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My Time At Portia - Der Handwerker und der Soldat

von Gershwin
Kurzbeschreibung
GeschichteLiebesgeschichte / P18 / MaleSlash
20.12.2022
22.03.2023
62
143.711
16
Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
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19.03.2023 2.231
 
61. Kapitel
Das laute Herz




Ira ging langsam und sehr vorsichtig durch das Wasser, beide Hände fest in Arlos Unterarme gekrallt. Damit tat er dem armen Soldaten wohl ganz schön weh, er verzog leidend das Gesicht, aber beschweren tat er sich nicht.

„Alles okay, siehst du?“, sagte er stattdessen. „Du machst das gut.“

„Red nicht mit mir wie mit einem kleinen Jungen…“, brummte Ira angespannt.

„Tschuldige. Das ist hüfttief. Kannst du eine Hand ins Wasser tauchen?“

Sofort schüttelte Ira den Kopf und sein Griff um Arlos Arme wurde noch schmerzhafter.

„Hör mal“, sagte Arlo. „Bevor ich dir das Schwimmen beibringen kann, musst du deine Angst vorm Wasser verlieren.“

„Ich hab keine Angst!“

„Ira…“

„Hab ich nicht! Ich hab vor gar nichts Angst.“

„Du hast vor so einigem Angst. Genau wie ich. Und das ist auch gut so.“

Ira starrte schlecht gelaunt hinunter auf das Wasser.

„Soll ich dir sagen, wovor ich Angst habe?“, fragte Arlo, während er langsam rückwärts ging und Ira mit sich zog, nicht tiefer ins Wasser, sondern parallel zum Ufer. „Meine Ängste sind etwas kompliziert. Ich hab Angst, falsche Entscheidungen zu treffen. Ich trage viel Verantwortung und tu das gerne. Aber ich mache ständig Fehler, wenn mein Herz mit mir durchgeht. Manchmal ist es gut, wenn es das tut. Aber manchmal ist es so verwirrt, dass es mich dumme Sachen machen lässt. Und ich habe Angst, dass diese dummen Sachen Menschen schaden, für die ich Verantwortung übernommen habe.“

Iras Augen huschten zu Arlos Augen hinauf, dann wieder hinunter auf das Wasser, durch das er langsam ging. Der Boden war sandig, aber recht fest, und hier und da kitzelte eine kleine Wasserpflanze seine nackten Füße und Beine. Jedes Mal zuckte er leicht zusammen, weil sein angespannter Kopf sich einbildete, es seien Finger, die seine Knöchel greifen wollten, um ihn unter Wasser zu ziehen.

„Und ich habe Angst, verletzt zu werden. Und ausgenutzt. Das ist eine… etwas neuere Angst, die schlimmer geworden ist. Dass ich mich auf Menschen einlasse und sie mein Vertrauen missbrauchen. Und meine Liebe. Und ich irgendwann bereue, mich geöffnet zu haben und das verlerne. Weil ich… früher einmal gelernt habe, dass mein lautes Herz meine größte Stärke ist. Das hat meine Mutter mir gesagt. Und mein Vater hat schwer geseufzt und genickt.“

„Ich hab Angst vor Wasser“, sagte Ira schnell.

Arlo begann, zu lächeln, und nickte.

„Ich weiß.“

„Und vor Spritzen.“

„Ich weiß.“

„Und… vor Abgründen. Darum schau ich nicht runter beim Klettern. Hoch schauen ist kein Problem, aber beim Runterschauen krieg ich Angst.“

„Aber du schaust runter beim Klettern“, sagte Arlo. „Wenn ich unter dir klettere. Als wir im Winter hier hoch geklettert sind, hast du zu mir runter geschaut.“

„Ja, weil… es halb so wild ist, wenn ich dich da unten sehe.“

Arlo lächelte noch etwas mehr.

„Die Ängste ergeben alle Sinn. Also… mit Ausnahme der Spritzen, das ist ziemlich irrational.“

„Und ich hab… Angst, plötzlich… alleine zu sein“, fuhr Ira stockend fort. „Miss Macy ist eine Nacht einfach weggeflogen. Ihr erster Flug. Aus der Tür raus und in die Dunkelheit. Und ich dachte, sie ist jetzt eben weg. Und weil ich nicht darauf vorbereitet war, hab ich Angst gekriegt. Sie kam dann gleich wieder und ich hab mich total blöd gefühlt. Aber auch gleich besser.“

„Hast du Angst bekommen, als ich einfach gegangen bin?“

Ira mochte Arlo nicht ins Gesicht schauen. Er starrte lieber das beängstigend tiefe Wasser an, während er nickte.

„Ich dachte, du wärst nur wütend und traurig gewesen“, sagte Arlo leise. „Das war schlimm genug, aber… es tut mir Leid, ich wollte dir keine Angst machen.“

„Da ging’s nicht um mich.“

„Hätte ich es gewusst, hätte ich mir etwas mehr Zeit gelassen. Und dir noch mehr versichert, dass ich wieder komme.“

„Aber ich hätt’s niemals gesagt“, sagte Ira. „Ein Barnarock hat vor nichts Angst. Und wenn doch, dann sagt er es nicht.“

„Na, ein Glück sind wir nicht in Barnarock“, meinte Arlo und grinste. „Und du bist schon fast bis zur Brust im Wasser.“

„Ja, das… Reden hilft“, meinte Ira und grinste auch, wenn auch ziemlich angespannt und leidend.

„Und ich dachte, ich hätte dich abgelenkt, sodass du es gar nicht merkst.“

„Nein, ich bin nur mutig.“

Arlo lachte und nickte.

„Mutig, ja? Dann entspann deinen Körper, lass dich ins Wasser sinken und von mir ziehen. Dann wirst du merken, dass es dich trägt und nicht ertränken will.“

„Äh…“

Langsam ging Arlo wieder rückwärts und Ira unternahm einen sehr verkrampften Versuch, sich zu entspannen.

„Entspannen“, ermahnte Arlo ihn mit ruhiger, tiefer Stimme, während er lächelnd rückwärts durchs Wasser ging. „Einfach locker lassen… du bist ein fauler Katzenfisch im warmen Wasser…“

„Selber Katzenfisch“, murrte Ira, doch er musste dabei grinsen.

„Ich hab heute die späte Patrouille“, sagte Arlo, während er rückwärts durchs Wasser spazierte. „Wenn du willst, dann… beende ich meine Runde an deiner Werkstatt und klopf bei dir an.“

„Musst du nicht“, meinte Ira.

„…okay, dann… nicht“, sagte Arlo verdutzt. „Ich meine, wir sehen uns sicher morgen wieder-„

„Ich meine das Anklopfen“, sagte Ira. „Ich schließ sowieso nie ab.“

„Ah… solltest du besser machen. Tuss und Huss klopfen nämlich auch nicht an. Ich muss zurück, ich hab einen Termin mit Gale.“

„Aber ich werd grad Eins mit meinem inneren Katzenfisch…“



Die Sommernacht war viel zu schön, um im Haus zu sitzen. Ira hatte es sich auf seiner Mauer neben seinem Garten bequem gemacht und schnitzte an einem kleinen Holzstück herum. Miss Macy flatterte vor ihm über die Wiese und spielte mit Carl, der ihr immer leise blökend hinterher trabte und munter auf der Stelle hüpfte, wenn sie zwitschernd um seinen Kopf flatterte. Die beiden wurden richtig dicke Freunde und Ira hoffte inzwischen, dass Miss Macy ihm vielleicht helfen könnte, das einfältige Lama zu lenken. Auf sie hörte Carl viel besser als auf Ira.

Die Sonne war schon lange untergegangen. Er hatte ein paar Lampignons an seinem Haus hängen, in denen kleine Kerzen brannten, und seine Schmelzöfen spendeten auch etwas sanftes, orangenes Licht. Über den Wiesen schwebten winzig kleine Leuchtkäfer, und aus einem Baum in der Ferne rief eine Eule in die Nacht.

Als Ira einen Blick zu dem langen, leicht gewundenen Weg warf, der vom Stadttor hinunter zum Fluss führte, sah er den Architekten Gust mit seiner Schwester Ginger langsam und gemächlich den Hügel hinab spazieren. Ginger hatte sich bei ihrem Bruder untergehakt. Ihr langes, rotes Haar schien selbst in der Dunkelheit noch zu leuchten. Es war leicht gelockt und fiel ihr bis zur Hüfte.

Ira hatte noch nie mit ihr geredet. Er hatte sie auch in seiner ganzen Zeit hier in Portia kaum ein halbes Dutzend Mal gesehen. Wenn er sie sah, dann nur sehr spät am Abend oder bei Regen. Sie ging selten raus.

„Sie hat eine sehr schwere, chronische Krankheit“, hatte Antoine einmal erzählt. „Was genau es ist, weiß nur ihre Familie und Xu. Aber es ist wohl… etwas, was sie nicht sehr alt werden lassen wird.“

Ira kam sie wie ein Gespenst vor, das ganz selten einmal auftauchte und blass und lautlos durch Portia geisterte, wenn sonst kaum jemand unterwegs war. Er beobachtete das Geschwisterpaar einen langen Moment, dann schnitzte er weiter und grinste, als Miss Macy einen kurzen Abstecher zu ihm machte und auf seinem Kopf landete, um von dort aus eine süße Melodie in die Nacht zu pfeifen.

„Klopf klopf, Katzenfisch“, hörte er die leise, vertraute Stimme des Soldaten hinter sich.

Einen Moment später schlang sich ein Paar Arme von hinten um Iras Brust, dann spürte er warme Lippen an seinem Hals. Ira schloss die Augen, legte den Kopf etwas zur Seite und lächelte.

„Alles ruhig in Portia?“, murmelte er leise.

„Alles ruhig und friedlich.“

Ira legte das Messer und das Holzstück beiseite und lehnte sich zurück, in Arlos Arme hinein. Ganz wie von selbst fanden sich ihre Lippen, und Ira spürte in diesem Kuss deutlich, sehr deutlich, was der Soldat heute Nacht mit ihm vorhatte.

„Sag mal…“, murmelte Ira, während Arlo nach seinen Lippen wieder seine Wange und sein Ohr küsste. „Ich versuch, was für einen… Freund rauszukriegen.“

„Für einen Freund, mhm?“, brummte Arlo und klemmte Iras Ohrläppchen einen Moment neckisch zwischen seine Lippen.

„Wenn du nicht grad starke, raue Handwerker vernaschst…“

Arlo gluckste leise.

„Mhm?“, machte er.

„Wie bringst du brave Kirchenmädchen dazu, mit dir unter die Decke zu schlüpfen?“

„Mhwas?“, machte Arlo verdutzt, aber Ira mit seinen Lippen und seiner Zungenspitze zu kitzeln hörte er nicht auf.

„Nora war doch sicher nicht die erste, die du verführt hast.“

„Mh… nein, war sie nicht.“

Ira seufzte leise, als Arlos freche Zunge an seinem Ohr herum spielte.

„Wie wickelst du sie um den Finger? Die Verklemmten und Höflichen, du weißt schon…“

„Wer ist der Freund, für den du fragst?“

„Ich weiß, du bist schlecht im Rechnen, aber zähl mal eins und eins zusammen“, grinste Ira.

„Hm…“, machte Arlo brummend und Ira seufzte wieder, weil es so nah an seinem Ohr so erotisch klang. „Naja, es hilft, sich vorher schon gut zu verstehen. Gemeinsame Themen zu finden, sich unterhalten zu können. Muss nicht sein, aber… ist einfacher. Die Braven müssen sich erst wohl fühlen. Sie denken vielleicht, dass sie ein Abenteuer suchen, aber sie brauchen ein Bisschen Vertrauen und… Bestätigung. Weil sie normalerweise denken, dass sie nicht attraktiv und interessant genug sind für uns selbstbewusste Schwerenöter.“

„Schwerenöter…“, nuschelte Ira und lachte leise, dann fand er wieder Arlos Lippen und verwickelte ihn gleich in einen Zungenkuss.

Arlos Arme lösten sich um seine Brust, damit er ihn etwas streicheln konnte, seine Brust und seinen Hals, und dann etwas tiefer hinab, ganz frech über seinen Bauch.

„Du darfst nie unterschätzen, wie unsicher die Menschen sind. Vor allem die braven“, raunte Arlo. „Wenn sie sich wohl genug fühlen, ihre Schwächen zu gestehen, und man ihnen dann versichern kann, dass die falsch oder nicht wichtig sind, dann… rutschen sie ganz schnell näher heran, um mehr davon zu hören. Und zu spüren…“

„Du Teufel“, brummte Ira grinsend.

„Lass uns reingehen.“



In der dunklen Hütte von Mace Mechanics, im neuen Obergeschoss, kniete Ira auf dem Teppichboden, hatte schon sein ärmelloses Shirt beiseite geworfen und eine Hand in seine geöffnete Hose gesteckt, und schob die Erregung seines Soldaten weit über seine Zunge und in seinen Rachen hinein.

Arlo hatte es schon bemerkt, wie sehr Ira das hier liebte. Wie er es genoss, diesen Blick von oben herab zu spüren, die Hände an seinem Kopf, die ihn hielten und dirigierten. Ein halbes Jahr lang hatten sie beide nur davon geträumt, hatten mit den Erinnerungen an die drei Male, die sie miteinander erlebt hatten, ihre Fantasien gefüttert. Endlich waren sie wieder zusammen.

Ira stöhnte gedämpft, als Arlos Hände seinen Kopf fassten und dicht an seinen Schritt heran schob. Der Anblick auf den Barnarock hinab war umwerfend erotisch. So erotisch, dass Arlo aufpassen musste, dass er nicht zu früh kam. Er wollte diese Nacht bis zur letzten Sekunde auskosten. Es war schon der zwanzigste Tag des Sommers.

„Steh auf“, stöhnte Arlo und nahm Ira an seinen Schultern, um ihn auf die Füße zu ziehen.

Ira stolperte fast, so eilig wurde er zum Bett geschoben, und als er mit dem Rücken auf das Laken fiel, lachte er vorfreudig.

„Hast du noch mehr Fragen über brave Mädchen?“, fragte Arlo, während er sich seiner letzten Kleidung entledigte.

„Hat dir wohl gefallen?“, fragte Ira etwas keuchend zurück.

„Gefällt mir, dass du mich für so einen verschlagenen Schürzenjäger hältst. Nachdem ich den ganzen Tag von meinen Ängsten geredet habe.“

„Wer war die allererste?“

Arlo kam über Ira, küsste seinen Hals entlang und griff dabei mit seiner Hand nach der Erektion des Barnarock.

„Caroles kleine Schwester Margot“, raunte er dann. „Wir waren in derselben Klassenstufe. Sie war so was von schüchtern, hat mich aber immer im Unterricht beobachtet, quer durch den Klassenraum. Am Abend unserer Abschlussfeier hab ich sie dann auf einen Spaziergang mitgenommen…“

„Weiß Carole das?“, seufzte Ira.

„Peach, nein“, lachte Arlo. „Margot hat dann einen sehr reichen Kerl aus Highwind geheiratet, dem sie weis gemacht hat, sie wär noch Jungfrau.“

„Hat sie’s genossen?“

„Mit mir? Klar hat sie das. Ich bin ein guter Liebhaber.“

„Stimmt“, grinste Ira und stöhnte, als Arlo seinen Hintern mit den Händen packte und ihre Unterleibe fest gegeneinander schob.

„Aber du bist auch mein Bester“, flüsterte Arlo an seinem Ohr, bevor er ihn wieder küsste.

Seine Hände nahmen Iras Schenkel und hoben sie hoch, sein steifer Penis rieb an Iras Eingang entlang.

„Du bist ja völlig verknallt“, stöhnte Ira.

„Mhm… du auch.“

„Mhm“, machte Ira und bog den Kopf weit nach hinten, als Arlo sich langsam in ihn schob.

Er stieß ein langes, gepresstes Stöhnen zwischen seinen Zähnen hervor und vergrub seine Finger in Arlos Nacken und Schulter. Sein Bett, das er sich nach dem Absturz des Wracks auf seine alte Hütte hatte neu kaufen müssen, war um einiges stabiler als die alten Betten in der ‚Tafelrunde‘. Es knarzte und quietschte nicht annähernd so laut, als Arlo begann, ihn zu stoßen, erst sehr langsam und behutsam, dann immer fester und schneller. Ihr Keuchen erfüllte das dunkle Zimmer.

Immer wieder stießen ihre Lippen aufeinander. So wild, wie Ira darauf war, von dominanten Händen angefasst und dirigiert zu werden, so wild war Arlo auf ihre Küsse. Ira konnte regelrecht spüren, wie seine Stöße härter und schneller wurden, wann immer sich ihre Münder trafen.

Und heute Nacht waren sie nicht betrunken. Nicht wütend. Und auch nicht verzweifelt.

Heute Nacht waren sie nur verliebt.
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