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Das Testament

von Nahila
Kurzbeschreibung
GeschichteFreundschaft, Liebesgeschichte / P16 / MaleSlash
Joachim "Joko" Winterscheidt Klaas Heufer-Umlauf
23.11.2022
21.12.2022
5
12.087
23
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06.12.2022 3.431
 
Am nächsten Morgen wurde Klaas von vorwitzigen Sonnenstrahlen geweckt, die seine Nase kitzelten. Verschlafen rieb er sich die Augen und streckte sich ausgiebig. Er hatte überraschend gut geschlafen. Mitten in der Nacht war er kurz wach geworden, weil sein Zimmer Nachbar wohl etwas zu viel getrunken hatte und die Wände hier waren dünn. Aber Alpträume und der unruhige Schlaf, den er befürchtet hatte, waren ausgeblieben. Eine Zeit lang verweilte Klaas noch im Bett und genoss die Wärme der Sonne auf seiner Haut. Es war Anfang August und daher auch morgens schon relativ warm. Das war auch deutlich im Zimmer zu spüren. Er beschloss vor dem Frühstück einen Spaziergang zu machen. Den ganzen Tag im Hotel zu bleiben hatte er sowieso nicht vor. Eine kleine Weile wollte er noch Ruhe und Frieden haben, daher hatte er auch keine Lust jetzt schon mit einem seiner Freunde zu sprechen. Ein Spaziergang kam da genau Recht. Jakob und Schmitti würden noch früh genug erfahren, dass er und Doris sich getrennt hatten und über alles andere musste er sich selbst erst klar werden. Bei dem Gedanken an seine Frau zog sich sein Magen wieder kurz zusammen. Er fragte sich, wie es ihr heute Morgen ging und ob sie sehr litt. Ihm wurde übel. Wie lange würde er sich schlecht fühlen, für das, was passiert war?

Leise seufzend stieg er nun doch aus dem Bett und zog sich an. Es brachte schließlich nichts, weiter den bedrückenden Gedanken nachzuhängen. Das machte es für niemanden besser. Er schlüpfte rasch in eine einfache Hose und ein blaues T-Shirt. Danach ging er ins Bad, putze sich fix die Zähne und zupfte seine Haare grob zurecht. Für einen Spaziergang musste das reichen.
Mit etwas besserer Laune trat er wenige Minuten später durch die große Eingangstür des Hotels. Der Himmel war strahlend blau, durchzogen von wenigen, watteähnlichen Wolken und die Sonne schien schon kräftig auf ihn herab. Er beschloss kurzerhand zum Drachenberg zu fahren. Dort gab es schöne Wege im Grünen und man konnte im Vergleich zum lauten Berlin dort wenigstens etwas Ruhe finden. Vom Parkplatz aus war es auch nicht sehr weit bis zum Aussichtspunkt. Gesagt, getan. Er holte sein Auto aus der Tiefgarage des Hotels und machte sich auf dem Weg.

Es gab eine Treppe, die direkt auf den Hügel führte, aber sehr steil war. Da Klaas eher nach einem gemütlichen Spaziergang war, entschied er sich für die etwas längere Route durch den Wald. Er genoss die friedliche Stille um sich herum. Es war wochentags und noch früh am Morgen, daher kamen ihm kaum Menschen entgegen. Das Einzige, was ihn begleitete, waren die gleichmäßigen Klänge seiner Schritte. Vögel zwitscherten und trällerten ihr Morgenlied und vereinzelt raschelte im Unterholz. Die hohen Laubbäume wiegten sich sanft in der leichten Sommerbrise. Ihre Stämme knarzten. Das Sonnenlicht schimmerte durch die Blätter und malte Muster auf den Waldboden. An ein paar hellen Lichtungen wuchsen bunte Blumen. Klaas versuchte sich auf nichts weiter zu konzentrieren als die Natur um sich herum. Er wollte nicht schon wieder nachdenken und sich mürbe machen. Nach der ganzen Aufregung tat es gut, einfach nur zu sein.
Nach entspannten 20 Minuten war er oben angekommen. Er war jedes Mal wieder fasziniert, was für einen großartigen Blick man hier über Berlin hatte. Vereinzelt ließen Leute schon ihre Drachen steigen. Der Wind hier oben, war dazu ideal. Am Nachmittag würde es sicher noch voller werden. Klaas ging ein paar Schritte und setzte sich etwas abseits von ihnen in die Wiese. Von hier aus konnte er die Stadt weit überblicken. Auch den Funkturm konnte man von hier aus deutlich erkennen. Unweigerlich schweiften seine Gedanken nun doch wieder ab. Er schmunzelte in sich hinein. Joko und seine Höhenangst. Sie hatten von Herrn ProSieben vor ein paar Jahren die eigentlich simple Aufgabe bekommen, bis zum Sonnenuntergang den Berliner Funkturm zu erklimmen. Beide. Klaas wusste schon beim Wort „Funkturm“, dass das eine der größeren Herausforderungen für sie werden würde. Anfangs hatte er sich noch über Joko lustig gemacht und ihn aufgezogen. Aber er merkte schnell, dass er damit nicht weiterkam. Je höher sie kamen, desto mehr tat ihm Joko leid. Er sah es im Grunde nicht gern, wenn sein Freund sich quälen musste. Nicht, wenn er nicht selbst dafür verantwortlich war. Also ging er dazu über ihm gut zuzureden. Er versuchte sogar ihn mit Schoko Bons zu locken. Ein paar Höhenmeter schafften sie damit sogar. Klaas musste bei dem Gedanken kurz laut auflachen, wie er Joko für jede erklommene Stufe einen Bon in den Mund schob. Er liebte es, wie sie selbst in solchen Situationen zusammen lachen konnten und sich gegenseitig immer weiter aufstachelten. Als aber schließlich gar nichts mehr zu helfen schien, Joko gänzlich verzweifelte und nicht mehr gewusst hatte, wo er noch hinsehen sollte, reagierte Klaas einfach ohne zu denken. „Guck mir mal in die Augen.“, hatte er bestimmend zu ihm gesagt und ihn an seiner Jacke zu sich gezogen.

Klaas atmete die frische Luft ein, ließ sich rücklings in die Wiese sinken und betrachtete gedankenversunken den Himmel. Jetzt, da er die Situation Revue passieren ließ, wurde ihm klar, dass er damals schon diese Gefühle hatte. Sie hatten sich für ein paar Sekunden direkt in die Augen gesehen und plötzlich wollte er nichts mehr anderes, als Joko ganz nah zu sein. Er hatte seine Arme um dessen Hüfte gelegt und ihn an sich herangezogen. „Komm wir holen dich jetzt da hoch.“, hatte er seine Aktion kommentiert. Aber wenn er ehrlich war, hatte er nur dem unerwarteten Drang nachgegeben, sich an den größeren kuscheln zu wollen. Er erinnerte sich, wie unkontrolliert sie beide lachen mussten und wie er Joko dadurch nur noch näher sein wollte, seinen Kopf am liebsten in seiner Halsbeuge vergraben hätte. Am Ende hatte er es noch mit motivierendem Zuspruch versucht. Schließlich war es eine Aufgabe und er wollte den Punkt unbedingt haben. Er wusste nicht mehr genau was er gesagt hatte, aber er erinnerte sich, dass es absolut von Herzen kam. „Wenn man zusammenhält, kann man alles schaffen.“, das war bis heute hängen geblieben. Und es stimmte. Ein zuversichtliches Lächeln stahl sich auf Klaas Gesicht. Egal wie das Gespräch heute Nachmittag lief, sie würde es hinkriegen. Sie hatten schon alles miteinander erlebt. Sie hielten zusammen und das schon seit Jahren. Nichts würde das ändern, dessen war sich Klaas sicher.

Eine Weile noch, hing er seinen Gedanken nach. Dann richtete er sich langsam auf, klopfte ein paar Grashalme von seiner Hose und machte sich auf den Rückweg. Es war schon Mittagszeit, als er nach einem ausgiebigen Frühstück im Restaurant des Hotels auf sein Zimmer zurück ging. Er hatte noch ein paar Stunden, bis er aufbrechen musste. Nach eifrigem Nichts-tun, sprang er schließlich abermals unter die Dusche, um sich frisch zu machen. Er hatte durch die steigenden Temperaturen vorhin doch etwas geschwitzt. Als er den beschlagenen Spiegel frei wischte, starrte er sich selbst unbewegt in die Augen. Langsam wuchs seine Nervosität. Er spürte, wie seine Herzfrequenz anstieg. Wie sollte er das Gespräch gleich beginnen? Wie würde Joko reagieren? Er schluckte und versuchte sich zusammen zu reißen. Es brachte nichts, sich jetzt schon den Kopf zu zerbrechen. Er rang sich ein Lächeln ab und atmete tief durch. Er rubbelte sich die Haare trocken und stylte sie, dann zog er sich wieder an. Zum Schluss legte er noch etwas Parfüm auf. Eines, von dem er wusste, dass Joko es mochte. Als er fertig war, warf er einen abschließenden Blick in den Spiegel. „Los geht’s.“, sagte er aufmunternd zu sich selbst. Sein Gesicht sprach Bände. Es zeigte deutliche Aufregung, aber seine Augen strahlten. Er zupfte noch ein paar letzte Haarsträhnen zurecht, dann griff er entschlossen nach seinem Handy, Portemonnaie und Schlüssel und verließ, ohne zu zögern, das Zimmer.

Als er das kleine Cafè betrat, schlug ihm sofort der beruhigende Duft von frischem Kaffee entgegen. Es lief sanfte Hintergrundmusik und das gleichmäßige Murmeln von den angeregten Gesprächen der Gäste drangen zu ihm durch. Zwischendurch vernahm man das Brummen und Zischen der Espressomaschine. Gelegentlich klapperten Löffel und Gabeln und wurden von Gelächter begleitet. Viel war nicht los, aber das war zu erwarten. Das Cafè war nicht besonders groß und auch nicht sehr bekannt. Für Joko und ihn war es schon seit Jahren ein Rückzugsort, an dem sie auch öffentlich ganz ungestört Zeit verbringen konnten. Niemand interessierte sich hier für sie. Die Wände waren mit Backsteinen verkleidet und indirekt beleuchtet. Die Decke war grau gestrichen und wurde von großen, dunkeln Querbalken aus Holz unterbrochen. Ein paar grüne Pflanzen sorgten für freundliche Akzente. Die Tische waren klein und ebenfalls aus dunklem Holz. Die Stühle unterschieden sich dagegen komplett voneinander. Es standen kaum zweimal die gleichen an einem Tisch. Trotzdem, dass alles Dunkel gehalten war, war der Raum nicht drückend. Eher im Gegenteil. Es fühlte sich gemütlich und heimelig an. Sofort entspannte sich Klaas etwas. Er steuerte automatisch auf eine Sitzgruppe in der hinteren Ecke zu. Dort stand ein niedriger Tisch mit einem urigen, gemütlichen Ecksofa. Das war schon immer ihr Platz gewesen, da man ihn vom Eingang aus nicht direkt einsehen konnte. Er grüßte im Vorbeigehen freundlich die Barista, die dies mit einem fröhlichen Lächeln quittierte. Sie waren hier quasi Stammgäste und daher bei den Angestellten bekannt. Als er die Theke passierte, stieg ihm der süße Duft von frisch gebackenem Kuchen in die Nase und er überlegte, ob er nicht ein Stück bestellen sollte.

Er hatte sich gerade hingesetzt, da stand die Bedienung schon neben ihm. „Schön Sie zu sehen, Herr Heufer-Umlauf.“, freute sie sich und legte ihm sogleich zwei Speisekarten hin. „Darf’s schon etwas sein?“ „Ebenfalls schön Sie zu sehen.“, erwiderte Klaas ehrlich erfreut und musste grinsen, da die nette Dame offensichtlich automatisch davon ausgegangen war, dass Joko auch kommen würde. „Erstmal einen Kaffee bitte.“, antworte er und ehe er fortfahren konnte, ergänzte sie wissend: „Mit Milch und Zucker, kommt sofort.“ Sie bedankte sich und ging beschwingt davon. Die Atmosphäre hier gefiel Klaas schon immer. Das gesamte Personal war sehr aufmerksam und immer gut gelaunt. Und obwohl sie wussten, wer er und Joko waren, waren sie zu keinem Zeitpunkt aufdringlich geworden. Er fühlte sich hier einfach wohl und der Kaffee war obendrein erstaunlich gut.
Es dauerte nicht lange, da vernahm Klaas das gedämpfte Klingeln der Eingangstür. Er lugte um die Ecke und sah Joko mit einem breiten Grinsen direkt auf ihn zu steuern. Er hatte die Arme bereits im Gehen zur Umarmung weit geöffnet. Sofort spürte Klaas die Schmetterlinge in seinen Bauch zurückkehren. Er stand auf und empfing den größeren strahlend. „Klausi!“, rief Joko freudig und schloss den Kleinen in die Arme, eine Hand legte er vertraut an seinen Hinterkopf. „Na, Winti.“, nuschelte Klaas und lehnte sich in die Umarmung. Den Kopf ließ er auf seine Schulter sinken. Wieso war ihm noch nie aufgefallen, wie gut sein Kopf dorthin passte? Er schloss die Augen und genoss die Nähe. Es war die erste Umarmung seit Klaas sich seiner Gefühle bewusst geworden war und ihm war, als würde er gerade zum allerersten Mal in Joko’s Armen liegen. Er zog den Großen etwas enger an sich und Joko gab ihn daraufhin einen liebevollen Kuss auf die Haare. Klaas Strahlen wurde größer und die Schmetterlinge in seinem Bauch tanzten mittlerweile Salsa. Er atmete tief ein. Wieso war ihm noch nie aufgefallen, wie gut sein Freund roch? Doch so schnell der Moment gekommen war, war er auch wieder vorbei. Joko löste plötzlich die Umarmung und machte Anstalten sich zu setzen.

„Gott, freu ich mich dich zu sehen.“, begann Joko freudig, während er auf dem Sofa rutschte, um Klaas wieder Platz zu machen. „Ja, ist lang her mein Freund.“, stimmte Klaas zu. Er ließ sich neben ihm auf dem Sofa nieder. Sogleich kam die Kellnerin wieder an den Tisch und stellte eine dampfende Tasse Kaffee vor Klaas ab. „Du hast schon bestellt?“, fragte Joko, während er eine Karte in die Hand nahm. Klaas schüttelte den Kopf. „Ne, nur einen Kaffee bisher. Wollte auf dich warten.“ „Okay, dann…“, begann Joko. „Auch erstmal nur einen Kaffee für Sie?“, grinste die junge Dame. Er lachte. „Wie immer.“, ergänzte er. Schnell war die Dame wieder verschwunden.
Klaas musterte Joko von der Seite. Sie saßen übereck und er konnte es sich daher erlauben ihn etwas genauer unter die Lupe zu nehmen, ohne aufzufallen. Er sah gut aus. Seine Haut war von der Sonne leicht gebräunt, seine Haare waren „privat“ und daher etwas durcheinander, was Klaas aber immer sehr gefiel. Er trug ein schwarzes T-Shirt und schwarze Hose, was ihm sehr gut Stand. Klaas wurde warm. Verdammt, Joko sah wirklich unglaublich gut aus. Unbewusst biss er sich auf die Unterlippe. „Wie geht’s dir Klaasi?“, fragte da Joko und sah Klaas dabei an. Er fühlte sich ertappt und musste sich kurz sammeln. „Ehm, ganz… ganz gut… so weit.“, stotterte er, fing sich aber schnell wieder. „Wie geht es dir? Sach ma‘, was machst du denn nun in Berlin?“ Klaas fiel auf, dass Joko sich bei der Frage sichtlich versteifte. Er holte hörbar Luft und zupfte nervös an seinem T-Shirt. Was war denn auf einmal mit ihm los? Erwartungsvoll musterte Klaas ihn. „Hast du was angestellt?“, lachte er mit hochgezogenen Augenbrauen, als er bemerkte, wie Joko sichtbar nach Worten suchte. Joko lachte ebenfalls. „Neee. Ich wollte nur nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Aber wenn du mich schon so direkt fragst...“, er holte wieder Luft, die Augen weit aufgerissen und wirkte aufgeregt. Klaas Herz schlug unaufhaltsam schneller. Könnte es sein, dass es seinem Freund ähnlich ging wie ihm? Er versuchte das Gefühl zu verdrängen. ‚Sei nicht naiv‘, mahnte er sich.

„Jetzt spuck‘s schon aus.“, drängte er, als er ungeduldig wurde. Joko sah ihn eindringlich an. „Na gut.“, gab er nach. Er wandte den Oberkörper Klaas zu und legte eine Hand auf seinen Unterarm. Bei der Berührung schauderte Klaas kurz. Er versuchte sich nichts anmerken zu lassen und hoffte, dass Joko nicht bemerkte, dass er Gänsehaut bekam. Er konnte die Aufregung in seiner Stimme hören, als sein Gegenüber begann: „Ich bin in Berlin, weil ich hier einen Anzug bestellt hatte und ihn jetzt abholen durfte.“ „Für einen Anzug fliegst du nach Berlin?“, fragte Klaas ungläubig. Er wusste, dass sein Freund oft einen etwas speziellen Geschmack hatte. Aber das war selbst für ihn übertrieben. „Ist ein besonderer Anzug.“, fuhr Joko fort. Der Kleine sah ihn verwirrt an. „Für?“, hakte er nach. Er spürte wie Joko’s Finger nervös auf seinem Unterarm zuckten. Joko schluckte. „Für meine Hochzeit.“, verkündete er schließlich und begann augenblicklich zu strahlen.

Der Schlag in Klaas‘ Magengrube war heftig. Ihm wurde gleichzeitig heiß und kalt. Seine Hände begannen zu schwitzen und seine Kehle schnürte sich langsam zu. Er schluckte, um das beklemmende Gefühl loszuwerden. Seine Ohren rauschten, während Joko’s Worte nachklangen. „Hochzeit“ Wie ein auffälliges Banner sah er das Wort vor seinem inneren Auge. Joko wollte heiraten. Er versuchte sich zu sammeln und hoffte, dass sein Gegenüber nichts von seinem Zustand mitbekam. „Du heiratest?“, brachte er schließlich brüchig heraus. Joko sah augenblicklich verunsichert aus. „Ja.“, sagte er und zog seine Hand zögernd zurück. „In drei Wochen am Tegernsee. Ich weiß, das war mir noch nie wichtig, aber nach all den Jahren hielten Lisa und ich es für angemessen.“, erklärte er. Sein Blick durchbohrte Klaas fragend. ‚Reiß dich zusammen!‘, schimpfte dieser sich. Er schaffte es endlich Joko anzusehen und versuchte sein ehrlichstes Lächeln aufzusetzen. „Mensch Winti, das freut mich aber für dich!“, rief er aus, so gut gelaunt er konnte. Er klopfte Joko auf die Schulter und ließ seine Hand dann dort liegen. Die Berührung tat ihm weh, aber er musste jetzt stark sein. Für Joko. „Das ist toll, wirklich!“, bekräftigte er und sah ihm direkt in die Augen. Er hoffte, dass sein Lächeln seine Augen erreichte. Joko’s Grinsen wurde breit. „Danke dir, Hase!“, sagte dieser glücklich und legte ebenfalls eine Hand auf Klaas Schulter. Sanft drückte er zu. „Deswegen wollte ich auch unbedingt mit dir sprechen. Würdest du, Klaas Heufer-Umlauf, mir die Ehre erweisen und mein Trauzeuge sein?“, fragte er und strahlte ihn erwartungsvoll an. Klaas Herz schmerzte und gleichzeitig schmolz er beim Anblick Joko’s dahin. Er sah so unglaublich glücklich aus. Wiederholt schluckte er unmerklich. „Aber klar doch!“, brachte er heraus, „Natürlich.“, bekräftigte er nochmal. Joko zog ihn näher zu sich und gab ihm überschwänglich ein kleines Küsschen auf die Wange. „Wie schön. Dann habe ich all meine Liebsten um mich.“, bedankte er sich. Klaas spürte, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen. Er spürte Joko’s Lippen immer noch auf seiner Wange. Das war zu viel für ihn. Ihm wurde schlecht und er wusste nicht, wie er jetzt noch reagieren sollte.

Als sie sich lösten versuchte er sein Gesicht unbemerkt weg zu drehen. Aber Joko kannte ihn zu gut und durchschaute ihn sofort. Augenblicklich veränderte sich sein Blick. Besorgt und verwundert sah er Klaas an. „Klausi?“, fragte er unsicher, „Weinst du?“ „Ach so ein Quatsch“, versuchte er energisch mit einer wegwerfenden Handbewegung die Situation abzutun. Zu allem Überfluss ärgerte er sich nun auch noch über sich selbst. Leider kaufte Joko ihm das keine Sekunde ab. Klaas konnte seine Sorge jetzt deutlich hören. „Klaas, du machst mir Angst.“, lachte er verunsichert. „Sind das Freudentränen, oder was ist los?“ Klaas blieb nichts mehr weiter übrig, als mit den Schultern zu zucken. Er war überfordert und brachte kein Wort heraus. Was sollte er jetzt bloß sagen? Er konnte ihm doch nach dieser Offenbarung unmöglich mitteilen, was er für ihn empfand. Joko strahlte vor Glück. Und wenn er Lisa heiraten wollte, dann war es unmöglich, dass er Klaas auch liebte. Wer war er denn, jetzt Joko im Weg zu stehen? Nein, auf keinen Fall, würde er jetzt noch etwas sagen können. Er liebte ihn und wenn das bedeutete, dass er zusehen musste, wie er jemand anders heiratete, dann war das wohl so. Sein Herz raste und die Schweißausbrüche wollte nicht aufhören. Am liebsten würde er einfach aufspringen und gehen. Aber Joko sah ihn immer noch eindringlich an.

„Doris und ich haben uns getrennt.“, platze es da plötzlich aus ihm heraus. Er schaffte es endlich wieder aufzusehen. Der Schock stand Joko ins Gesicht geschrieben. Seine Augen waren geweitet und er suchte offensichtlich nach Worten. „Wie bitte, was?“, fragte er und sah ungläubig drein. Klaas nickte nur stumm. Dann schlich sich Mitleid in Joko‘s Blick. „Ach Hase…“, murmelte er traurig. Er zog Klaas näher an sich heran. Der Kleine hatte keine Kraft mehr für Widerstand und ließ es geschehen. Er rutschte um die Ecke herum und lehnte sich an Joko’s Schulter. Dieser legte den Arm um ihn und begann ihn beruhigend über den Rücken zu streichen. Klaas versuchte sich zu entspannen. Alles fühlte sich taub an und er konnte seine Gedanken nicht ordnen. Er konzentrierte sich auf Joko’s Finger und wurde tatsächlich etwas ruhiger. Seine Gegenwart tat ihm trotz allem gut. Einfach nur von ihm im Arm gehalten zu werden, war alles was er gerade brauchte. Eine Weile sagten sie beide nichts und saßen einfach nur da. Klaas starrte auf seine Kaffeetasse und beobachte, wie der Dampf Kringel in die Luft zeichnete. Er war dankbar, dass Joko ihm Zeit ließ und nicht zu einem Gespräch drängte. Die Kellnerin brachte die zweite Tasse und stellte diese kommentarlos ab. Offensichtlich wollte sie die Situation nicht stören. Joko nickte ihr dankend zu und nahm einen schlürfenden Schluck. Klaas beobachtete Joko’s schlanke Finger, die nun gedankenverloren an dem Griff der Tasse herumspielten. Selbst seine Hände waren schön. Irgendwie stark und fürsorglich. Klaas schloss erschöpft die Augen. Verdammt, wie sehr konnte sich sein Leben in nur einem Tag verändern? Natürlich war die Trennung nicht der richtige Grund für Klaas Tränen gewesen. Auch wenn ihn das natürlich belastete. Aber er konnte Joko nicht sagen, wie verletzt er war. Er konnte nicht zugeben, dass er heulte, wie ein Kind, weil er unglücklich in seinen besten Freund verliebt war.

Nach ein paar Minuten räusperte sich Joko. „Was ist denn passiert?“, fragte er vorsichtig und hörte dabei nicht auf Kreise auf Klaas Rücken zu zeichnen. Das riss Klaas wieder aus seinen Gedanken. Er seufzte und schüttelte kaum merklich den Kopf. Er hatte für dieses Gespräch keine Energie mehr. Er musste erst in Ruhe nachdenken. „Das erzähl ich dir ein andermal.“, sagte er müde, „Es kam das eine zum andern. War aber letztendlich einvernehmlich.“ Joko drückte ihn ein wenig fester an sich. „Ich bin für dich da Klausi.“, versprach er und gab ihm zum zweiten Mal an diesem Tag einen sanften Kuss auf den Kopf. Klaas bewegte sich nicht. Innerlich schrie er. „Ich weiß.“, sagte er leise und ein trauriges Lächeln schlich sich auf seine Lippen.
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