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This Time of Year

Kurzbeschreibung
OneshotFreundschaft / P12 / Gen
Blair Sandburg James Ellison
01.12.2022
01.12.2022
1
1.889
7
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Dieses Kapitel
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01.12.2022 1.889
 
Kommentar
Dann leite ich mal hiermit den diesjährigen Serienadventskalender ein. :)

Wer die Serie nicht kennt: „The Sentinel“ ist eine Polizeiserie aus den 90ern, in der Jim Ellison, ein Cop mit fünf äußerst sensiblen Sinnen, die ihm nahezu übernatürliche Fähigkeiten verleihen, und Blair Sandburg, ein Doktorand der Anthropologie und Jims Polizeipartner, im Mittelpunkt stehen.

Die Geschichte kann als Slash gelesen werden, muss es aber nicht. In der Serie leben die beiden zusammen und benehmen sich häufig wie verheiratet – und so schreibe ich sie dann halt auch. ;)

Der Titel der Geschichte sowie die Liedzeilen am Ende stammen von dem Lied, das Nessa für mich gezogen hat: Wonderful Christmastime von Paul McCartney.

Viel Spaß beim Lesen dieser und der noch folgenden Geschichten & euch allen einen schönen Advent! :)




This Time of Year


Jim stieß ein Seufzen aus.
Nicht zum ersten Mal in dieser Stunde warf er einen Blick zur Wanduhr des Großraumbüros hinüber, nur um missmutig festzustellen, dass die Zeit seit dem letzten Mal kaum vergangen war.
Schon seit dem frühen Morgen zählte er die Stunden bis zum Dienstschluss – und seinem wohlverdienten Weihnachtsurlaub – herunter.
Dabei war es nicht so, als wäre er nicht gerne hier; er liebte seinen Job und erledigte für gewöhnlich selbst den ganzen zeitraubenden Papierkram, der dazugehörte, mit einem gewissen Maß an Enthusiasmus.
Aber seit einigen Tagen war die ganze Etage von dem Geruch von Rondas selbstgebackenen Plätzchen erfüllt, sowie dem intensiven Duft von mindestens einem halben Dutzend weihnachtlicher Yankee Candles, die seine Kollegen im ganzen Raum verteilt hatten.
Der süßliche Geruch war schon für einen Normalsterblichen kaum zu ertragen, für die hypersensiblen Sinne eines Sentinels war er jedoch die reinste Tortur. Seit Stunden schon atmete Jim nur noch durch den Mund, weil ihm alles andere auf Dauer Kopfschmerzen bereitete.
Leider war auch sein Boss schon im Urlaub, was bedeutete, dass Jim nicht einmal die Möglichkeit hatte, sich wenigstens hin und wieder für ein paar Minuten in die Isolation seines Büros zu flüchten.
Und als wäre das noch nicht genug, spielte das Radio in der Personalküche gefühlt jede halbe Stunde „Last Christmas“.
Wenn es eine persönliche Hölle gab, hatte Jim sie hiermit zweifellos gefunden.
Plötzlich ließ ihn jedoch das Geräusch vertrauter Schritte in der Eingangshalle fünf Etagen unter ihm aufhorchen.
Langsam rumpelte der Fahrstuhl nach oben und Jims Blick erhellte sich, als sich kurz darauf die Türen öffneten und sein Partner in das Großraumbüro trat.
Seine Freude hielt jedoch nicht lange an, als er die zum Bersten gefüllte Tüte in Blairs Hand sah.
„Bitte sag mir, dass es nicht das ist, was ich vermute“, sagte Jim mit tonloser Stimme, nachdem der andere Mann sich neben ihm am Schreibtisch niedergelassen hatte.
Blair zuckte mit den Schultern. „Nur ein paar Tannenzweige, um die Wohnung zu dekorieren.“
„Um die Wohnung zu dekorieren?“, echote Jim.
„Ja, Jim“, sagte Blair gutgelaunt „Unsere Wohnung.“
„Du weißt, was ich von Weihnachten halte, Chief“, stellte Jim klar. „Und es tut mir leid, aber die Wohnung gehört immer noch mir.“
„Komm schon, sei nicht so“, sagte Blair und strich sich eine Locke hinters Ohr. „Die Loft soll nur ein bisschen nach was aussehen, wenn meine Mutter morgen kommt.“
„Naomi kommt vorbei?!“ Jim fiel mit einem Mal aus allen Wolken. „Blair, was zum–? ... Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich bei dieser speziellen Konversation nicht anwesend war.“
Blair starrte seinen Partner ungläubig an.
„Jim, ich habe dich schon vor über einem Monat gefragt, ob es okay für dich ist, wenn sie uns an den Feiertagen besucht!“
„Und meine Antwort war wirklich ‚ja‘?“
„Hätte ich sie sonst eingeladen?“
„Ich weiß nicht“, erwiderte Jim, der sich nicht an eine solche Unterhaltung erinnern konnte. „Hättest du?“
Blair sah ihn aus weiten Augen an.
„Wow“, sagte er dann. „Einfach... wow.“
Er stand wieder auf und griff nach der Tüte mit den Tannenzweigen.
„Weißt du, ich habe vollstes Verständnis dafür, dass du Weihnachten nicht magst, weil es deine Sinne jedes Mal überwältigt. Trotzdem dachte ich, ich könnte mich wenigstens in dieser einen Sache auf dich verlassen. Offenbar habe ich falsch gedacht.“
Er klang noch nicht mal aufgebracht, sondern einfach nur enttäuscht, und das war vermutlich das Schlimmste daran. Plötzlich bereute Jim seine voreiligen Worte wieder.
„Blair...“ Er streckte die Hand nach seinem Freund aus, doch Blair entzog sich ihm.
„Keine Sorge“, sagte er. „Ich werde schon noch irgendwo ein Hotelzimmer für Naomi finden. Sollte sicher keine Schwierigkeit werden, so kurz vor Weihnachten.“
Die Bitterkeit in seiner Stimme versetzte Jim einen Stich.
„Komm schon, Chief, so habe ich das nicht gemeint...“
„Nein?“, fragte sein Partner und musterte ihn intensiv. „Wie dann?“
Darauf hatte Jim jedoch keine Antwort.
„... ja“, sagte Blair leise. „Das dachte ich mir.“
Dann wandte er sich um und ging wieder.
Jim starrte ihm hilflos nach. Er fühlte sich plötzlich, als hätte ihm jemand einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf gekippt. Wie konnte sein Tag in so kurzer Zeit noch so viel furchtbarer werden, als vorher?
„Aww“, ertönte kurz darauf eine weibliche Stimme zu seiner Rechten. „Sandy sah unglücklich aus. Gibt es Ehekrach?“
„Megan, ich schwöre bei allem, was mir heilig ist...!“, stieß Jim zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Also ja“, stellte sie nur ungerührt fest.
Dann legte sie die Hand auf seine Schulter.
„Komm schon, geh ihm nach.“ Ihre Stimme war mit einem Mal voller Wärme. „Ich erledige den Rest deiner Arbeit.“
Jim sah überrascht zu ihr auf. Mit einem solchen Angebot hatte er nicht gerechnet.
„Dir ist klar, dass du dann noch eine ganze Weile hier sitzen wirst?“, fragte er.
Doch sie zuckte nur mit den Schultern. „Es gibt Schlimmeres. Und im Gegensatz zu dir habe ich niemanden, mit dem ich die Feiertage verbringen könnte, es macht für mich also keinen Unterschied, wann ich heimkomme.“
Jim senkte den Kopf. Ihre Worte erfüllten ihn mit Demut. „Megan... ich weiß nicht, was ich sagen soll...“
Sie lächelte. „Über ein Danke freue ich mich immer.“
„Danke, Miss Connor“, sagte Jim mit großem Ernst. „Ich werde das so schnell nicht vergessen.“
„Keine Ursache, Mr. Ellison.“ Sie drängte ihn mit sanftem Nachdruck vom Stuhl und ließ sich selbst darauf nieder. „Und jetzt ab mit dir.“
Jim warf sich seinen Schal um den Hals und griff nach seinem Mantel. „Frohe Weihnachten, Megan. Trotz allem.“
„Ja, ja.“ Sie winkte nur ab; für sie war die Unterhaltung an dieser Stelle beendet.
Jim ging, und noch bevor sich die Fahrstuhltüren hinter ihm geschlossen hatten, konnte er bereits das muntere Klackern der Tastatur hören.

~*~

Während er heimfuhr versuchte er mehrfach, Blair auf dem Mobiltelefon zu erreichen, aber es war jedes Mal besetzt.
Sorge breitete sich in ihm aus, während er sein Auto vorsichtig durch die verschneiten Straßen lenkte.
Er erinnerte sich plötzlich wieder vage an ein Gespräch vor mehreren Wochen, in dem Blair ihm eventuell die Frage gestellte hatte, ob er seine Mutter über Weihnachten einladen konnte. Wie so oft, wenn sein Partner guter Laune war und ohne Punkt und Komma redete, hatte Jim nur mit halbem Ohr hingehört und vermutlich allein schon deshalb ‚ja‘ gesagt, damit er wenigstens für ein paar Minuten seine Ruhe hatte, bevor Blairs Monolog in die nächste Runde ging.
Jim seufzte.
Oh, er würde noch den Rest des Jahres damit zubringen, sich bei Blair zu entschuldigen...

~*~

Als er die Wohnung betrat, war es dunkel.
Lediglich durch das Fenster in Blairs Zimmertür schien ein schwacher Lichtschein.
Jim zögerte kurz, dann gab er sich einen Ruck und klopfte an die Tür.
Für eine Weile kam keine Antwort, doch schließlich hörte er ein gedämpftes „Herein“.
Jim trat ein.
Blair saß auf seinem Bett und sah mit unglücklicher Miene auf das Mobiltelefon in seiner Hand herab.  Etwas musste vorgefallen sein, nachdem er das Revier verlassen hatte. Jim, dem es schwerfiel, seinen Freund so verletzt zu sehen, schluckte seinen Stolz hinunter und setzte sich neben ihn.
„Hey“, sagte er leise. „Was ist los?“
Blair räusperte sich mehrmals, dann antwortete er schließlich:
„Naomi hat angerufen. Aufgrund des schweren Blizzards an der Ostküste wurden alle Flüge von New York aus für die nächsten zwei Tage gestrichen. Wenn überhaupt, dann wird sie frühestens am Weihnachtsmorgen hier sein...“
Jim wusste für einen Moment nicht, was er sagen sollte.
Dann rückte er ein Stück näher und legte unbeholfen einen Arm um Blairs schmale Schultern.
„Das tut mir leid zu hören“, erwiderte er mitfühlend. „Ich weiß, wie nahe ihr euch steht...“
„Weihnachten war immer die einzige Zeit im Jahr, in der ich mir sicher sein konnte, sie wiederzusehen, weißt du“, erzählte Blair und fuhr sich geistesabwesend mit den Fingern durch seine langen Haare. „Das restliche Jahr über wusste ich nie, auf welchem Kontinent sie sich gerade herumtrieb, aber ich konnte immer darauf zählen, dass sie an Weihnachten zurückkehren würde, um mir von ihren Reisen zu berichten. Das hat die Feiertage immer zu etwas Besonderem für uns gemacht.“
Seine Stimme wurde leiser, als er hinzufügte: „Denn das waren sie. Ich hatte sonst niemanden außer Naomi.“
Jim versuchte sich ein Weihnachten vorzustellen, an dem er sich darauf freute, seine Familie zu sehen, aber es wollte ihm nicht so recht gelingen.
Er erinnerte sich stattdessen an lange Abende in einem viel zu großen, dunklen Haus und an die Gespräche mit seinem distanzierten Vater, den er mehr aus Pflichtgefühl heraus besucht hatte, als aus echter Zuneigung, sowie an seinen jüngeren Bruder, der in ihm stets nur einen Konkurrenten gesehen hatte.
Nein, es war wohl kein Wunder, dass er Weihnachten bisher nie etwas hatte abgewinnen können. Er hatte es schon nicht gemocht lange bevor seine Sinne angefangen hatten, verrückt zu spielen.
„Es tut mir leid, dass es dieses Jahr nicht rechtzeitig klappt“, sagte Jim. „Und es tut mir auch leid, was ich auf dem Revier zu dir gesagt habe. Ich hoffe, du weißt, dass ich deine Mutter niemals vor die Tür gesetzt hätte.“
Blair lächelte schwach. „Ja, das weiß ich, Jim. Es hat mich nur verletzt, dass du dachtest, ich würde diese Sache über deinen Kopf hinweg entscheiden.“
„Hmm“, machte Jim nachdenklich. Und er fügte dann, weil er es sich nicht verkneifen konnte, hinzu: „Nicht so, wie bei ihrem ersten Besuch, meinst du.“
Blair stieß ihm den Ellenbogen in die Seite, doch er lachte dabei. „Gott, du bist ein Arsch. Trägst du mir das immer noch nach?“
„Manchmal“, erwiderte Jim lächelnd.
Dann erhob er sich wieder.
„Na schön“, sagte er. „Lass uns die Wohnung auf Vordermann bringen und einen Platz für deine Tannenzweige finden. Und irgendwo habe ich bestimmt auch noch Kerzen...“
Blair machte große Augen. „Ist das dein Ernst?“
Jim zuckte mit den Schultern.
„Ob Naomi nun noch kommt oder nicht – ich denke, wie haben uns auf jeden Fall ein entspanntes Weihnachtsfest verdient, du und ich. Findest du nicht?“
Blair stand auf und plötzlich war da wieder dieses Funkeln in seinen Augen, das Jim in den letzten Stunden vermisst hatte. „Heißt das, die Küche gehört in den nächsten Tagen mir?“
„Solange du nicht vorhast, Plätzchen zu backen.“
„Was ist mit Zimtrollen?“
Jim überlegte kurz, aber Blair war ein exzellenter Koch. „Deal.“
„Hah!“, machte Blair und stieß die Faust in die Luft, bevor er das Zimmer verließ und sich an die Arbeit machte.
Jim sah seinem Freund amüsiert nach, dann folgte er ihm, um ihm zu helfen.
Vielleicht würde dies ja tatsächlich das erste Weihnachten in seinem Leben werden, das er in vollen Zügen genießen konnte.


The mood is right
The spirit's up
We're here tonight
And that's enough.

 
 
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