Elf Jahre und ein Tag
von Ken
Kurzbeschreibung
Sechs Umzüge in den letzten sieben Jahren. Tristan hat aufgehört, sich an Menschen binden zu wollen, Pläne zu machen - was zählt ist die Gegenwart. Dann lernt er Brendan kennen, der genau weiß, wo seine Zukunft hingehen soll. Und David, Brendans besten Freund, der in einer Vergangenheit festhängt, die er nicht loslassen kann - und dem Glauben an das Unmögliche. Drei Freunde auf der Suche nach dem Glück, der Liebe und dem Platz im Leben, wo sie hingehören.
GeschichteFreundschaft, Liebesgeschichte / P16 / MaleSlash
01.01.2023
09.04.2023
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07.03.2023
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Kapitel 11 – Neue Gemeinsamkeiten (10.05.2013)
Es gab Momente in seinem Leben, da war Tristan nicht sicher, ob er sie liebte oder hasste. Dieser Nachmittag war einer von ihnen. Dabei war der bisher gar nicht so mies verlaufen. Ja, eine seiner Seminargruppen war die reinste Katastrophe und meistens hatte Tristan keine Lust, da überhaupt hinzugehen.
Aber über die bisherigen Jahre seines Studiums hatte er sich an so einiges gewöhnt. Und dazu gehörten leider Gottes auch die Leute, die es offenbar lustig fanden, ihn immer wieder anzumachen. Obwohl Tristan sehr deutlich gesagt hatte, dass er nicht auf sie stand. Wobei es augenscheinlich unerheblich war, welchem Geschlecht sie tatsächlich angehörten.
Trotzdem war das heute nicht der Grund dafür, dass sich da gerade ein Stein in Tristans Magen bildete, der einem von Obelix‘ Hinkelsteinen hätte Konkurrenz machen können. Nein, die Ursache für seine zunehmende Besorgnis verschwand gerade in einem anderen Zimmer.
„Scheiße“, murmelte Tristan und rieb sich über die Augen.
Er zögerte einen Moment, bevor er sich entschied, statt in das eigene Zimmer, doch lieber in die Küche zu verschwinden. Egal, was der Grund dafür war, dass David sich eben verzogen hatte, es konnte nichts Gutes sein. Nicht wenn es Brendan war, der da anrief.
In der Küche zögerte Tristan erneut. Was jetzt? Einen Kaffee aufsetzen oder doch gleich ein Bier aus dem Kühlschrank holen. Ein Blick in selbigen ließ Tristan Punkt zwei jedoch von der Liste seiner Möglichkeiten streichen.
Für Kaffee war es allerdings allmählich zu spät. David trank nach fünf keinen mehr und das war auch gut so. Der Koffeinjunkie würde heute sonst gar nicht zum Schlafen kommen. Und wenn das Gespräch so verlief, wie Tristan befürchtete, wäre es eine saudämliche Idee, dafür zu sorgen, dass David den Abend noch länger durchhielt. Leider hieß das, dass Tristan weiterhin keine Ahnung hatte, was er jetzt tun sollte. Oder wenigstens tun konnte. Denn letztendlich waren seine Möglichkeiten hier schlicht reichlich beschränkt.
Die weitere Grübelei wurde ihm glücklicherweise erspart, als mit einem Mal David im Türrahmen zur Küche auftauchte.
„Alles klar?“, fragte Tristan automatisch.
„Sicher.“
Okay, das war ein eindeutiges ‚Nein‘, das brauchte David nicht einmal aussprechen. Der Tonfall reichte schon, um genau zu wissen, was passiert war. Das zu erraten war nun wirklich nicht schwer.
Sie waren für das kommende Wochenende mit Brendan verabredet gewesen. Seit der in Mannheim studierte, trafen sie sich selten genug. Aber jedes Mal, wenn der Kerl nach München kam, versprach er, dass sie sich wenigstens an einem Abend oder einem Nachmittag treffen würden.
Nur hielt Brendan diese Versprechen leider nicht immer ein. Und das wiederum führte dazu, dass Davids Laune nicht nur im Keller landete, sondern direkt zehn Meter weiter unten. Weil der Idiot auch nach all den Jahren weiterhin in Brendan verknallt war und das einfach nicht abstellen konnte.
Egal, wie oft David dabei enttäuscht wurde. Er hoffte immer wieder. Jedes Mal aufs Neue freute er sich wie ein dummes kleines Kind, dass Brendan hier auftauchen und ihm für ein paar Stunden seine Aufmerksamkeit schenken würde.
Sah so Liebe aus? War es das wirklich? Oder war David nur zu verbohrt, um endlich einzusehen, dass er Brendan nicht brauchte? War ja schließlich ohnehin nicht so, als ob David keine anderweitige Gesellschaft finden könnte, während sein bester Freund sich in Mannheim herumtrieb.
Manchmal wünschte Tristan sich, dass Brendan sich gar nicht mehr melden würde. Alles wäre besser, als immer wieder gebrochenen Versprechen hinterhertrauern zu müssen. Vor allem würde David vielleicht endlich den Kopf freibekommen. Womöglich könnte er irgendwann nach vorne blicken.
Brendan war echt ein Idiot. Und vermutlich das der Grund, warum Tristan, obwohl ihm sich bei Davids Anblick der Magen zusammenzog, eiskalt die nächste Frage stellte: „Kommt er gar nicht oder nur nicht hierher?“
David gab zunächst keine Antwort. Stattdessen schnaubte er und drängelte an Tristan vorbei in Richtung Kühlschrank.
„Ist keins mehr da“, meinte dieser kühl.
„Fuck!“
Wütend knallte David die Kühlschranktür. Kurz darauf stapfte er schon wieder an Tristan vorbei – diesmal in die andere Richtung. Zurück in sein Zimmer. Auch die Tür wurde mit deutlich zu viel Schwung zugeworfen.
Damit war die Antwort klar. Brendan würde nicht kommen. Jedenfalls nicht an diesem Wochenende. Aber irgendwann würde er wieder hier auftauchen. Denn wäre da nicht zumindest eine winzigkleine Hoffnung darauf, dass genau das passierte, wäre David nicht wütend, sondern würde sich die Augen ausheulen.
Tristan atmete tief durch und schüttelte den Kopf. Es sollte ihm egal sein. David war erwachsen. Es war sein Leben. Und wenn der Idiot das unbedingt so leben wollte, war es nicht Tristans Aufgabe, ihn davon abzuhalten.
Zurück in seinem eigenen Zimmer, kam er aber nicht wirklich zur Ruhe. Egal, wie sehr er sich einredete, dass ihn das nichts anging, David war noch immer sein Freund. Und, auch wenn das nur von Tristans Seite aus so war, hätte er David sogar als seinen ‚besten Freund‘ bezeichnet. Seufzend setzte er sich auf sein Bett und ließ den Kopf hängen.
Als angeblicher ‚bester Freund‘ sollte er wohl zu David rübergehen und den irgendwie trösten – wenigstens ablenken. Sie waren schon länger nicht mehr im Kino gewesen. Vielleicht fand sich ja ein Film, der David aufheiterte und für Tristan einigermaßen erträglich sein würde.
E kam jedoch nicht dazu, weiter über diese Idee nachzudenken. Denn nur wenige Sekunden später wurde die Tür zu seinem Zimmer aufgerissen und David stand erneut vor ihm.
Verschwunden die Wut und die eben noch so getrübte Stimmung. Was Tristan da anstrahlte, war ein breites Lächeln. Eines, das ihn beruhigen sollte, Zeigen, dass es David gut ging. Aber es erreichte das genaue Gegenteil. Denn das da war keines von Davids echten Lächeln. Es war eine vorgeschobene Fassade. Ein Trugbild, auf das nur diejenigen reinfielen, die ihn nicht kannten.
‚Würde Brendan es erkennen?‘
Tristan verzog den Mund. Scheiß auf den Idioten.
„Kommst du mit?“, fragte David.
Mehr brauchte er nicht sagen. Sofort erhob Tristan sich und trat zum Kleiderschrank. Eigentlich hatte er keine Lust auszugehen – und schon gar nicht in einen der Klubs, in der sie bei Davids derzeitiger Stimmung zwangsläufig landen würden.
‚Und das auch noch auf nüchternen Magen.‘
Wobei es für irgendeinen Klub momentan ohnehin zu früh war. „Vorher irgendwo Pizza?“, fragte Tristan, während er ein frisches Shirt aus dem Schrank zerrte.
David nickte, ohne zu antworten. Für einen Moment hatte das Lächeln jedoch gewackelt. Scheiße, sie sollten nicht gehen. Nicht jetzt, nicht heute. Es wäre besser, hierzubleiben, irgendeinen dämlichen Film in den Player zu schieben und sich die Pizza ins Haus zu bestellen.
Ein Blick zu David und Tristan hielt dennoch den Mund. Egal, was er sagte, der Kerl würde heute nicht hier versauern. Er wollte sich ablenken. Irgendein schneller Fick, der ihn am nächsten Morgen nicht mehr interessierte. Noch ein Mann, der sich dann genauso fühlte, wie es für David offenbar inzwischen der Normalzustand war – verlassen.
„Sicher, dass du gehen willst?“
Dass seine Tür David wie immer offen stehen würde, sagte Tristan nicht. Das wussten sie beide, auch ohne dass es einer von ihnen aussprechen musste.
„Brauchst du noch lange?“
-`ღ´-
Es war zehn nach neun als sie es endlich ins Regent schafften. Weniger, weil sie sich vorher so viel Zeit gelassen hätten, sondern da die Schlange vor dem Klub mal wieder länger gewesen war als Tristans Geduldsfaden. Freitag Abend hier um diese Uhrzeit irgendwo reinzukommen war Nerventerror pur.
Jedenfalls für Menschen wie Tristan, die diese ganze Szene nicht wirklich abkonnten und sie eher als notwendiges Übel betrachteten, um Kontakte nicht über diverse Apps zu pflegen. Zögerlich sah Tristan zu seinem Begleiter. Der zog ihn bereits in Richtung eines der anderen Säle.
Davids Ansprüche was die Musik anging, waren zwar nur unwesentlich größer als die, die er an seine Männer stellte. Wann immer sie im Regent landeten, würde man David trotzdem eher früher als später in dem Saal finden, in dem sie die aktuellen Pophits herunterrasselten.
„Na komm schon“, wurde Tristan auch prompt aufgefordert. „Ich geb das erste Bier aus.“
Ein kurzes Lächeln schlich sich auf Tristans Lippen. Dass er das Bier recht schnell alleine trinken würde, war vollkommen klar. David war nicht hier, um abzuhängen. Wenn er heute etwas von Tristan gewollt hätte, wären sie überhaupt nicht ausgegangen. Nein, David wollte von jemandem abgelenkt werden, den er am nächsten Morgen nicht nur aus dem Bett, sondern aus seinem Leben werfen konnte, ohne darüber nachzudenken.
„Übertreib es nicht“, murmelte Tristan, während David kurz darauf seine erste Flasche mit knallbuntem Irgendetwas auf einen Zug zur Hälfte leerte.
Prompt schlug David ihm leicht mit der Handfläche gegen die Brust. „Du passt doch auf mich auf.“
„Natürlich“, antwortete Tristan, bevor er sich dessen überhaupt bewusst war. Trotzdem musste er lächeln. „Wozu sind Freunde denn da?“
Davids Lächeln, als er zustimmend nickte, wirkte gequält. Prompt bereute Tristan seine Worte. Dennoch nahm er sie nicht zurück. Wirklich Gelegenheit hatte er dafür sowieso nicht. Denn Sekunden später machte sich David auf den Weg in Richtung Tanzfläche.
Der erste Song verging und es sah nicht danach aus, als ob David spontan jemanden gefunden hätte, der ihn für den Rest des Abends ausreichend interessierte. Auch nach dem zweiten Song hielt David sich jeden noch so aufdringlichen Kerl weiterhin vom Leib.
Stirnrunzelnd beobachtete Tristan das Treiben. Eigentlich hatte er erwartet, dass David sich entweder an der Bar die Kante geben oder mit dem Erstbesten, der Interesse hatte, verschwinden würde. Stattdessen stand sein Mitbewohner nach zwei weiteren Songs wieder bei Tristan und grinste ihn breit an.
„Ah, allmählich fühle ich mich besser“, meinte David lachend und bestellte sich jetzt doch noch etwas. „Kommst du mit tanzen?“
Schweigend schüttelte Tristan den Kopf. Auch wenn er andere durchaus gern beim Tanzen beobachtete, fühlte er sich selbst dabei immer reichlich ungelenk. Zum Affen wollte er sich ganz bestimmt nicht machen.
„Spielverderber!“
David schnappte sich sein Bier, trank einen Schluck und verschwand anschließend mit der Flasche in der Hand erneut auf der Tanzfläche. Tristans Augen hingen noch immer an dem sich beschwingt hin und her bewegenden Körper. David war keine wirkliche Schönheit und sicherlich kein Experte, was das Tanzen anging, aber irgendetwas an ihm, schien nicht nur Tristans Blick anzuziehen.
Der Anblick, der sich ihm bot, war so verboten gut, dass Tristan die Augen nicht abwenden konnte. Auf der anderen sollte er weder genau dorthin sehen, noch sich überhaupt etwas dabei denken. Immerhin war der Typ, den er da anstarrte sein bester Freund.
„Hoffentlich“, murmelte Tristan verhalten, während er die Bierflasche zum Mund hob.
Die Augen wandte er trotzdem nicht ab. War schließlich nicht verboten zu schauen. Selbst wenn das Objekt seiner Blicke im gleichen Haushalt lebte. Letztendlich war das doch der Grund, warum Tristan überhaupt hier war. Um aufzupassen, dass David sich nicht hirnlos besoff oder sich mit irgendwelchen Pillen von zwielichtigen Typen zuballerte, bevor er sich von jemandem abschleppen ließ.
Seufzend schloss Tristan für einen Moment die Augen. Nicht einmal David würde es schaffen, sich in den paar Sekunden gegen seinen Willen von irgendeinem Vollidioten verschleppen zu lassen.
Tristan schüttelte den Kopf, während er seufzend murmelte: „Ist überhaupt eine dämliche Vorstellung.“
Immerhin war David weder zierlich noch schwach. Ein Durchschnittstyp, wie er im Buche stand. Und das hieß ebenso, dass er durchaus in der Lage war, einem unfreundlichen Zeitgenossen die Faust ins Gesicht zu rammen. Wenn es denn notwendig werden könnte. Trotzdem war David an diesem Abend wieder einmal auf Tristans Türschwelle aufgetaucht.
„Weil er es einfach nicht lernt“, murmelte er, während Tristan jetzt doch erneut aufsah, um den schwarzen Haarschopf zu suchen, dessen Besitzer ihn hierher geschleift hatte.
Keine zwanzig Meter entfernt, tobte David sich auf der Tanzfläche aus. Die Augen geschlossen, Kopf im Nacken. Der Kerl direkt vor ihm dürfte einen einwandfreien Blick auf das halb geöffnete Hemd haben. Scheiße, warum konnte David sich auch nie vernünftig anziehen? Diese hässlichen Fummel, die er Hemden nannte, hatten nicht nur eine furchtbare Farbe, sondern waren ebenso immer mindestens eine Nummer zu groß.
Wenigstens war da ein Lächeln auf Davids Lippen. Prompt fühlte Tristan etwas in seiner Brust flattern. Der Typ da drüben auf der Tanzfläche, das war der wahre David. Einer, der Spaß hatte, sich amüsierte und nicht darüber nachdachte, warum Brendan ihn schon wieder versetzt hatte. Einer, der auf Männer stand und kein Problem damit hatte, jede Nacht einen anderen abzuschleppen.
„Stimmt nicht“, murmelte Tristan, während er erneut die Flasche an die Lippen hob.
David stand zweifellos auf Männer – und auf den Sex. Die immer wieder wechselnden Bettgenossen machten ihn aber garantiert nicht glücklich. Das war nicht zu übersehen – egal wie gern Tristan genau das getan hätte.
„Ganz alleine hier?“
Tristan drehte überrascht den Kopf zur Seite. Neben ihm schob sich gerade ein Mann in Position. Nettes Lächeln, legere Kleidung, die im Gegensatz zu einem gewissen Prozentsatz des Publikums hier nicht zu Augenkrebs führte.
Da Tristan nicht so wirklich gut darin war, anderen Leuten ihr Alter anzusehen, wagte er da lediglich eine sonderlich vorsichtige Schätzung von Ende zwanzig bis Ende dreißig. Da waren kleine Fältchen an den Seiten der Augen. Bekam man die mit dreißig oder doch später?
„Und?“, fragte der Mann noch einmal, schob ein anhaltendes freundliches Lächeln hinterher.
Unsicher, ob er das Gespräch tatsächlich führen wollte, schüttelte Tristan den Kopf: „Nicht alleine da.“
„Oh.“
War das Enttäuschung? Möglich. Und wieder war Tristan sich nicht sicher, ob er das gut oder schlecht finden sollte. Er war eigentlich nicht hier, um jemanden aufzureißen – oder sich aufreißen zu lassen. Zögerlich sah er zur Tanzfläche zurück, auf der David sich weiterhin köstlich amüsierte. Wenigstens war er noch da und nicht inzwischen verschwunden.
„Ich hab kein Problem mit etwas mehr Gesellschaft ...“, fuhr der Fremde mit einem leisen Lachen fort. „Welcher ist denn deiner?“
Tristan verzog den Mund. Das unterkühlte „Gar keiner“, rutschte ihm heraus, bevor er sich bremsen konnte.
Für eine Sekunde wartete Tristan darauf, dass ihn die eigene Bemerkung irgendwie verletzten würde, aber der Schmerz kam nicht. David gehörte ihm nicht. Das war eine Tatsache. Sie waren Freunde – die mitunter nicht nur die Wohnung, sondern auch das Bett teilten. Und das war gut so.
„Ich bin Leon“, meinte der Mann mit ausgestreckter Hand.
Tristan zögerte einen Moment, dann schlug er lächelnd ein und stellte sich ebenfalls vor. Trotzdem wanderte sein Blick kurz darauf zurück zur Tanzfläche.
David war inzwischen mit dem Typen, der neben ihm getanzt hatte auf Tuchfühlung gegangen. Das breite und zufriedene Lächeln sprach nicht dafür, dass einer von beiden irgendwelche Hilfe brauchte. So wie Tristan seinen Freund kannte, würde der spätestens in einer halben Stunde mit dem Fatzke da verschwinden oder sich jemand anderen suchen.
So war es doch immer. Maximal eine halbe Stunde gab David jedem Mann, der einigermaßen interessant erschien, um ihn von sich zu überzeugen. Entweder sie landeten danach im Bett oder gingen für immer getrennte Wege. Wobei Letzteres spätestens am nächsten Morgen sowieso der Fall sein würde.
„Ist einer davon dein Freund oder schon an jemandem Interesse?“
Irritiert drehte Tristan sich zurück zu Leon. Der sah ihn jedoch mit einem breiten Grinsen und hochgezogenen Augenbrauen an.
„Du starrst so zur Tanzfläche“, erklärte der sich achselzuckend.
Die Worte waren heraus, bevor Tristan klar wurde, dass er sie überhaupt gedacht hatte: „Du starrst immer noch mich an. Heißt das, du hast Interesse?“
Leon lachte und wedelte mit der Hand vor Tristans Brust rum. „Ich würde lügen, wenn ich ‚Nein‘ sage. Allerdings verläuft diese Konversation im Moment recht einseitig. Zumal ich an langen Gesprächen eigentlich kein Interesse habe.“
Es war für Tristan nicht schwer zu erraten, worauf dieser Leon sich bezog. Trotzdem zuckte sein eigener Blick schon wieder an der Tanzfläche. Anstatt dort noch immer herumzuhüpfen und mit anderen Männern auf Tuchfühlung zu gehen, sah er David jedoch mit einem Mal auf sich zukommen.
Prompt beschleunigte sich Tristans Herzschlag. Dabei hätte er nicht einmal sicher sagen können, warum. War ja nicht so, dass er hier auf David warten würde. Der war ein ‚großer Junge‘, konnte meistens auf sich aufpassen. Dass David heute so oder so mit irgendeinem Mann im Bett landen wollte, hatte dabei nie zur Diskussion gestanden.
„Hey ...“, sagte David gedehnt, kaum dass er bei ihnen angekommen war.
Leon wurde einer kurzen, nicht gerade unauffälligen Musterung unterzogen und offenbar für nicht interessant genug befunden. Wieder war sich Tristan nicht sicher, ob er das jetzt gut fand oder nicht. Immerhin war er es, der von dem Typ angemacht wurde. Aber Geschmäcker waren nicht grundlos verschieden. Und der Fatzke mit dem David eben noch getanzt hatte, ganz sicher eine andere Liga als dieser Leon hier.
Der hatte Davids Aufmerksamkeit bereits verloren. Stattdessen schlug dieser gespielt gegen Tristans Arm und zwinkerte ihm dann auch noch zu. Peinlicher ging fast nicht mehr. Aber so war David nun einmal.
„Ich denke, für mich ist der Abend hier heute beendet, Tris. Wir sehen uns morgen?“
„Klar“, gab Tristan mit einem Lächeln zurück.
Fünf Sekunden später war David verschwunden. Zusammen mit irgendeinem Kerl, der ihn für den Rest der Nacht vergessen lassen würde, wer dieses Wochenende keine Zeit für sie hatte. Einen Augenblick sah Tristan ihm noch nach, bevor er mit einem kräftigen Schluck die Bierflasche leerte und sich Leon zuwandte.
„Also ...“, sagte Tristan und rang sich ein Lächeln ab. „Wie lange müssen wir diese ... ‚Konversation‘ durchziehen, bevor wir uns anderen Dingen widmen können?“
Anscheinend jetzt doch überrascht, zuckte Leon tatsächlich ein Stück zurück. So zurückhaltend, wie der Kerl auf einmal wirkte, war Tristan selbst schon wieder verunsichert. Diesmal darüber, ob er hier die Zeichen völlig falsch gelesen hatte. Stirnrunzelnd stellte er die Flasche auf den Tresen ab.
„Ich such keine Beziehung oder so etwas“, erklärte Tristan mit einem Seufzen. „Also wenn du mich nicht nur angemacht hast, um irgendwo rumzumachen oder im Bett zu verschwinden, können wir gern sofort getrennte Wege gehen. Okay?“
„Wow. Das war mal direkt.“
Tristan zuckte mit den Schultern. „Hey, versteh mich nicht falsch. Du machst einen netten Eindruck. Aber ich bin nicht auf der Suche nach der großen Liebe.“
Leon verzog das Gesicht und deutete mit dem Daumen über die Schulter in die Richtung, in die David mit seinem One-Night-Idiot verschwunden war. „Weil du die da hinten schon gefunden hast?“
„Sicher nicht!“, gab Tristan mit einem Lachen zurück.
Leon sah ihn aber nur mit hochgezogenen Augenbrauen an und schien kein Wort zu glauben. „Ihr seid doch garantiert zusammen hergekommen.“
Grinsend zuckte Tristan mit den Schultern. „Ja. Und ich gehe stark von aus, dass es nicht das letzte Mal gewesen sein wird.“
Leon sah nicht überzeugt aus, als er zögerlich fortfuhr: „Ich hab vorhin schon gesagt, dass ich kein Problem mit Gesellschaft habe. Aber ich habe keinen Bock zwischen die Fronten zu geraten.“
Da er allmählich das Gefühl hatte, die Kontrolle über das Gespräch zu verlieren, packte Tristan das Grinsen lieber doch wieder weg und rieb sich über die Stirn. „Hör zu“, setzte er an und sah Leon schließlich erneut in die Augen. „Dave ist mein Mitbewohner und ein wirklich guter Freund. Und sonst nichts.“
„Ach ja?“
Offenbar war Leon noch immer nicht überzeugt. Ehrlicherweise war Tristan sich für einen Sekundenbruchteil selbst nicht sicher, warum die eigenen Worte ihm jetzt doch einen Stich versetzten. Es war die Wahrheit, diese eine Versicherung, die sie sich schon vor Jahren gegenseitig gegeben hatten.
„Ja“, gab Tristan lächelnd zurück. Denn David schien ja ohnehin nur einen einzigen Menschen lieben zu können. Den einen Mann, den er garantiert niemals haben würde.
Leon überlegte erneut, bevor sich ein breites und reichlich anzügliches Grinsen auf seine Lippen schob. „Dann reden wir doch mal darüber, wo dieser Abend noch hinführen könnte.“
Schnaubend winkte Tristan dem Barkeeper zu, um ein weiteres Bier zu bekommen. Ganz offensichtlich würde er hier nicht sofort wegkommen. Dabei legte er im Gegensatz zu David nicht sonderlich viel Wert darauf, irgendwas über seine Bettgenossen zu erfahren. Irgendwelche gemeinsamen Nenner hatte er bisher noch bei jedem Mann gefunden.
„Dann fang an zu reden ... Leon.“