob er das alles nur geträumt hatte. Doch die Vernehmung, die er gerade gemeinsam mit Hannah Wagner durchgeführt hatte und die Schilderungen von Bestatter Michi Töteberg und Rinderzüchterin Annette Weinert hatten ihn schnell eines Besseren belehrt.
Er hatte nicht geträumt.
Hildegard Knutzen hätte sie alle, auch ihn, ohne zu Zögern geopfert, um sich mit dem Geld aus dem Staub zu machen. Dieser Umstand allein wäre vermutlich schon ausreichend, um einen Menschen in tiefe Grübeleien zu stürzen.
Und dann war da ja noch Jule.
Jule Christiansen, die er gestern beinahe geküsst hatte und dann notgedrungen einfach in der Tierarztpraxis stehengelassen hatte, als Hannah Wagner hereingeplatzt war. Dennoch war Jule ihm nicht böse gewesen. Sie hatte ihn am späten Abend noch angerufen, sich nach seinem Befinden erkundigt und ihm berichtet, dass sie Attila, den kleinen Hund der nun inhaftierten Hildegard Knutzen, auf Schwanitz' Straßen aufgelesen und in ihre Obhut genommen hatte. Hauke war froh über diese Nachricht gewesen, denn auch wenn der kleine Kläffer ihn auf Geheiß seines mörderischen Frauchens hin angegriffen hatte, waren die Gefahren für einen Hund in freier Wildbahn doch nicht zu unterschätzen. Sogar im beschaulichen Schwanitz. Deswegen hatte auch Jule nicht gezögert und nicht eher geruht, bis das weiße Fellknäuel in Sicherheit war. Jule war einfach großartig und hatte ein solch großes Herz für alle Vier- und Zweibeiner, dass ihm allein beim Gedanken daran, dort auch ein kleines Plätzchen inne zu haben, schon ganz warm ums Herz wurde.
Doch gerade war es die kühle, blonde Hannah Wagner, die neben ihm am Strand entlangspazierte und fragte, ob er noch Kopfschmerzen habe. Ja, die hatte er noch, jedoch nicht von den Nachwirkungen des Betäubungsmittels, sondern vielmehr, weil er deutlich spürte, dass er an einem Wendepunkt angekommen war. Das sagte er ihr natürlich nicht. Doch er wusste, traf er heute die falsche Entscheidung, würde dies sein Leben nachhaltig beeinflussen. Gleiches galt natürlich auch - oder vielleicht sogar noch viel mehr- für den Fall, dass er die richtige Entscheidung traf, bemerkte er schmunzelnd. Und das hatte er sich auch ganz fest vorgenommen: Die richtige Entscheidung zu treffen.
Hannah Wagner schien allerdings schwer damit zu hadern, dass er gleich noch in die Tierarztpraxis fahren würde. Vielleicht hätte er ihr nicht die Mär von der dringenden Herzoperation auftischen sollen. Aber in gewisser Weise war es genau das, was ihm bevorstand. Er würde sein Herz öffnen und sich damit schutzlos ausliefern und er konnte nur, er musste, darauf vertrauen, dass am Ende alles gut werden würde und das lebenswichtige Organ dort gut aufgehoben war, wo er es hinzuschenken gedachte.
"So Herzgeschichten sind ja wahrscheinlich nie ganz ohne... wenn man an die möglichen Langzeitfolgen denkt," bemerkte Hannah nun und blickte ihn dabei aufmerksam von der Seite an, bevor sie ihren Blick wieder auf den Sandboden zu ihren Füßen richtete.
Innerlich seufzte Hauke auf. Hannah Wagner war nicht umsonst eine blitzgescheite, erfolgreiche Ermittlerin. Natürlich hatte sie keine Sekunde geglaubt, dass es um eine Operation einer seiner tierischen Patienten ging.
"Da haben Sie wohl recht," antwortete er absichtlich vage.
"Wissen Sie, was ich denke? Dass Sie auf keinen Fall mehr arbeiten sollten, nach allem, was Sie durchgemacht haben."
Hauke stutze. Auf einmal sollte er keinesfalls mehr arbeiten? Gegen die Vernehmung im Polizeirevier vorhin hatte Frau Wagner komischerweise keine Einwände erhoben. Im Gegenteil, da hatte sie zuvor regelrecht auf seine Anwesenheit bestanden.
Sie waren mittlerweile am Strand stehengeblieben und standen sich nun dicht gegenüber. Hauke konnte gar nicht anders, als die Situation absurd und amüsant zugleich zu finden.
Suchte Hannah Wagner sich tatsächlich gerade ausgerechnet den heutigen Tag dazu aus, um unmissverständlich ihr Interesse an ihm zu bekunden? Ausgerechnet den Tag, an dem er gedachte, endlich, endlich mit Jule Christiansen einen Schritt weiterzugehen?
Oder war das alles vielleicht gar kein Zufall und Hannah Wagner hatte die Situation, in die sie gestern so unglücklich hineingeplatzt war, genau richtig interpretiert und sah nun ihre Felle davonschwimmen?
Nun strich sie ihm auch noch sanft über die Wange und erklärte ihm, er gehöre ins Bett. Hauke wusste nicht, ob er sich über die Aufmerksamkeit, die ihm mit einem Mal zuteil wurde, freuen oder sie verfluchen sollte. Hannah Wagner war eine schöne Frau und er schätzte sie nicht nur als Kollegin, er mochte sie mittlerweile wirklich gerne.
Aber sie war nicht diejenige, die sein Herz höher schlagen ließ. Das war einzig und allein die rothaarige Frohnatur Jule Christiansen, die soeben hinter ihnen am Strand aufgetaucht war und sich mit einem fröhlichen "Hey!" bemerkbar machte.
Ihr warmes, strahlendes Lächeln dazu konnte Hauke selbst auf die Entfernung spüren, obgleich er es nicht sah.
"Am Besten, Frau Christiansen und ich bringen Sie gleich," sagte Hannah Wagner da noch und machte kehrt, um Jule entgegenzulaufen.
Während er den beiden Frauen folgte, schwirrten Hannahs Worte ihm noch immer im Kopf herum.
Langzeitfolgen.
Sie hatte es so gesagt, als sei das grundsätzlich etwas Schlechtes.
Was hatte sie bloß damit gemeint? Dass er im Begriff war, seine Unabhängigkeit aufzugeben, wenn er sich auf eine feste Beziehung mit Jule einließ? Komischerweise schreckte ihn der Gedanke nicht im Geringsten ab. Selbst nachdem er jahrelang frei und ungebunden gelebt hatte und sich zugegebenermaßen an das Junggesellenleben mit Holly gewöhnt hatte, wollte er die warmherzige Frau mit den unbändigen, wilden Locken, die gerade unbeschwert mit Holly über den Strand tobte, an seiner Seite wissen - in jeglicher Hinsicht. Wenn die Langzeitfolgen, die Frau Wagner so kryptisch angesprochen hatte, also die sein sollten, dass er irgendwann mit einem Ring am Finger und einer Rasselbande voller kleiner, quirliger Rotschöpfe leben würde - er freute sich sogar darauf!
Mit dieser Erkenntnis und einem erwartungsfrohen Lächeln auf den Lippen schloss er zu Jule und Hannah auf. Er hatte seine Entscheidung längst getroffen. Er würde sich seiner Herzoperation stellen und den Langzeitfolgen obendrein.
Nun hatte er keine Zeit mehr zu verlieren. Wer wusste schon, was sonst im eigentlich so beschaulichen Schwanitz als nächstes passieren würde!
"Frau Christiansen, wir müssen los!", sagte er deswegen bestimmt.
Beide Frauen schauten ihn gleichermaßen verdutzt an. Während es Hannah für den Moment schlicht die Sprache verschlagen hatte, antwortete Jule vorsichtig: "Okay... Aber ich dachte, Sie wollten sich lieber wieder hinlegen, wegen Ihrer anhaltenden Kopfschmerzen?"
Hauke Jacobs hatte seine Hand nun auf Jules Rücken gelegt und schob sie bereits sanft in Richtung seines Autos, in dem Holly bereits auf dem Rücksitz Platz genommen hatte. "Das geht schon. Aber Frau Wagner hat vorhin etwas Interessantes gesagt, bezüglich der Langzeitfolgen nach, erm, nach einer Herzoperation. Das lässt mich jetzt nicht mehr los. Da bräuchte ich wirklich dringend Ihre Expertise."
Jules Blick wanderte fragend zwischen Hauke und Hannah hin und her. "Wie jetzt? Langzeitfolgen?" Als sie sah, wie Hannah Wagner resigniert seufzte und Hauke Jacobs energisch mit dem Kopf nickte, wurde ihr einiges klar. "Ach sooo, die Langzeitfolgen! Stimmt, da sollten wir dringend drüber sprechen." Ihren Blick hatte Jule dabei mitfühlend aber zugleich bestimmt auf die andere Frau gerichtet. Sie hatte in Hannah beinahe so etwas wie eine Freundin gefunden, seit die Polizistin vor einiger Zeit nach Schwanitz gekommen war. Aber sie war nicht umhin gekommen zu bemerken, dass auch Hannah an Hauke interessiert war. Nichts lag Jule ferner, als jemanden zu verletzen, aber hatte nicht auch sie ein Stück vom Glück verdient? Und war dieses Glück nicht gerade jetzt zum Greifen nahe?
Hauke war mittlerweile auf den Fahrersitz geklettert und trommelte ungeduldig mit den Fingern auf das Lenkrad. "Frau Christiansen!"
Jule löste ihren Blick von Hannah. "Ja. Ja, ich komme. Tschüss, Hannah." Eilig lief sie um das Auto herum und sprang auf den Beifahrersitz.
Hauke Jacobs lehnte sich aus dem Fenster. "Ich sehe Sie am Montag, Frau Wagner!" Er winkte noch einmal kurz, dann gab er Gas.
Zurück blieb Hannah Wagner, die dem davonrasenden Wagen stumm hinterher schaute.
Hauke Jacobs lenkte das Auto in Richtung der Tierarztpraxis. Den Blick nach vorne, auf die Straße gerichtet, tastete er mit seiner Hand vorsichtig nach Jules. Die blickte überrascht auf ihre Hände, als seine Fingerspitzen zart ihren Handrücken berührten. Doch sie zögerte nicht, drehte ihre Handfläche nach oben und verschränkte ihre Finger mit den seinen. Holly schob vorsichtig den Kopf zwischen den Vordersitzen hindurch und legte ihn auf Jules Schulter. Sie schmunzelte und strich dem treuen Weimaraner mit der freien Hand sanft über den Kopf.
Hauke Jacobs musste unwillkürlich lächeln.
"Was?", erwiderte Jule ebenfalls lächelnd.
"Holly. Holly mag Sie. Wir... ich mag Sie auch."
Jules Lächeln wurde eine Spur breiter. "Trotz möglicher Langzeitfolgen?", neckte sie ihn, doch ein wenig Besorgnis schwang in ihrer Stimme mit.
Hauke nickte ernst. Gerade waren sie bei der Tierarztpraxis angekommen. Während er den Motor abstellte und sich zu Jule umwandte, blickte er sie treuherzig an: „Sie wissen, dass ich keine Angst vor möglichen Langzeitfolgen habe, oder?“
Wenn überhaupt möglich, wurde Jules Strahlen noch breiter und sie beugte sich vor. „Ich auch nicht. Nicht, solange wir zusammen sind," flüsterte sie und als nun auch Hauke sich ein Stückchen vorbeugte, trafen sich ihre Lippen schließlich zu einem ungestörten, leidenschaftlichen Kuss, dem noch viele weitere folgen sollten.
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