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Des Sheriffs Mutter, ihr Sohn und dessen Erster Ritter

Kurzbeschreibung
GeschichteHumor / P12 / Gen
Guy of Gisburne OC (Own Character) Robert de Rainault der Sheriff of Nottingham
01.12.2022
01.12.2022
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3.312
 
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In seinem Kopf hämmerte es, als wenn … als wenn … er kam auf keinen Vergleich, denn dafür war das Hämmern viel zu stark. Und dann war da auch noch ein fürchterlich schlechter Geschmack in seinem Mund, der sich auch noch irgendwie pelzig anfühlte. Und das Licht! Das Licht! Es stach durch seine geschlossenen Augenlider bis tief in seinen Kopf hinein und traf dort auf das Hämmern, das ununterbrochen weiterging.
Er stöhnte und bewegte sich dann ganz langsam und vorsichtig, um seinem Magen keinen Grund zu geben, sich schwallartig zu entleeren. Es war nicht einfach, dies zu vermeiden, aber schließlich hatte er es geschafft sich zumindest auf die Seite zu drehen. Aber dabei wurde er sich auf einmal des Bettzeugs bewusst, unter dem er lag und des Lakens, auf dem er ruhte, denn es schien sich von dem zu unterscheiden, an das er gewöhnt war. Es schien sich viel glatter und angenehmer anzufühlen als sonst.
Plötzlich kam ihm ein schrecklicher Gedanke und er riss, ohne auf seine Beschwerden zu achten, seine Augen auf und musste dann feststellen, dass es tatsächlich so war, wie er befürchtet hatte. Er lag nicht in seinem eigenen Bett. Aber wo war er dann?
Mühsam hob er seinen Kopf, um zu versuchen herauszufinden, in wessen Kammer er eingeschlafen war, aber im ersten Moment weigerten sich seine Augen das grelle Licht zu durchdringen und ihm etwas zu zeigen, mit dem sich was anfangen ließ. Gleichzeitig versuchte er, sich daran zu erinnern, was am gestrigen – gestrigen? – Abend geschehen war, aber sein Gedächtnis war nicht mehr gewillt ihm zu Diensten zu sein als seine Augen.
Doch dann schälten sich nach und nach die Umrisse von Möbeln und Mauern aus dem weißen Licht heraus und nun schien sein Hirn auch wieder der Meinung zu sein, etwas beisteuern zu können, denn es teilte ihm mit, er würde die Kammer kennen, in der er lag. Es wäre …
‚Verdammte Scheiße …‘
Er sprang auf … oder besser gesagt … er versuchte es, aber dabei blieb er im Bettzeug hängen und landete – reichlich unsanft – auf dem kalten Fußboden. Aber davon wollte er sich nicht beirren lassen, daher zog er sich an einem Bettposten so weit hoch, dass er schließlich zum Stehen kam. Dadurch bestätigte sich aber auch, was er eben geglaubt hatte zu erkennen. Er befand sich tatsächlich in der Schlafkammer des Sheriffs und hatte in dessen Bett geschlafen. Was war nur am gestrigen Abend geschehen?
Er nutzte, was immer ihm an Stärke geblieben war und begann in Richtung der fernen Tür zu stolpern, wobei er hoffte, der Kammer entkommen zu können, bevor der Sheriff ihn entdeckte.
„Wo willst du hin?“, brachte ihn eine Stimme abrupt zum Halten, von der er in diesem Moment nur wusste, dass er sie bereits zuvor gehört hatte. Außerdem wurde ihm auch sofort klar, dass er um eine Antwort nicht herumkam.
„In … in meine Kammer“, nuschelte er, denn weder seine Lippen noch seine Zunge wollten richtig arbeiten.
„Aber, Süßer, dies hier ist unsere Kammer“, kam prompt eine Erwiderung, mit der er auf keinen Fall hatte rechnen können. ‚Unsere Kammer?‘ Was bedeutete das? Und wer sprach da?
Er begann sich umzudrehen, aber ganz langsam, denn er war sich nicht sicher, ob seine Beine ihn bei dieser Bewegung unterstützen würden. Zu seiner Verwunderung schaffte er es aber, ohne umzufallen, wenn er auch von einer Seite zur anderen schwankte, als wäre er betrunken. War er betrunken?
„Ach, Süßer, ich hätte dir nicht erlauben sollen so viel zu trinken, aber ich wollte dir nicht verbieten das freudige Ereignis gebührend zu feiern. Und ich wollte dir auch die Gelegenheit geben mit Robert mitzuhalten. Aber das war das letzte Mal.“ Der Tonfall war unmissverständlich strenger geworden.
‚Freudiges Ereignis? Mit Robert mithalten?‘ Diese Worte ergaben überhaupt keinen Sinn für ihn.
„Geh wieder zum Bett, Süßer, du bist ja bleich wie eine frischgetünchte Wand. Ach, ihr jungen Leute vertragt überhaupt nichts mehr. Ich werde genau darauf achten müssen, wieviel Wein du in Zukunft trinken darfst.“
Wenn er nicht genau wüsste, dass seine Mutter tot war, dann wäre er sicher, sie wäre es, die ihn hier heimsuchte. Aber wer konnte es denn sonst sein? Es war eindeutig eine Frau, aber vielleicht war seine Mutter ja tatsächlich als Geist zurückgekehrt, um ihn zu drangsalieren.
Er hatte nicht mitbekommen, wie die andere Person sich auf ihn zubewegt hatte und schrak daher zusammen, als er plötzlich eine Hand auf seinem nackten Unterarm verspürte. Nackt? Er blickte an sich herunter und stellte zu seinem Entsetzen fest, dass er nichts trug.
Sofort spürte er, wie ihm das Blut in den Kopf stieg und er war sich sicher, sein Gesicht hatte wieder diese verfluchte Röte angenommen, die er einfach nicht loswerden konnte.
„Du bist wirklich süß.“ Die andere Person stand nun direkt neben ihm, daher wandte er ihr sein Gesicht zu, weil er unbedingt wissen musste, um wen es sich handelte.
„My Lady“, stammelte er, während sich seine Röte noch vertiefte und nun auch seinen Oberkörper überzog, denn die Frau, die neben ihm stand, war niemand andere als die Mutter des Sheriffs.
„My Lady?“ Sie runzelte die Stirn und blickte ihn aus blitzenden Augen an. Es war nicht zu übersehen, dass sie verärgert war. Aber schon im nächsten Moment war dieser Ärger wieder verschwunden und sie zeigte ihm ein derart süßliches Lächeln, dass ihm von diesem Anblick erneut schlecht wurde.
„Ich hätte mir denken können, dass du dich nicht so schnell umstellen kannst, Guy, obwohl es dir in der letzten Nacht schon ganz gut gelungen ist. Aber Robert hat ganz bestimmt immer darauf bestanden, dass du dich nicht unschicklich verhältst. Ich verzeihe dir, wenn du ab jetzt daran denkst, mich Eleanor zu nennen. Und keine Angst, sollte Robert dir deswegen Probleme bereiten, dann werde ich mich darum kümmern.“ Die Stimme klang genau so süßlich wie das Lächeln wirkte und bereitete ihm ebenfalls Bauchschmerzen.
‚Eleanor?‘ Was zum Teufel …
Und war dieser Robert, von dem sie sprach, etwa der Sheriff? In was für eine Scheiße hatte er sich jetzt schon wieder hineingeritten? Und wie kam er da wieder heraus?
Seit dem Moment, als er erkannt hatte, wer sich mit ihm in der Kammer befand, hatte er sich nicht mehr bewegt. Stattdessen stand er stocksteif und wie angewurzelt mitten im Raum, während Lady de Rainault immer noch seinen Unterarm festhielt. Ihr Griff war viel kräftiger, als er das von ihr vermutet hatte, denn sie besaß die gleiche zierliche Gestalt wie ihr Sohn Robert und dazu war sie auch schon in einem fortgeschrittenen Alter. Aber er war sich sicher, dass er keine Chance hatte aus diesem Griff zu entkommen, vor allem in seinem jetzigen Zustand.
„Komm, ich helfe dir, Süßer“, fuhr sie inzwischen fort, „du solltest dir etwas anziehen, bevor wir uns zum Essen in die Große Halle begeben. Das Frühstück hast du schon verpasst, aber ich habe Sorge dafür getragen, dass es etwas zu Mittag gibt, was du vertragen wirst. Und Robert wird es auch nicht besser ergehen. Ich habe die Diener gehört, wie sie darüber klatschten, er habe sich die ganze Nacht hin und her gewälzt und gestöhnt. Er sollte auch nicht so viel trinken. Aber vielleicht war es auch das ungewohnte Bett.“
Dieser Wortschwall überflutete ihn, ohne dass ihn viel von dem, was gesagt wurde, tatsächlich erreichte, denn er war darauf konzentriert – mit ihrer Hilfe – den Weg zum Bett zurückzufinden. Dabei hoffte er, dass sich seine Kleidung dort in der Nähe befand. Bei dem Gedanken, sich nackt in der gleichen Kammer wie Lady de Rainault – Eleanor! – aufzuhalten, wäre er am liebsten vor Scham im Boden versunken. Aber wahrscheinlich hätte sie ihm das nicht erlaubt.
„Ich habe dir mal etwas herausgelegt, in dem du gut aussehen wirst“, war die nächste Aussage, auf die er nicht vorbereitet war. Was war mit seinen Sachen nicht in Ordnung? Und wieso kümmerte sich Lady de Rainault – Eleanor! – darum? Er konnte sich gerade noch stoppen, bevor er seinen Kopf – aus lauter Verzweiflung – schüttelte, weil er Angst hatte, ihm würde dann erneut schlecht werden. Außerdem war er sich nicht sicher, was Lady de Rai … Eleanor … davon halten würde. Ihre Reaktion fürchtete er mehr als alles andere.
Schließlich schaffte er es mit ihrer Hilfe, sich anzukleiden, wenn er sich auch sicher war, dass dies nicht seine Kleidung war. Nicht, dass sie nicht passte, aber er hatte sie noch nie gesehen. So etwas Feines, so etwas Kostbares, nannte er auf keinen Fall sein Eigen.
„Komm, Süßer“, forderte sie ihn dann auf, „ich möchte, dass du mich zur Großen Halle geleitest. Ich habe Hunger.“
Hunger hatte er auf keinen Fall, aber er wagte es nicht, ihr die Bitte abzuschlagen, auch wenn er nicht glaubte, dass er sie geleiten würde. Es war wohl eher das Gegenteil der Fall. Aber sei es wie es sei, mit ihrer Hilfe schaffte er es sogar bis zur Großen Halle von Burg Nottingham. Und dort an der Tafel hatte der Sheriff bereits Platz genommen. Obwohl er eher auf dem Tisch lag als daran zu sitzen. Es war nicht zu übersehen, dass er nicht besser dran war als sein Erster Ritter. Zumindest war das Sir Guys Eindruck.
Trotzdem schaffte der andere es „Giiisbuuurne“ durch den großen Raum zu bölken, kaum dass er des Ritters ansichtig wurde. Aber was immer er vielleicht noch hatte sagen wollen, wurde im Ansatz erstickt.
„Robert, sprich nicht so mit meinem Ehemann“, wurde der Sheriff von seiner Mutter mit strenger Stimme ermahnt.
Gisburne stolperte und nur der eiserne Griff von Lady de Rainault – Eleanor! – bewahrte ihn davor, auf dem mit Binsen bestreuten Fußboden zu landen. Wie er die letzten Schritte bis zur Tafel schaffte, bekam er nicht mit. Das war auch nicht wichtig, denn erneut musste er sich anstrengen, um sich nicht zu übergeben. Und er war sich auch sicher, genauso weiß geworden zu sein wie der Sheriff, der sich – seit den Worten seiner Mutter – nicht mehr bewegt hatte. Er hatte noch nicht einmal seinen Mund wieder geschlossen, er starrte den Ritter nur entgeistert an. Er schien sich in einem Schockzustand zu befinden, aber Gisburne erging es nicht besser. Er konnte einfach nicht glauben, was er gerade zu hören bekommen hatte.
Er ließ sich einfach auf die Bank fallen, wobei er sich an der Kante des Tisches festhielt, weil er drohte das Gleichgewicht zu verlieren. Irgendwie schien ihn jegliche Kraft verlassen zu haben.
Lady de Rainault – Eleanor! Seine Gemahlin? – schien von all dem nichts mitbekommen zu haben. Oder sie hatte sich entschlossen, seinen Zustand nicht zu beachten.
„Ich werde mal sehen, wo das Essen bleibt!“, verkündete sie stattdessen gutgelaunt. „Und eigentlich hatte ich erwartet, dass die Halle inzwischen gesäubert und geschmückt worden wäre. So wie es jetzt ist, kann ich das nicht ertragen. Zankt euch nicht!“ Mit diesen Worten entfernte sie sich wieder und ließ die beiden schockierten Männer allein.
Es war Gisburne, der als erster seine Stimme wiederfand. „Wie konntet Ihr das zulassen, My Lord?“, wollte er vom Sheriff wissen. In dem Moment war ihm egal, ob er den anderen mit seiner Frage verärgerte.
„Ich …“, begann de Rainault, aber dann schienen ihm die Worte zu fehlen. „Ich …“, setzte er noch einmal an, kam aber wieder nicht weiter.
Gisburne schnappte sich den Krug mit dem Wein und schenkte sich seinen Becher voll, um ihn gleich darauf in einem Zug zu leeren. Dann fiel ihm auf einmal ein, was Lady de Rainault – Eleanor! Seine Gemahlin? – vorhin über das Trinken gesagt hatte und er schaute sich um, ob sie schon wieder zurück war. Als er sie nicht entdecken konnte, goss er seinen Becher noch einmal voll, um gleich darauf auch diesen Wein in sich hinein zu kippen.
„Gebt her, Gisburne!“, forderte der Sheriff den Ritter auf und streckte gleichzeitig seine Hand nach dem Gefäß aus.
„Ihr habt meine Frage noch nicht beantwortet, My Lord“, entgegnete Sir Guy und hielt den Krug außerhalb der Reichweite des anderen.
„Gisburne!“, rief der Sheriff empört aus.
„Wieso habt Ihr das zugelassen, My Lord“, wiederholte Gisburne seine Frage und hielt weiterhin den Krug fest. Solange Lady de Rainault – Eleanor! – noch nicht zurück war, konnte er ihn als Druckmittel benutzen.
„Also gut! Ich sage es Euch. Sie hat mir damit gedroht, meine Heirat auszurichten, wenn ich ihre nicht ausrichte. Und jetzt her mit dem Wein!“ Der Sheriff streckte die Hand aus und Gisburne, der erneut einen Schock erlitten hatte, gab ihn widerspruchslos ab. In diesem Moment fühlte er sich einfach nur verraten und verkauft. Aber wieso hatte er geglaubt, der Sheriff würde ihn schützen?
Der andere fuhr aber schon fort. „Aber wieso habt Ihr Ja gesagt, Gisburne?“, wollte er nun seinerseits wissen.
‚Ja, wieso hatte er Ja gesagt?‘ „Sie hat mich beim Fünfknochenspiel besiegt und ihr Gewinn war mein Versprechen, ihr einen Wunsch zu erfüllen. Aber wenn Ihr Eure Erlaubnis nicht gegeben hättet …“, gab er mit jämmerlicher Stimme von sich.
Der Sheriff starrte ihn an. „Ihr müsst das verstehen, Gisburne“, versuchte de Rainault sich noch einmal an einer Erklärung, nachdem er zwei Becher Wein in sich hineingeschüttet hatte. „Ich musste mich retten.“
„Ihr habt mich im Stich gelassen.“ Das war jetzt viel lauter herausgekommen, als er das beabsichtigt hatte, aber er war verzweifelt. Der Sheriff hatte es endgültig geschafft sein Leben zu zerstören.
„Brüll unseren Sohn nicht so an, Guy!“, kam auf einmal die Stimme von Lady de Rainault – Eleanor! – von direkt hinter ihm. Gisburne zuckte zusammen, denn er hatte nicht gehört, dass sie zurückgekehrt war.
„Und du, trink nicht so viel“, fuhr sie ihren Sohn an, der wieder bleich geworden war. „Das ist nicht gut für deine Gesundheit.“
„Aber, Mutter“, fing er an. „Meine Arbeit ist so anstrengend, da muss ich ab und zu mal etwas Wein trinken, ansonsten werde ich tatsächlich krank.“
Gisburne verstand nicht, wie der andere sich so schnell von dem letzten Schock erholt hatte oder war ihm entgangen, was seine Mutter gesagt hatte. ‚Unser Sohn?‘
‚Bitte, Gott‘, betete er voller Inbrunst, ‚lass das einen Alptraum sein. Bitte, Gott, lass mich aufwachen, egal wo, selbst in Sherwood bei Robin Hood. Bitte lass mich feststellen, ich habe das alles hier nur geträumt. Bitte, Gott!‘
Aber Gott schien anderweitig beschäftigt zu sein, denn an der ganzen Situation änderte sich überhaupt nichts. Nach wie vor saß er an der Tafel in der Großen Halle, Robert de Rainault – unser Sohn!? – vor sich und Lady de Rainault – Eleanor! Seine Gemahlin? – hinter sich.
„Ich weiß, mein Schatz“, antwortete diese ihrem Sohn. „Deshalb wird mein Gemahl dich hier in der Burg zukünftig mehr unterstützen. Du wirst meinen Wunsch verstehen, dass er nicht weiterhin in Sherwood gegen Robin Hood kämpft und dabei Gefahr läuft, sein Leben zu verlieren. Außerdem ist Hood doch so ein netter junger Mann, da werdet Ihr beiden doch bestimmt einen Weg finden, euch mit ihm zu einigen.“ Sie ließ sich neben dem Ritter nieder, genau in dem Moment, als die Diener endlich das Essen auf den Tisch stellten, während andere damit beschäftigt waren, neue Teppiche an die Wand zu hängen, frische Binsen zu streuen und Blumen - ! – auf den Tischen zu verteilen, sowie weitere Kerzen aufzustellen, bis es in der Halle fast so hell war wie draußen bei strahlendem Sonnenschein.
Während Lady de Rainault bereits damit begonnen hatte, sich von dem angebotenen Essen zu nehmen – nachdem sie Gisburne einen seltsamen Blick zugeworfen hatte – saßen die beiden Männer erneut wie erstarrt am Tisch. Diesmal schienen sie beide gehört zu haben, was gesagt worden war und sie schienen sich auch beide wieder in einem Schockzustand zu befinden.
Der Ritter wusste nicht, was den Sheriff so schockiert hatte, aber er hatte gehört, wie ihm verboten worden war weiterhin auf Fury auszureiten. Keine Ausflüge mehr in den Wald – so schlimm, wie er manchmal gedacht hatte, war Sherwood doch nicht – keine Kämpfe mehr gegen Robin Hood – er war doch immer wieder zurückgekehrt! – keine Zeit mehr für sich selbst, ohne vom Sheriff beobachtet zu werden. Keine Freiheit mehr! Sein Leben war zu Ende.
„Hast du keinen Hunger, Süßer“, wurde er auf einmal gefragt. „Nach dieser Nacht musst du doch Hunger haben. Ich schwöre, ich habe noch nie …“
Weiter kam Lady de Rainault – Eleanor! - nicht, denn der Sheriff erlitt einen massiven Hustenanfall, der ihn rot anlaufen ließ.
„Robert“, erkundigte sich seine Mutter besorgt. „Ich habe dir doch gesagt, du sollst nicht so viel trinken.“
Der Ritter hörte nur noch mit halbem Ohr zu. Sein Blick irrte über den Tisch und blieb schließlich an dem Krug mit Wein hängen. Er brauchte jetzt unbedingt etwas zu trinken. Aber als er seine Hand danach ausstreckte, wurde ihm das Gefäß vor der Nase weggeschnappt.
„Und du auch nicht, Süßer!“
Voller Verzweiflung ließ Gisburne seinen Kopf auf die Tischplatte sinken und schloss die Augen. Vielleicht half es, wenn er einfach ignorierte, was um ihn herum geschah. Das hatte zwar bisher noch niemals geklappt, aber in seiner Situation blieb ihm sowieso nur noch die Hoffnung. Und die Erkenntnis, er wäre besser im Bett geblieben, in welchem auch immer. Aber das hätte ihm Lady de Rainault – oder hieß das jetzt Lady Gisburne? – niemals erlaubt, da war er sich sicher.
Bevor er wusste, wie ihm geschah, war er eingeschlafen, aber lange wurde ihm nicht erlaubt sich der Ruhe hinzugeben.
„Giiisbuuurne!“
Des Sheriffs Schrei ließ den Ritter hochschrecken, aber zu sehr viel mehr war er nicht in der Lage. In seinem Kopf hämmerte es, sein Mund fühlte sich pelzig an und der Geschmack darin … dafür fehlten ihm die Worte. Sein Magen beschwerte sich sofort über die Bewegung, aber zum Glück war es in der Halle ziemlich düster und so hatte er wenigstens keine Probleme dabei, die Augen aufzuhalten.
„Giiisbuuurne!“ Der Sheriff kannte offenbar keine Gnade.
„My Lord?“, brachte der Ritter mit krächzender Stimme hervor.
„Mein Gott“, entfuhr es de Rainault. „Ihr habt es wohl gestern Abend etwas übertrieben, oder?“ Er klang mitfühlend, was dazu führte, dass Sir Guy sofort wach wurde, denn dies konnte nur Unheil für ihn bedeuten. „Ich kann Euch ja verstehen, die Abreise meiner Mutter ist wahrlich ein Grund über die Strenge zu schlagen.“ Der Sheriff ließ sich ebenfalls an der Tafel nieder.
‚Abreise?‘ Hatte er gerade richtig gehört? War es das, was er so ausgiebig gefeiert hatte, dass er es noch nicht einmal mehr in sein Bett schaffte? ‚Sein Bett?‘
Der Ritter blickte sich vorsichtig in der Großen Halle um, aber diese sah nicht anders als sonst aus. Nicht anders? Das war gut, oder? Aber hatte Lady de Rainault – Eleanor! – sie nicht umdekorieren lassen? Davon konnte er jetzt nichts erkennen.
„Wollt Ihr gar nichts sagen an diesem wundervollen Morgen, Gisburne. Ihr seid doch nicht betrübt darüber, dass meine Mutter uns wieder verlassen hat, oder?“
„Nein, My Lord! Ich meine …“ Verwirrt stoppte er. Was sollte er jetzt sagen? Sollte er von sich geben, er wäre froh darüber, dass Lady de Rainault wieder weg war oder wäre es besser, zu behaupten, er bedauere es? Was wollte der Sheriff hören? Das Hämmern im Kopf des Ritters trug nicht dazu bei, dass er besser denken konnte.
„Das nächste Mal, wenn Eure Mutter zu Besuch kommt, flüchte ich in den Wald. Ihr könnt mir nicht verbieten bei Robin Hood Zuflucht zu suchen, My Lord“, platzte er auf einmal heraus, ohne zuvor darüber nachgedacht zu haben, wie de Rainault seine Worte aufnehmen würde. Er hatte das einfach sagen müssen.
„Doch, das kann ich, Gisburne. Es sei denn, Ihr nehmt mich mit. Robin Hood scheint der Einzige zu sein, der meiner Mutter Paroli bieten kann“, ließ der Sheriff überraschenderweise heraus. „Aber sie ist nicht hier, also habt ihr keinen Grund Euren Pflichten nicht nachzukommen.“
‚Pflichten?‘ Die Gesetzlosen jagen? ‚Auf Fury?‘ „Sofort, My Lord!“ Die Aussicht, aus der Burg herauszukommen verschaffte ihm die Kraft aufzuspringen.
„Sofort meinte ich auch, Gisburne“. Der Tonfall des Sheriffs war wieder der übliche. Genau wie vor dem Besuch seiner Mutter.
‚Gottseidank!‘, dachte der Ritter. ‚Das war nur ein Alptraum.‘ Er bewegte sich auf den Ausgang zu.
Aber kurz bevor er dort ankam, drehte er sich noch einmal um und studierte die Große Halle, denn auf einmal war er sich nicht sicher, ob er tatsächlich erwacht war oder ob es sich bei dem hier nun um einen Traum handelte.
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