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Die Sage von Mäggi Messa und der Nervenden Säge

Kurzbeschreibung
KurzgeschichteHumor, Fantasy / P12 / Gen
OC (Own Character)
11.12.2022
11.12.2022
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11.12.2022 1.031
 
Vor vielen hundert Jahren, als Zamonien noch weitgehend unbesiedelt und seine Bewohner wild und unzivilisiert waren, da wuchs dort, wo sich jetzt die Süße Wüste erstreckt, inmitten einer weiten Zuckerrohrsteppe der kleine Schnutzibutzi-Forst, der auch der „Zehntausend-Wunder-Wald“ genannt wurde. Dort tummelten sich knuddelige Häslein, regenbogenfarbene Einhörner und andere Wesen, die so süß waren, dass man schon vom Hinschauen zuckerkrank wurde, was wohl daher rührte, dass die vom umliegenden Zuckerrohr ausgehenden Dünste  den Wald ständig bedampften. Die Baumstämme waren durchsichtig wie Kandis, an allen Ästen hingen hell klingelnde Silberglöcklein, und bunte Liebesperlenbeeren boten sich dem Vorbeigehenden an, wollten abgezupft und verspeist werden. Kurz, es herrschten stets eitel Sonnenschein, Friede, Freude und Eierkuchen. Die wuchsen dort übrigens auch wie Pilze aus dem Boden.

Dieses Idyll missfiel jedoch zwei grantigen Halbtrollen, die nichts lieber taten, als überall Angst und Schrecken zu verbreiten. Sie nannten sich Mäggi Messa und Hubi Knödelsäger und der Schnutzibutzi-Forst war ihnen schon lange ein Dorn im Auge. Also machten sie sich auf den Weg, um dort ein wenig „nach dem Rechten zu sehen.“

Die Waldbewohner, allen voran die putzigen Baumwichtel, ahnten nicht, was da für eine Gefahr auf sie zukam. Erst als Mäggi und Hubi begannen, großflächig Bäume zu fällen und Tierchen abzumurksen, erwachten sie aus ihrem unschuldigen Dasein.

Aus dem Lexikon der erklärungsbedürftigen Wunder, Daseinsformen und Phänomene Zamoniens und Umgebung von  Prof. Dr. Abdul Nachtigaller:

Baumwichtel, die
Baumwichtel sind handgroße, intelligente Waldzwerge mit latent magischen Fähigkeiten. Man vermutet, dass sie weitläufig mit den Bergzwergen verwandt sind. Wenn überhaupt, bekommt man sie normalerweise nur in ihrer Eichhörnchengestalt zu Gesicht; dann sind sie von einem „normalen“ zamonischen Einhörnchen nicht zu unterscheiden. Sie leben in Großfamilien und bewohnen bevorzugt Baumhöhlen oder tiefe Astlöcher.
Baumwichtel sind äußerst naturverbunden und setzen alles daran, den Wald, den sie bewohnen, vor jeglichem Schaden durch ungebetene Gäste zu bewahren. Sie scheuen dabei auch nicht vor dem Gebrauch drastischer Methoden zurück. Im Extremfall können in einigen Wichtelfamilien sogar Schrecksenflüche oder „Ächt Böhse Wüntsche“ zum Einsatz kommen, um den Feind in die Flucht zu schlagen (es gibt Balladen, die besagen, dass ihnen diese ungewöhnlich seltene Fähigkeit auf Grund schrecksischer Dankbarkeit für in der Not geleistet Hilfe verliehen wurde). In solchen Situationen zeigen Baumwichtel gern einen Hang zu derben Späßen.

Als sich die ersten toten Baumriesen anhäuften, gefällt von Mäggis Handsäge, und allabendlich der Geruch von gebratenem Wild, erlegt von Hubis Hackebeil, die Wipfel durchzog, beriefen die Baumwichtel eine Krisensitzung ein. Was konnten sie tun, um diese entsetzliche Bedrohung ihres Lebensraums abzuwenden? Und so verderblich war die üble Ausstrahlung der beiden Halbtrolle, dass sogar die friedliebenden Wichtel plötzlich zu streiten begannen.
„Unsere Kräfte reichen nur aus, um einen der beiden zu vertreiben. Den Baummörder!“
„Nichts da, die Waldtiere sind viel wertvoller. Lasst uns den Axtschwinger verfluchen!“
„Ihr seid ganz boofe Boofis seid ihr!“
„Sind wir nicht!“
„Seid ihr wohl!“
„Sind wir nicht...“ Und so weiter.

Sie würden wohl jetzt noch in ihrem Baumversteck hocken und sich zanken, wenn nicht in diesem Moment ein widerliches „Ricke-Racke“ den Stamm zum Erzittern gebracht hätte. Mäggi Messa hatte die Säge angesetzt. Dieser Umstand beendete die fruchtlose Diskussion auf der Stelle und die Wichtel begannen in aller Eile, ihre Kräfte zu vereinen.

Aber als sie den Fluch auf Mäggi loslassen wollten, spürten sie, dass sie sogar gemeinsam für dieses Monstrum zu schwach waren.

„Dann halt auf die Säge!“ befahl der Familienälteste. „Das müssten wir schaffen. Wir wollen dem Biest das Sägen für alle Zeiten verleiden!“

Mit Blitz und Krach ging der Fluch los und traf das Baumfällwerkzeug haargenau. Verdutzt hörte Mäggi Messa mit der Arbeit auf und betrachtete die dampfende Gerätschaft.

„Lahme Krücke!“ quiekte die Säge plötzlich los. „So was Ungeschicktes und Ungehobeltes wie dich hab ich ja noch nie gesehen!“
„Halt bloß den Rand“ drohte Mäggi. „Ich lass mich doch nicht von einer blöden Handsäge dumm von der Seite anmachen!“
„Was willste denn dagegen tun, Spatzenhirn?“ Die Säge verschärfte ihren frechen Tonfall noch einmal.
„Wirst du schon sehen. Ich mach dir jetzt die Hölle heiß!“ Damit begann Mäggi erneut, wie eine Wilde, den Baumstamm zu attackieren. Die Baumwichtel schauten einander entsetzt an. Was hatten sie da getan? Ihr Fluch hatte zwar getroffen, aber das genaue Gegenteil von dem bewirkt, was sie bezwecken wollten. Der Halbtroll, angespornt von den Beleidigungen seines Werkzeugs, ging nun mit verdoppelter Verbissenheit ans Werk.

Der Rest ist schnell erzählt. Dort, wo einmal der Schnutzibutzi-Forst und die Zuckerrohrsteppe gestanden hatten, erstreckten sich bald nur noch karge Ödnis und niedergebrannte Flora. Der gesamte Boden in hunderten Meilen Umkreis dörrte aus, die zuckrigen Pflanzen verrotteten und ließen ihre süßen Überreste ins Erdreich sickern, bis nach einigen Jahrzehnten die „Süße Wüste“ entstanden war. Alles was Beine oder Flügel hatte, floh unter Mitnahme möglichst vieler Samen und Sprösslinge in andere Länder und suchte sich dort eine neue Heimat. Die größte Enklave dieser Art ist noch in dem fernen Land Mandala zu finden, wo nördlich der Großen Mauer der Tausend-Wunder-Wald steht, wie er in den Reiseberichten eines gewissen Lukas Lokomotivführer beschrieben ist.

Hubi, der psychopathische Tiermetzger, kam irgendwann zur Besinnung, stellte sich den nattifftoffischen Strafvollzugsbehörden, wurde zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt (inklusive der Auflage, zur Abschreckung potenzieller neuer Opfer lebenslang eine scheppernde Metallrüstung tragen zu müssen), schrieb in der Haft seine Memoiren („Die Aventüren des jungen Hubi Knödelsäger“), kaufte sich vom Erlös des entstandenen Bestsellers einen Hof, änderte seinen Namen in Zeprodilius Hackebeil, ging noch einmal zur Schule und versuchte, ein neues Leben zu beginnen. Was ihm aber irgendwie nicht so ganz gelang, wie man im Märchen vom Rotzkäppchen nachlesen kann.

Mäggi Messa jedoch wollte nicht auf dem Pfad der Tugend wandeln. Nach einer Gesichtsoperation und Geschlechtsumwandlung entkam sie dem Zugriff der Waldpolizei und schlüpfte jahrelang bei einer umherziehenden Schmierentheatertruppe unter. Die Nervende  Säge benutzte sie nur noch selten und wenn, dann zum Holzmachen. Ja es geht sogar die Legende, sie habe das freche Teil irgendwann wirklich satt gehabt und es in einer schalldichten Kiste irgendwo in den Friedhofssümpfen von Dull versenkt. Man mag davon halten, was man will, aber ich persönlich würde  bei Nacht und Nebel nicht durch diese üble Gegend wandern. Es könnte ja der Fluch der Baumwichtel auf mich übergehen.

Prost
 
 
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