Quo vadis, Schreiberling?
von Camouflage
Kurzbeschreibung
Gedanken über das Schreiben an sich und Entwicklungen in dem Bereich. Nein es gilt NICHT als procrastinieren, wenn man über Dinge schreibt, über die man nachdenkt anstatt zu schreiben. Behaupte ich zumindest.
SammlungAllgemein / P12 / Gen
04.01.2023
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Vorwort
Oh Camouflage hat was Neues geschrieben? (Tue ich ständig, ich schreibe es nur nie fertig. Ähem – wenigstens poste ich es nicht mehr?) Steht der Mond im Haus Teletubby? Haben Kühe Jodeln gelernt? Ist ein Wiesel in einen Teilchenbeschleuniger geraten? (Ja natürlich. 2016. Was glaubt ihr warum wir jetzt in der dämlichsten aller Zeitlinien leben?)
Ah warte. Es ist eine Kolumne. :( (Oder so was ähnliches. 'Tschuldigung. :( )
Keine Sorge, das hier wird keine Schreibtippkolumne. Bevor ausgerechnet ich Leuten Schreibtipps gebe wird Attila Hildmann deutscher Gesundheitsminister. Nein das hier ist eher eine Sammlung von Gedanken die im Englischen vielleicht am ehesten nett mit shower thoughts umschrieben werden würden, deren Entstehung ich für mich persönlich aber eher anderen Örtlichkeiten im Badezimmer anlasten würde. Oh und falls es noch nicht deutlich geworden ist. Mein Humor ist leider auf dem Stand von 2010 stehen geblieben. Sorry schon mal im Voraus.
Meine so ziemlich einzigen Recherchequellen für irgendwas hier sind Wikipedia und ichdenkemirdashaltsowirdschonpassen.com. Trotzdem würde mich interessieren, was der ein oder andere zu den Themen hier denkt. Seht ihr die Dinge ähnlich, erlebt ihr sie komplett anders? Wie geht ihr an die Dinge heran?
Der Autor, ein Auslaufmodell?
Es ist idiotisch, sieben oder acht Monate an einem Roman zu schreiben, wenn man in jedem Buchladen für zwei Dollar einen kaufen kann. (Gracie Allen oder Mark Twain, wem man eher glauben mag.)
Ich bin sicherlich nicht die Einzige, die sich seit dem Aufkommen der Kunst-KI-Generatoren à la Stable Diffusion oder Night Cafe mit verschränkten Armen und gerunzelter Stirn zurückgelehnt und gedacht hat: na mal sehen wie lange es dauert, bis es uns erwischt. Mit uns meine ich hier die schreibende Zunft. Ob nun Hobbyautoren, Journalisten oder Poeten. Ich muss zugeben, ich hätte nicht damit gerechnet, dass es so schnell gehen würde, bis jemand mit einem Tool um die Ecke kommt, das die Geier zum kreisen veranlassen würde. Aber hier sind wir. Oder genauer gesagt hier ist ChatGPD – ein im November 2022 veröffentlichter Chatbot, der in nicht allzuferner Zukunft quasi sowas wie die eierlegende Wollmilchsau der Wortschmiedekunst geben soll. Chat kann nicht nur mit Leuten reden, nein, er/sie/es kann auch Aufsätze verfassen, beim Programmieren helfen und in Bälde wohl Geschichten aus Sparten wie Kriminalroman und Liebesgeschichte schreiben. Und natürlich gibt es auf Youtube schon die ersten 'get rich quick' Videos zum Thema – werde in fünf Minuten mit deinem KI-Roman reich.
Jippie. Zukunft.
Bevor jetzt jemand losstürzt, um in drei Sekunden den nächsten Spiegel-Bestseller aus dem Äther zu zaubern – Vorsicht – die Betreiber verlangen eine Telefonnummer für das Erstellen eines Accounts und zweitens, vielleicht auch nicht ganz unwichtig: die ganze Urheberrechtsfrage ist noch nicht im geringsten geklärt. Was auch immer da geschaffen wird, gehört vermutlich nicht euch.
So. Ist es also an der Zeit in Panik zu verfallen?
Ich denke ja und nein.
Natürlich würde ich an der Stelle gerne sagen, dass wir uns keine Sorgen zu machen brauchen. KI wird nie in der Lage sein, echte Autoren zu ersetzen. Gefühle in Worthüllen zu spinnen und Leser in fremde Welten zu entführen und so weiter und so fort aber nun ja. Wenn ich mal ehrlich bin – ich denke über kurz oder lang wird KI gut genug darin sein so zu tun als ob. Die Vorstellung des Lesers, seine Bereitwilligkeit sich von einer Geschichte abholen zu lassen, erledigt dann den Rest. Ich wage mal zu behaupten, dass Leser ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr in der Lage sein werden den Unterschied zu bemerken.
Für mich zeichnen sich zwei Probleme am literarischen Horizont ab. Eines in näherer Zukunft, eines noch etwas weiter weg.
Problem Nummer eins: Amazon & Co., klassische Verlage, sogar Seiten wie diese hier werden von KI Texten überschwemmt werden. Texten, die durchaus nicht schlecht sein werden. (Habe ich schon erwähnt, dass Chat auch Rechtschreibung ganz toll kann? Hah, ich wusste immer, dass meine grottige Kommasetzung mir mal zu Hilfe kommen würde. Ich hätte nur nicht gedacht, dass ich sie im Krieg gegen die Maschinen als Waffe ins Feld führen kann. Man lernt nie aus.) Dieser Entwicklung werden die Autoren zum Opfer fallen, die ich die soliden Handwerker nenne. Leute, die in sehr regelmäßigen Abständen solide Geschichten rausbringen und sich so eine kleine bis mittlere Fangemeinde aufgebaut haben.
Kein Autor, nicht mal der schnellste und solideste wird mit dem Tempo eines KI-Ritters mithalten können, der seine Schlagworte in die Maschine haut, fünf Sekunden wartet, einmal quer über das Ergebnis liest, die gröbsten Schnitzer beseitigt und das ganze dann, inklusive Kunst-KI-Cover auf Amazon hochwuppt, um Kindle unlimited ausgiebig zu melken. Unser potentieller KI-"Autor" kann dann jeden Monat locker flockig zwei Bücher in unterschiedlichen Sparten raushauen und echte Autoren so komplett vom Markt drängen.
Problem Nummer zwei wird dann auch die Wortakrobaten und Großmeister der Zunft zu Fall bringen. Allerdings auch die Schummler. Leser werden den Mittelmann komplett umgehen und sich ihre Sachen direkt an der Quelle selbst generieren lassen. Wer jetzt denkt, dass wird nie passieren – wer will das denn, sollte sich an seinen letzten Besuch auf AO3 oder ähnlichen Seiten erinnern, die über ein ausgeprägtes Baukasten-Tag System verfügen. Wie verführerisch ist es, sich die Geschichten herauszupicken, die am genaustem dem entsprechen was man gerade lesen will? Immer und immer wieder. Wie verlockend wäre es das ganze noch genauer zu haben? Ich meine wer könnte schon widerstehen, wenn es die Möglichkeit gäbe Dean/Santa Claus P18 Slash im Stil des Dadaismus auf die Welt loslassen zu können? Kein Gewarte auf neue Kapitel, kein schlechtes Gewissen, weil man wieder vergessen hat zu kommentieren, kein Ärger über abgebrochene Geschichten, keine Szenen die man erst überblättern muss, bis man zum guten Teil kommt – einfach komplett den menschlichen Faktor rausnehmen und sich maßgeschneidert unterhalten lassen bis der Arzt kommt. Falls jetzt jemand glaubt ich würde das verurteilen – nah. Das ist pure Projektion meinerseits – ich fürchte ich würde genau so funktionieren.
In letzter Instanz könnte das Lesen als solches sogar einen herben Schlag verpasst bekommen, denn wenn Hollywood, Netflix und Konsorten glauben sie wären sicher... lol. KI wird irgendwann in der Lage sein Filmchen zu generieren auf Basis von Schlagworten.
Oh nun. Zumindest werden wir alle genug Zeit zum konsumieren haben.
Schöne fürchterliche neue Welt also?
Hm. Wie gesagt. Jein.
Ich denke Menschen werden immer kreativ sein. Wir können gar nicht anders. Was raus muss, muss raus. Und es wird sich immer ein, wenn auch deutlich kleineres, Publikum finden, das lieber Dinge sieht, liest und reflektiert, die von anderen Menschen geschaffen worden sind. Die Landschaft wird sich aber mit Sicherheit ändern. Genau wie das Verhältnis zwischen Künstler und Kunstfreund. Wie genau das aussieht kann ich absolut nicht sagen. Aktionskunst wird vielleicht einen größeren Stellenwert gewinnen. Es wird Methoden geben um sicherzustellen, dass ein Werk unter Einsatz von Blut, Schweiß, Tränen und dreißig Litern Kaffee produziert wurde. Authentizität und Originalität werden einen neuen Stellenwert erhalten. So gesehen müssen Druck und Wettbewerb nicht zwingend etwas Negatives sein. Beides kann zur Entstehung einer völlig neuen Art von Kunst und Literatur führen. Einem Ausweichen in Nischen, die man vorher nicht mal erahnt hat.
Kurz: Evolution.
Das sind zumindest im Moment meine Gedanken zu dem Thema. Was geht euch durch den Kopf, wenn ihr an KI und eventuelle Chancen oder Gefahren denkt? Auf jeden Fall danke ich euch für die Aufmerksamkeit und wünsche euch ein Frohes Neues. ;)
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