Wer nicht hören will, muss fühlen!
von Leuchtboje85
Kurzbeschreibung
Ein Indianer bzw. ein Kommissar kennt keinen Schmerz. Dem ist natürlich nicht so. Zum Glück hat Richard Moser aber einen Krankenpfleger auf vier Pfoten an seiner Seite, der ihm in seiner misslichen Lage eine Hilfe ist. Oder es zumindest versucht zu sein.
OneshotHumor / P12 / Het
Rex
Richard "Richie" Moser
25.11.2022
25.11.2022
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25.11.2022
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„Warte bitte mit der Vitrine, bis ich aus Stockholm zurück bin!“, hört Moser noch Sonjas mahnende Worte, als er sie vor drei Tagen mit dem Auto zum Flughafen nach Schwechat bringt.
Jetzt liegt er hier. Zuhause. Im Bett. Mit Hexenschuss. Allein, während Sonja über 1000 Kilometer entfernt auf einem Kongress für Heimtierärzte ist. Irgendwas von „internationalem Kongress, Vortrag, neueste Forschungsergebnisse“, hatte sie neulich beim gemeinsamen Frühstück gesagt. So genau kann Moser sich daran nicht mehr erinnern, da er damals, zwischen Kaffee und Marmeladensemmel, wie so oft gedanklich schon bei der eigenen Arbeit war.
Dabei kann er jetzt so dringend eine Ärztin, seine TierÄRZTIN gebrauchen. Sonja! Aber daraus wird nichts.
„Schöne Scheiße! Das kommt davon, wenn…“, sagt Moser leise zu sich selbst und unterbricht abrupt, als ihm aus dem Nichts der Schmerz erneut, wie ein Pfeil in den Rücken schießt.
Eine Kugel im Bein, ein Messer im Arm. Er hatte im Dienst schon die ein oder andere unangenehme und äußerst schmerzhafte Erfahrung machen „dürfen“, aber keine dieser kam ihm rückblickend so vernichtend vor, wie das, was sein Rücken seit gestern mit ihm anstellte.
„Ab 30 geht es körperlich bekanntlich bergab“, sagt man das nicht so? Moser überlegt. Nun ja, diese magische biologische Grenze hat er nun auch schon seit einigen Jahren überschritten.
„Da will man einmal seine Freundin überraschen, um sich für die vielen Überstunden der vergangenen Wochen zu revanchieren“, ächzt Moser vor sich hin, während er im Zeitlupentempo und mit schmerzverzerrtem Gesicht versucht sich vom Rücken auf die linke Seite zu drehen. Nur schwer kann er dabei ein gequältes Stöhnen unterdrücken.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, endlich auf der linken Seite angekommen, fällt sein Blick aus dem Schlafzimmerfenster auf die dunkelbraune, von ihm liebevoll frisch gestrichene Vitrine vor dem Haus. Ein Erbstück von Sonjas vor kurzem verstorbenen Tante. Jetzt steht das gute Stück auf der Terrasse neben einer Sackkarre und scheint nur darauf zu warten, ins Haus transportiert zu werden.
Auf keinen Fall darf Sonja von dem Malheur erfahren, das ihm widerfahren ist, als er trotz ihrer mahnenden Worte, versucht hatte, die Vitrine im Alleingang ins Haus zu befördern. Dass er sich von einem alten Möbelstück wortwörtlich in die Knie zwingen lassen hat - nein das muss auf alle Fälle geheim bleiben.
Morgen Mittag kurz nach 12 Uhr landet ihr Flieger wieder am Flughafen. Moser hat sich extra den Tag frei genommen und Sonja versprochen, sie abzuholen. Er schaut auf den Wecker auf seinem Nachtisch. Noch knapp 24 Stunden hat er, um wieder auf die Beine zu kommen und sie wie das blühende Leben, als sei nichts geschehen, am Gate zu empfangen.
Freudestrahlend würde er mit ihr anschließend nachhause fahren, sie mit der frisch gestrichenen Vitrine überraschen und sie würde ihn loben, dass er auf sie gehört und mit dem Transport des Erbstücks ins Haus gewartet hat.
Puh, 24 Stunden - das wird knapp. Von selbst wird das sicher nichts bis morgen. Da muss Moser irgendwie versuchen nachzuhelfen. Mal schauen, was die heimische Hausapotheke so hergibt. Aber dafür muss er es erstmal schaffen, vom Bett ins Badezimmer zu gelangen. Und da sich, trotz der Schmerzen, langsam auch ein leichtes Hungergefühl bei Moser einstellt, ist ein Abstecher in die Küche ebenfalls eine gute Idee. Nur, wie er das in seinem Zustand hinkriegen soll, ist ihm augenblicklich noch ein Rätsel. Also wieder in Bewegungen setzen oder es zumindest versuchen.
Neugierig, mit schief gelegtem Kopf beobachtet Rex sein Herrchen, wie er versucht sich aus dem Bett zu erheben. Erst das linke Bein ganz langsam über die Bettkante geschoben. Dann im Zeitlupentempo mit dem Unterarm hochgedrückt.
So ganz scheint Rex nicht zu verstehen, weshalb er sich plötzlich so eigenartig und umständlich bewegt. So kennt er ihn gar nicht. Er tapst auf Moser zu, schnappt nach dessen T-Shirt um ihm vom Bett auf die Beine zu helfen. „Aua!! Rex, aus! Lass das! Das tut weh!“, versucht Moser die Hilfestellung seines treuen Vierbeiners abzuwehren. Sichtlich irritiert über die unerwartet heftige Reaktion seines Herrchens schaut Rex ihn an, um sich schließlich mit einem feuchten Küsschen bei ihm zu entschuldigen. „Ich weiß, du hast es ja nur gut gemeint!“ antwortet Moser mit einem gequälten Lächeln. „Aber mein Rücken sieht das momentan leider etwas anders.“
Nach etwa 5 Minuten und allerhand möglichen und unmöglichen Bewegungen und (Ver-)Drehungen hat Moser es schließlich geschafft, wieder auf eigenen Beinen zu stehen, um dann wie ein alter Mann aus dem Schlafzimmer in die Küche zu schleichen.
Er öffnet den Kühlschrank, in Vorfreude auf die letzte wahrscheinlich schon leicht vertrocknete Wurstsemmel vom gestrigen Tag. Da fällt sein Blick in ein weißes leeres Nichts. Keine Wurst, keine Semmel und schon gar keine Wurstsemmel. Nur eine angebrochene Flasche Wein und eine geöffnete Packung Quark, an dessen Rand sich bereits leichte Schimmelspuren abzeichnen, schauen ihm wie mit Hohn und Spott entgegen. Es kommt ihm so vor, als wolle sein Kühlschrank ihm sagen: „Selbst schuld, wenn du zu faul zum Einkaufen bist…“
„Na toll! Wo ist, bitte schön, die Wurstsemmel von gestern?“ fragt Moser mit Blick zu seinem Hund, welcher unschuldig dreinschaut und so gleich zu seinem leeren Napf läuft um diesen auffordernd anzustupsen.
„Wenn du einfach vergisst mir etwas zu Fressen zu geben“, scheint er seinem Herrchen sagen zu wollen.
„Ok, ok ich habe schon verstanden! Du hast ja recht! Tut mir leid! Wird nicht wieder vorkommen, versprochen!“, sagt Moser sichtlich schuldbewusst beim Blick in den leeren Hundenapf. Er nimmt die Futterdose auf der Ablagefläche neben dem Kühlschrank in die Hand und öffnet diese.
„Aber danach gehst du Wurstsemmeln holen, einverstanden? Ich muss ja schließlich auch noch was essen!“ Auf den Deal lässt Rex sich ein. Zustimmend bellt er, nimmt seinen Futternapf vom Boden auf und hält diesen Moser hin.
„Vor dem Essen, holst du mir bitte aber noch die Wärmflasche aus dem Bad! Hast du verstanden? Die Wärmflasche!“
Rex trottet davon und kommt nach einem Augenblick wieder zurück. Im Maul – die Shampooflasche. Trotz der Schmerzen kann Moser sich einen leichten Schmunzler nicht verkneifen.
„Den Unterschied zwischen WärmFLASCHE und ShampooFLASCHE üben wir aber nochmal. Schon ok. Ich hole sie mir gleich selbst“, sagt der Kommissar und reicht seinem Hund den gefüllten Napf ins Maul.
Nachdem Rex sich gestärkt hat und von Moser mit einem Einkaufsbeutel und etwas Geld ausgestattet wurde, macht er sich schließlich auf den Weg, die so dringend benötigte Stärkung für sein Herrchen beim Fleischer um die Ecke zu besorgen. Denn, so Rex` Meinung, ist das beste Mittel, um wieder gesund zu werden, eine frische Semmel, dick belegt mit gaaannz viel Wurst!
Währenddessen hat es Moser schließlich mit Müh und Not ins Badezimmer geschafft und steht nun vor dem geöffneten Spiegelschrank. Stirnrunzelnd suchend betrachtet er die ganzen ihm unbekannten Medikamente und Packungen.
'Wenn MANN eine Ärztin zur Freundin hat, braucht man sich um die medizinische Versorgung zuhause scheinbar keine Sorgen machen', denkt er beim Durchsuchen des Schranks.
Da fällt ihm ganz hinten, etwas versteckt, eine Schachtel ins Auge.
„Schwangerschaftstest, 2 Stück“, steht in blauen Lettern auf der Verpackung. Moser schluckt. Irritiert nimmt er die Schachtel in die Hand. Was ist das bitte schön? Die Packung ist bereits geöffnet. Ein Test fehlt. Sollte etwa…? Hat er Grund zur Annahme, dass…? Schlagartig muss er daran denken, wie Sonja vor vier Wochen mit einer Magenverstimmung zu kämpfen hatten, nachdem sie den Abend zuvor anlässlich ihres Geburtstag bei dem neuen Franzosen in der Innenstadt Essen waren. Moser stutzt. Kam ihre damalige Übelkeit etwa doch nicht vom Beefsteak-Tatar, das Sonja an diesem Abend gegessen hatte. Bisher dachte er, dass mit dem rohen Rindfleisch oder dem Ei irgendwas nicht in Ordnung gewesen wäre. Moser spürt das Adrenalin, welches schlagartig seinen Körper durchflutet und ihn den gefühlt unerträglichen Schmerz in seinem Rücken plötzlich vergessen lässt.
Dann fällt ihm ein, dass Sonja beim letzten Wochenendeinkauf auch Tampons in den Einkaufswagen gelegt hatte.
„Dann wird es wohl doch das Rindfleisch gewesen sein,“ murmelt er leise zu sich selbst und versteckt die Packung mit dem Schwangerschaftstest wieder in der hinteren Ecke des Spiegelschranks. 'Hoffentlich!'
Nachdem der vermeintliche Schock abgeklungen ist, erinnert ihn sein Rücken wieder daran, dass er eigentlich etwas anderes sucht. So stöbert er weiter in Sonjas medizinischem Sammelsurium.
Da fällt ihm eine große runde Dose in die Hände. „Pferdebalsam –Massagegel für müde Muskeln & Gelenke“ . 'Jetzt lagert Sonja auch schon die Medikamente ihrer Patienten bei uns im Regal. Überhaupt, seit wann behandelt sie auch Pferde', überlegt Moser. Bisher dachte er immer, sie hätte sich auf Kleintiere spezialisiert und dass Rex zu ihren größten Patienten gehören würde.
Ok, also weitergesucht. Wo sind nur die verdammten Schmerztabletten? Als könne die Kollersche Hausapotheke die Gedanken des Kommissars lesen, fällt Moser in diesem Moment eine Packung in die Hände, auf der steht: „Ibuprofen 600 mg Schmerztabletten“. Na endlich! Sichtlich erleichtert öffnet er diese und fingert darin herum. Aber außer eine umständlich zusammengefaltete Packungsbeilage, kann er nichts finden. Wieder nichts. Irgendwie scheint sich das Universum momentan gegen ihn verschworen zu haben.
Er braucht dringend etwas gegen die Pein in seinem Rücken. Rex ist weg. Den kann er jetzt nicht einfach zur Apotheke schicken. Verdammt, das gibt es doch nicht! Irgendwo in diesem Haus muss doch noch eine gottverdammte Schmerztablette aufzutreiben sein.
'Such weiter, Richard Moser! Such weiter', denkt er. 'Du findest Mörder und Beweismittel, aber schaffst es nicht dir was gegen Schmerzen zu besorgen!'. Moser seufzt vor sich hin.
Ah, was ist das? Er nimmt eine weiß-violette Schachtel in die Hand. „BuscoFem bei leichten bis mäßig starken Schmerzen des Magen-Darm-Traktes und Regelschmerzen.“ Tabletten für Menstruationsbeschwerden, na super. Aber egal. Ob vorne oder hinten. Schmerzen sind Schmerzen. Was für den Bauch gut ist, kann für den Rücken nicht schlecht sein. Anatomisch betrachtet liegt das so weit auch nicht auseinander. Das wird da schon irgendwie ankommen, wo es hin soll.
Moser nimmt zwei Tabletten aus der Packung und spült diese mit einem kräftigen Schluck Wasser runter. Langsam dreht er sich wieder um, nimmt die Wärmflasche von der Waschmaschine, um diese in der Küche mit heißem Wasser zu füllen.
Als er es schließlich geschafft hat, im Schneckentempo wieder das Schlafzimmer zu erreichen und sich irgendwie ins Bett zu legen, geht die Haustür auf und Rex kommt mit einer Tüte Wurstsemmeln im Maul herein, die er seinem Herrchen aufs Bett legt.
„Danke, Rex! Du bist ein Engel“, nuschelt Moser durch die Wirkung der Tabletten und die Wärme der Gummiflasche im Rücken, bereits deutlich schläfrig. Er spürt noch, wie Rex sich mit seinem kuschelig warmen Kopf an ihn schmiegt, da ist er auch schon weggedämmert.
„Richard?!“ Eine sanfte Stimme holt Moser plötzlich aus dem Tiefschlaf. Er öffnet die Augen und erblickt: Sonja!
„Sonja, du? Du bist…schon wieder da? Hier? Ich dachte erst morgen…“, fragt Moser sichtlich irritiert. Er ist sich gerade nicht sicher, ob er tatsächlich wach ist oder alles nur träumt.
„Ja, ich! Mein morgiger Flug wurde gestrichen, da habe ich einen Flieger früher genommen und wollte dich überraschen. Freust du dich denn nicht?“
„Doch natürlich!“, antwortet Moser jetzt hellwach und schnellt erschrocken über den unerwarteten „Besuch“ hoch.
„Ahhh“, schießt es in diesem Moment aus ihm raus, als die Hexe in seinem Rücken wieder mit voller Wucht zuschlägt.
--ENDE--
Jetzt liegt er hier. Zuhause. Im Bett. Mit Hexenschuss. Allein, während Sonja über 1000 Kilometer entfernt auf einem Kongress für Heimtierärzte ist. Irgendwas von „internationalem Kongress, Vortrag, neueste Forschungsergebnisse“, hatte sie neulich beim gemeinsamen Frühstück gesagt. So genau kann Moser sich daran nicht mehr erinnern, da er damals, zwischen Kaffee und Marmeladensemmel, wie so oft gedanklich schon bei der eigenen Arbeit war.
Dabei kann er jetzt so dringend eine Ärztin, seine TierÄRZTIN gebrauchen. Sonja! Aber daraus wird nichts.
„Schöne Scheiße! Das kommt davon, wenn…“, sagt Moser leise zu sich selbst und unterbricht abrupt, als ihm aus dem Nichts der Schmerz erneut, wie ein Pfeil in den Rücken schießt.
Eine Kugel im Bein, ein Messer im Arm. Er hatte im Dienst schon die ein oder andere unangenehme und äußerst schmerzhafte Erfahrung machen „dürfen“, aber keine dieser kam ihm rückblickend so vernichtend vor, wie das, was sein Rücken seit gestern mit ihm anstellte.
„Ab 30 geht es körperlich bekanntlich bergab“, sagt man das nicht so? Moser überlegt. Nun ja, diese magische biologische Grenze hat er nun auch schon seit einigen Jahren überschritten.
„Da will man einmal seine Freundin überraschen, um sich für die vielen Überstunden der vergangenen Wochen zu revanchieren“, ächzt Moser vor sich hin, während er im Zeitlupentempo und mit schmerzverzerrtem Gesicht versucht sich vom Rücken auf die linke Seite zu drehen. Nur schwer kann er dabei ein gequältes Stöhnen unterdrücken.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, endlich auf der linken Seite angekommen, fällt sein Blick aus dem Schlafzimmerfenster auf die dunkelbraune, von ihm liebevoll frisch gestrichene Vitrine vor dem Haus. Ein Erbstück von Sonjas vor kurzem verstorbenen Tante. Jetzt steht das gute Stück auf der Terrasse neben einer Sackkarre und scheint nur darauf zu warten, ins Haus transportiert zu werden.
Auf keinen Fall darf Sonja von dem Malheur erfahren, das ihm widerfahren ist, als er trotz ihrer mahnenden Worte, versucht hatte, die Vitrine im Alleingang ins Haus zu befördern. Dass er sich von einem alten Möbelstück wortwörtlich in die Knie zwingen lassen hat - nein das muss auf alle Fälle geheim bleiben.
Morgen Mittag kurz nach 12 Uhr landet ihr Flieger wieder am Flughafen. Moser hat sich extra den Tag frei genommen und Sonja versprochen, sie abzuholen. Er schaut auf den Wecker auf seinem Nachtisch. Noch knapp 24 Stunden hat er, um wieder auf die Beine zu kommen und sie wie das blühende Leben, als sei nichts geschehen, am Gate zu empfangen.
Freudestrahlend würde er mit ihr anschließend nachhause fahren, sie mit der frisch gestrichenen Vitrine überraschen und sie würde ihn loben, dass er auf sie gehört und mit dem Transport des Erbstücks ins Haus gewartet hat.
Puh, 24 Stunden - das wird knapp. Von selbst wird das sicher nichts bis morgen. Da muss Moser irgendwie versuchen nachzuhelfen. Mal schauen, was die heimische Hausapotheke so hergibt. Aber dafür muss er es erstmal schaffen, vom Bett ins Badezimmer zu gelangen. Und da sich, trotz der Schmerzen, langsam auch ein leichtes Hungergefühl bei Moser einstellt, ist ein Abstecher in die Küche ebenfalls eine gute Idee. Nur, wie er das in seinem Zustand hinkriegen soll, ist ihm augenblicklich noch ein Rätsel. Also wieder in Bewegungen setzen oder es zumindest versuchen.
Neugierig, mit schief gelegtem Kopf beobachtet Rex sein Herrchen, wie er versucht sich aus dem Bett zu erheben. Erst das linke Bein ganz langsam über die Bettkante geschoben. Dann im Zeitlupentempo mit dem Unterarm hochgedrückt.
So ganz scheint Rex nicht zu verstehen, weshalb er sich plötzlich so eigenartig und umständlich bewegt. So kennt er ihn gar nicht. Er tapst auf Moser zu, schnappt nach dessen T-Shirt um ihm vom Bett auf die Beine zu helfen. „Aua!! Rex, aus! Lass das! Das tut weh!“, versucht Moser die Hilfestellung seines treuen Vierbeiners abzuwehren. Sichtlich irritiert über die unerwartet heftige Reaktion seines Herrchens schaut Rex ihn an, um sich schließlich mit einem feuchten Küsschen bei ihm zu entschuldigen. „Ich weiß, du hast es ja nur gut gemeint!“ antwortet Moser mit einem gequälten Lächeln. „Aber mein Rücken sieht das momentan leider etwas anders.“
Nach etwa 5 Minuten und allerhand möglichen und unmöglichen Bewegungen und (Ver-)Drehungen hat Moser es schließlich geschafft, wieder auf eigenen Beinen zu stehen, um dann wie ein alter Mann aus dem Schlafzimmer in die Küche zu schleichen.
Er öffnet den Kühlschrank, in Vorfreude auf die letzte wahrscheinlich schon leicht vertrocknete Wurstsemmel vom gestrigen Tag. Da fällt sein Blick in ein weißes leeres Nichts. Keine Wurst, keine Semmel und schon gar keine Wurstsemmel. Nur eine angebrochene Flasche Wein und eine geöffnete Packung Quark, an dessen Rand sich bereits leichte Schimmelspuren abzeichnen, schauen ihm wie mit Hohn und Spott entgegen. Es kommt ihm so vor, als wolle sein Kühlschrank ihm sagen: „Selbst schuld, wenn du zu faul zum Einkaufen bist…“
„Na toll! Wo ist, bitte schön, die Wurstsemmel von gestern?“ fragt Moser mit Blick zu seinem Hund, welcher unschuldig dreinschaut und so gleich zu seinem leeren Napf läuft um diesen auffordernd anzustupsen.
„Wenn du einfach vergisst mir etwas zu Fressen zu geben“, scheint er seinem Herrchen sagen zu wollen.
„Ok, ok ich habe schon verstanden! Du hast ja recht! Tut mir leid! Wird nicht wieder vorkommen, versprochen!“, sagt Moser sichtlich schuldbewusst beim Blick in den leeren Hundenapf. Er nimmt die Futterdose auf der Ablagefläche neben dem Kühlschrank in die Hand und öffnet diese.
„Aber danach gehst du Wurstsemmeln holen, einverstanden? Ich muss ja schließlich auch noch was essen!“ Auf den Deal lässt Rex sich ein. Zustimmend bellt er, nimmt seinen Futternapf vom Boden auf und hält diesen Moser hin.
„Vor dem Essen, holst du mir bitte aber noch die Wärmflasche aus dem Bad! Hast du verstanden? Die Wärmflasche!“
Rex trottet davon und kommt nach einem Augenblick wieder zurück. Im Maul – die Shampooflasche. Trotz der Schmerzen kann Moser sich einen leichten Schmunzler nicht verkneifen.
„Den Unterschied zwischen WärmFLASCHE und ShampooFLASCHE üben wir aber nochmal. Schon ok. Ich hole sie mir gleich selbst“, sagt der Kommissar und reicht seinem Hund den gefüllten Napf ins Maul.
Nachdem Rex sich gestärkt hat und von Moser mit einem Einkaufsbeutel und etwas Geld ausgestattet wurde, macht er sich schließlich auf den Weg, die so dringend benötigte Stärkung für sein Herrchen beim Fleischer um die Ecke zu besorgen. Denn, so Rex` Meinung, ist das beste Mittel, um wieder gesund zu werden, eine frische Semmel, dick belegt mit gaaannz viel Wurst!
Währenddessen hat es Moser schließlich mit Müh und Not ins Badezimmer geschafft und steht nun vor dem geöffneten Spiegelschrank. Stirnrunzelnd suchend betrachtet er die ganzen ihm unbekannten Medikamente und Packungen.
'Wenn MANN eine Ärztin zur Freundin hat, braucht man sich um die medizinische Versorgung zuhause scheinbar keine Sorgen machen', denkt er beim Durchsuchen des Schranks.
Da fällt ihm ganz hinten, etwas versteckt, eine Schachtel ins Auge.
„Schwangerschaftstest, 2 Stück“, steht in blauen Lettern auf der Verpackung. Moser schluckt. Irritiert nimmt er die Schachtel in die Hand. Was ist das bitte schön? Die Packung ist bereits geöffnet. Ein Test fehlt. Sollte etwa…? Hat er Grund zur Annahme, dass…? Schlagartig muss er daran denken, wie Sonja vor vier Wochen mit einer Magenverstimmung zu kämpfen hatten, nachdem sie den Abend zuvor anlässlich ihres Geburtstag bei dem neuen Franzosen in der Innenstadt Essen waren. Moser stutzt. Kam ihre damalige Übelkeit etwa doch nicht vom Beefsteak-Tatar, das Sonja an diesem Abend gegessen hatte. Bisher dachte er, dass mit dem rohen Rindfleisch oder dem Ei irgendwas nicht in Ordnung gewesen wäre. Moser spürt das Adrenalin, welches schlagartig seinen Körper durchflutet und ihn den gefühlt unerträglichen Schmerz in seinem Rücken plötzlich vergessen lässt.
Dann fällt ihm ein, dass Sonja beim letzten Wochenendeinkauf auch Tampons in den Einkaufswagen gelegt hatte.
„Dann wird es wohl doch das Rindfleisch gewesen sein,“ murmelt er leise zu sich selbst und versteckt die Packung mit dem Schwangerschaftstest wieder in der hinteren Ecke des Spiegelschranks. 'Hoffentlich!'
Nachdem der vermeintliche Schock abgeklungen ist, erinnert ihn sein Rücken wieder daran, dass er eigentlich etwas anderes sucht. So stöbert er weiter in Sonjas medizinischem Sammelsurium.
Da fällt ihm eine große runde Dose in die Hände. „Pferdebalsam –Massagegel für müde Muskeln & Gelenke“ . 'Jetzt lagert Sonja auch schon die Medikamente ihrer Patienten bei uns im Regal. Überhaupt, seit wann behandelt sie auch Pferde', überlegt Moser. Bisher dachte er immer, sie hätte sich auf Kleintiere spezialisiert und dass Rex zu ihren größten Patienten gehören würde.
Ok, also weitergesucht. Wo sind nur die verdammten Schmerztabletten? Als könne die Kollersche Hausapotheke die Gedanken des Kommissars lesen, fällt Moser in diesem Moment eine Packung in die Hände, auf der steht: „Ibuprofen 600 mg Schmerztabletten“. Na endlich! Sichtlich erleichtert öffnet er diese und fingert darin herum. Aber außer eine umständlich zusammengefaltete Packungsbeilage, kann er nichts finden. Wieder nichts. Irgendwie scheint sich das Universum momentan gegen ihn verschworen zu haben.
Er braucht dringend etwas gegen die Pein in seinem Rücken. Rex ist weg. Den kann er jetzt nicht einfach zur Apotheke schicken. Verdammt, das gibt es doch nicht! Irgendwo in diesem Haus muss doch noch eine gottverdammte Schmerztablette aufzutreiben sein.
'Such weiter, Richard Moser! Such weiter', denkt er. 'Du findest Mörder und Beweismittel, aber schaffst es nicht dir was gegen Schmerzen zu besorgen!'. Moser seufzt vor sich hin.
Ah, was ist das? Er nimmt eine weiß-violette Schachtel in die Hand. „BuscoFem bei leichten bis mäßig starken Schmerzen des Magen-Darm-Traktes und Regelschmerzen.“ Tabletten für Menstruationsbeschwerden, na super. Aber egal. Ob vorne oder hinten. Schmerzen sind Schmerzen. Was für den Bauch gut ist, kann für den Rücken nicht schlecht sein. Anatomisch betrachtet liegt das so weit auch nicht auseinander. Das wird da schon irgendwie ankommen, wo es hin soll.
Moser nimmt zwei Tabletten aus der Packung und spült diese mit einem kräftigen Schluck Wasser runter. Langsam dreht er sich wieder um, nimmt die Wärmflasche von der Waschmaschine, um diese in der Küche mit heißem Wasser zu füllen.
Als er es schließlich geschafft hat, im Schneckentempo wieder das Schlafzimmer zu erreichen und sich irgendwie ins Bett zu legen, geht die Haustür auf und Rex kommt mit einer Tüte Wurstsemmeln im Maul herein, die er seinem Herrchen aufs Bett legt.
„Danke, Rex! Du bist ein Engel“, nuschelt Moser durch die Wirkung der Tabletten und die Wärme der Gummiflasche im Rücken, bereits deutlich schläfrig. Er spürt noch, wie Rex sich mit seinem kuschelig warmen Kopf an ihn schmiegt, da ist er auch schon weggedämmert.
„Richard?!“ Eine sanfte Stimme holt Moser plötzlich aus dem Tiefschlaf. Er öffnet die Augen und erblickt: Sonja!
„Sonja, du? Du bist…schon wieder da? Hier? Ich dachte erst morgen…“, fragt Moser sichtlich irritiert. Er ist sich gerade nicht sicher, ob er tatsächlich wach ist oder alles nur träumt.
„Ja, ich! Mein morgiger Flug wurde gestrichen, da habe ich einen Flieger früher genommen und wollte dich überraschen. Freust du dich denn nicht?“
„Doch natürlich!“, antwortet Moser jetzt hellwach und schnellt erschrocken über den unerwarteten „Besuch“ hoch.
„Ahhh“, schießt es in diesem Moment aus ihm raus, als die Hexe in seinem Rücken wieder mit voller Wucht zuschlägt.
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