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Eine Märchengeschichte

Kurzbeschreibung
GeschichteFantasy / P16 / Het
Der Scharlachrote König OC (Own Character) Roland Deschain Walter O'Dim
10.01.2023
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Noah Harrer



                                                           
                                                                          Eine Märchengeschichte


Snow












 



Seht nun dies. Seht es wohl. Ein Mann, ganz in Schwarz gehüllt, eilt durch die Wüste. Tief aus seiner Kehle dringen Laute, hört ihr die nicht?

Mag sein, die keuchende Verzweiflung eines Kaninchens, am Ende seiner Kräfte. Mag sein, das leise Lachen eines Fuches, der den Spieß gegen den Jäger umdrehen will. Mag eines davon sein oder beides , wie’s euch gefällt. Kann’s nicht genau sagen. Sagen kann ich nur dies:

Der Schwarze Mann floh durch die Wüste…


und Snow White folgte ihm.


Sollte Snow White euch vertraut sein, nun, so ist’s wohl möglich. Ihr Widerhall ist aus Sagen bekannt, die auf vielerlei Weise an vielen Orten spielen. Wie sich Geschichten von großen Fluten ins Gedächtnis der Menschheit eingraben, so auch die von Snow White. Eine Ikone und eine Legende und eure beste Freundin und gelobt sei der Jesusmensch eure ärgste Feindin. Eure Verdammnis oder eure Rettung und zuweilen nicht etwa ODER sondern UND versteht ihr?

Es war ein heißer Tag in der Bagdad-Wüste, die Hitze war unglaublich erdrückend. Jene Tiere die durch die glühende Hitze der Wüste gingen konnten ihr Ziel nicht erreichen. Nun laben sich die Geier an den Überresten der Tiere. Während Snow White die Spur des schwarzen Mannes aufnahm. Mit einer Wasserflasche und der Schwertscheide in der Hand reist sich durch die Wüste. Sie bückte sich um die Spuren zu sehen, die Spuren die am Boden zu sehen  waren. Sie nahm den Sand in die Hand und bemerkte das sie vergleichsweise frisch waren. „Ich bin  dir dicht auf dem Fersen“, sie zog ihre Wasser falsche und nahm einen kleinen Schluck. Sie musste sich das Wasser einteilen. Auch wenn der Abend hereingebrochen war. Aber wann wird sie das nächste mal Wasser finden. Sie trat die Reise weiter an, bis sie irgendwann einen geeigneten Platz zum rasten findet. Ihr Hass lässt sie jedoch weiter laufen. Sie wusste sie ist dem schwarzem Mann nahe.

Sie erinnert sich zu jenem Zeitpunkt an ihre Vergangenheit lange bevor ihre Welt unterging. Es war an einem Winterabend, als die Familie gemütlich am Feuer saßen. Es mag kalt draußen gewesen sein, doch das raschelnde Feuer im Kamin, erwärmte sie. Ihre Schwester Rose saß dicht neben ihr, sie waren Zwillinge Snow White und Rose Red. Sie waren so glücklich zusammen. Sie liebten einander so sehr, waren nie weit voneinander getrennt und schworen einander, das nie etwas zwischen sie kommen würde. Und wenn dann würde das Schicksal sie wieder zusammenführen. Ihre Mutter saß zwischen den beiden und hielt sie im Arm, während sie alle in das Feuer starren.

Doch es klopfte an der Tür. Alle drei waren verwundert, „Mutter wer mag dies sein, wir bekommen zu selten Gäste, vor allem zur Nachtzeit“ sagte Snow. Rose war ebenso erstaunt, nein sie fürchtete sich sogar. Die selbe Angst überkam auch Snow. „Bleibt hier, ich sehe nach,“ Sie griff sich ein Messer, ging zur Tür ihrer Hütte. „Darf ich fragen wer dort ist“ sagte sie. „Verzeiht, das ich zu solch später Stunde noch störe, ich brauche Schutz vor der Kälte, ich bin ein Reisender“ Sie griff das Messer fester in der Hand. Sie öffnete die Tür und erkannte das es sich hier um jenen Zwerg handelte mit dem sie gelegentlich Geschäfte machte, „Fadmaschosch, freut mich euch zu sehen,“. „Ava, ich bin froh euch zusehen, hätte nicht gedacht euch hier zu treffen.“ „Bitte kommt rein“ sagte Ava. Die Mädchen waren verwirrt, sie kannten jenen Zwerg nicht.

„Guten Abend, junge Fräulein, ich wollte euch nicht stören aber ich wusste nicht wo ich hin sollte“, sagte Fadmaschosch. Er wandte sich zu Ava. „Ich brauche einen Schlafplatz bis der Frühling eintritt, tagsüber werde ich meinen Geschäften nachgehen, und würde nur zum Schlafen eure Hütte in Anspruch nehmen“. Die Mädchen waren verwirrt, „Kennst du diesen Zwerg Mutter?“ „Meine lieben Mädchen, er ist ein Geschäftspartner, ein guter Freund der Familie.“

Die Mädchen setzten sich wieder und genossen das Feuer.

Das waren die Gedanken, die ihr durch den Kopf gingen. Es war bereits Nacht, sie machte sich aus den Stämmen und Stöcken ein Feuer, Sie erlegte sogar einen Hasen um ihren knurrenden Magen etwas zu essen zu geben. Ihr war von der Hitze der Wüste, die unendlich schien geschwächt. Ihr Kreislauf war auch geschwächt. Sie fragte sich wie es ihrer Schwester ginge, die sie seit langer langer Zeit nicht mehr gesehen hatte, nach jener dreisten Lüge ihrer Mutter. Doch tief in sich drinnen wusste sie, sie wusste das sie sich wiedersehen würden. Sie erinnerte sich noch als ihre Welt von dem Feind, dem König in Rot, den Gebrüdern Tot, dem Prinzen mit den vielen Gesichtern oder gar dem Schwarzen Mann erobert wurde.

Der Schwarze Mann, wie eine Spinne kauerte er in seiner Geheimkammer, die voller Gifte und missgebildeter Menschenföten ist. Irgendwo weit weg, einen Ort der er voraussichtlich nie erreichen wird. Sollte ich mich ran halten. Doch wie weit mag er schon sein, ich weiß ich werde das nächste seiner Lager bald finden. In den Reihen der Revolverhelden, war er Janlino Stark, Sohn des Sam mit Sicherheit ein Name den er einer Adelsfamilie nahm. Er verkörperte alles Üble und Böse. Janlino ist nicht sein einziger Name, der Schwarze Mann trat auch unter vielen anderen auf, in vielerlei Gestalten. Er ist Morkul, der Mann in Schwarz. Ob das nun stimmt oder nicht, Janlino ist jedenfalls ein Hundesohn mit schwarzer Seele. So weit von der Sonne weg, wie tiefstes Schwarz nur sein kann. Und so weit von allem Menschlichem, dass ihn nur der Teufel darin übertrifft… Und mit den Teufeln berät sich Janlino jetzt durch ein ungeschliffenes, gezacktes Stück Rauchquarz.

Auch der Teufel hat viele Namen. Jeder kennt sie vermutlich, hat sie vielleicht einmal in Alptraumkrämpfen gekreischt… Namen, die sich nach dem Traum barmherzig verflüchtigen. Wenn ihr es wagt… dann seht nun, wovor das Wachsein euch schützt: Natas, die Heimat allen Übels, der des Imperiums. Das am Ende dieser Welt, wie blutige Stalagmiten aufragt… mit den Überresten törichter armer Kerle geschmückt, die das Unglück hatten, auf die nicht vorhandenen Barmherzigkeit des Namenlosen Übel angewiesen zu sein… des Antichristen… der Herrin den selbst die Hölle nicht wollte…



ALLES Heil dem König in Rot




Ein Teil seiner selbst, eingesperrt für alle Ewigkeiten, auf dass er und die dort gefangenen Teufel, diese Welt nie wieder heimsuchen. Gebunden an einen Turm, ein Turm der alles im Gleichgewicht hält. Der seit Anbeginn der Zeit steht. Geschaffen von Gott, oder gar als der Allschöpfer Aru, dem Initiator von Kismet, bekannte Gottheit, und seinen engsten Vertrauten.



Der Kristallturm












 II




Es war ein neuer Tag, Snow hatte wenig geschlafen, sie träumte einen wunderschönen Traum, ein Traum der nicht lange her war. Und doch schmerzte es sie, doch sie versuchte alles um in der Realität zu bleiben.

Sie nahm ihren Wasserbeutel, und ihr Schwert, und machte sich auf den weiteren Weg durch die heiße Wüste. Sie ging weiter und weiter, solange bis sie an einem Ödland angekommen war, ein kleiner Teil der Wüste lag hinter ihr. Doch plötzlich bemerkte sie auf einer ebenen Fläche des Ödlands ein Lager, das Feuer war noch nicht lange erloschen. „Ich bin dir Nahe, bald habe ich dich“ dachte sie sich.

Sie Stieg den Hang hinauf um eine bessere Übersicht zu haben, und zu ihrem Verblüffen sah sie ein Dorf, aus dem Rauch aufzusteigen scheint.

„Es gibt noch Leben in der Wüste“ Die goldenen Zeiten der Wüste waren doch längst vorbei, es gab keine fliegenden Teppiche mehr, Alladin und Ali Baba waren schon lange verschwunden, das Königreich von Shahryar war nichts als eine traurige Einöde, im Vergleich zu jenem Königreich das es einst war. Sie ging den Hang wieder runter und orientierte sich am Himmel, den Rauchschwaden die man in der Luft sah. Es war bereits Sonnenuntergang, aber Snow White war weitergereist und hatte sich von den verblüffenden klaren Kängen eines Klaviers leiten lassen. Als der Beifall kam, war sie an einer Stelle, wo die Straße breiter wurde. Hier und da waren Straßenfunzeln zu sehen, die alle vor langer Zeit erloschen waren. Die Einöde hatte sie hinter sich gelassen die nun im Dorf zu einer Agrarwüste wurde. Endlose einsame Felder, Hütten, unheimlich verlassene, von düsteren, schattigen Herrenhäusern bewachte Anwesen, wo zweifellos Dämonen wandelten. Glotzende leere Schuppen, deren Bewohner weitergezogen oder vertrieben worden waren. Gelegentlich die Hütte eines Grenzbewohners, die in der Nacht vom winzigen Aufflackern eines Lichts verraten wurde, und am Tage von mürrischen, inzüchtigen Familienklans, die schweigsam auf den Feldern arbeiteten.

Meistens wurden Bohnen angebaut, aber hin und wieder auch Beeren. Ab und zu sah sie eine vereinzelte Ziege glotzäugig zwischen abgeschälten Pfosten heraus an. Zwei Kutschen waren ihr vorbeigefahren, jeweils auf der Hinfahrt und auf der Rückfahrt. Gelegentlich war ein Farmer an ihr vorbeigekommen, sorgsam darauf bedacht, der Frau in der Kluft eines Soldaten und dem Schwert in der Hand, und dem Maschinengewehr auf dem Rücken, keinen Blick zuzuwerfen. Es war ein hässliches Land geworden. Seit sie die Hidden Kingdoms verlassen hatte, hatte es zweimal geregnet, beide Male wie widerwillig. Kein Land, in dem man sich lange aufhalten mochte. Sie erinnerte sich noch an das Königreich von Shahryar.

Vom schwarzen Mann hatte sie keine Spur gesehen. Vielleicht hatte er einen Stellwagen genommen.

Die Straße machte eine Biegung. Es schien vier Straßen zu geben, drei davon verliefen rechtwinklig zur Kutschenstraße, die die Hauptstraße der Stadt bildete. Vielleicht würde sie dort ein Lokal finden. Nach kurzer Zeit wurde die Straße sporadisch von Häusern gesäumt, aber nach wie vor wirkten die meisten verlassen. Nur das prosaische Klimpern und Dröhnen des Klaviers hielt sie davon ab, sich allen Ernstes zu fragen, ob der Schwarze Mann nicht Geister heraufbeschworen hat, um diese verlassene Stadt zu bevölkern. Sie lächelte ein wenig über diesen Gedanken.

Ein paar Menschen waren auf den Straßen, wenn auch nicht viele. Sie hielt sich am Klang der Musik, und fand dort eine Kneipe „Taktloser Weg“. Snow verharrte noch einen Augenblick und sah hinein. Sägemehl auf dem Boden und Spucknäpfe. Dahinter ein schmutziger alter Spiegel, in dem sich der Klavierspieler spiegelte, der mittlerweile eine andere Ballade spielte. Die Barkeeperin war eine Frau mit lockigen Haaren, die ein schmutziges schwarzes Kleid trug. Einer der Träger war mit einer Nadel befestigt worden. Etwa sechs Bewohner des Stadt saßen im hinteren Teil des Raumes. Sie tranken und tranken. „Wo trinken die das bloß alles hin?“ dachte Snow sich. Ein weiteres halbes Dutzend saßen zwanglos um das Klavier herum. Drei standen an der Theke. Ein Mann mit fünfzig war an einem Tisch nahe der Tür in sich zusammengesackt. Snow trat ein. Köpfe wirbelten herum, um ihr und ihre Kleidung, sowie das Schwert zu betrachten. Besonders erregte sie das Maschinengewehr besonders der Schalldämpfer darauf brachte ihnen ein gewisses Unbehagen. Es folgte ein Augenblick fasst völliges Schweigen, abgesehen von dem Klavierspieler, der einfach weiter spielte. Dann wischte die Frau über die Bar, und alles war wieder beim Alten. Snow näherte sich der Tresen. „Gibt’s hier Fleisch?“ fragte sie.

„Natürlich wertes Fräulein“. Sie sah ihr ins Auge, sie wahr wahrscheinlich früher hübscher, aber die Welt hat sich weiterbewegt. Jetzt war ihr Gesicht durch einige Falten und einer eindeutigen Narbe, die sich über die Stirn zog. Sie hatte dick Puder aufgetragen, aber das lenkte die Aufmerksamkeit mehr auf die Narbe.

„Das ist reinstes Rind Fleisch. Von einer guten Erblinie, das Rind hatte bestimmt seinen eigenen Namen. Macht das ganze aber teurer.“

„Gute Erblinie, will die mich verarschen, dachte sich Snow. Das Fleisch war aus einem Eisschrank, und sah aus als hätte es allem was falsch in den Heimatländern ist kommen können, aber Defenitiv kein Rind.

Gebt mir einfach etwas Brot, und Alkohol, egal was, kann auch zur Not ein Bier sein.“

„Das macht dann fünf Dinar. Habt ihr Dinar?“ Ich besitze Gold, in den Ländern des Ostens sowie Norden nutzt man diese Art der Zahlungsmittel.“

„Ist in diesem Preis der Alkohol mit inbegriffen?“ fragte sie und setzte ein leichtes Lächeln auf. „Oder geht das Extra?“ Sie erwiderte das Lächeln nicht. „Der Gerstensaft gibt’s umsonst dazu. Vorausgesetzt ich würde einmal euer Gold sehen. Snow legte ein Goldstück auf den Tresen, dem die Blicke aller folgten. Hinter dem Tresen, links vom Spiegel schwelte unter einem Rost eine Kohlenglut. Die Frau verschwand in einer kleinen Kammer dahinter und kam mit dem Fleisch zurück. Sie schabte drei Frikadellen ab und legte sie auf den Rost. Der aufsteigende Geruch konnte einen in den Wahnsinn treiben. Ein Mann war schon auf halbem Weg hinter ihm, als Snow ihn im Spiegel sah. Der Mann war sehr beharrt, die Hand hatte er um den Griff eines riesigen Jagdmessers gelegt, das wie ein Holster an seinem Gürtel baumelte.

„Setz dich doch“ sagte Snow. „Tu dir den Gefallen“. Der Mann blieb stehen. Er zog die Oberlippe hoch, und es folgte ein Augenblick des Schweigens. Dann ging er überraschender wieder zurück, und allmählich kehrte die alte Stimmung des Lokals zurück. Der Arak wurde ihr in einem angeschlagenen Glashumpen serviert. „Ich kann das Gold nicht wechseln“ sagte die Frau

„Das erwarte ich auch nicht“ Sie nickte verärgert, als würde diese Zurschaustellung von Reichtum, selbst wenn sie zu ihrem Vorteil gereichte, sie verbittern. Aber sie nahm ihr Gold, und einen Augenblick später kam das Fleisch, das an den Rändern noch rot war, auf einen Teller dem man ansehen konnte das er häufiger in Benutzung war, so wie die Glasur geädert war. „Habt ihr Salz“? Sie holte unter dem Tresen ein Salzfässchen hervor. Es waren Klumpen, die er erst zwischen den Fingern zerreiben musste. „Habt ihr vielleicht noch Brot“? „Nein kein Brot“. Sie ahnte das sie ihr was vorspielte, sie wollte jedoch aber nicht auf die Spitze treiben, weil auch sie wusste, warum sie das tat. Der Beharrte sah sie mit giftigen Blicken an, er ballte auf der gesplitterten und zerkratzten Tischplatte die Fäuste und öffnete sie wieder. Er ließ die Nasenflügel mit pulsierender Regelmäßigkeit beben, um den Fleischgeruch in sich aufzunehmen. Wenigstens den gab’s umsonst.

Snow aß sofort einen Bissen nach dem anderen, offensichtlich ohne dem Geschmack lange nachzuspüren. Sie schnitt das Fleisch auseinander und schob es in den Mund und versuchte dabei, nicht daran zu denken, wie das Rind, von dem das Fleisch stammte, ausgesehen haben mochte. Gute Erblinie, hatte sie gesagt.  Ja, bestimmt! Und die Kobolde tanzen im Licht des Wintermondes. Nach einer Weile leerte sich der Raum, die Flügeltür schwang wie von Sinnen vor und zurück. Der Klavierspieler klappte den Deckel des Instruments mit einem Poltern zu und folgte den anderen mit ausgreifenden, einer komischen Oper würdigen Schritten heraus. „Amir“ schrie die Frau ihm nach. Ihre Stimme drückte eine seltsame Mischung aus Angst und Boshaftigkeit aus. „Amir, komm sofort zurück! Maleun!“ War das nicht ein Name den Snow schon einmal gehört hatte? Sie meinte, das dem so war, aber jetzt war keine Zeit, länger darüber nachzudenken oder im Gedächtnis zu kramen.

„Verzeiht mir werte Dame, aber wer ist er, den ihr Amir nennt. Ich muss es wissen sagte Snow geduldig.“ „Er…“ „Ich weiß dies mag nun seltsam klingen aber durch die beschwerliche Reise durch die Länder eures Volkes habe ich viele Namen gehört, aber Amir bekommt mir bekannt vor. Den ich suche einen Mann. Ihr dürftet ihn kennen.“ Sie sah sie an, und Snow erkannte die Angst in ihren Augen. „Vielleicht kennt ihr ja meinen Preis", sagte sie, In Snow regt sich ein Verlangen, das sie sonst immer gut im Zaum halten, aber jetzt nicht mehr. Sie sah die Frau unverwandt an. Im Dunkeln würde die Narbe nicht zu sehen sein. Ihr Körper war so mager, das Wüste, Sand und Staub nicht alles hatten abnützen können. Und sie war einmal hübsch gewesen. Nicht, dass das eine Rolle gespielt hätte. Es hätte selbst dann keine Rolle gespielt, wenn Grabkäfer in der unfruchtbaren Schwärze ihres Schoßes genistet hätten. Sie legte die Hände vors Gesicht; sie hatte immer noch Flüssigkeit in sich – genug, um zu weinen.

„Bitte seht nicht her! Ihr dürft mich nicht so gemein ansehen!“

„Tut mir Leid“ sagte Snow. „Ich wollte nicht gemein sein.“

„Das will keiner von euch, die ihr aus den Südländern kommt, und die Einheimischen hier, wollen dies auch nicht!“ schrie sie Snow an. „Schließ den Laden, und mach das Licht aus.“

Sie weinte mit vors Gesicht geschlagenen Händen. Sie war froh darüber, dass sie die Hände dort hatte. Nicht wegen der Narbe, sondern weil ihr das die Jungfräulichkeit wiedergab, wenn auch keinen jungfräulichen Kopf. Die Nadel, die den Träger ihres Kleides hielt, glitzerte im schummrigen Licht.

„Wird er etwas stehlen? Ich schaffe ihn nach draußen, wenn du willst.“ Während Snow ihren Griff fest um die Schwertscheide legte. „Nein“, flüsterte sie „ Amir stiehlt nicht.“ „Dann mach das Licht aus.“ Sie nahm die Hände erst weg, als sie hinter ihr war, und löschte schließlich die Lampen eine nach der anderen, drehte die Dochte herunter und blies dann die Flammen aus. Sie ergriff ihre Hand im Dunkeln, und sie war warm. Sie führte sie nach oben. Dort war kein Licht, ihren Akt zu verbergen.













III


Ihr Geruch hing im Zimmer, frischer Flieder, ergreifend. Der Geruch der Wüste überlagerte ihn jedoch. Snow stellte fest, dass sie sich vor ihr liegenden Wüste fürchtete. Mit Snows Leben ist das so: Es zeichnet sich nicht gerade durch stille Momente des Bettgeflüsters aus. Ihr Techtelmechtel mit Allie bildet da keine Ausnahme. Man konnte ein kurzes poltern hören und jemand der die Treppe herauf stürmte. Und in das Zimmer hereinstürmte. Es war ein Mann, mit einem Messer bewaffnet war und laut schrie: „Mir hat sie zuerst gehört.“ Snow erwiderte darauf kurz: „Schöner Goldzahn. Der Mann der als Masud bekannt war hob das Messer bereit zuzustechen während Snow beide seiner Arme hielt und sagte: Vielleicht schlage ich in dir aus. Sie schwenkte den rechten Arm und das Messer fiel zu Boden. Sie schien Masud verletzt zu haben. Den jener ist letztlich nur ein armseliger Mensch. Kaum ein würdiger Gegner für Snow White. Seine Hände flattern marionettengleich, beide Handgelenke sind gebrochen. Man kann Mauds weinen hören während dieser sagte: „Alles war für dich, Alles nur für dich. Du kamst für mich immer zuerst, und alles was ich…“. Seine Stimme stoppte und man hört nur das quälende Winseln von ihm wegen der gebrochenen Handgelenke. Sie ging zu ihm und sagte: „Pscht, ist ja gut. Komm rüber zum Tisch, ich sehe mal, was ich tun kann.“ Sie führte ihn zum Tisch und schient die Handgelenke mit Ästen vom Feuerholz. Er weinte kläglich und ohne Willenskraft. „Masud, du Esel. Wie willst du jetzt dein Brot verdienen?. War dir nicht klar, dass du nicht der Kräftigste bist?. Snow schaute genervt drein. „ Also geh nun Masud, ich mag dich wirklich gern, doch das hier geht dich nichts an.“ Masud ging widerwillig und mit einem gebrochenen Herzen. „Ist das deine Art, jemanden die Handgelenke zu brechen. Die Welt mag sich verändert haben ja, doch was verleitet dich dazu sowas zu tun“. Snow wirkte Gedanken vertieft. Snow konnte nicht erzählen was geschehen ist. Ihr Mann, ihre Kinder. „Das tut mir echt leid“. Erwiderte Snow. Doch wie soll Snow es ihr erzählen. „Lass uns das vergessen“, komm wir nun zu dem Thema das mich in die Stadt geführt hat. Erzähl mir was hier geschehen ist,mit Amir. Die Schroffheit war nicht aus ihrer Stimme geschwunden. „Er ist gestorben.“ Snow wartete. „Er wurde von Allah berührt.“ „Den habe ich nie gesehen“ sagte Snow. „Er ist hier, seit ich mich erinnern kann – Amir, meine ich, nicht Allah. Er hatte eine Zeit lang einen Honigwagen. Fing an zu trinken. Fing an das Höllengras zu schnüffen und es schließlich zu rauchen. Die Kinder haben angefangen, ihm zu folgen und ihre Hunde auf ihn zu hetzen. Er hatte ein altes blaues Gewand an, die immer gestunken haben. Du weißt schon oder?“ „Ja“

„Er fing an es zu kauen. Zuletzt hat er einfach nur dagesessen und nichts mehr gegessen. In seiner Phantasie war er König Noble. Die Kinder hätten seine Hofnarren sein können, und die Hunde seine Prinzen.

„Ja“ „Er ist unmittelbar hier vor diesem Haus gestorben“, sagte sie. „Er kam den Gehweg entlanggestapft – seine Schuhe haben sich nie abgenutzt, es waren Arbeiterstiefel, die Kinder und Hunde immer hinter ihm her. Er sah wie ein Haufen verwickelter und verzwirbelter Drahtkleiderbügel aus. Man konnte sämtliche Lichter der Hölle in seinen Augen sehen, aber er grinste das Grinsen, das Kinder am „Komm, Ernte – Fest in Kürbisse schnitzen“. Man konnte den Schmutz und die Fäulnis und das Gras riechen. Es lief ihm wie grünes Blut aus den Mundwinkeln heraus. Ich glaube, er wollte hereinkommen und das Klavier spielen hören. Gleich vor der Tür blieb er stehen und legte den Kopf schief. Ich konnte ihn sehen und dachte, er würde einen Stellenwagen hören, obwohl planmäßig keiner eintreffen sollte. Dann übergab er sich, schwarz voller Blut. Es floss durch das Grinsen wie Abwasser durch ein Gitter. Der Gestank reichte aus, dass den Verstand hätte verlieren könnnen. Er riss die Arme hoch und kippte einfach um. Das war alles. Er ist mit einem Grinsen im Gesicht im eigenen Erbrochenen gestorben.“

„Nette Geschichte.“

Sie zitterte neben ihr. Draußen wahrte der Wind sein unablässiges Heulen, und weit entfernt schlug eine Tür wie ein im Traum vernommenes Geräusch zu. Mäuse liefen in den Hohlräumen der Wände herum. Im Hinterkopf dachte Snow, das dies wahrscheinlich das einzige Haus der Stadt war, das wohlhabend genug war, Mäusen eine Lebensmöglichkeit zu bieten. Sie legte eine Hand auf ihren Bauch, worauf sie heftig zusammenzuckte, doch dann entspannte sie sich wieder.

„Der Schwarze Mann“, sagte Snow „Du willst es wirklich wissen, ja? Du kannst es nicht einfach mit mir treiben und dann einschlafen.“

„Ich will es wissen.“ „Na gut. Ich erzähl’s dir.“ Sie nahm ihre Hand zwischen ihre beiden und erzählte es Snow.

Er kam am Spätnachmittag des Tages, an dem Amir gestorben war, und der Wind nahm an Heftigkeit zu und wehte die lockere Krume und wirbelnde Staubschleier und entwurzelte Getreidehalme vorbei. Ali Safar hatte die Mietstallung abgesperrt, und die Kaufleute hatten ihre Fensterläden geschlossen und die Läden mit Brettern vernagelt. Der Himmel hatte eine rote Farbe von Rotwein angenommen, und die Wolken flogen darüber hinweg, als hätten sie etwas Grässliches im Ödland der Wüste erblickt, wo sie noch kurz zuvor gewesen waren.

Der Gejagte von Snow White kam mit einem breiten jovialen Grinsen im Gesicht an. Die Leute beobachteten sein Kommen, und der alte Safir, der am Fenster lag und in einer Hand eine Flasche und in der anderen das lose, heiße Fleisch der linken Brust seiner zweitältesten Tochter hielt, beschloss, nicht da zu sein, sollte der Mann bei ihm anklopfen. Aber der Schwarze Mann vorüber. Er hätte ein Imam oder Mönch sein können; er trug einen schwarzen Talar, der vom Staub übersehen war, einen schwarzen Mantel und einen hämischen Gesichtsausdruck. Das Gewand wehte und flatterte. Unter dem Mantel schauten vom Sand überzogene schwarze Schuhe hervor.

Er hielt vor dem Lokal und starrte hinein, das tat er eine Zeit lang, bis er durch die Schwingtür trat. Asmaa betrachtete ihn neugierig, aber niemand sonst bemerkte seine Ankunft. Die üblichen Gäste waren alle sturzbetrunken. Hakim spielte auf dem Klavier, und die grauhaarigen Nichtstuer, die früh hereingekommen waren, um den Sturm zu entkommen und Amirs Totenwache beizuwohnen, hatten sich längst heiser gesungen. Hakim, der fast bis zur Besinnungslosigkeit betrunken war, wie berauscht und fast schon sexuell erregt angesichts des eigenen Fortlebens, spielte hektischem Tempo, die Finger flogen wie Weberschiffchen nur so dahin.

Die Stimmen kreischten und johlten wild durcheinander. Zwar schafften sie es nie, den Wind zu übertönen, schienen ihn aber herausfordern zu wollen. In der Ecke hatte Omar das Gewand von Yara Tahan über deren Kopf geworfen und malte ihr Erntetalismane auf die Knie. Einige andere Frauen wurden im Kries herumgereicht. Alle schienen sie wie im Fieber zu sein. Das trübe Leuchten des Sturms, das durch die Flügeltür hereinfiel, schien sie alle zu verspotten.

Amir war auf zwei Tischen in der Mitte des Raums aufgebahrt worden. Seine Arbeiterstiefel bildeten ein mystisches V: Der Mund hing zu einem schlaffen Grinsen offen, aber jemand hatte ihm die Augen zugedrückt und Metallstücken darauf gelegt. Seine Hände umschlossen sich. Der Schwarze Mann kam zur Theke. Asmaa beobachtete ihn und verspürte Bestürzung, gleichzeitig aber verbunden mit dem vertauten Verlangen, das sich in ihr verbarg. Er trug kein religiöses Symbol an sich, aber das hatte nichts zu bedeuten. „Whiskey“ sagte er. Seine Stimme war sanft und angenehm. „Aber von dem guten Zeug, Schätzchen.“ Sie griff unter die Theke und holte eine Flache herauf. Sie hätte ihm den hiesigen Gaumenbeleidiger als ihre beste Marke andrehen können, aber das tat sie nicht. Sie schenkte ein, und der Schwarze Mann beobachtete sie dabei. Seine Augen waren groß und leuchtend. Der Raum war aber so düster, dass man ihre Farbe nicht eindeutig feststellen konnte. Ihr Verlangen wuchs. Das Brüllen und Toben hinten im Raum ging ungebrochen weiter. Hakim, der nichtsnutzige Eunuch, spielte von den Soldaten Allahs.

„Hey Asmaa!“ Sie ging um zu bedienen, hasste das Schweigen des Fremden, hasste seine farblosen Augen und die eigenen unruhigen Lenden. Sie hatte Angst vor ihrem Verlangen. Es war launisch und entzog sich ihrer Beherrschung. Das Ganze mochte die Ankündigung ihrer Wechseljahre sein, die wiederum den Anfang ihres Älterwerdens ankündigten – ein Zustand, der hier in der Stadt für gewöhnlich so kurz und verbittert wie ein Sonnenuntergang war: Sie zapfte Bier, bis das Fass leer war, dann stach sie ein neues an. Sie hatte genügend Verstand, Hakim nicht darum zu bitten; er würde willig wie ein Hund kommen, mehr war er ja auch nicht, und sich entweder die Finger abhacken oder das Bier überall hin verspritzen. Der Blick des Fremden ruhte auf ihr, während sie das alles tat; sie konnte es spüren.

„Gut besucht“, sagte er, als sie zur Theke zurückkam. Er hatte seinen Whiskey nicht angerührt, sondern lediglich zwischen den Handflächen gerollt, um ihn zu wärmen.

„Totenwache“, sagte sie. „Ich habe den Verstorbenen bemerkt.“

„Alles Penner hier“, sagte sie voll Hass. „Allesamt Penner.“

„Sie freuen sich. Er ist tot. Sie nicht.“

„Als er noch gelebt hat, hatten sie nur Spott für ihn übrig. Es ist nicht recht, dass sie sich auch jetzt noch über ihn lustig machen. Es ist …“ Sie verstummte, weil ´sie nicht ausdrücken konnte, was es war oder weshalb es obszön war.

„Grasesser?“ „Ja! Was hatte er den sonst?“ Ihr Ton war vorwurfsvoll, aber er senkte den Blick nicht, und sie spürte, wie ihr das Blut in den Adern gefriert. „Tut mir Leid. Seid ihr Priester? Das ganze muss Euch doch abstoßen.“

„Bin ich nicht und tut es nicht.“ Er kippte den Whiskey fein säuberlich hinunter und verzog dabei keine Miene. „Noch einen, bitte. Noch einen mit Gefühl, wie es in der Welt nebenan heißt.“

„Zuerst muss ich aber die Farbe Eurer Münze sehen. Tut mir Leid.“ „Keine Ursache.“ Er legte eine große Silbermünze auf den Tresen, die an einem Ende dick und am anderen dünn war, und sie sagte das, was sie später wiederholen sollte: „Darauf habe ich kein Wechselgeld.“ Er tat das mit einem Kopfschütteln ab und sah abwesend zu, wie sie wieder einschenkte.

„Seid ihr nur auf der Durchreise?“, fragte sie. Er antwortete lange nicht, und sie wollte die Frage schon wiederholen, als er ungeduldig den Kopf schüttelte. „Sprecht nicht von trivialen Dingen. Der Tod ist hier unter euch.“ Sie wich verletzt und erstaunt zurück, und ihr erster Gedanke war, dass er ihr seine Heiligkeit verschwiegen hatte, um sie auf die Probe zu stellen.

„Ihr habt ihn gemocht“, sagte er unverblümt. „Stimmts? “ Wen? Amir?“ Sie lachte und heuchelte Verdrossenheit, um ihre Verwirrung zu überspielen. „Ich glaube, Ihr solltet lieber…“

„Ihr habt ein weiches Herz und ein bisschen Angst“, fuhr er fort. „Und jetzt ist er hier, und sie haben selbst diese Tür zugeschlagen, und Ihr glaubt, dass sie sie erst wieder aufmachen werden, wenn es für Euch an der Zeit ist, dort einzutreten; ist es nicht so?“ „Was seid Ihr, betrunken?“

„Amir ist tot“, intonierte der Schwarze Mann mit einem Anflug von Hohn. „Tot wie alle. Tot wie ihr und alle anderen.“

„Verlasst mein Lokal.“ Sie spürte bebende Abscheu in sich emporsteigen, aber von ihrem Unterleib strahlte immer noch Hitze. „Schon gut“, sagte er leise. „Schon gut. Wartet ab. Wartet nur ab.“ Seine Augen waren blau. Plötzlich verspürte sie eine große geistige Abgeklärtheit, als hätte sie eine Droge genommen.

„So tot wie ihr alle“, sagte er. „Versteht ihr?“ Sie nickte benommen, und er lachte laut – ein prächtiges, kräftiges unverdorbenes Lachen, bei dem alle den Kopf herumdrehten. Er  wirbelte herum und sah sie an, und plötzlich war er zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit geworden. Fatina’s Stimme versagte und verstummte, ein brüchiger hoher Ton blutete in die Luft. Es ertönte ein dissonanter Akkord des Klaviers und das Klavier hörte auf zu spielen. Sie alle sahen den Fremden unbehaglich an. Sand prasselte gegen die Seitenwände des Hauses. Die Stille dauerte an, breitete sich aus. Der Atem stockte ihr in der Kehle, sie sah an sich hinab und stellte fest, dass sie unter der Theke beide Hände an den Unterleib gepresst hatte. Sie sahen ihn alle an, und er sah sie an. Dann ertönte das Lachen wieder, so kräftig und volltönend, dass man sich ihm nicht entziehen konnte. Aber es bestand kein Drang, mit ihm zu lachen.

„Ich werde euch ein Wunder zeigen!“, rief er ihnen zu. Aber sie sahen ihn nur wie gehorsame Kinder an, die man zu einem Zauberkünstler gebracht hatte. Der Schwarze Mann sprang vor, Fatina wich von ihm zurück. Er grinste diabolisch und schlug ihr heftig auf den Bauch. Ein kurzes unabsichtliches Kichern entrang sich ihr, und der Schwarze Mann warf den Kopf zurück.

„Fühlt sich jetzt besser an, oder?

Fatina kicherte wieder, brach dann in Schluchzen aus und floh durch die Tür. Die anderen verfolgten ihren Abgang stumm. Der Sturm hob an; Schatten folgten einander und schwollen auf dem weißen Zyklorama des Himmels an und ab. Ein Mann beim Klavier, der ein vergessenes Bier in der Hand hielt, gab ein stöhnenden, grinsenden Laut von sich.

Der Schwarze Mann beugte sich über Amir und grinste auf ihn hinab. Der Wind heulte und kreischte und tobte. Etwas Großes prallte an die Seitenwand des Hauses und wirbelte davon. Einer der Männer an der Theke riss sich los und ging mit schlingernden grotesken Schritten hinaus. Donner krachte in plötzlichen Salven.

„Also gut!“, sagte der Schwarze Mann und grinste. „Also gut, an die Arbeit.“

Er fing an, Amir ins Gesicht zu spucken, wobei er sorgfältig zielte. Die Spucke glitzerte auf der Stirn und lief die glatte Hakennase hinunter.

Ihre Hände unter der Theke arbeiteten nun heftiger

Einer der Männer lachte wie ein Irrer und klappte zusammen. Er fing an, Schleim zu husten, großen Klumpen, die er ungeniert ausspie. Der Schwarze Mann brüllte zustimmend und schlug ihm auf den Rücken. Der Mann grinste, ein Goldzahn funkelte.

Einige machten sich aus dem Staub. Andere wiederum bildeten einen lockeren Kreis um Amir. Auf dem Gesicht und den Hahnenkammfalten von Doppelkinn, Hals und Brust glänzte Flüssigkeit- Flüssigkeit, die in diesem trockenen Land so wertvoll war. Und plötzlich hörte es auf, wie auf ein Zeichen. Man hörte abgehacktes, keuchendes Atmen.

Plötzlich schnellte der Schwarze Mann über den Leichnam, er machte eine Hechtbeuge, die zu einem anmutigen Bogen geriet. Es war schön, wie ein Wasserstrahl. Er landete auf den Händen, sprang mit einer Drehung auf die Beine, grinste und schnellte wieder zurück. Einer der Zuschauer vergaß sich selbst und applaudierte, wich dann aber sofort mit von Entsetzen umwölkten Augen zurück. Er schlug eine Hand vor den Mund und hastete zur Tür.

Als der Schwarze Mann zum dritten Mal über Amir sprang, zuckte der zusammen.

Ein Geräusch lief durch die Menge- ein Raunen- dann waren alle wieder still. Der Schwarze Mann warf den Kopf zurück und heulte auf. Seine Brust bewegte sich mit einem raschen, flachen Rhythmus, während er die Luft einsog. Er sprang immer schneller hin und her und glitt über Amirs Leichnam wie Wasser, das von einem Glas in ein anderes gegossen wurde. Die einzigen Geräusche im Raum waren nur noch das reißende Keuchen seines Atems und der anschwellende Pulsschlag des Sturms.

Amir machte einen trockenen tiefen Atemzug. Seine Hände zitterten und klopften unablässig auf die Tischplatte. Fatina kreischte und lief hinaus. Der Schwarze Mann sprang noch einmal, zweimal, dreimal. Jetzt vibrierte der ganze Leichnam,  er zitterte und klopfte und zuckte wie eine große, aber eigentlich leblose Puppe, in der ein monströser Aufziehmechanismus verborgen war. Der Gestank von Fäulnis und Exkrementen und Verwesung stieg in erstickenden Wogen auf. Auf einmal schlug er die Augen auf. Jamira spürte, wie ihre betäubten und gefühllosen Füße sie nach hinten stießen. Sie prallte gegen den Spiegel, der daraufhin ins Wackeln geriet, und blinde Panik überkam sie. Sie ging durch wie ein junger Stier.

„Hier habt Ihr euer Wunder“, rief ihr der Schwarze Mann keuchend nach. „Es gehört euch. Jetzt könnt ihr beruhigt schlafen. Nicht einmal das ist unumkehrbar. Obwohl es ... so ... gottverdammt ... komisch ist!“ Und er fing wieder an zu lachen. Das Geräusch verhallte, während sie die Treppe hinaufstürzte, um erst innezuhalten, nachdem die Tür zu den drei Zimmern über den Schankraum verriegelt war.

Dann fing sie an zu kichern und wippte hinter der Tür auf den Fersen hin und her. Das Geräusch schwoll zu einem scharfen Wimmern an, das mit dem Wind verschmolz. Sie hörte immer noch das Geräusch, das Amir von sich gegeben hatte, als er wieder zum Leben erwachte – das Geräusch von geballten Fäusten, die blindlings auf den Sargdeckel pochten. Welche Gedanken, fragte sie sich, mochten in diesem wieder belebten Gehirn wohl noch vorhanden sein? Was hatte er gesehen, während er tot war? An wie viel konnte er sich erinnern? Würde er davon erzählen können? Warteten treppab die Geheimnisse das Todes? Das Schrecklichste an solchen Fragen war, wie sie annahm, dass man sie irgendwie tatsächlich stellen wollte.

Unten tapste Amir in den Sturm hinaus, der Schwarze Mann, der mittlerweile der einzige Gast im Lokal war, sah ihm wahrscheinlich nach, wahrscheinlich immer noch grinsend.

Als sie sich an jenem Abend zwang, wieder nach unten zu gehen, mit einer Lampe in der einen und einem schweren Stück Feuerholz in der anderen Hand, war der Schwarze Mann verschwunden. Aber Amir war da; er saß am Tisch neben der Tür, als wäre er nie weg gewesen.

Er bemerkte ihre Anwesenheit, und sah zu ihr auf und lächelte schüchtern. „Hallo.“

„Hallo Amir.“ Sie legte das Feurholz ab und fing an, die Lampen anzuzünden, drehte ihm dabei aber nicht den Rücken zu.

„Allah hat mich berührt“ sagte er schließlich. „Ich werde nicht mehr sterben. Das hat er mir gesagt. Es war ein Versprechen.

„Wie schön für dich, Amir.“ Der Fidibus den sie hielt, fiel ihr aus den zitternden Fingern. Sie hob ihn wieder auf. „Ich würde gerne mit dem Gras schnüffeln aufhören“, sagte er. „Es macht mir keinen Spaß mehr. „Es scheint für einen Mann, der von Allah berührt worden ist, nicht richtig zu sein, Haschisch zu rauchen.“



„Warum hörst du dann nicht einfach damit auf?“ Ihr Zorn verleitete sie überraschenderweise dazu, ihn wieder als einen Menschen anzusehen, nicht als ein teuflisches Wunder. Sie sah ein recht traurig aussehendes Exemplar vor sich, das nur halb berauscht war und jämmerlich und beschämt aussah. Die Angst vor ihm war veflogen.

„Ich zitterte“, sagte er. „Undich will es haben. Ich kann nicht aufhören. Und du warst immer so gut zu mir...“ Er fing an zu weinen. „Ich kann nicht einmal verhindern, mir in die Hose zu machen. Was bin ich nur? Was bin ich?“



Sie ging zu seinem Tisch und blieb dort zögernd und unsicher stehen. „Er hätte machen können, das ich es nicht mehr haben will“, sagte er unter Tränen. „Das hätte er tun können, wo er mich doch auch wieder zum Leben erwecken konnte. Ich beschwere mich ja nicht. Ich will mich nicht beschweren...“ Er sah gehetzt um und flüsterte dann: „Er könnte mich töten, wenn ich das tue.“

„Vielleicht hat er nur Witze gemacht. Er schien einen eigenartigen Sinn für Humor zu haben.“

Amir griff nach seinem Beutel, der im Hemd baumelte, und holte dort eine Hand voll Haschisch heraus. Sie schlug den Beutel ohne nachzudenken weg und zog dann entsetzt die Hand zurück.

„Ich kann nichts dafür, ich kann nicht anders...“ Er vollführte einen gebrechlichen Sprung nach dem Beutel. Sie hätte ihn aufhalten können, aber sie unternahm keinen Versuch dazu. Sie machte sich wieder daran, die Lampen anzuzünden; sie war müde, wenngleich der Abend noch kaum angefangen hatte. Doch an diesem Abend kam niemand mehr. Nur Amir kam später noch einmal und hielt ihr mit zittriger Hand – gleich einer Hand, die eigentlich nicht das Recht zu leben hatte – ein gefaltetes Blatt Papier hin. „Er hat dir das dagelassen“, sagte er. „Hätte ich beinahe vergessen. Wenn ich’s ganz vergessen hätte, wäre er bestimmt zurückgekommen, um mich zu töten.“

Papier war etwas Wertvolles, etwas Kostbares, das hoch zu schätzen war, aber sie berührte es nur widerwillig. Es fühlte sich grob an, schmutzig. Außen stand nur ein einziges Wort:

„Woher kennt er meinen Namen?“, fragte sie Amir, aber Amir schüttelte den Kopf. Sie faltete das Blatt auf und las, was dort geschrieben stand:







„Du willst etwas über den Tod wissen. Ich habe ihm ein Wort hinterlassen. Das Wort heißt DREIZEHN. Wenn du es ihm gegenüber aussprichst, wird sich sein Geist öffnen. Er wird dir erzählen, was darunter liegt. Er wird dir erzählen, was darunter liegt. Er wird dir erzählen, was er gesehen hat.

Das Wort heißt DREIZEHN.

Das Wissen wird dich in den Wahnsinn treiben.

Aber früher oder später wirst du fragen.

Nichts wirst du dagegen unternehmen können.

Ich wünsche noch einen schönen Tag

Liebe Grüße Janlinio Stark

PS: Das Wort heißt DREIZEHN.

Du wirst versuchen es zu vergessen, aber früher oder später wird es dir wie Erbrochenes aud dem Mund fließen

DREIZEHN.“





Und o lieber Gott, sie wusste, dass sie es tun würde. Schon jetzt zitterte es ihr auf den Lippen. Dreizehn, würde sie sagen. Hör gut zu, Amir: Dreizehn. Die Geheimnisse des Todes und das Land darunter würden sich ihr öffnen.

Früher oder später wirst du fragen. Am nächsten Tag war fast alles wieder beim Alten, aber die Kinder hatten aufgehört, Amir hinterherzulaufen. Am Tag danach fing es mit den Spottrufen aber wieder an. Das Leben war sein lieb gewonnenes Fahrwasser zurückgekehrt. Die Kinder sammelten den entwurzelten Mais ein, und eine Woche nach Amirs Auferstehung verbrannten sie das Getreide auf der Straße. Das Feuer brannte einen Augenblick lang lichterloh, und die meisten Besucher der Bar traten heraus, um zuzusehen. Sie sahen primitiv aus. Ihre Gesichter schienen zwischen den Flammen und der kristallklaren Brillanz des Himmels zu schweben. Sie betrachtete sie und verspürte ein Aufflackern vorübergehender Verzweiflung ob der traurigen Zeiten, die über die Welt gekommen waren. Der Verlust. Die Dinge waren zerfallen. Es war kein Leim mehr im Zentrum der Dinge.

Irgendwo war irgendwas ins Wanken geraten, und wenn es fiel, wäre das für alle das Ende. Sie hatte nie das Meer gesehen, würde es nie sehen.

„Wenn ich den Mumm hätte“, murmelte sie. „Wenn ich bloß den Mumm, Mumm, Mumm hätte...“

Amir hob den Kopf, als er ihre Stimme vernahm, und lächelte sie aus der Hölle heraus nichts sagend an. Sie hatte keinen Mumm. Nur eine Kneipe und eine Narbe. Und ein Wort. Es zappelte hinter zusammengepressten Lippen.

Was, wenn sie ihn nun zu sich rief und ihn trotz seines Gestanks dicht zu sich heranzog? Was, wenn sie das Wort nun in einen dieser wächsernen Schalltrichter sprechen würde, die Amir seine Ohren zu nennen beliebte? Seine Augen würden sich verändern. Sie würden sich in seine verwandeln – in die des Mannes in Schwarz. Und dann würde Amir ihr erzählen, was er im Lande des Todes gesehen hatte, das weit unter der Erde und allem Gewürm lag.

„Nie würde ich das Wort sagen“ dachte sie sich sehr konzentriert.

Aber der Mann, der Amir ins Leben zurückgebracht und ihr eine Nachricht hinterlassen hatte – ein Wort, das sie sich eines Tages wie eine gespannte Pistole an die Schläfe setzen würde – , wusste es besser.

Dreizehn würde das Geheimniss eröffnen

Neunzehn war das Geheimnis.

Sie erwischte sich dabei, wie sie es in eine Lache auf dem Tressen malte – 13, und verrieb es sofort wieder zur Unkenntlichkeit, als sie merkte, dass Amir sie beobachtete.

Das Feuer war bald niedergebrannt, und ihre Kunden kamen wieder herein. Sie fing an, sich nun selbst Whiskey einzuschenken, und um Mitternacht war sie sturzbetrunken.





IV

Sie beendete ihre Geschichte, und da sie nicht gleich antwortete, glaubt sie zuerst, ihre Schilderung hätte Snow in den Schlaf gewiegt. Sie fing schon selbst an zu dösen, da sagte sie: „Ist das alles?“

„Ja das ist alles. Es ist schon sehr spät.“ Wieder Schweigen bis sie Snow düster sagte: „Du wirst morgen früh weiterziehen“.

„Ich sollte. Ich glaube, er hat hier eine Falle für mich zurückgelassen. So wie er dir eine hinterlassen hat.“

„Glaubst du wirklich, die Zahl könnte...“ Wenn dir deine Gesundheit lieb ist, solltest du Amir gegenüber das Wort nie erwähnen“, sagte Snow.

„Vertreib es aus deinem Kopf. Wenn du’s schaffst, dann bläu dir ein, dass nach zwölf gleich vierzehn kommt. Der Mann der mit Janlino Stark unterschrieben hat, mag so manches sein, aber ein Lügner ist er nicht.“

„Aber...“ „ Wenn der Drang sich aufbaut und stärker wird, verzieh dich nach hier oben, versteck dich unter der Steppdecke, und sag es immer wieder auf - schrei es heraus, wenn nötig -, bis der Drang nachlässt.“

Irgendwann wird der Drang sich nicht mehr bezähmen lassen.“ Snow hatte darauf keine Antwort, weil sie wusste das es die Wahrheit war. Die Falle war von grauenhafter Vollkommenheit. Wenn einem jemand erzählte, dass einem die Hölle gewiss war, sollte man je auch nur daran denken, die eigene Mutter nackend zu sehen (dies wurde ihr einst von einer Person, einem Revolverhelden gesagt, doch dieser mag schon tot sein), so war es unausweichlich, dass einem dieser Gedanke irgendwann einmal tatsächlich kam. Und warum? Weil man unter keinen Umständen in die Hölle wollte. Weil der Verstand, gab man ihm ein Messer und eine Hand, es zu halten, sich schließlich unweigerlich selbst verzehren würde. Nicht weil es der Wille war, sondern eben weil es nicht dem Willen entsprach.

Früher oder später würde sie Amir zu sich rufen und das Wort aussprechen.

„Geh nicht“, sagte sie „Wir werden sehen.“

Sie drehte sich auf die Seite, weg von ihr, aber sie war beruhigt. Sie würde bleiben. Sie döste ein.

Kann Snow Wünsche wahr werden lassen? Sie denkt schon während sie döste, und setzt darauf, dass sie ihren wahr werden lässt. Dass sie eine Weile bleibt. Das und ihr Liebesspiel ist für ein glückloses, vernarbtes Weibsstück wie sie Wunsch genug.



   V

Am Morgen kochte sie ihr Grütze, die sie kommentarlos aß. Sie schaufelte sich den Brei in den Mund, ohne an sie zu denken, ja sie sah sie kaum an. Eigentlich sollte sie weiterziehen. Mit jeder Minute, die sie hier saß, entfernte sich der Schwarze Mann weiter von ihr - wahrscheinlich hatte er den Ortstein längst hinter sich und war inzwischen schon weiter in die Wüste eingedrungen. Sein bisheriger Weg hatte sie unbeirrbar nach Südosten geführt, und Snow White wusste auch warum.

„Hast du eine Straßenkarte?“ fragte sie und sah auf. „Von der Stadt?“ Sie lachte. „Die ist nicht so groß, dass man eine Karte brauchen würde.“

„Nein. Von dem, was südöstlich von hier liegt.“

Ihr Lächeln erlosch. „Da ist bis zum Horizont nur Wüste. Ich dachte du würdest eine Weile bleiben.“

„Was liegt auf der anderen Seite der Wüste?“ „ Woher soll ich das wissen? Niemand durchquert sie. Seit ich hier bin, hat das jedenfalls nie jemand versucht.“ Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab, nahm einen Topflappen und schüttete das Wasser, das sie in einem Kessel heiß gemacht hatte, ins Spülbecken, wo es spritzte und dampfte. „Nur die Wolken ziehen unablässig in diese Richtung. Als würden sie von etwas aufgesogen...“

Sie stand auf. „Wohin gehst du?“ Sie hörte die schrille Angst in ihrer Stimme und hasste sich dafür.

„Zum Mietstall. Wenn jemand mehr weiß, dann der Stallknecht.“ Sie legte ihre Hände auf die Schultern. Die Hände waren rau, aber warm.

Sie sah zu Snow auf. „ Hüte dich vor diesem Nael. Wenn er etwas nicht weiß, dann erfindet er einfach etwas.“

„Danke“ erwiderte Snow. Nachdem sie gegangen war, wandte sie sich dem Spülbecken zu und spürte das heiße, warme Fließen ihrer Tränen der Dankbarkeit. Wie lange war es her, dass sich jemand bei ihr bedankt hatte? Jemand, der ihr etwas bedeutete?



VI

Nael war ein zahnloser, unfreundlicher alter Lüstling, der bereits zwei Frauen zu Grabe getragen hatte und seitdem mit Töchtern geschlagen war. Zwei Halbwüchsige sahen Snow aus dem staubigen Schatten der Stallung heraus an. Ein Kleinkind sabberte glücklich im Staub.

Als sie bei Nael ankam, war der nördliche Horizont merkwürdig verschleiert, und sie wusste, dass das Staub war. Über die Stadt war die Luft ruhig und totenstill. Nael erwartete sie auf der gemulchten Bühne, die den Boden seiner Stallung bildete. „Brecht ihr auf werte Dame?“ Er grinste Snow White verächtlich an. „Nein Werter Herr tue ich nicht, ich bin vielmehr daran interessiert was außerhalb eurer Stadt wartet.“ Naels Augen verdüsterten sich. „Die letzten Tage brechen an, Werte Dame. Ihr wisst ja, was in den Schriften geschrieben steht. Kinder werden ihren Eltern nicht mehr gehorchen, und eine Seuche wird übers Volk kommen. Man muss nur den Heiligen, den Weisen zuhören dann weiß mann’s.

Snow nickte, dann deutete er nach Osten er nach Südosten. „Was findet man dort hinten?“

Nael grinste wieder und entblößte dabei Zahnfleisch und ein paar lockere gelbe Zähne. „Grenzbewohner. Gras. Wüste. Was sonst?“ Er kicherte während er Snow mit kalten Blick maß.

„Wie groß ist die Wüste?“

„Groß.“ Nael behmühte sich ernst dreinzuschauen als gälte es, eine ernste Frage zu beantworten. „Vielleicht tausend Räder. Vielleicht zweitausend. Kann ich nicht genau sagen, meine Dame. Da draußen gibt es nichts außer Höllengras und vielleicht’n paar Mutanten, vielleicht wartet aber auch Kultisten die alle ihre Seelen dem Azazil dargeboten haben. Der andere Bursche ist jedenfalls dahin gegangen.

Der, wo Amir wieder hergestellt hat, als er krank war.“

„Krank? Ich habe gehört, dass er tot war.“

Nael grinste weiterhin. „So, so. Vielleicht. Aber wir sind ja alle erwachsene was?“

„Immerhin glaubst du an Dämonen.“ Nael sah beleidigt drein. „Das ist was ganz anderes. Unsere Stadtälteste sagt...“

„Also Farida sagte uns...“ Er quatschte und plapperte einfach weiter. Schließlich wurde Snow ungeduldig und schnitt dem Nael mitten im Schwall das Wort ab. „Du weißt also nicht was außerhalb der Wüste kommt?“

Nael zuckte die Achseln. „Irgendwas wird’s schon sein. Vor fünfzig Jahren vor dem Krieg ist die Kutsche teilweise hingekommen. Hat mein Pap mir erzählt. Hat gesagt, da gibts Berge. Manche behaupten, n‘ Ozean...’n grüner Ozean mit Ungeheuern. Und wieder andre sagen, da hört die Welt auf. Da gibt’s nichts als Lichter, die einen blind machen, und das Antliz Alahs mit weit offnem Mund, um einem aufzufressen.“

„Bullshit“ sagte Snow kurz angebunden. „Klar doch!“ rief Nael eilfertig. „Redet doch einfach mit Farida, sie wird euch sagen können was außerhalb des Wüste ist. Denn sie kam von dort, von den Grenzen unserer Stadt

Wieder im Bett, erzählte Snow was sie bei dem Gespräch mit Nael herauskam.

„Sie wird dich nicht empfangen“, hieß es. Sie empfängt niemanden. Sie kommt nur von ihrer Behausung am Sonntagabend heraus, um allen eine Heidenangst zu machen.“

Wie lange ist sie schon hier?“ „Seit zwölf Jahren. Vielleicht auch erst seit zweien. Zeit ist was Komisches, wie du sicherlich weißt. Sprechen wir nicht von ihr.“

„Nael erwähnte sie käme von außerhalb der Wüste, erwähnte sie jemals genau von wo?“

„Nein, ich weiß es nicht.“ „Das dachte ich mir.“ Snow entspannte sich etwas. Aus Südost, mit anderen Worten. Genau der Richtung des Weges, dem sie folgte. Mitten in die Gebiete des Imperiums. Sie vermutete das die Älteste von weiterher kam. Wie hat sie es geschafft, so weit zu reisen? Mittels irgendeiner alten Maschine, die immer noch funktionierte?

Dieser Gedanke ließ Snow keine Ruhe? „Wirst du mit mir schlafen, wenn ich dir sage, wo ihr Haus steht?“ „Ich werde sowieso mit dir schlafen. Trotzdem will ich’s wissen.“

Sie seufzte. Es war ein Alter vergilbter Laut, so als würde man Seiten umblättern. „ Sie hat ein Haus jenseits des Hügels hinter der kleinen Moschee. Eine kleine Hütte. Dort hat der ... der echte Imam gewohnt, bevor er ausgezogen ist. Reicht das? Bist du jetzt befriedigt?“

„Noch nicht ganz.“ Und damit wältzte sie sich auf sie.





VII

Am nächsten Tag hatte der Himmel die hässlich purpurne Farbe einer Prellung angenommen und wurde von den ersten Ausläufern der Dämmerung auf unheimliche Weise von oben gefärbt.

Snow wurde wortlos serviert. Sie aß hastig, kaute, schluckte, ließ jedem Bissen heißen Kaffee folgen. Sie die Frau mit der sie letzte Nacht schlief, ging zur Schwingtür und sah sehr lange in den Morgen hinaus, zu den stummen Bataliollen gemächlich dahinziehender Wolken.

„Heute wird es sich bedecken.“

„Überrascht mich nicht.“  „Bist du jemals überrascht“, fragte sie ironisch. „Manchmal“, sagte ihr Snow. Nahm ihr Schwert setzte sich Teile ihrer Rüstung an und ging hinaus.

Was sie jedoch nicht weiß ist das Snow sie das letzte Mal lebend sieht.







IX

Als sie Faridas Hütte erreichte, war der Wind völlig zum Erliegen gekommen, und die ganze Welt schien in Wartestellung zu sein. Sie war lange genug im Wüstengebiet, dass sie wusste, je länger die Ruhe war, desto heftiger würde der Sturm sein, wenn er schließlich zu blasen beschloss. Ein seltsam fahles Licht lag über allem. An der winfschiefen und hinfälligen Tür der Hütte war ein großes Holzkreuz festgenagelt. Sie klopfte und wartete. Keine Antwort. Sie klopfte noch einmal. Keine Antwort. Sie schritt zurück und trat die Tür mit einem heftigen Tritt des rechten Stiefels ein. Drinnen wurde ein kleiner Riegel herausgerissen. Die Tür schlug gegen eine schlampig getäfelte Wand und scheuchte Ratten auf, die daraufhin flohen. Farida saß in der Diele, saß auf einem Hartholzschaukelstuhl und sah sie mit ihren großen dunklen Augen an. Das Licht des Sturms fiel in grässlichen Halbtönen auf ihr Gesicht. Sie hatte sich ein Tuch umgeschlungen. Der Schaukelstuhl gab leise quietschende Geräusche von sich.

Sie sahen einander einen langen, zeitlosen Augeblick an.

„Du wirst ihn niemals erwischen“, sagte sie. „Du schreitest auf dem Weg in die Verdammnis.“

„Er war bei dir“, sagte Snow. „Und in meinem Bett. Er sprach in der einen Zunge zu mir. Der Hohen Sprache. Er...“

„Er hat dich um den Verstand gevögelt. Im wahrsten Sinne des Wortes.“ Sie zeigte keine Regung. „Du schreitest auf dem Weg des Verdammnis Schneewehe. Du stehst im Schatten. Du hast gestern Abend im Schatten des heiligen Ortes gestanden. Dachtest du ich ahnte nich das du auf der Suche nach ihm hier vorbei kommen würdest.“

„Warum hat er den Grasfresser geheilt?“ „Er war ein Engel Allahs. So hat er es gesagt.“

Sie bleckte die Zähne, eine unbewusste, tierische Geste. „Er hat mir erzählt, dass du ihm folgen würdest. Er hat mir gesagt was ich tun muss. Er hat dir alles genommen, den Einen getötet, deine Kinder entführt. Er sagte du bist ein Abkömmling des Azazil, in eurer Sprache bedeutet es, du bist der Antichrist.

Snow schüttlete den Kopf. „Das hat er nicht gesagt.“ Sie lächelte lasziv zu Snow auf. „Er sagte du würdest es verstehen. Stimmt das?“

„Er sagte Frauen würdest du auch bevorzugen, so wie du es mit der Dame aus dem Pup getan hast, also nimm mich auch.“

„Aber vergiss nicht das der Preis meines Fleisches dein Leben ist Schneewehe. Er hat mir ein Kind gemacht. Nicht seines, sondern das eines großen Königs. Wenn du mit mir schläfst...“ Sie beendete den Satz mit ihrem lasziven Lächeln. Gleichzeitig gestikuliert sie mit ihren riesigen Hüften. Sie erstreckten sich unter ihrem Gewand wie Säulen aus feinstem Marmor. Die Wirkung war betörend.

Snow legte die Hände auf den Griff ihres Schwerts. „Du hast einen Dämon in dir, nicht einen König. Aber fürchte dich nicht. Ich kann ihn dir austreiben.“

Die Reaktion erfolgte augenblicklich. Sie presste sich in den Stuhl, und ein rettchenänlicher Ausdruck blitzte auf ihrem Gesicht auf.

„Fass mich nicht an! Komm mir nicht zu nahe. Wage nicht, Hand an mir, einer heiligen Frau zu legen!“

„Möchtest du wetten?“ sagte Snow. Sie kam auf sie zu. „Wie der Spieler sagte, als er das Blatt mit lauter Kreuz und Herz ablegte: Watch Me.“

Das Fleisch des riesigen Leibes bebte. Ihr Gesicht war eine Karikatur wahnsinnigen Entsetzens geworden.

„Die Wüste“, sagte Snow. „Sag mir, was kommt nach der Wüste?“

„Du wirst ihn niemals erwischen! Niemals! Niemals! Du wirst verbrennen! Das hat er mir gesagt!“

„Ich werde ihn erwischen“, sagte Snow. „Das wissen wir beide. Was liegt jenseits der Wüste?“

„Nein!“

„Antworte mir!“

„Nein!“

Sie glitt nach vorn, sank auf die Knie und ergriff ihre Schenkel. Sie kniff die Beine wie einem Schraubstock zusammen. Sie gab merkwürdige, lüsterne Klagelaute von sich.

„Dann also der Dämon“, sagte sie. „Und raus damit.“

„Nein...“

Sie zwängte ihre Schenkel auseinander und zog ein Messer aus ihrer Rückenscheide.

„Nein! Nein! Nein!“ Ihr Atem ging in kurzen, wilden Grunzlauten.

„Antworte mir.“ Sie schaukelte mit dem Stuhl, und der Boden bebte. Gebete und zusammenhanglose Bruchstücke von Schimpfworten flogen ihr von den Lippen.

Sie stieß die Klinge nach vorn. Sie konnte mehr spüren als hören, wie entsetzt Luft in die Lunge sog. Sie schlug Snow mit den Händen auf dem Kopf, trommelte mit den Füßen auf den Boden.

Und gleichzeitig versuchte der riesenhafte Leib, den Eindringling zu nehmen und zu umschließen. Von draußen beobachtete niemand sie, außer dem zerklüfteten diesigen Himmel.

Sie kreischte schrill etwas Unverständliches.

„Was?“

„Berge!“

„Was ist mit ihnen?“

„Er rastet... auf der anderen Seite!... Um K-Kräfte zu sammeln. M-m-meditieren, verstehst du? Oh... ich... ich...“

Der ganze gewaltige Fleischberg bewegte sich plötzlich vorwärts und aufwärts, aber sie achtete sorgfältig darauf, dass sie nicht von ihrem inneren Fleisch berühren ließ. Dann schien sie zu welken und in sich zu versinken, und sie weinte, während ihre Hände im Schoß ruhten.

„Na also“, sagte sie und stand auf. „Dem Dämon ist gedient, was?“

„Geh. Du hast das Kind des roten Königs getötet. Aber das wird man dir heimzahlen. Darauf setze ich Uhr und Urkunde. Verschwinde jetzt. Verschwinde.“

Unter der Tür blieb sie stehen und drehte sich um. „Kein Kind“ sagte sie knapp. „Kein Engel oder Prinz, kein Dämon.“

„Lass mich allein.“

Das tat Snow auch.





   X

Snow ging in die Stadt zurück und war dabei aufzubrechen, sie ging wollte sich jedoch noch einmal verabschieden ehe sie weiterzieht. Ihre Stiefel wirbelte kleine Staubwölkchen auf. Die Wasserschläuche hatte sie sich auf den Rücken geschnallt. Sie hielt noch einmal an der Bar an, doch die Person die er suchte war nicht da. Das Haus lag verlassen da.

Wegen des Sturms war es bereits mit Brettern vernagelt worden, Sie füllte ihren Reissack mit Maisflocken, Mais, der getrocknet und dann geröstet worden war. Sie stapelte vier Goldstücke auf die Brettertheke. Doch jene Person die sie hoffte zu sehen, kam nicht. Das Klavier entbot ihr ein stummes Lebewohl. Sie ging wieder nach draußen, und dachte sich, das es ihr gelingen kann  der Falle auszuweichen, auch wenn die Chancen schlecht standen. Immerhin war sie jetzt der Versucher.

Sie ging an den zugenagelten, ausharrenden Häusern vorbei und spürte dabei die Blicke der Einwohner durch die Ritzen und Fugen durch.

Der Schwarze Mann hatte in dieser Stadt Gott gespielt. Er hat von einem Königskind gesprochen, einem roten Prinzen. Lag das einem Sinn für komische Komik, oder war es aus der Verzweiflung heraus geboren? Eine Frage von nicht unerheblicher Bedeutung.

Hinter ihr ertönte ein schriller, gequälter Schrei, und plötzlich wurden Türen aufgerissen. Gestalten schnellten heraus. Also war die Falle zugeschnappt. Männer in Hemdhosen und Männer in Turbanen. Frauen verhüllt. Sogar Kinder, die hinter ihren Eltern einhertapsten. Und in jeder Hand war ein Holzknüppel oder ein Messer.

Ihre Reaktion kam automatisch, ohne Zögern wie angeboren. Sie wirbelte auf den Absätzen herum, während sie gleichzeitig ihr Schwert aus der Scheide zog, desen Griff ihr schwer und sicher in der Hand lagen. Es war jene Frau, und selbstverständlich musste sie es sein, die mit verzerrtem Gesicht auf sie zukam, in dem die Narbe im düsteren Licht eine höllische Purpurfärbung angenommen hatte. Sie sah, dass sie als Geisel genommen worden war, das verzerrte, Grimassen von Nael lugte über ihre Schulter wie der vertraute Rabe einer Hexe. Sie war sein Schild und Opfer. Sie sah alles klar und ohne Schatten im gefrorenen unsterblichen Licht der sterilen Ruhe, und hörte sie:

„Töte mich, töte mich bitte! Ich hab das Wort gesagt, dreizehn, hab ich gesagt, und er hat mir ezählt... Ich ertrage es nicht...“

Ihre Hände warern darauf trainiert, ihr das zu geben, wonach sie verlangte. Snow zog ihr Maschinengewehr von ihrem Rücken DerSchuss flog mit seiner atonalen Musik in die Luft. Naels Kopf schnellte nach hinten, Sie fielen beide in den Staub.

Sie sind beide ins Land der Dreizehn gegangen, dachte sie. Was auch immer dort ist.

Stöcke flogen durch die Luft und regneten auf sie herab. Sie wehrte sie mit ihrem gezogenen Schwert und ihrem Körper ab. Einer, durch den ein Nagel geschlagen war, riss ihm den Arm auf, und Blut floss. Ein Mann mit Bartstoppeln und Schwitzflecken unter den Achselhöhlen, der ein Küchenmesser in der Hand hielt, warf sich ihr entgegen. Snow bohrte ihm ihr Schwert durch den Körper, und der Mann sackte auf die Straße. Als er mit dem Kinn aufprallte, flog sein faslches Gebiss heraus und lag dann grinsend und speichelglänzend im Dreck.

„Die Hure des Teufels“ schrie jemand. „Die Verfluchte! Werft sie nieder!“

„Die Versucherin!“ schrie jemand anderes. Die Stöcke regneten weiterhin auf sie herab. Ein Messer drang in einen ihrer Stiefel und blieb dort wippend stecken. Sie schnitt Leuten ihr Haupt von den Körpern, schnitt Arme und stoßte ihre Klinge, durch ihre Mitte und rannte los, während Menschen zu Boden fielen, ihre Hände suchten mit grauenhafter Sicherheit ihr Ziel. Zwei Männer und eine Frau fielen, und sie lief durch die Lücke, die sie frei gemacht hatten.

Sie führte die fiebernden Parade quer über die Straße und zu dem baufälligen Warenhaus/Barbierladen an, der der Bar gegenüberlag. Sie sprang auf den Plankengehsteig, wirbelte und feuerte aus ihrem Maschinengewehr für das sie nur noch zwei Magazine hatte. Sie wich zurück und bewegte sich wie eine Tänzerin, um den Wurfgeschossen auszuweichen. Es kamen immer mehr Leute auf den Gehsteig, und sie trat ins Warenhaus und schlug die Tür zu, Das große Schaufenster zur Rechten barst nach innen, und drei Männer drängten sich hindurch. Ihre Gesichter waren von        bessesner Leere, die Augen von verzehrendem Feuer erfüllt. Sie tötete sie alle, auch die beiden, die ihnen folgten. Sie stürtzten ins Fenster, hingen auf den Glasscherben, versperrten die Öffnung.

Die Tür krachte und erbebte unter ihrem Druck, und sie konnte ihre Stimme hören: „Mörderin! Eure Seelen! Das Bockbein!“

Die Tür wurde aus den Angeln gerissen, fiel einwärts und erzeugte dabei ein tonloses Händeklatschen. Staub stob vom Boden empor. Männer, Frauen und Kinder drangen auf sie ein. Speichel und Feuerholz flogen ihr entgegen. Sie schwung ihr Schwert so oft es ihr möglich war, glitt durch ihre Haut wie  Butter, und die Menschen fielen wie Kegel. Sie wich zurück, stieß ein Mehlfass um, rollte es ihnen entgegen, ging in den Barbierraum, warf ihnen einen Topf mit kochendem Wasser entgegen, in dem zwei gekerbte Rassiermesser lagen. Sie drängten weiter heran und kreischten dabei wütend und unverständlich. Von irgendwo her trieb Farida sie an, ihre Stimme schwoll wie ein zufälliger Modulation auf und ab. Sie ging rückwärts zur Hintertür hinaus auf die Veranda. Jetzt hatte sie das flache Buschland hinter sich, welche die Stadt achtlos leugnete, die sich an den dreckigen Hintern der Steppe schmiegte. Drei Männer mit breitem Verättergrinsen auf dem Gesicht hasteten um die Ecke. Sie erblickten sie und sahen, das sie sie auch sah, und ihr Grinsen erlosch in dem kurzen Augenblick, bevor Snow sie niedermähte. Eine brüllende Frau war ihnen gefolgt. Sie war groß und dick, und Snow stoß ihr Schwert durch den Kopf. Und sie landete mit hurenhaft gespreizten Beinen und über die Schenkel gerutschtem Kleid auf dem Boden.

Sie ging die Stufen hinunter und schritt rückwärts in die Wüste, zehn Schritte,  zwanzig. Die Hintertür des Barbierladens flog auf, und die Verfolger brodelten heraus. Sie erhaschte eine Blick auf Farida. Sie ließ die ganze Menge auf sich zu kommen und schwingte ihr Schwert und schoss aus allen Rohren. Sie fielen in Scharen, im unsterblichen  Purpurlicht des Tages warfen sie keinen Schatten.

Die Verfolger brodelten ihr entgegen, sollte sie die Hand heben und ihnen sagen, dass sie fünfundzwanzig Jahre damit verbacht hatte, diesen und andere Kunstgriffe zu lernen, ihnen von den Schwert und den Revolvern und dem Blut erzählen, die ihm jene zu Eigen gemacht hatten? Sie ließ den Mund zu. Ihre Hände konnten nämlich ihre eigene Geschichte erzählen.

Als sie mit dem Laden fertig war, waren sie bis auf Wurfweite herangekommen, Ein Stock traf sie auf der Stirn und brachte    Blutstropfen aus einer Schürfwunde zum Vorschein. In zwei Sekunden würden sie sie ergreifen können. Sie verabreichte es ihnen allen, und denjenigen hinter ihr auch. Ihre Leiber plumpsten wie feine Blütenblätter zu Boden. Blut und Gehirn spritzten in Strömen.

Sie hielten einen Augenblick verwirrt inne, das Antlitz des Mobs zerfiel wieder in einzelne bestürtzte Gesichter. Ein Mann lief kreischend im Kreis herum. Eine Frau mit Blasen an den Händen hob den Kopf und kicherte fiebernd zum Himmel empor. Der Mann, der sie bei seiner Ankunft in der Stadt mit ernster Miene auf den Stufen des Lebensmittelladens hatte sitzen sehen, besudelte sich plötzlich mit einer erstaunlichen Lache in die Hosen.

Auf einmal lied Farida, die in der eine Hand einen Stern und in der anderen einen  Halbmond schwenkte, auf sie zu. „Dämon! Dämon! Dämon! Kindsmörder! Ungeheuer! Vernichtet sie, Brüder und Schwestern! Sie rannte schnell auf sie zu, ehe sie wusste was passiert war, schien sie wie eine Ziehharmonika in sich zusammenzufallen und waberte dabei wie ein Hitzeflimmern.

Sie sahen sie alle einen Augenblick lang in stummer Szene an. Die Zahl der Verfolger hatte abgenommen, sie war durch sie gegangen wie die Sense eines Mähers. Sie dachte, nach dem Tod der Frau würden sie sich zerstreuen, aber jemand warf ein   Messer. Das Heft traf ihn genau zwischen den Augen und warf ihn um. Sie stürtzten als grapschendes, bösartiges Knäuel auf ihn zu. Sie schwang ihr Schwert noch einmal. Ihr Kopf schmerzte, und sie sah große braune Ringe vor den Augen. Sie verfehlte zwar einmal, brachte mit der wenigen Kraft die sie noch hatte aber elf Menschen zu Fall.

Diejenigen jedoch, die übrig geblieben waren, waren nun über ihr. Und schlugen und stachen auf sie ein. Sie konnte die beiden, die ihren linken Arm hielten, abschütteln und rollte sich weg. Jedoch kamen sie ihr schnell hinter her, und sie wurde in die Schulter gestochen. Ihr wurde in den Rücken gestochen. Sie hieben ihr auf die Rippen. Ein kleiner Junge drängelte sich auf sie zu brachte ihr oberhalb der Wadenwölbung die bislang einzige tiefe Schnittwunde bei. Snow glitt mit ihrem Schwert durch die Kehle des Jungen. Sie zerstreuten sich, und sie      verabreichte es ihnen nunmehr in den Rücken. Diejenigen linker Hand zogen sich in Richtung des sandfarbenen, Gebäude zurück, aber Snow nahm das letzte bisschen ihrer Kraft und folgte den fliehenden und mähte sie alle nieder. Der Letzte schaffte es noch bis zu den Stufen der Hintertür, doch während er erschöpft durch den Mund  atmete, rammte Snow ihr Schwert ihm vom    Hinterkopf bis hin zur Mundöffnung durch.

Es war das letzte Wort dieser gottverlassenen Stadt.

Schweigen kehrte wieder ein, erfüllte den zerklüfteten Raum. Snow blutete aus etwa zwanzig verschiedenen Wunden, die aber, abgesehen von der Wade, allesamt       oberflächlich waren. Sie verband sich mit der Kleidung der toten Frauen, dann richtet sie sich auf und begutachtet ihr Blutbad.

Sie bildeten einen gekrümmten zickzackförmigen Pfad von der Hintertür des Barbierladens bis zu der Stelle, wo sie stand. Sie lagen in allen möglichen Haltungen da. Keiner von ihnen schien bloß zu schlafen.       Sie folgte dem Todespfad zurück und zählte dabei die Gefallenen. Im Laden lag ein Mann und hielt das geborstene Süßigkeitenglas, das er mit sich heruntergerissen hatte, in libervoller Umarmung. Sie blieb dort stehen, wo alles angefangen hatte, in der Mitte der leeren Hauptstraße. Sie hatte neununddreißig Männer, vierzehn Frauen und fünf Kinder getötet. Sie hat sich durch die gesamte Stadt getötet. Die erste trockene Windbö trug ihr einen widerlich süßlichen Geruch in die Nase. Sie folgte ihm, dann sah er auf und nickte. Amirs verwesnder Leichnam lag mit gespreizten Gliedern auf dem Bretterdach des Bubs, wo er gesteinigt worden war. Mund und Augen waren offen.

Snow ging zurück in die Bar und fand eine Leiter, die sie mitnahm, um aufs Dach zu steigen, um Amir vom Dach zu holen. Sein Leichnam war leichter als ein Sack voller Reisig. Sie schleppte ihn hinunter zum gewöhnlichen Volk. Dann begab sie sich wieder nach drinnen, aß einen Hamburger und genoss drei Gläser Rotwein, während allmählich das Licht erlosch und der Sand umherzuschwingen begann. In dieser Nacht schlief sie traumlos. Am nächsten Morgen hatte sich der Wind gelegt, und die grelle und vergessliche Sonne war wieder ganz die Alte. Der Wind hatte die Leichen, wie Steppenläufer nach Süden geweht. Am späten Vormittag zog auch sie weiter, nachdem sie alle Wunden verbunden hatte. Sie lässt die Stadt hinter sich, eine Stadt die sie im Alleingang in eine Geisterstadt verwandelt hat. Eine Stadt voller Geister, die einen Frieden gefunden hat, den sie womöglich nie kennenlernen wird.

Dann brach sie nach Südost auf, mit dem letzten bisschen Hoffnung ihren Feind einzuholen. Jener der ihr, ihre Kinder genommen hat, und den Mann tötete der einst ein Wächter, ein Revolverheld war. Billy, Billy Dracio hieß er, doch was sie bis jetzt nicht wusste war das sie auf ihrer Suche nicht so allein schien, wie sie bis jetzt dachte.

Dennoch die Jagd geht weiter....

























































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