Schöne Bescherung
von Leuchtboje85
Kurzbeschreibung
Heiligabend im Hause Moser/Neuhold/Rex. Es könnte so schön werden! Wären da nicht die komplett unterschiedlichen Vorstellungen über ein gelungenes Weihnachtsfest und die Tatsache, dass Moser etwas Entscheidendes vergessen hat.
KurzgeschichteKrimi / P12 / Het
Rex
Richard "Richie" Moser
04.12.2022
24.12.2022
4
6.829
2
04.12.2022
1.607
"Schneller Rex, schneller!" Das frohe Jauchzen der Kinder war schon von Weitem zu hören. Pünktlich zu Heiligabend hatte der Wettergott es gut gemeint und bescherte den Bewohnern Wiens eine weiße Pracht der Extraklasse.
Auf der Straße vor Mosers Haus am Stadtrand hatten zwei Kinder aus der Nachbarschaft Schäferhund Rex kurzerhand vom Polizeihund zum Schlittenhund befördert. An einem Seil vor ihren Holzschlitten gespannt, lief Rex aufgeweckt mit seinen beiden kleinen Passagieren an Bord die einsam verschneite Straße rauf und runter und man bekam den Eindruck, dass sowohl die Fahrgäste als auch ihr Chauffeur nicht genug von der Schlittenpartie bekommen konnten. Es hätte ewig so weiter gehen können.
Das gesellige Treiben wurde jedoch von den sanften, aber bestimmenden Worten einer jungen Frau unterbrochen: "Schluss jetzt Kinder! Ab nach Hause!"
„Aber, Mama…"
„Kein aber! Außerdem braucht der Rex sicherlich auch a`mal eine Pause. Der rennt doch schon mit euch seit über einer halben Stund` hier herum!"
„Mama!!!", gab es deutlichen Protest.
„Keine Widerrede. Oder wollt ihr etwa den Weihnachtsmann verpassen, wenn der nachher kommt?"
Weihnachtsmann! Die beiden sahen sich grübelnd an. Ein Weihnachtsfest ohne den Weihnachtsmann? Das ging nun wirklich nicht. Da konnte selbst eine Schlittentour mit Rex nicht mithalten. Die Kinder befreiten den Rüden von ihrem Gefährt und folgten samt Schlitten ihrer Mutter schließlich bereitwillig nach Hause.
Mit einem enttäuschten Bellen verabschiedete Rex sich von seinen beiden Spielkameraden. Aber auch ihm war es jetzt langsam recht kalt an den empfindlichen Pfoten geworden und so beschloss er ebenfalls in das warme gemütliche Heim zu seinen beiden Zweibeinern zurückzukehren.
„Na du, genug getobt für heute?“, empfang ihn sein Herrchen im Garten zurück, als er mit zwei Stapel Brennholz unter beiden Armen bepackt aus dem Holzschuppen kam. Mit seiner von der eisigen Kälte roten Nasenspitze, der dunklen Stoffmütze und den Schneeflocken auf der Kleidung, fehlte nicht viel und man hätte ihn glatt mit dem Schneemann auf dem Nachbargrundstück verwechseln können.
„Rex, hilf mir mal!“, ächzte Moser vollbepackt, als er vor der geschlossenen Haustür stand.
Aber Rex war bereits wieder abgelenkt und nahm Mosers Bitte gar nicht mehr war. Interessiert beobachtete er stattdessen die Vögel im Garten, welche um den besten Platz auf dem Ast des verschneiten Apfelbaums stritten und sich am Meisenring labten.
„Rex!!“, wiederholte Moser jetzt mit strengem Unterton seine Bitte, wobei er aufpassen musste, dass ihm einige der Holzstücke nicht aus seinen Armen direkt auf die Füße rutschten.
Von innen durch das Fenster bemerkte Patricia Richards missliche Lage und sie öffnete ihm die Tür.
„Komm her! Ich nehme dir welche ab“, sagte sie und griff sich drei Holzscheite.
Kaum stand die Haustür offen, schien Rex jenes Interesse an dem geselligen Apfelbaum verloren zu haben und huschte an den Beinen seines Herrchens hinein in die warme Stube.
Sein Ziel war der Tisch im Wohnzimmer. Denn dort stand Rex‘ momentanes Lieblingsspielzeug – eine etwa 40 Zentimeter große Holzpyramide. Mit wedelnder Rute stemmte er seine Vorderpfoten auf den Tisch und beobachte interessiert die sich gemächlich im Kreis drehenden liebevoll von Hand geschnitzten Holzfiguren. Nicht nur einmal kam dabei in der Vergangenheit die schwarze Hundenase bedenklich nah an die brennenden Kerzen, sodass Rex kurz erschrocken aufjaulte. Nach ein paar schmerzhaften Lektionen und strengen Worten seitens seines Herrchens, hatte er schließlich verstanden, dass er das sich so lustig drehende Ding besser mit sicherem Abstand bewundern sollte.
Im Wohnzimmer griff Moser sich einen alten Stofflappen, öffnete den Ofen und legte zwei Holzscheite ins Feuer. Eine Qualmwolke stieg ihm entgegen, sodass er reflexartig zurückwich und schnell wieder die Ofentür schloss.
„Der Rex ist aufgekratzt, wie ein kleines Kind. Man könnte meinen, er wüsste, dass Weihnachten ist“, kommentierte Moser mit Blick auf seinen Hund das Geschehen am Wohnzimmertisch, als er sich wieder erhob.
„Er spürt halt die weihnachtliche Stimmung. Das hat doch auch was Schönes. Du sagst doch immer, dass Hunde alles mitbekommen…“ Patricia wischte Richard mit der Hand den schwarzen Ruß von der Nase.
„Falsch, er spürt vor allem deine Aufregung und Unruhe…“ widersprach Moser liebevoll belehrend Patricia und ergänzte dies sogleich mit einem beschwichtigen Kuss auf ihre Lippen.
„Richard, ich weiß für dich ist so ein klassisches Weihnachtsfest noch etwas befremdlich, aber du wirst sehen. Es wird richtig schön werden.“
Sie strich ihm zärtlich über den Oberarm, um ihm sogleich sanft lächelnd in die Augen zublicken. „Unser erstes gemeinsames Weihnachten.“ Dann konnte sie sich ein leichtes Seufzen nicht verkneifen und ihr Blick verfinsterte sich. „Nach all dem, was dieses Jahr passiert ist.“
„Ich weiß, was du meinst.“ Nachdenklich drückte Moser sie an sich, wobei sie ihren Kopf an seine Schulter anlehnte, die Augen schloss und ihn fest umklammerte.
Sie hatte ja recht. In der Tat fühlte sich für Moser ein Heiligabend in den eigenen vier Wänden, mit Gänsebraten, Dekokram in allen Ecken und einem prächtig geschmückten Tannenbaum noch recht befremdlich an. Bisher hatte er sich zu den Festtagen meist nur eine mehr oder weniger krumme Tanne ins Wohnzimmer gestellt, behängt mit ein paar einzelnen Kugeln. Für Rex gab es einen (fr)essbaren Adventskalender, den Moser jedes Jahr im Zoofachhandel seines Vertrauens besorgte. Das musste reichen. Kein Adventskranz, keine Räuchermännchen, kein Schwibbogen oder dergleichen Schnickschnack.
Er war schließlich kein Kind mehr und hatte auch nie das Bedürfnis verspürt, für sich allein die Wohnung irgendwie besonders festlich herzurichten. Die vergangenen Jahre hatte er den Heiligabend, wenn alle Welt in der Kirche saß und andächtig den Weihnachtsklassiker "Stille Nacht, heilige Nacht " sang, meist zusammen mit seinem Freund Max Koch beim Schach - oder Billardspielen verbracht und anschließend auf dem heimischen Sofa zusammen mit Rex seine Ruhe genossen.
Aber nun gut! Den Max konnte er jeden Tag sehen, genauso wie abends zuhause auf dem Sofa zu sitzen. Heilabend war jedoch nur einmal im Jahr. Er wusste, wie viel Patricia der heutige Abend bedeutete. Was tut man nicht alles, um der Liebsten eine Freude zu bereiten und so allgemeine Grundsatzdiskussionen zu vermeiden. Schließlich muss man in einer Beziehung auch Kompromisse eingehen. Das hatte er aus seiner gescheiterten Ehe mit Gina gelernt und diesen Fehler wollte er kein zweites Mal machen. Dafür liebte er Patricia zu sehr.
Aber außer sich mit dem weihnachtlichen Kitsch in den eigenen vier Wänden anfreunden zu müssen, stand Moser am heutigen Heiligabend noch eine andere Herausforderung bevor: Der Besuch von Patricias Eltern.
Auch wenn er die beiden alten Herrschaften eigentlich gerne mochte, so erinnerten sie ihn insgeheim auch ein bisschen an die Eltern seiner Ex-Frau. Ein ganz schwieriges Thema, was er am liebsten vergessen würde.
Zudem ließ Patricias Mutter ihn unterschwellig immer spüren, dass sie mit seinem Beruf ein Problem hatte. Ihr Vater hingegen war das komplette Gegenteil. Sofort hatte er seinen Schwiegersohn in Spe ins Herz geschlossen. Er liebte es, Moser bei jeder möglichen Gelegenheit von seiner großen Leidenschaft, dem schottischen Whiskey, zu erzählen. Mehrfach hatte er den Kommissar bereits zu seinem wöchentlichen Männer-Whiskeystammtisch eingeladen. Stets hatte Moser irgendwelche fadenscheinigen Gründe vorgeschoben, weshalb es diesmal auf gar keinen Fall passte – mal ging es Rex von einem auf den Tag anderen ach so schlecht, dann quälten ihn selbst angeblich irgendwelche Wehwehchen oder seine Arbeit nahm ihn der Art in Anspruch, dass er auf jeden Fall bis spät in der Nacht im Büro bleiben musste.
Zu allem Übel hatte der alte Herr auch noch eine ausgeprägte Hundehaarallergie, die er nur mit Hilfe von starken Medikamenten halbwegs in den Griff bekam. Dies machte Richards und Patricias gemeinsame Besuche bei ihren Eltern jedes Mal zu einer echten Herausforderung, weil Rex es einfach nicht einsehen wollte, allein zu Hause bleiben zu müssen und er sich deshalb jedes Mal neue Mittel und Wege ausdachte, wie er seine beiden Zweibeiner von dem geplanten Ausflug abhalten konnte.
Ein helles Klirren unterbrach Moser in seinen Gedanken. Er blickte hinter sich zum Tannenbaum, vor dem Rex saß und verwundert auf die Scherben am Boden schaute.
„Nummer drei!“ Moser seufzte. Patricias konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.
„Ich glaube, nächstes Jahr lassen wir lieber die Christbaumkugeln weg.“
„Oder wir lassen den Baum gleich ganz in grün. Ist wahrscheinlich billiger auf Dauer…“
„Und wir haben weniger Arbeit“, ergänzte Moser, während er zum Tannenbaum ging und die Scherben vor Rex aufsammelte, um diese zum Mülleimer zubringen.
„Wann kommen deine Eltern noch gleich?“, fragte er wieder zurück im Wohnzimmer und versuchte dabei sich den damit verbundenen Unmut über den bevorstehenden Besuch nicht anmerken zu lassen.
„Gegen 15 Uhr. Gut, dass du es sagst. Ich muss gleich noch die Weihnachtsgeschenke für beide einpacken.“
Moser erschrak. Sein Herz blieb gefühlt für einige Sekunden stehen. Weihnachtsgeschenke! Nein, DAS eine, ganz spezielle Weihnachtsgeschenk! Er wusste, er hatte noch irgendwas vergessen, etwas ganz Wichtiges! Unruhig schaute Moser auf die Uhr. 13.30 Uhr. Gut 20 Kilometer waren es von hier bis in die Innenstadt. Angesichts der Tatsache, dass die Wetterverhältnisse draußen alles andere als ideal waren und dass die Innenstadt um diese Zeit wahrscheinlich voll von Autos war, in denen Männer in ähnlicher Situation saßen, könnte es durchaus knapp werden.
Patricia schien Richards plötzliche Unruhe zu bemerken. Fragend sah sie ihn an.
„Ist irgendwas?“
„Ich, ich muss nochmal los, was erledigten. Bin gleich, ich meine pünktlich wieder zurück…versprochen!“, stotterte er hektisch, hauchte ihr einen Kuss auf die Wange und eilte aus dem Wohnzimmer Richtung Garderobe im Flur.
„Richard, was ist denn so plötzlich los mit dir?“
„Erklär ich dir später!“, sagte Moser, während er sich seinen Mantel anzog und den Schal um den Hals schmiss.
„Richard, du kannst jetzt nicht einfach wegfahren. Ich brauch dich hier. Es muss noch so viel vorbereitet werden.“
„Entschuldigung, geht nicht anders! Ich lieb dich auch! Komm Rex!“. Beide eilten zum Auto und fuhren mit durchdrehenden Rädern auf der schneebedeckten Straße davon.
Auf der Straße vor Mosers Haus am Stadtrand hatten zwei Kinder aus der Nachbarschaft Schäferhund Rex kurzerhand vom Polizeihund zum Schlittenhund befördert. An einem Seil vor ihren Holzschlitten gespannt, lief Rex aufgeweckt mit seinen beiden kleinen Passagieren an Bord die einsam verschneite Straße rauf und runter und man bekam den Eindruck, dass sowohl die Fahrgäste als auch ihr Chauffeur nicht genug von der Schlittenpartie bekommen konnten. Es hätte ewig so weiter gehen können.
Das gesellige Treiben wurde jedoch von den sanften, aber bestimmenden Worten einer jungen Frau unterbrochen: "Schluss jetzt Kinder! Ab nach Hause!"
„Aber, Mama…"
„Kein aber! Außerdem braucht der Rex sicherlich auch a`mal eine Pause. Der rennt doch schon mit euch seit über einer halben Stund` hier herum!"
„Mama!!!", gab es deutlichen Protest.
„Keine Widerrede. Oder wollt ihr etwa den Weihnachtsmann verpassen, wenn der nachher kommt?"
Weihnachtsmann! Die beiden sahen sich grübelnd an. Ein Weihnachtsfest ohne den Weihnachtsmann? Das ging nun wirklich nicht. Da konnte selbst eine Schlittentour mit Rex nicht mithalten. Die Kinder befreiten den Rüden von ihrem Gefährt und folgten samt Schlitten ihrer Mutter schließlich bereitwillig nach Hause.
Mit einem enttäuschten Bellen verabschiedete Rex sich von seinen beiden Spielkameraden. Aber auch ihm war es jetzt langsam recht kalt an den empfindlichen Pfoten geworden und so beschloss er ebenfalls in das warme gemütliche Heim zu seinen beiden Zweibeinern zurückzukehren.
„Na du, genug getobt für heute?“, empfang ihn sein Herrchen im Garten zurück, als er mit zwei Stapel Brennholz unter beiden Armen bepackt aus dem Holzschuppen kam. Mit seiner von der eisigen Kälte roten Nasenspitze, der dunklen Stoffmütze und den Schneeflocken auf der Kleidung, fehlte nicht viel und man hätte ihn glatt mit dem Schneemann auf dem Nachbargrundstück verwechseln können.
„Rex, hilf mir mal!“, ächzte Moser vollbepackt, als er vor der geschlossenen Haustür stand.
Aber Rex war bereits wieder abgelenkt und nahm Mosers Bitte gar nicht mehr war. Interessiert beobachtete er stattdessen die Vögel im Garten, welche um den besten Platz auf dem Ast des verschneiten Apfelbaums stritten und sich am Meisenring labten.
„Rex!!“, wiederholte Moser jetzt mit strengem Unterton seine Bitte, wobei er aufpassen musste, dass ihm einige der Holzstücke nicht aus seinen Armen direkt auf die Füße rutschten.
Von innen durch das Fenster bemerkte Patricia Richards missliche Lage und sie öffnete ihm die Tür.
„Komm her! Ich nehme dir welche ab“, sagte sie und griff sich drei Holzscheite.
Kaum stand die Haustür offen, schien Rex jenes Interesse an dem geselligen Apfelbaum verloren zu haben und huschte an den Beinen seines Herrchens hinein in die warme Stube.
Sein Ziel war der Tisch im Wohnzimmer. Denn dort stand Rex‘ momentanes Lieblingsspielzeug – eine etwa 40 Zentimeter große Holzpyramide. Mit wedelnder Rute stemmte er seine Vorderpfoten auf den Tisch und beobachte interessiert die sich gemächlich im Kreis drehenden liebevoll von Hand geschnitzten Holzfiguren. Nicht nur einmal kam dabei in der Vergangenheit die schwarze Hundenase bedenklich nah an die brennenden Kerzen, sodass Rex kurz erschrocken aufjaulte. Nach ein paar schmerzhaften Lektionen und strengen Worten seitens seines Herrchens, hatte er schließlich verstanden, dass er das sich so lustig drehende Ding besser mit sicherem Abstand bewundern sollte.
Im Wohnzimmer griff Moser sich einen alten Stofflappen, öffnete den Ofen und legte zwei Holzscheite ins Feuer. Eine Qualmwolke stieg ihm entgegen, sodass er reflexartig zurückwich und schnell wieder die Ofentür schloss.
„Der Rex ist aufgekratzt, wie ein kleines Kind. Man könnte meinen, er wüsste, dass Weihnachten ist“, kommentierte Moser mit Blick auf seinen Hund das Geschehen am Wohnzimmertisch, als er sich wieder erhob.
„Er spürt halt die weihnachtliche Stimmung. Das hat doch auch was Schönes. Du sagst doch immer, dass Hunde alles mitbekommen…“ Patricia wischte Richard mit der Hand den schwarzen Ruß von der Nase.
„Falsch, er spürt vor allem deine Aufregung und Unruhe…“ widersprach Moser liebevoll belehrend Patricia und ergänzte dies sogleich mit einem beschwichtigen Kuss auf ihre Lippen.
„Richard, ich weiß für dich ist so ein klassisches Weihnachtsfest noch etwas befremdlich, aber du wirst sehen. Es wird richtig schön werden.“
Sie strich ihm zärtlich über den Oberarm, um ihm sogleich sanft lächelnd in die Augen zublicken. „Unser erstes gemeinsames Weihnachten.“ Dann konnte sie sich ein leichtes Seufzen nicht verkneifen und ihr Blick verfinsterte sich. „Nach all dem, was dieses Jahr passiert ist.“
„Ich weiß, was du meinst.“ Nachdenklich drückte Moser sie an sich, wobei sie ihren Kopf an seine Schulter anlehnte, die Augen schloss und ihn fest umklammerte.
Sie hatte ja recht. In der Tat fühlte sich für Moser ein Heiligabend in den eigenen vier Wänden, mit Gänsebraten, Dekokram in allen Ecken und einem prächtig geschmückten Tannenbaum noch recht befremdlich an. Bisher hatte er sich zu den Festtagen meist nur eine mehr oder weniger krumme Tanne ins Wohnzimmer gestellt, behängt mit ein paar einzelnen Kugeln. Für Rex gab es einen (fr)essbaren Adventskalender, den Moser jedes Jahr im Zoofachhandel seines Vertrauens besorgte. Das musste reichen. Kein Adventskranz, keine Räuchermännchen, kein Schwibbogen oder dergleichen Schnickschnack.
Er war schließlich kein Kind mehr und hatte auch nie das Bedürfnis verspürt, für sich allein die Wohnung irgendwie besonders festlich herzurichten. Die vergangenen Jahre hatte er den Heiligabend, wenn alle Welt in der Kirche saß und andächtig den Weihnachtsklassiker "Stille Nacht, heilige Nacht " sang, meist zusammen mit seinem Freund Max Koch beim Schach - oder Billardspielen verbracht und anschließend auf dem heimischen Sofa zusammen mit Rex seine Ruhe genossen.
Aber nun gut! Den Max konnte er jeden Tag sehen, genauso wie abends zuhause auf dem Sofa zu sitzen. Heilabend war jedoch nur einmal im Jahr. Er wusste, wie viel Patricia der heutige Abend bedeutete. Was tut man nicht alles, um der Liebsten eine Freude zu bereiten und so allgemeine Grundsatzdiskussionen zu vermeiden. Schließlich muss man in einer Beziehung auch Kompromisse eingehen. Das hatte er aus seiner gescheiterten Ehe mit Gina gelernt und diesen Fehler wollte er kein zweites Mal machen. Dafür liebte er Patricia zu sehr.
Aber außer sich mit dem weihnachtlichen Kitsch in den eigenen vier Wänden anfreunden zu müssen, stand Moser am heutigen Heiligabend noch eine andere Herausforderung bevor: Der Besuch von Patricias Eltern.
Auch wenn er die beiden alten Herrschaften eigentlich gerne mochte, so erinnerten sie ihn insgeheim auch ein bisschen an die Eltern seiner Ex-Frau. Ein ganz schwieriges Thema, was er am liebsten vergessen würde.
Zudem ließ Patricias Mutter ihn unterschwellig immer spüren, dass sie mit seinem Beruf ein Problem hatte. Ihr Vater hingegen war das komplette Gegenteil. Sofort hatte er seinen Schwiegersohn in Spe ins Herz geschlossen. Er liebte es, Moser bei jeder möglichen Gelegenheit von seiner großen Leidenschaft, dem schottischen Whiskey, zu erzählen. Mehrfach hatte er den Kommissar bereits zu seinem wöchentlichen Männer-Whiskeystammtisch eingeladen. Stets hatte Moser irgendwelche fadenscheinigen Gründe vorgeschoben, weshalb es diesmal auf gar keinen Fall passte – mal ging es Rex von einem auf den Tag anderen ach so schlecht, dann quälten ihn selbst angeblich irgendwelche Wehwehchen oder seine Arbeit nahm ihn der Art in Anspruch, dass er auf jeden Fall bis spät in der Nacht im Büro bleiben musste.
Zu allem Übel hatte der alte Herr auch noch eine ausgeprägte Hundehaarallergie, die er nur mit Hilfe von starken Medikamenten halbwegs in den Griff bekam. Dies machte Richards und Patricias gemeinsame Besuche bei ihren Eltern jedes Mal zu einer echten Herausforderung, weil Rex es einfach nicht einsehen wollte, allein zu Hause bleiben zu müssen und er sich deshalb jedes Mal neue Mittel und Wege ausdachte, wie er seine beiden Zweibeiner von dem geplanten Ausflug abhalten konnte.
Ein helles Klirren unterbrach Moser in seinen Gedanken. Er blickte hinter sich zum Tannenbaum, vor dem Rex saß und verwundert auf die Scherben am Boden schaute.
„Nummer drei!“ Moser seufzte. Patricias konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.
„Ich glaube, nächstes Jahr lassen wir lieber die Christbaumkugeln weg.“
„Oder wir lassen den Baum gleich ganz in grün. Ist wahrscheinlich billiger auf Dauer…“
„Und wir haben weniger Arbeit“, ergänzte Moser, während er zum Tannenbaum ging und die Scherben vor Rex aufsammelte, um diese zum Mülleimer zubringen.
„Wann kommen deine Eltern noch gleich?“, fragte er wieder zurück im Wohnzimmer und versuchte dabei sich den damit verbundenen Unmut über den bevorstehenden Besuch nicht anmerken zu lassen.
„Gegen 15 Uhr. Gut, dass du es sagst. Ich muss gleich noch die Weihnachtsgeschenke für beide einpacken.“
Moser erschrak. Sein Herz blieb gefühlt für einige Sekunden stehen. Weihnachtsgeschenke! Nein, DAS eine, ganz spezielle Weihnachtsgeschenk! Er wusste, er hatte noch irgendwas vergessen, etwas ganz Wichtiges! Unruhig schaute Moser auf die Uhr. 13.30 Uhr. Gut 20 Kilometer waren es von hier bis in die Innenstadt. Angesichts der Tatsache, dass die Wetterverhältnisse draußen alles andere als ideal waren und dass die Innenstadt um diese Zeit wahrscheinlich voll von Autos war, in denen Männer in ähnlicher Situation saßen, könnte es durchaus knapp werden.
Patricia schien Richards plötzliche Unruhe zu bemerken. Fragend sah sie ihn an.
„Ist irgendwas?“
„Ich, ich muss nochmal los, was erledigten. Bin gleich, ich meine pünktlich wieder zurück…versprochen!“, stotterte er hektisch, hauchte ihr einen Kuss auf die Wange und eilte aus dem Wohnzimmer Richtung Garderobe im Flur.
„Richard, was ist denn so plötzlich los mit dir?“
„Erklär ich dir später!“, sagte Moser, während er sich seinen Mantel anzog und den Schal um den Hals schmiss.
„Richard, du kannst jetzt nicht einfach wegfahren. Ich brauch dich hier. Es muss noch so viel vorbereitet werden.“
„Entschuldigung, geht nicht anders! Ich lieb dich auch! Komm Rex!“. Beide eilten zum Auto und fuhren mit durchdrehenden Rädern auf der schneebedeckten Straße davon.