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Schattenweihnacht

von alegna70
Kurzbeschreibung
OneshotSchmerz/Trost, Liebesgeschichte / P16 / Het
11.12.2022
11.12.2022
1
1.664
10
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Hei!

Eine kleine Weihnachtsgeschichte, die geschrieben werden wollte, um Gefühlen Raum zu geben, die mich letztes Jahr überfallen haben. Viele von Euch wissen, ich wohne im Flutkatastrophengebiet. Das, was wir letztes Jahr hier erlebt haben, ist kaum in Worte zu fassen und trotzdem musste es weiter gehen. Auch zur Weihnachtszeit. Man hatte versucht der Zerstörung zu trotzen und weihnachtliche Stimmung zu zaubern. Es waren die unterschiedlichsten Emotionen, die ich letztes Jahr durchlebt habe, aber ich wusste, dass ich sie und die Eindrücke unbedingt festhalten muss, dass ich eine Weihnachtsgeschichte dazu schreiben muss. Als ich dann noch „Just A Ghost“ von Claptone und Seal gehört hatte, kam auch die passende Idee. Aber, letztes Jahr war ich nicht in der Lage, sie zu schreiben, es fühlte sich noch zu heftig an. Im November habe ich sie endlich geschrieben und sie ist mir unglaublich wichtig. Ich muss gestehen, ich bin ein wenig nervös, sie zu posten. Es ist meine persönlichste Geschichte, mit meinen Gefühlen.

ich freue mich über jeden, der sie liest, vielleicht könnt Ihr erahnen, wie es sich angefühlt hat, diese extreme und sehr besondere Zeit zu erleben. Ich freue mich über Feedback jeglicher Art <3

Diese Geschichte ist mein geistiges Eigentum und ich verbiete, sie im Ganzen oder in Auszügen ohne meine Erlaubnis zu verwenden! Das Urheberrecht liegt alleine bei mir!


Schattenweihnacht

Lautlos fielen kleine Schneeflocken auf die Erde und überdeckten mit ihrem zarten Weiß den schlammfarbenden Boden. Es waren kleine helle Punkte im vorherrschendem Graubraun, welches seit Monaten der Farbton der Stadt war.
Mit einem Lächeln auf den Lippen streckte Noah seine Zunge aus seinem Mund, um einzelne Schneeflocken aufzufangen, wie damals, als er noch ein kleiner Junge war. Das erste mal seit Monaten fühlte er sich unbeschwert, was der Tatsache zu verschulden war, dass er auf dem Weihnachtsmarkt ein bis zwei oder sogar drei Tassen Glühwein getrunken hatte. Sie waren mit ihren Freunden dort gewesen und es hatte sich gut angefühlt, einfach nur Spaß zu haben. Dadurch das alles wunderschön weihnachtlich geschmückt gewesen war, die Dunkelheit drumherum den Rest geschluckt hatte, hatte er ausblenden können, wie es rundherum aussah. Sie waren Schlittschuh gelaufen, sein allererstes Mal mit 32 Jahren. Er hatte es überraschend gut hinbekommen, aber auch der eine oder andere blaue Fleck würde seine Haut die nächsten Tage zieren.
Jetzt waren Nina und er auf dem Heimweg. Sie waren mit dem Taxi bis zu ihren Freunden mitgefahren. Den Rest gingen sie zu Fuß durch die Stadt nach Hause. Normalerweise vermieden sie diesen Weg durch die Innenstadt, nahmen lieber den längeren um die Stadtmauer herum, aber es war spät und kalt.
Sie schritten durch das alte Stadttor an dem Lichterketten hingen und automatisch zog Noah seine Frau dichter an sich heran. So, als ob er sie vor dem Anblick beschützen müsste. Es war ihre Stadt! Sie waren beide hier aufgewachsen, aber nun kamen sie sich fremd vor. Auf einmal war nichts mehr so gewesen, wie vorher. Wo früher das Leben getobt hatte, sah man nur noch in dunkle Löcher und mit Brettern verrammelte Türen und Fenster. Der Geruch von Schlamm, Dreck und Öl hing immer noch in der Luft, aber er war nicht mehr so stechend, wie vor ein paar Monaten.
Es war dunkel, nur in wenigen Häusern war in der oberen Etage Licht zu sehen. Die Straßenlaternen, wenn noch vorhanden, waren defekt. Vereinzelt waren mobile Lichtmasten aufgestellt, das Brummen ihrer Aggregate erfüllte die Nacht.
Der einzige Lichtblick in der Zerstörung waren aufgestellte, geschmückte Weihnachtsbäume, damit es über Tag zumindest etwas weihnachtlich aussah. An einigen hingen LED Lichterketten, die ein wenig warmes Licht abgaben.
Der unbefestigte Boden knirschte unter Ninas und Noahs Füßen. Sie mussten aufpassen, dass sie nicht in Löcher traten oder stolperten. Noahs gefühlte Unbeschwertheit zog sich langsam aber sicher zurück. Es war bedrückend dort entlang zu gehen.
Unerwartet blieb Nina stehen, wisperte: „Schau mal, da drinnen steht ein Weihnachtsbaum, richtig schön geschmückt! Ist das toll!“
Noah sah auch in das Haus hinein und entdeckte den Baum der in mitten des zum Rohbau zurückgebauten Raumes stand. Von alleine legte sich wieder das Lächeln auf seine Lippen: „So eine schöne Idee! Dass lässt das Triste direkt wärmer aussehen!“
Sanft zog er Nina an sich ran und hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen. Anschließend setzten sie ihren Weg fort, aber nur ein paar Meter. Dann blieb Nina wieder stehen, sah an einem Haus hoch hinauf: „Guck mal, der Schatten da oben, der sieht wie ein Schwedenfeuer aus! Da könnte man sich hinstellen und sich die Hände wärmen." Noah folgt dem Blick seiner Frau und nickte. Mit etwas Fantasie war da durchaus das Schattenbild zu erkennen. Sie wisperte leise: „Hör mal hin, das hört sich so an, als ob da Menschen lustig drumherum stehen und was trinken, der Schatten könnte diese Gruppe sein!" Man brauchte Fantasie, aber Noah konnte nachvollziehen, was Nina meinte. Das aschfahle Licht der Notmasten zauberte eine Weihnachtsmarktszene an das Haus.
Sie gingen weiter, mit dem Blick nach oben gerichtet und wieder tauchte eine Schattenfigur auf, die Aussah, als wenn es der heilige Nikolaus war. Nina lächelte: „Der kommt jetzt gerade und verteilt Schokolade an die Kinder! Ich höre sie aufgeregt rufen, andere stehen etwas ängstlich an der Hand ihrer Eltern, weil sie ihn zum ersten mal sehen!“
Noah nickte zustimmend und zeigte auf das nächste Haus: „Der Schatten könnte eine Kerze sein ...“
Nina nickte begeistert: „Ja, auf einem Gesteck! Und schau mal dahinten, wie Tannenbäume, die nebeneinander stehen!“ Ihre Stimme überschlug sich fast vor Begeisterung und riss Noah mit. Ihre Blicke hingen nur noch oben an den Häusern. „Schau, da ist der Weihnachtsstern und daneben könnte ein Schaf sein!“
Nina lächelte: „Die Weihnachtsgeschichte, bei den Hirten!“
„Ja, dahinten ist der Stall ...“, Noah zeigte auf den Giebel eines alten Hauses, welches untenrum komplett im Rohbau war.
Nina zeigte an das Haus daneben: „Rudolph … Ein Rentier!“ Sie gingen langsam weiter und in fast jedem Schatten konnten sie etwas erkennen, ein Kinderkurrassel, einen Schlitten oder auch einen Schneemann.
Als sie am Marktplatz ankamen, blieben sie vor dem Weihnachtsbaum stehen, der dort aufgestellt war. Er war genauso groß wie immer, geschmückt mit Geschenken und einer Lichterkette, bis obenauf. Er strahlte in die triste Dunkelheit, untermalt vom lauten Dröhnen eines riesigen Aggregates, welches auch den Strom für die Lichterkette produzierte. Beide sahen diesen Baum zum ersten mal. Noah zog Nina fest an sich ran und wisperte: „Ich habe mich noch nie so gefreut, den hier stehen zu sehen!“
Sie nickte: „Ja, es tut richtig gut, auch wenn es irgendwie vollkommen deplatziert aussieht ...“
„Stimmt …“ Der Gedanke, dass dort je wieder ein Weihnachtsmarkt stattfinden könnte, der war ganz weit weg für Noah. Alles war Trist und Zerstört, die Schönheit war verloren gegangen. Dazu eine Kirche, in der es an diesen Weihnachten keine einzige Messe oder Andacht geben würde …
Nina schloss die Augen, um die Bilder wieder aus ihrem Kopf zu verdrängen. Sie holte aus der Tiefe ihres Herzens die Bilder der Vergangenheit wieder hoch und wisperte leise: „Hörst du die ganzen Menschen? Sie lachen und erzählen … Im Hintergrund läuft Weihnachtsmusik ...“
„Aber nicht Last Christmas!“, kam sofort von Noah.
Nina sah ihn an und lachte laut los: „Du mal wieder! Der Song ist schön und wird auch immer schön bleiben!“
Er grinste sie an: „Süße, ich liebe dich über alles! Aber in dem Punkt werden wir uns nie einig werden!“
Leicht boxte sie ihn: „Weil du ein Banause bist! Weißt du, was morgen im Fernsehen kommt?“
Ihm schwante böses, wenn sie schon so fragte: „Was?“
Ihr Grinsen wurde breiter im Gesicht: „Alle drei Santa Claus Filme!“
„Oh Gott, nicht dein ernst!“
Nina lachte auf: „Oh ja und ich werde mir die alle drei ansehen!“
Noah ergab sich seinem Schicksal: „Wenn es sein muss … Komm, lass uns heim gehen ...“
Sie nickte, langsam wurde es immer kälter und der Schneefall stärker. Von dem matschgrauen Boden war schon kaum noch was zu sehen und auch blieb der Schnee auf den Ästen des Weihnachtsbaumes liegen. Noah nahm sie wieder an die Hand, die längste und schlimmste Strecke durch die Innenstadt hatten sie nun schon hinter sich gebracht. Sie gingen los und hinterließen Fußspuren im Schnee.
Bevor sie den menschenleeren Marktplatz verließen, drehte sich Nina noch einmal zu dem Weihnachtsbaum um und wisperte: „Und nächstes Jahr zeigen wir unserm Wusel den Christbaum!“
Noah zog sie in seinen Arm, seine Hand fand von alleine den Weg auf ihren Bauch, der gerade erst begann, sichtbar zu werden. Er lächelte sie an. Die Nachricht, dass sie Eltern werden würden im nächsten Jahr, war die schönste überhaupt gewesen und hatte Noah neue Hoffnung geschenkt in dieser Zeit, ihn aus einer Schockstarre geholt: „Das werden wir machen! Und irgendwann wird es auf dem Kinderkarussell fahren und zum Nikolaus gehen ...“
Nina lächelte ihn an: „Ja, und Waffeln essen und Kakao trinken … Und Santa Claus gucken, mit uns!“
Sanft legten sich seine Lippen auf ihre und er wisperte: „Auch das! Ich liebe dich!“
„Ich dich auch ...“, flüsterte sie an seinen Lippen. Dann sprach sie leise: „Wir müssen noch für Weihnachten schmücken ...“ Er nickte, bis jetzt war ihnen noch nicht danach gewesen, aber Nina hatte recht. Sie würden auch in diesem Jahr Weihnachten feiern, wenn auch ein wenig anders als sonst. Und er brauchte keine Geschenke, das wichtigste im Leben hatte er bereits; sie waren verschont geblieben vom Wasser,  hatten niemanden verloren den sie liebten und  er hatte seine große Liebe Nina an seiner Seite und dann würde Wuselchen zu ihnen kommen.Es war die Weihnachtszeit, die Zeit der Hoffnung. Ein warmes Gefühl breitete sich in Noah aus. Er legte seinen Arm um Ninas Schultern, um nach Hause zu gehen. Und automatisch ging sein Blick wieder hoch, zu den tanzenden Schatten im aschfahlen  Licht ...  


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Wer nach so viel Emotionen noch etwas fürs Herz braucht; letzte Nacht habe ich das erste Kapitel einer weiteren Weihnachtsgeschichte eingestellt. Sie heißt

Schneeengel unterm Polarlicht
https://www.fanfiktion.de/s/6393e31f00043ca41e9d3162/1/Schneeengel-unterm-Polarlicht

Ich würde mich sehr freuen, wenn Ihr da mal vorbei lesen würdet :)
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