Porzellanpuppen
von Saphira Malfoy
Kurzbeschreibung
Ihre Haut hatte noch immer die Farbe von Tante Petunias Porzellan – dem Guten, das Harry immer nur auf den Tisch stellen sollte, wenn ganz besondere Gäste kamen (von dem er selbst jedoch niemals essen durfte). Aber etwas an ihr wirkte lebendiger, als er sie in Erinnerung hatte. Menschlicher. // Dezent depressiver Nachkriegs-Harry trifft auf Saphira, die nun alleinerziehende Mutter einer Tochter ist. [Harry/Saphira]
GeschichteDrama, Liebesgeschichte / P18 / Het
Andromeda Tonks
Barty Crouch Jr.
Ginevra Molly "Ginny" Weasley
Harry Potter
Kreacher
Ted "Teddy" Remus Lupin
16.11.2022
14.12.2022
3
27.484
8
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Dieses Kapitel
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24.11.2022
5.407
2/6 (ja, es steht nun fest, 6 Kapitel)
2. Puppenaugen
Montag, 28.02.2000
„Ich freu mich, dass du gekommen bist“, lächelte Ginny ähnlich steif und verunsichert, wie Harry sich fühlte.
„Samantha und Debby haben auch Besuch von ihren Freunden und gefragt, ob wir später eine Freundschaftspartie spielen wollen?“, führte sie vorsichtig aus und ruderte ob Harrys missmutiger Miene gleich wieder zurück: „Dachte mir, dass du es ablehnen würdest und ich verstehe das, Harry, wirklich. Aber … du kannst nicht ewig vor der Welt davon laufen. Wenn du beginnst, die Leute normal zu behandeln, werden sie ganz schnell merken, dass auch du nur ein ganz normaler, netter Typ bist. Dann hört das Gestarre auf … und die Fragen. Je länger du dich versteckst, desto mysteriöser und interessanter wirkst du.“ Leise seufzend hielt sie einen Moment inne. „Leider nicht auf mich. Mich frustriert das.“
„Ich kann einfach nicht so tun, als wäre das alles nicht passiert. Oder als wäre ich ihr Held in strahlender Rüstung. Ich will einfach nur in Ruhe gelassen werden“, erwiderte Harry unnachgiebig.
„Und ich finde es nicht fair, dass du mir und anderen das unterstellst“, hielt Ginny resigniert dagegen, presste die Zeigefinger zwischen Augen und Nasenrücken, wie sie es immer tat, wenn sie gestresst war … wie sie es so häufig tat in den vergangenen Monaten, wenn er und sie miteinander sprachen.
Mit einer Mischung aus Selbstgefälligkeit und Schuldgefühl vergrub Harry die Hände in den Taschen und stapfte stumm weiter neben Ginny durch die schottischen Highlands, die um diese Jahreszeit bitterkalt und trüb seine Laune widerspiegelten wie nichts anderes.
Warum kannst du nicht einfach sagen, dass es dir leid tut?, ärgerte er sich in Gedanken, doch seine Lippen blieben verschlossen. Jedes verdammte Mal nahm er sich vor, seine Emotionen unter Kontrolle zu bekommen, Ginny nicht für sein Elend verantwortlich zu machen und ihr wenigstens ein Stück weit entgegenzukommen. Sich auch daran zu halten, schaffte er selten. Irgendetwas in ihm sträubte sich dagegen … Da war diese Mauer, die ihn und Ginny trennte, und so sehr er sich auch bemühte, sie zu überwinden, schien er sie bloß jedes Mal weiter hochzuziehen.
Dabei wäre Harry so gerne aufrichtig stolz auf sie, würde sich darüber freuen, wie sehr sie in ihrem neuen Leben als jüngste Jägerin der Holyhead Harpies aufging. Sie war der neue Star am Himmel, begeistert hatten die Fans ihr bei ihrem ersten offiziellen Spiel Anfang des Jahres zugejubelt, die Euphorie der Masse, die pure Glückseligkeit darüber, endlich wieder ein Quidditchspiel sehen, etwas Positives erleben zu können, prickelte in der Luft, sprach jeden menschlichen Sinn an, war ansteckend wie Griselkrätze … einzig Harry blieb dagegen immun.
Ginge es nach ihm, würde er sich nur daheim mit ihr verkriechen, sie im Arm halten und von der Welt um sie herum nichts mitbekommen, die Öffentlichkeit meiden, diese bohrenden Blicke, die ihm Tag für Tag im Nacken stachen … das distanzlose Schulterklopfen fremder Hände auf seinen Schultern, die Verehrung seiner Person von Leuten, die ihn nicht einmal kannten, die nichts von nichts wussten und vollkommen ausblendeten, wie schrecklich die letzten Jahre gewesen waren; Menschen, die in ihm nur den idealisierten Stereotyp eines glorreichen Helden sehen wollten. Ein Zerrbild, das mit ihm nicht das Geringste zu tun hatte.
„Lass uns hintenrum gehen, ja? Vorne warten die Klatschreporter bestimmt schon und ich hab keine Lust, mein Gesicht in der Zeitung sehen zu müssen.“
„Ja?“, gab Ginny schnippisch zurück. „Ist es das? Oder möchtest du nur nicht mit mir gesehen werden? In der Zeitung warst du letzte Woche nämlich wegen deiner großzügigen Spende ans St Mungo.“
„Sie brauchten das für die Einrichtung der Station zur Behandlung von Langzeitschäden der Kriegsverwundeten“, verteidigte sich Harry, wohl wissend, dass es nicht die Spende war, wegen derer sie derart ungehalten wurde.
Es tut mir leid, leid, so unendlich leid, dachte er und brachte es doch nicht über die Lippen.
+
Freitag, 10.03.2000
Endlich konnte Harry sich dazu durchringen, Ron und George wieder im Laden zu besuchen, worauf sein bester Freund schon seit Wochen drängte. Mitanzusehen, welch tiefe Narbe Freds Verlust in ihnen hinterlassen hatte, tat in dieser fröhlichen Umgebung besonders weh. Jedes Mal, wenn George den Kopf wandte, um einen Blick mit seinem Zwilling auszutauschen, der dort nicht stand, der nie wieder dort stehen würde, war wie ein heißes Schüreisen, das sich in Harrys Eingeweide bohrte. Und er mochte sich gar nicht ausmalen, wie es George damit ging. Auch Ron wirkte ernster, als fühlte er sich oftmals sichtlich fehl am Platz. Weil er nicht Fred war, weil er nicht derjenige war, der hier arbeiten sollte, und doch … genau die Unterstützung verkörperte, die sein Bruder brauchte.
All ihrer Trauer zum Trotz hielten die beiden sich aufrecht, kämpften weiter, bauten sich eine Zukunft auf.
Rational betrachtet wusste Harry, dass sie das Richtige taten und auch er sich eine Aufgabe suchen sollte, doch fehlte ihm dazu der Elan. In manchen Wochen schaffte er es ja kaum, seine Briefe zu beantworten …
Wenn doch nur Ginny ihn nicht alleine hier zurückgelassen hätte.
Dieser Gedanke war unfair, selbstsüchtig und nicht einmal wahr. Schon bevor sie im November in die Quidditchmannschaft eingetreten war, hatten sie sich entfremdet, obwohl Ginny sich nicht anders verhielt als sonst, nur stärker, erwachsener, noch mehr die Ginny geworden war, in die er sich vor fast drei Jahren verliebt hatte. Doch etwas in ihm fehlte. Etwas in ihm konnte sich ihr nicht mehr öffnen, dabei war sie doch die einzige Frau, die ihn wahrhaft verstand, die einzige, die wusste, was es bedeutete, Voldemort in seinem Kopf zu haben, von ihm manipuliert und besessen zu werden. Eine Frau, die mutiger gekämpft, als Harry sich zumeist gefühlt hatte. Dafür bewunderte, schätzte er sie … Und verdammt, er wollte wieder mit ihr zusammen sein, diese enge Verbundenheit empfinden, die er nur zu ihr jemals empfunden hatte. Aber sein Herz blieb verschlossen und Harry fand keine Worte, die seinen Schuldgefühlen gerecht wurden. Es grenzte an ein Wunder, dass Ginny überhaupt noch Geduld für ihn aufbrachte, nach all den Zugeständnissen, die sie ihm bereits gemacht, den Gefühlsausbrüchen, die sie stoisch durchgestanden hatte, ohne dass von ihm etwas zurückkam. Und Harry war bewusst, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sie ihn endgültig aufgab. Das war nicht, was er wollte – bei Merlin, das war es wirklich nicht –, doch er konnte einfach nicht aus seiner Haut heraus, das Richtige tun.
Sein größter Wunsch, diesen Krieg zu beenden und Voldemort ein für alle Mal zu besiegen, war in Erfüllung gegangen. Doch Harry fühlte sich leer.
Immerhin hatte Ginny ihre Karriere als Halt. Hermione fand ihren Anker in dem, was sie am besten konnte: Lernen. Ron half der Laden, um sich aufrecht zu halten.
Harry … Harry hatte Kreacher. Und ein Haus, in dem er sich einsam und verloren fühlte.
Doch das Schlimmste daran blieb, dass nur er daran Schuld trug. Es war wie Ginny gesagt hatte: Alle Türen stünden ihm offen – wenn er nur wollte.
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Samstag, 11.03.2000
Am Tag darauf hielt er die Stille im Hause Black nicht länger aus. Offenbar war er in letzter Zeit zu häufig unter Menschen gewesen, hatte sich schon wieder daran gewöhnt, nicht alleine zu sein, doch sehen wollte er keinen davon; deshalb suchte er den einzigen Ort auf, an dem er sich frei fühlte, sicher, geborgen, irgendwie zu Hause. So wie früher im Fuchsbau … bevor er in diesem nur noch Gespenster sah, all die Toten, die er zu verantworten hatte.
„Oh“, entfuhr es ihm nur, als er hinter Andromeda das herrlich nach Zimt und Vanille duftende Wohnzimmer betrat und sein Blick auf Saphira fiel, die mit Sophie und Teddy auf dem Boden saß und frische Kekse mit buntem Zuckerguss bemalte.
Ihr zaghaftes Lächeln lag Harry wie ein Stein im Magen.
„Hairy!“, freute Teddy sich lautstark, warf die Hände in die Luft – und einen Keks, der daran klebte, gleich mit. Saphiras Lippen öffneten sich zu einem kleinen Grinsen.
„Na, so haarig ist er nun auch wieder nicht.“
„Ich komm wohl lieber ein andermal wieder“, nuschelte er und wollte sich schon umdrehen, da schob Andromeda ihn weiter in den Raum hinein.
„Du störst nicht. Setz dich dazu, ich wollte gerade Teewasser aufsetzen.“
„Tut mir echt leid wegen neulich“, begann Harry, als Andromeda in der Küche verschwunden war. „Du hast einfach einen wunden Nerv getroffen und da … naja, ist mir ne Sicherung durchgebrannt.“
Bei seinen letzten Worten zog Saphira die Brauen zusammen, als könnte sie mit dem Sprichwort nichts anfangen, bevor sie beschwichtigend sagte:
„Schon in Ordnung. Ich habe mich vielleicht auch etwas harsch abgegrenzt. Bin da inzwischen wohl ein wenig … hm …“
„Ich glaube, ich verstehe, was du meinst“, erwiderte er zerknirscht. „Schlechte Erfahrungen gemacht, hm?“
Saphira zuckte darauf nur die Schultern und überließ Teddy das Feld, der ungeduldig an Harrys Ärmel zerrte, um ihm stolz sein Werk zu präsentieren, und ihn dabei mit Zuckerguss vollschmierte.
„Du wirkst unglücklich“, stellte Saphira anderthalb Stunden später gerade heraus fest, als sie das Chaos im Wohnzimmer gemeinsam beseitigten, indes Andromeda den von oben bis unten klebrigen Kindern im Bad eine Grundreinigung verpasste.
Perplex warf Harry ihr einen Blick zu und fuhr dann fort, das Backpapier vom Boden aufzulesen, die Lippen fest aufeinander gepresst, als löste sich diese Unterstellung von selbst in Schall und Rauch auf, wenn er sie nur lange genug ignorierte.
Die darauffolgende Stille war unerträglich.
Zumindest für Harry. Saphira hingegen schien mit einer Engelsgeduld gesegnet – oder wurde schlichtweg nicht von den gleichen nervenzerreibenden Erinnerungen gequält wie er, wann immer seine Gedanken auch nur in die Nähe der Vergangenheit wanderten. Wie könnte sie auch, schließlich hatten ihre unschuldigen Puppenaugen nicht mitansehen müssen, wie ein Mensch nach dem anderen sein Leben ließ … Bilder, die Harry nie wieder loswurde.
Eine sachte Berührung an seinem Unterarm ließ ihn so heftig zusammenzucken, als hätte Saphira ihn geschlagen.
„Du musst nicht darüber reden, wenn du nicht möchtest“, sagte sie sanft – und obwohl es genau das war, was Harry wollte: schweigen, das Thema eintüten und nie wieder anfassen, stammelte er mehr aus Verlegenheit:
„Es … es fällt mir einfach schwer, zu begreifen, dass der Krieg vorbei ist. Obwohl ich währenddessen gar nicht so … Ich war immer so beschäftigt, musste einfach funktionieren und jetzt … jetzt ist da nur noch … nichts mehr … und ich weiß nicht … egal. Vergiss das einfach.“
Wieder füllte sich der Raum mit Schweigen, mit diesem Nichts, das Harry kaum aushielt, doch diesmal driftete er gedanklich nicht zurück zur Schlacht, zu dem Meer aus Leichen, das die Große Halle gefüllt hatte … Er klammerte sich an den Blickkontakt zu Saphira, betrachtete die grünen Iriden, viel dunkler als seine, und die absurd runde Form ihrer Augen, ein Detail, das sie so unmenschlich wirken ließ, trotz der heute nicht getuschten, blonden Wimpern – oder gerade deswegen.
Endlich blinzelte sie und brach nicht nur den Bann, sondern auch die Stille.
„Du hast mir mal gesagt, dass du in Hogwarts immer am glücklichsten warst. Vielleicht würde es dir gut tun, für ein paar Monate dorthin zurückzukehren. Ich habe gehört, wer zu Beginn des Schuljahres noch nicht wollte oder konnte, darf auch später wieder einsteigen, ohne Druck, unbedingt dieses Jahr noch einen Abschluss machen zu müssen.“
„Auf keinen Fall. Ich will da nicht wieder hin“, presste Harry zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und war froh, dass sie sich in diesem Moment wegdrehte, um einen ungesagten Reinigungszauber auf den Fußboden zu wirken. Fälschlicherweise hatte sie damit nicht angegeben, darin war sie wirklich gut. So konnte Harry sie endlich wieder angucken, ohne dabei von ihren Pupillen durchbohrt zu werden.
„Es muss sehr schlimm gewesen sein, sie alle sterben zu sehen“, sagte Saphira schließlich und klang dabei erleichternderweise nicht, als erwartete sie eine Antwort darauf.
„Draco spricht auch nicht darüber“, fügte sie hinzu und kratzte den jämmerlichen Rest von Harrys Stolz damit an. Nun hatte er also auch noch etwas mit Malfoy gemeinsam, großartig.
Wieder Schweigen. Wieder unerträgliche Stille, in der die Schreie sterbender Mitschüler in Harrys Gedanken widerhallten, bis endlich aus ihm herausbrach, was niemand mehr hören wollte:
„Es ist meine Schuld. Es ist alles meine Schuld. Hätte ich die Horkruxe schneller zerstört … hätte ich mich sofort gestellt und gegen ihn gekämpft, hätte ich nur früher begriffen, dass ich sterben muss, damit seine Seele in mir stirbt … Aber ich war so naiv, ach ich … Wie viele hätten überleben können, wenn ich nur …“
Verzweifelt ballte er die Hände zu Fäusten und atmete harsch aus. Es brachte einfach nichts, darüber zu sprechen, jedes Mal wurde er nur wütender und wütender auf sich selbst und konnte doch kaum aufhören, hatte er diese Türe einmal geöffnet, immer in der absurden Hoffnung, dieses Thema tot zu diskutieren könnte irgendetwas ändern …
„Dieser Friedhof auf den Ländereien … ich habe ihn nach der Trauerfeier nie wieder besucht. Ich sollte dort liegen, niemand sonst …“
Seine Stimme verebbte im Nebel der Erinnerungen und kaum hatte er geendet, war Harry sein emotionaler Ausbruch schon wieder unangenehm. Die verständnisvolle Milde in Saphiras Blick würde ihn beruhigen, wären ihre Augen nicht so gruselig groß, dass es ihn an das Märchen von Rotkäppchen und dem bösen Wolf erinnerte …
‚Saphira, warum hast du so große Augen?‘ – ‚Damit ich dich besser fressen kann!‘ … Ach nein, das war ja der Mund, dachte er und schnaubte zynisch auf – letzteres allerdings nicht nur gedanklich.
Fragend weiteten sich ihre Augen – dass das überhaupt noch möglich war, machte ihn wirklich fertig – und er lenkte den Blick rasch auf das nun zerknüllte Backpapier in seinen Händen, womit er den von ihr gerade gereinigten Boden wieder vollkrümelte.
„Ach, ich weiß gar nicht, was ich rede. Vergiss das einfach.“
„Schon in Ordnung“, erwiderte sie. „Ich kenne das Gefühl, zu viel gesagt zu haben, aber irgendwie ist es mit weniger vertrauten Menschen manchmal einfacher als mit den engsten Freunden, hm?“
Harry grummelte etwas Unverständliches in sich hinein und vollführte eine wegwerfende Handbewegung, als wäre es keine große Sache, konnte seine Mischung aus Schamgefühl und Verzweiflung jedoch nur mäßig verbergen.
Wie um ihm Zeit zu geben nahm Saphira ihm das Backpapier aus den Händen, fegte die Krümel mit einem Schlenker ihres Zauberstabes vom Boden auf und verschwand für einige Minuten in der Küche.
„Es ist nicht wahr“, sagte sie bei ihrer Rückkehr.
„Was?“
„Es ist nicht deine Schuld. Und ich bin mir sicher, das muss dir eigentlich niemand sagen, du erwartest keine Absolution, schon gar nicht von jemandem wie mir, die rein gar nichts gegen Du-weißt-schon-wen unternommen hat. Rational weißt du das. Aber es spielt keine Rolle, oder? Fühlt sich deswegen nicht weniger beschissen an.“
Überrascht hob Harry (der noch immer untätig an ein und derselben Stelle des Raumes stand) den Kopf und war diesmal fast ein wenig enttäuscht, dass Saphira mit dem Zurechtrücken der Stühle beschäftigt war und seinen Blick deshalb nicht erwiderte. Er hatte sich selten so verstanden gefühlt.
„Mummy, Mummy, wir haben U-Boot gespielt, das kann schwimmen – unter Wasser!“, brabbelte Sophie los, die plötzlich zurück in den Raum getapst kam, dicht gefolgt von Andromeda, in deren Armen der schläfrige Teddy lag.
„Unter Wasser, wirklich?“, wiederholte Saphira mit einem breiten Lächeln, die Euphorie ihrer Tochter so aufrichtig teilend, dass es Harry warm ums Herz wurde. Fröhlich hielt Sophie ihr ein Plastikspielzeug unter die Nase, das tatsächlich ein U-Boot darstellte.
Hier wirkte sie deutlich aufgeschlossener und weniger schüchtern als im Haus am Grimmauldplatz und nun verstand Harry, was Saphira mit ihrer Scheu vor fremden Umgebungen und Menschen gemeint hatte, froh darum, dass seine Anwesenheit sie heute zumindest nicht verschreckte. Es war das Haus, dieses verfluchte Haus. Er musste da raus.
„Du musst doch auch ganz müde sein“, meinte Andromeda plötzlich, deren Anwesenheit Harry noch gar nicht richtig registriert hatte. „Schau mal, Teddy schläft schon fast, den bringe ich jetzt ins Bett. Willst du mitkommen?“
„Nicht müde!“, widersprach Sophie überdreht, ließ das U-Boot fallen und verschränkte trotzig die kleinen Ärmchen.
„Nein, gar nicht müde?“, fragte Saphira amüsiert. „Und du wirst gleich auch gar nicht knatschig?“
„Ich … nicht“, begann Sophie mit quengeliger Stimme. Den Rest verstand Harry nicht mehr, da sie mitten im Satz zu weinen anfing.
„Komisch, warum war ich eigentlich immer so schlecht in Wahrsagen? Ich finde, ich kann das ganz gut“, scherzte Saphira in Richtung Harry, wischte Sophie die Tränen vom Gesicht und nahm sie auf den Arm. „Komm, wir bringen dich nach oben.“
Stumm in sich hinein lächelnd sah Harry den Vieren nach und gestand sich ein, dass er Saphira bei weitem nicht mehr so unausstehlich fand wie früher. Eigentlich war sie sogar ganz … angenehm.
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Sonntag, 12.03.2000
Da es sich bei dem darauffolgenden Tag um einen Sonntag handelte und Sonntag nun einmal sein Teddy-Besuchs-Tag war, schlug Harry auch am nächsten Mittag wieder im Hause Tonks auf, obwohl – und auf keinen Fall weil – er wusste, dass der Portschlüssel, den Andromeda für Saphira besorgt hatte, sie erst am Montag zurück zu Ariadne nach Cornwall bringen würde.
Zur Begrüßung winkte Sophie ihm heute eigenständig vom anderen Ende des Wohnzimmers aus zu, nur noch ein winziges bisschen schüchtern, wenn auch noch weit davon entfernt, Teddys Begeisterung für sein Auftauchen zu teilen, der beim Versuch, auf seinen Paten zuzustürmen, glatt über die eigenen Füße stolperte. Ganz so schrecklich, dass man sich vor ihm verstecken musste, war Harry also gar nicht, stellte er erleichtert fest.
„Du bist doch hier die Zugexpertin“, begann Harry nach dem Mittagessen unbeholfen an Saphira gewandt. „Wie ist die Verbindung von hier nach London so?“
„Kommt drauf an, wo genau du hinwillst.“
„Winkelgasse?“
„Ein Stündchen wirst du da schon einplanen müssen“, gab sie zu Bedenken. „Wieso? Hast du deine Apparierlizenz verloren?“
„Nein, ich … Ich dachte nur, wir könnten vielleicht … Fortescues Eissalon hat gestern seine Neueröffnung gefeiert. Wir könnten ihm einen Besuch abstatten.“
„Du und Teddy?“, hakte Saphira nach.
„Ich und Teddy und … du und Sophie. Andromeda freut sich bestimmt über einen freien Nachmittag. – Also falls das für dich in Ordnung ist, wenn ich Teddy mitnehme …“, fragend drehte er sich zu Andromeda um, die hinter ihm den Zauberstab wie einen Taktstock durch die Luft tanzen ließ und die Wäsche dazu brachte, sich selbst akkurat Ecke auf Ecke zu falten. Immer wieder faszinierend, wie spielend leicht dieser Zauber bei ihr aussah, den Harry nicht einmal im Ansatz beherrschte.
„Solange du Saphira mitnimmst, mache ich mir keine Sorgen“, scherzte sie. Und nun waren alle Augen gespannt auf die einzige Blondine im Raum gerichtet.
„Aber … wurde Fortescue nicht umgebracht? Ich dachte, ich hätte da etwas drüber gelesen“, wandte diese ein und verpasste Harrys Laune damit einen ordentlichen Dämpfer.
„Schon …“, bestätigte er nicht länger lächelnd. „Aber sein Neffe hat den Laden übernommen.“
„Ah“, machte Saphira, ähnlich niedergeschlagen dreinblickend wie Harry sich fühlte. „Aber ich weiß wirklich nicht, ob das eine gute Idee ist. Also … dass ich mitkomme, meine ich. Für mich sowieso nicht; und du wirst dich nicht rechtfertigen wollen, dich mit jemandem wie mir abzugeben.“
Unschlüssig zuckte Harry die Schultern. Ganz Unrecht hatte sie nicht. Ihm lag durchaus wenig daran, den Leuten einen weiteren Grund zu geben, ihn anzustarren, auszufragen und grenzüberschreitende Artikel über sein Privatleben zu verfassen. Aber daran hatte er bis eben zum ersten Mal seit Wochen gar nicht gedacht. Tatsächlich war ihm ernsthaft daran gelegen, für Teddy nicht nur der Onkel zu sein, der ihn einmal die Woche fast schon heimlich zu Hause besuchte, aber sich ja nie mit ihm in der Öffentlichkeit blicken ließ. So gerne wollte er dem kleinen Mann die Welt zeigen, die er selbst einst so geliebt hatte, und wenn das bedeutete, sich einen Nachmittag lang zusammenreißen zu müssen, bekam er das auch irgendwie auf die Reihe. Verdammt nochmal, er hatte Voldemort besiegt, da würde er es wohl schaffen, mit seinem Patensohn ein Eis essen zu gehen, oder nicht?
Andromeda schien der gleichen Meinung zu sein.
„Na los, ab mit euch!“, forderte sie aus Richtung der Türe, die zum Flur führte, wo sie den Kindern bereits ihre dick gefütterten Winterjacken überzog, die sie aussehen ließen wie zwei kleine Kugeln mit Beinen.
„Was hab ich mir nur eingehandelt“, murrte Saphira, erhob sich seufzend, und entlockte Harry, der sich kaum erklären konnte, woher seine gute Laune auf einmal stammte, damit ein triumphierendes Grinsen.
„Keine Sorge, Saphira, der Retter der Magierwelt ist interessanter als Malfoys Exfreundin, glaub mir“, stichelte er ironisch, setzte auf ihren ernsten Blick hin, den er nicht zu deuten vermochte, jedoch nach: „Oder seid ihr wieder …?“
„Nein“, entgegnete sie in einem Tonfall, der dieses Thema für mehr als beendet erklärte.
~
„Arm, Arm!“, bettelte Sophie auf den letzten Metern zu Fortescues Eissalon und wurde von ihrer Mutter folgsam hochgehoben, was jedoch nicht konsequenzlos blieb.
„Saffy, auch Arm!“, rief Teddy begeistert und streckte fordernd die Arme nach Saphira aus, was Harry gleichzeitig belustigte wie kränkte. Teddy hätte genauso gut ihn fragen können … Das Wort Saffy allerdings hatte er schon des Öfteren aus Teddys Mund gehört, damit bislang jedoch nichts anfangen können. Saphira hieß das also … Kein Wunder, dass Teddy daraufhin nur selten einen von Harry angebotenen Saft hatte trinken wollen.
„Saffy gleich Bandscheibenvorfall“, grummelte Saphira noch immer nicht sonderlich gut gelaunt in sich hinein.
Harry hingegen konnte über seine mit jedem Sonnenstrahl, der seine Nase kitzelte, besser werdende Stimmung heute ausnahmsweise nicht klagen.
„Komm, Teddy, wir fliegen zum Eis!“, grinste er, schnappte sich den Jungen und hob ihn hoch über seinen Kopf, bis sie vor der Eisdiele angelangt waren. So gelassen wie schon lange nicht mehr setzte er den ausgelassen kichernden Teddy ab und zerwuschelte dessen (heute türkisgrünen) Haare.
Nachdem er zahlreiche Hände geschüttelt und sich hohle Glückwunschfloskeln angehört hatte, die in seinen Ohren nur noch abgedroschen und hölzern klangen, dachte er für einen kurzen Schreckmoment, Saphira sei mitsamt der Kinder einfach ohne ihn wieder verschwunden.
Dann entdeckte er sie in der hintersten Ecke des Ladens – stocksteif aufrecht sitzend, als bestünde ihre Wirbelsäule aus einem einzigen, unbiegsamen Knochen, sodass man sie auf den ersten Blick für eine Schaufensterpuppe hätte halten können. Einzig die lebhafte Freude der Kinder, die sich gemeinsam über einen Eisbecher hermachten, brach die Illusion. Für sich selbst hingegen schien Saphira nichts gekauft zu haben.
„Irgendetwas sagt mir, dass du gerne Zitrone isst“, behauptete Harry, als er ihr wenige Minuten später eine Waffel so dicht unter die Nase hielt, dass sie diese erschrocken hineintunkte.
„Oh, das war keine Absicht“, entschuldigte er sich rasch und biss die Zähne zusammen, um mehr schlecht als recht ein Lachen zu unterdrücken, da er Saphiras Reaktion fürchtete.
„Auch ein Wahrsageprofi, mh?“, gab sie zu seiner Erleichterung lediglich zurück, nahm ihm die Waffel ab und wischte sich mit einer Serviette das Eis vom Gesicht, die Andeutung eines winzigen Lächelns auf den schmalen Lippen.
„Jah … Okay, nein, Andromeda hat es mir beim Rausgehen verraten“, gestand er und starrte unsicher auf den Klecks Zitroneneis, der auf ihrer Nasenspitze zurückgeblieben war.
„Was?“, fragte sie skeptisch.
Anstatt einer Erwiderung hob er den Zeigefinger und wischte es ihr verlegen grinsend weg. Mindestens genauso peinlich berührt schlug Saphira errötend die Augen nieder und Harry erwischte sich dabei, ihre erhitzte Wange berühren zu wollen, schüttelte über diesen seltsamen Gedanken aber sogleich irritiert den Kopf, was Saphiras Aufmerksamkeit wieder auf ihn zog.
„Was?“, fragte sie ein weiteres Mal – und Harry war noch nie so froh gewesen, von einem über und über mit Eis bekleckerten Teddy einen klebrigen Löffel auf die frisch gewaschene Hose gehauen zu bekommen.
„Haiiiiry!“, rief er ungeduldig und deutete dabei auf seinen weit geöffneten Mund, eine sehr unmissverständliche Aufforderung, gefüttert werden zu wollen, der Harry mit dem größtmöglichen Eifer nachkam (was aber auch wirklich gar nichts damit zu tun hatte, dass er vehement versuchte, Saphiras Blick auszuweichen).
~
„Hier komme ich oft her“, erklärte Harry eine Stunde später (nachdem sie der Winkelgasse so rasch entflohen waren, wie es mit zwei neugierigen Kleinkindern eben gelingen konnte) am Eingang des Regent’s Parks. „Muggellondon ist zwar bei Weitem nicht frei von Magiern, aber deutlich anonymer. Wenigstens für ein paar Stunden kann man hier durchatmen.“
„Wow“, murmelte Saphira und sah sich in dem langsam aus dem Winterschlaf erwachenden Park um. „Dass man so schöne Orte in dieser Betonwüste noch findet, hätte ich nicht gedacht. Ich kenne London nicht gut. Mum hat es immer gehasst, herkommen zu müssen.“
„Fehlt sie dir?“, erwiderte Harry gedankenlos und ärgerte sich sogleich über diese unsensible Frage.
„Fehlt dir deine Mutter?“, gab sie zynisch zurück und Harry konnte es ihr nicht verdenken.
„Wir wären wohl beide besser dran, würden unsere Eltern noch leben“, meinte Harry, mehr um irgendetwas zu sagen, das nicht schon wieder eine Entschuldigung für sein dummes Gerede war.
„Das kann man wohl sagen.“ Saphiras Stimme klang so bitterernst, dass es Harry fröstelte und er den Eindruck gewann, es steckte noch mehr dahinter, etwas, das er nicht verstand. Diesmal hatte er wohl einen empfindlichen Nerv bei ihr getroffen. Aber er fragte nicht weiter danach.
„Schaut mal, ein Spielplatz!“, rief er stattdessen, erleichtert über die Ablenkung, und ließ den augenblicklich zapplig werdenden Teddy von seinen Schultern, der so schnell ihn seine kurzen Beinchen trugen dorthin rannte. Sophie begnügte sich damit, an der Hand ihrer Mutter gemütlich darauf zuzuspazieren.
„Wo habt ihr das Medaillon schlussendlich eigentlich gefunden?“, nahm Saphira das Gespräch wieder auf, als sie sich auf einer Bank ein paar Meter vom Sandkasten entfernt niedergelassen hatten, in welchem Sophie und Teddy fleißig mit dem Graben eines Tunnels beschäftigt waren. Ausnahmsweise wirkte es mal so, als wäre nun ihr die Stille unangenehm, obgleich Harry nicht anzweifelte, dass Saphira die Antwort auf diese Frage tatsächlich interessierte und sie im Gegensatz zu ihm nicht bloß kopflos daher brabbelte.
„Puh, jah“, stieß er aus und zerzauste sich die ohnehin niemals ordentlich liegenden Haare, während er das Wirrwarr in seinem Kopf ordnete. Fast schon paranoid blickte er sich um, abwägend, ob er in der Öffentlichkeit überhaupt darüber sprechen wollte, doch kursierten bereits so viele falsche Gerüchte, dass es nicht schaden konnte, schnappte jemand im Vorübergehen ein Fünkchen Wahrheit auf.
„Nachdem Regulus … also, nachdem dein Vater das echte Medaillon ausgetauscht hatte, war es die ganze Zeit in Kreachers Besitz. Er hatte ihm befohlen, es zu zerstören und mit niemandem darüber zu sprechen … jemals. Aber Kreacher konnte es nicht und so … hat er es all die Jahre über behalten. Es ist so …“ Er machte ein ärgerliches Geräusch und schüttelte den Kopf, noch immer fassungslos darüber, dass er den Horkurx längst in Händen gehalten hatte, unwissend, was er bedeutete, wie dieses grässliche Schmuckstück sein Leben beeinflussen und die Freundschaft zwischen ihm, Ron und Hermione auf die Probe stellen sollte … Jahre später. Hätte er sich nur daran erinnert, als er das Medaillon in Bob Ogdens Erinnerung an Merope Gaunts Hals gesehen hatte … Was wäre ihm und Dumbledore erspart geblieben, wenn sie nur im Haus der Blacks oder bei Mundungus danach hätten suchen müssen … Wie viel Leid wäre ihm, Ron und Hermione nicht widerfahren … vielleicht wäre Ron nie abgehauen, hätte der Einfluss des Medaillons ihn nicht mürbe gemacht.
„Wir haben das Medaillon sogar gefunden, als wir das Haus der Blacks in den Sommerferien vor dem fünften Schuljahr grob gereinigt und zum Hauptquartier für den Phönixorden umfunktioniert haben. Als es noch Sirius gehörte … Wenn wir nur geahnt hätten … aber wir haben es einfach weggeworfen.“ Einen Moment hielt er inne, in guten wie schlechten Erinnerungen schwelgend, doch Saphira verhinderte ein vollkommenes Abdriften in längst vergangene Zeiten, indem sie nun irritierter denn je fragte:
„Und wie habt ihr es dann jemals wieder auftreiben können?“
„Haben wir auch gar nicht erst versucht“, pflichtete Harry ihr bei. „Obwohl sie nicht einmal erkannt hat, was das eigentlich ist. Sie dachte, es gehört der Familie Selwyn und wollte damit ihre reinblütige Abstammung beweisen.“
„Selwyn?“, schnappte Saphira. „Das halte ich für höchst fragwürdig, wo doch die Selwyns jahrhundertelang nicht in Großbritannien ansässig waren. Morten Selwyn war der erste und einzige dieser Familie, der in den fünfziger Jahren zurückkehrte – und er hat nur einen Sohn: Drew … Andrew.“
„Ich wusste, ich spreche mit einer Expertin, was die Reinblutdynastien anbelangt“, lächelte Harry in einem Versuch, die Stimmung weiter aufzulockern, doch Saphira zuckte nur die Schultern und blickte irgendwie … wehmütig melancholisch drein, sodass er wieder nicht wusste, was er sagen sollte.
„Ich kannte ihn ganz gut“, sprach sie unvermittelt weiter, die Augen wie haltsuchend auf die spielenden Kinder gerichtet.
„Wen?“
„Drew Selwyn“, seufzte sie. „Wir wollten sogar mal heiraten.“
„Heiraten?“, wiederholte er perplex. „Aber du und Draco wart doch immer …“
„Ach, Harry, wie oft muss ich dir das eigentlich noch ausbuchstabieren?“, spottete sie nun ein wenig entspannter denn zuvor. „Draco und ich sind seit Beginn des sechsten Schuljahres getrennt. Und daran hat sich nie wieder etwas geändert.“
„Hm, krieg ich irgendwie schwer in meinem Kopf.“
Mühsam gelang es ihm, sein Urteil über ihren fragwürdigen Männergeschmack herunterzuschlucken.
„Aber nun erzähl schon, wie habt ihr das Medaillon von Umbridge stehlen können?“, drängte sie nach kurzem Schweigen weiter und Harry begann (so geordnet und nachvollziehbar, wie sein chaotisches Hirn es erlaubte), von ihrer waghalsigen Aktion im Ministerium zu berichten, erstaunt, wie leicht ihm das heute fiel.
~
Als die Sonne sich neigte, fischte Saphira – die so viel mehr Konsequenz und liebevolle Strenge zeigen konnte denn Harry – die Kinder aus dem Sandkasten und pustete ihnen mit warmer Luft aus ihrem Zauberstab den Sand aus Haaren und Kleidung, was Teddy mit einem Lachen und Sophie mit einem quengligen Nörgeln quittierte.
Um sich nicht als vollkommen nutzlos zu erweisen, kniete Harry sich neben sie und zupfte Teddys Schal und Mütze zurecht, ehe er den müde gespielten fast Zweijährigen in die Arme schloss und Saphira dabei beobachtete, ihre Tochter abmarschbereit zu machen. Im Tageslicht und aus der Nähe betrachtet wirkte ihre Haut gar nicht mehr so unecht, besaß Poren, hatte Struktur und sogar Rötungen wie von abheilenden Pickeln entdeckte Harry auf ihrer Stirn. Doch nicht aus Porzellan, sondern aus Fleisch und Blut, eigentlich ganz menschlich, nicht annähernd so unheimlich wie die Puppe, wegen derer er die Tür zu Regulus‘ Zimmer inzwischen abgesperrt hatte. Er wusste, dass es lächerlich war, mehr als das, doch Harry konnte sich nicht helfen: Das knarzende, atmende, hinterlistige Haus hatte ihm schon den ein oder anderen Streich gespielt und bei Merlin, er wollte es nicht gewinnen lassen!
Harry schüttelte diesen Gedanken ab und richtete sich, zur Abreise bereit, gemeinsam mit Saphira auf – im selben Moment, da die Wolke, welche die Sonne bis gerade bedeckt hatte, weiterzog und Saphira gegen das gleißend helle Licht blinzeln musste. Einige Sekunden lang glänzte das Grün ihrer Augen strahlender denn je – als wären sie aus Glas.
Meine eigenen Kommentare zu diesem Kapitel:
In manchen Wochen schaffte er es ja kaum, seine Briefe zu beantworten …
#kleinerselfinsert
Harry war froh, dass sie sich in diesem Moment wegdrehte, um einen ungesagten Reinigungszauber auf den Fußboden zu wirken. Fälschlicherweise hatte sie damit nicht angegeben, darin war sie wirklich gut.
Wow, Saphira ist ne tolle Putzfrau, das ist ja mal sowas von wifeymaterial, schnapp sie dir.
Fragend weiteten sich ihre Augen – dass das überhaupt noch möglich war, machte ihn wirklich fertig – und er lenkte den Blick rasch auf das nun zerknüllte Backpapier in seinen Händen, wodurch er den von ihr gerade gereinigten Boden wieder vollkrümelte.
Schau es dir genau an, Saphira. Mann daheim ist wie ein zweites Kind, krümelt alles voll. Willst du das wirklich?
Wie um ihm Zeit zu geben nahm Saphira ihm das Backpapier aus den Händen, fegte die Krümel mit einem Schlenker ihres Zauberstabes vom Boden auf und verschwand für einige Minuten in der Küche (wo sie hingehörte).
„Arm! Arm!“, beschimpfte Harry die Geringverdiener in London auf den letzten Metern zu Fortescues Eissalon.
Über Kommentare eurerseits würde ich mich auch sehr freuen (:
Das dritte Kapitel ist fast fertig, muss aber noch gebetat werden und da sowohl ich Stress habe, als auch meine Beta nicht auf der Höhe ist … kommt es entweder am 02.12 oder am 09.12 (und weil LeiaZ am 06.12. eine mündliche Prüfung hat und ein neues Kapitel sie zu sehr ablenken würde).
Porzellanpuppen
2. Puppenaugen
Montag, 28.02.2000
„Ich freu mich, dass du gekommen bist“, lächelte Ginny ähnlich steif und verunsichert, wie Harry sich fühlte.
„Samantha und Debby haben auch Besuch von ihren Freunden und gefragt, ob wir später eine Freundschaftspartie spielen wollen?“, führte sie vorsichtig aus und ruderte ob Harrys missmutiger Miene gleich wieder zurück: „Dachte mir, dass du es ablehnen würdest und ich verstehe das, Harry, wirklich. Aber … du kannst nicht ewig vor der Welt davon laufen. Wenn du beginnst, die Leute normal zu behandeln, werden sie ganz schnell merken, dass auch du nur ein ganz normaler, netter Typ bist. Dann hört das Gestarre auf … und die Fragen. Je länger du dich versteckst, desto mysteriöser und interessanter wirkst du.“ Leise seufzend hielt sie einen Moment inne. „Leider nicht auf mich. Mich frustriert das.“
„Ich kann einfach nicht so tun, als wäre das alles nicht passiert. Oder als wäre ich ihr Held in strahlender Rüstung. Ich will einfach nur in Ruhe gelassen werden“, erwiderte Harry unnachgiebig.
„Und ich finde es nicht fair, dass du mir und anderen das unterstellst“, hielt Ginny resigniert dagegen, presste die Zeigefinger zwischen Augen und Nasenrücken, wie sie es immer tat, wenn sie gestresst war … wie sie es so häufig tat in den vergangenen Monaten, wenn er und sie miteinander sprachen.
Mit einer Mischung aus Selbstgefälligkeit und Schuldgefühl vergrub Harry die Hände in den Taschen und stapfte stumm weiter neben Ginny durch die schottischen Highlands, die um diese Jahreszeit bitterkalt und trüb seine Laune widerspiegelten wie nichts anderes.
Warum kannst du nicht einfach sagen, dass es dir leid tut?, ärgerte er sich in Gedanken, doch seine Lippen blieben verschlossen. Jedes verdammte Mal nahm er sich vor, seine Emotionen unter Kontrolle zu bekommen, Ginny nicht für sein Elend verantwortlich zu machen und ihr wenigstens ein Stück weit entgegenzukommen. Sich auch daran zu halten, schaffte er selten. Irgendetwas in ihm sträubte sich dagegen … Da war diese Mauer, die ihn und Ginny trennte, und so sehr er sich auch bemühte, sie zu überwinden, schien er sie bloß jedes Mal weiter hochzuziehen.
Dabei wäre Harry so gerne aufrichtig stolz auf sie, würde sich darüber freuen, wie sehr sie in ihrem neuen Leben als jüngste Jägerin der Holyhead Harpies aufging. Sie war der neue Star am Himmel, begeistert hatten die Fans ihr bei ihrem ersten offiziellen Spiel Anfang des Jahres zugejubelt, die Euphorie der Masse, die pure Glückseligkeit darüber, endlich wieder ein Quidditchspiel sehen, etwas Positives erleben zu können, prickelte in der Luft, sprach jeden menschlichen Sinn an, war ansteckend wie Griselkrätze … einzig Harry blieb dagegen immun.
Ginge es nach ihm, würde er sich nur daheim mit ihr verkriechen, sie im Arm halten und von der Welt um sie herum nichts mitbekommen, die Öffentlichkeit meiden, diese bohrenden Blicke, die ihm Tag für Tag im Nacken stachen … das distanzlose Schulterklopfen fremder Hände auf seinen Schultern, die Verehrung seiner Person von Leuten, die ihn nicht einmal kannten, die nichts von nichts wussten und vollkommen ausblendeten, wie schrecklich die letzten Jahre gewesen waren; Menschen, die in ihm nur den idealisierten Stereotyp eines glorreichen Helden sehen wollten. Ein Zerrbild, das mit ihm nicht das Geringste zu tun hatte.
„Lass uns hintenrum gehen, ja? Vorne warten die Klatschreporter bestimmt schon und ich hab keine Lust, mein Gesicht in der Zeitung sehen zu müssen.“
„Ja?“, gab Ginny schnippisch zurück. „Ist es das? Oder möchtest du nur nicht mit mir gesehen werden? In der Zeitung warst du letzte Woche nämlich wegen deiner großzügigen Spende ans St Mungo.“
„Sie brauchten das für die Einrichtung der Station zur Behandlung von Langzeitschäden der Kriegsverwundeten“, verteidigte sich Harry, wohl wissend, dass es nicht die Spende war, wegen derer sie derart ungehalten wurde.
Es tut mir leid, leid, so unendlich leid, dachte er und brachte es doch nicht über die Lippen.
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Freitag, 10.03.2000
Endlich konnte Harry sich dazu durchringen, Ron und George wieder im Laden zu besuchen, worauf sein bester Freund schon seit Wochen drängte. Mitanzusehen, welch tiefe Narbe Freds Verlust in ihnen hinterlassen hatte, tat in dieser fröhlichen Umgebung besonders weh. Jedes Mal, wenn George den Kopf wandte, um einen Blick mit seinem Zwilling auszutauschen, der dort nicht stand, der nie wieder dort stehen würde, war wie ein heißes Schüreisen, das sich in Harrys Eingeweide bohrte. Und er mochte sich gar nicht ausmalen, wie es George damit ging. Auch Ron wirkte ernster, als fühlte er sich oftmals sichtlich fehl am Platz. Weil er nicht Fred war, weil er nicht derjenige war, der hier arbeiten sollte, und doch … genau die Unterstützung verkörperte, die sein Bruder brauchte.
All ihrer Trauer zum Trotz hielten die beiden sich aufrecht, kämpften weiter, bauten sich eine Zukunft auf.
Rational betrachtet wusste Harry, dass sie das Richtige taten und auch er sich eine Aufgabe suchen sollte, doch fehlte ihm dazu der Elan. In manchen Wochen schaffte er es ja kaum, seine Briefe zu beantworten …
Wenn doch nur Ginny ihn nicht alleine hier zurückgelassen hätte.
Dieser Gedanke war unfair, selbstsüchtig und nicht einmal wahr. Schon bevor sie im November in die Quidditchmannschaft eingetreten war, hatten sie sich entfremdet, obwohl Ginny sich nicht anders verhielt als sonst, nur stärker, erwachsener, noch mehr die Ginny geworden war, in die er sich vor fast drei Jahren verliebt hatte. Doch etwas in ihm fehlte. Etwas in ihm konnte sich ihr nicht mehr öffnen, dabei war sie doch die einzige Frau, die ihn wahrhaft verstand, die einzige, die wusste, was es bedeutete, Voldemort in seinem Kopf zu haben, von ihm manipuliert und besessen zu werden. Eine Frau, die mutiger gekämpft, als Harry sich zumeist gefühlt hatte. Dafür bewunderte, schätzte er sie … Und verdammt, er wollte wieder mit ihr zusammen sein, diese enge Verbundenheit empfinden, die er nur zu ihr jemals empfunden hatte. Aber sein Herz blieb verschlossen und Harry fand keine Worte, die seinen Schuldgefühlen gerecht wurden. Es grenzte an ein Wunder, dass Ginny überhaupt noch Geduld für ihn aufbrachte, nach all den Zugeständnissen, die sie ihm bereits gemacht, den Gefühlsausbrüchen, die sie stoisch durchgestanden hatte, ohne dass von ihm etwas zurückkam. Und Harry war bewusst, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sie ihn endgültig aufgab. Das war nicht, was er wollte – bei Merlin, das war es wirklich nicht –, doch er konnte einfach nicht aus seiner Haut heraus, das Richtige tun.
Sein größter Wunsch, diesen Krieg zu beenden und Voldemort ein für alle Mal zu besiegen, war in Erfüllung gegangen. Doch Harry fühlte sich leer.
Immerhin hatte Ginny ihre Karriere als Halt. Hermione fand ihren Anker in dem, was sie am besten konnte: Lernen. Ron half der Laden, um sich aufrecht zu halten.
Harry … Harry hatte Kreacher. Und ein Haus, in dem er sich einsam und verloren fühlte.
Doch das Schlimmste daran blieb, dass nur er daran Schuld trug. Es war wie Ginny gesagt hatte: Alle Türen stünden ihm offen – wenn er nur wollte.
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Samstag, 11.03.2000
Am Tag darauf hielt er die Stille im Hause Black nicht länger aus. Offenbar war er in letzter Zeit zu häufig unter Menschen gewesen, hatte sich schon wieder daran gewöhnt, nicht alleine zu sein, doch sehen wollte er keinen davon; deshalb suchte er den einzigen Ort auf, an dem er sich frei fühlte, sicher, geborgen, irgendwie zu Hause. So wie früher im Fuchsbau … bevor er in diesem nur noch Gespenster sah, all die Toten, die er zu verantworten hatte.
„Oh“, entfuhr es ihm nur, als er hinter Andromeda das herrlich nach Zimt und Vanille duftende Wohnzimmer betrat und sein Blick auf Saphira fiel, die mit Sophie und Teddy auf dem Boden saß und frische Kekse mit buntem Zuckerguss bemalte.
Ihr zaghaftes Lächeln lag Harry wie ein Stein im Magen.
„Hairy!“, freute Teddy sich lautstark, warf die Hände in die Luft – und einen Keks, der daran klebte, gleich mit. Saphiras Lippen öffneten sich zu einem kleinen Grinsen.
„Na, so haarig ist er nun auch wieder nicht.“
„Ich komm wohl lieber ein andermal wieder“, nuschelte er und wollte sich schon umdrehen, da schob Andromeda ihn weiter in den Raum hinein.
„Du störst nicht. Setz dich dazu, ich wollte gerade Teewasser aufsetzen.“
„Tut mir echt leid wegen neulich“, begann Harry, als Andromeda in der Küche verschwunden war. „Du hast einfach einen wunden Nerv getroffen und da … naja, ist mir ne Sicherung durchgebrannt.“
Bei seinen letzten Worten zog Saphira die Brauen zusammen, als könnte sie mit dem Sprichwort nichts anfangen, bevor sie beschwichtigend sagte:
„Schon in Ordnung. Ich habe mich vielleicht auch etwas harsch abgegrenzt. Bin da inzwischen wohl ein wenig … hm …“
„Ich glaube, ich verstehe, was du meinst“, erwiderte er zerknirscht. „Schlechte Erfahrungen gemacht, hm?“
Saphira zuckte darauf nur die Schultern und überließ Teddy das Feld, der ungeduldig an Harrys Ärmel zerrte, um ihm stolz sein Werk zu präsentieren, und ihn dabei mit Zuckerguss vollschmierte.
„Du wirkst unglücklich“, stellte Saphira anderthalb Stunden später gerade heraus fest, als sie das Chaos im Wohnzimmer gemeinsam beseitigten, indes Andromeda den von oben bis unten klebrigen Kindern im Bad eine Grundreinigung verpasste.
Perplex warf Harry ihr einen Blick zu und fuhr dann fort, das Backpapier vom Boden aufzulesen, die Lippen fest aufeinander gepresst, als löste sich diese Unterstellung von selbst in Schall und Rauch auf, wenn er sie nur lange genug ignorierte.
Die darauffolgende Stille war unerträglich.
Zumindest für Harry. Saphira hingegen schien mit einer Engelsgeduld gesegnet – oder wurde schlichtweg nicht von den gleichen nervenzerreibenden Erinnerungen gequält wie er, wann immer seine Gedanken auch nur in die Nähe der Vergangenheit wanderten. Wie könnte sie auch, schließlich hatten ihre unschuldigen Puppenaugen nicht mitansehen müssen, wie ein Mensch nach dem anderen sein Leben ließ … Bilder, die Harry nie wieder loswurde.
Eine sachte Berührung an seinem Unterarm ließ ihn so heftig zusammenzucken, als hätte Saphira ihn geschlagen.
„Du musst nicht darüber reden, wenn du nicht möchtest“, sagte sie sanft – und obwohl es genau das war, was Harry wollte: schweigen, das Thema eintüten und nie wieder anfassen, stammelte er mehr aus Verlegenheit:
„Es … es fällt mir einfach schwer, zu begreifen, dass der Krieg vorbei ist. Obwohl ich währenddessen gar nicht so … Ich war immer so beschäftigt, musste einfach funktionieren und jetzt … jetzt ist da nur noch … nichts mehr … und ich weiß nicht … egal. Vergiss das einfach.“
Wieder füllte sich der Raum mit Schweigen, mit diesem Nichts, das Harry kaum aushielt, doch diesmal driftete er gedanklich nicht zurück zur Schlacht, zu dem Meer aus Leichen, das die Große Halle gefüllt hatte … Er klammerte sich an den Blickkontakt zu Saphira, betrachtete die grünen Iriden, viel dunkler als seine, und die absurd runde Form ihrer Augen, ein Detail, das sie so unmenschlich wirken ließ, trotz der heute nicht getuschten, blonden Wimpern – oder gerade deswegen.
Endlich blinzelte sie und brach nicht nur den Bann, sondern auch die Stille.
„Du hast mir mal gesagt, dass du in Hogwarts immer am glücklichsten warst. Vielleicht würde es dir gut tun, für ein paar Monate dorthin zurückzukehren. Ich habe gehört, wer zu Beginn des Schuljahres noch nicht wollte oder konnte, darf auch später wieder einsteigen, ohne Druck, unbedingt dieses Jahr noch einen Abschluss machen zu müssen.“
„Auf keinen Fall. Ich will da nicht wieder hin“, presste Harry zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und war froh, dass sie sich in diesem Moment wegdrehte, um einen ungesagten Reinigungszauber auf den Fußboden zu wirken. Fälschlicherweise hatte sie damit nicht angegeben, darin war sie wirklich gut. So konnte Harry sie endlich wieder angucken, ohne dabei von ihren Pupillen durchbohrt zu werden.
„Es muss sehr schlimm gewesen sein, sie alle sterben zu sehen“, sagte Saphira schließlich und klang dabei erleichternderweise nicht, als erwartete sie eine Antwort darauf.
„Draco spricht auch nicht darüber“, fügte sie hinzu und kratzte den jämmerlichen Rest von Harrys Stolz damit an. Nun hatte er also auch noch etwas mit Malfoy gemeinsam, großartig.
Wieder Schweigen. Wieder unerträgliche Stille, in der die Schreie sterbender Mitschüler in Harrys Gedanken widerhallten, bis endlich aus ihm herausbrach, was niemand mehr hören wollte:
„Es ist meine Schuld. Es ist alles meine Schuld. Hätte ich die Horkruxe schneller zerstört … hätte ich mich sofort gestellt und gegen ihn gekämpft, hätte ich nur früher begriffen, dass ich sterben muss, damit seine Seele in mir stirbt … Aber ich war so naiv, ach ich … Wie viele hätten überleben können, wenn ich nur …“
Verzweifelt ballte er die Hände zu Fäusten und atmete harsch aus. Es brachte einfach nichts, darüber zu sprechen, jedes Mal wurde er nur wütender und wütender auf sich selbst und konnte doch kaum aufhören, hatte er diese Türe einmal geöffnet, immer in der absurden Hoffnung, dieses Thema tot zu diskutieren könnte irgendetwas ändern …
„Dieser Friedhof auf den Ländereien … ich habe ihn nach der Trauerfeier nie wieder besucht. Ich sollte dort liegen, niemand sonst …“
Seine Stimme verebbte im Nebel der Erinnerungen und kaum hatte er geendet, war Harry sein emotionaler Ausbruch schon wieder unangenehm. Die verständnisvolle Milde in Saphiras Blick würde ihn beruhigen, wären ihre Augen nicht so gruselig groß, dass es ihn an das Märchen von Rotkäppchen und dem bösen Wolf erinnerte …
‚Saphira, warum hast du so große Augen?‘ – ‚Damit ich dich besser fressen kann!‘ … Ach nein, das war ja der Mund, dachte er und schnaubte zynisch auf – letzteres allerdings nicht nur gedanklich.
Fragend weiteten sich ihre Augen – dass das überhaupt noch möglich war, machte ihn wirklich fertig – und er lenkte den Blick rasch auf das nun zerknüllte Backpapier in seinen Händen, womit er den von ihr gerade gereinigten Boden wieder vollkrümelte.
„Ach, ich weiß gar nicht, was ich rede. Vergiss das einfach.“
„Schon in Ordnung“, erwiderte sie. „Ich kenne das Gefühl, zu viel gesagt zu haben, aber irgendwie ist es mit weniger vertrauten Menschen manchmal einfacher als mit den engsten Freunden, hm?“
Harry grummelte etwas Unverständliches in sich hinein und vollführte eine wegwerfende Handbewegung, als wäre es keine große Sache, konnte seine Mischung aus Schamgefühl und Verzweiflung jedoch nur mäßig verbergen.
Wie um ihm Zeit zu geben nahm Saphira ihm das Backpapier aus den Händen, fegte die Krümel mit einem Schlenker ihres Zauberstabes vom Boden auf und verschwand für einige Minuten in der Küche.
„Es ist nicht wahr“, sagte sie bei ihrer Rückkehr.
„Was?“
„Es ist nicht deine Schuld. Und ich bin mir sicher, das muss dir eigentlich niemand sagen, du erwartest keine Absolution, schon gar nicht von jemandem wie mir, die rein gar nichts gegen Du-weißt-schon-wen unternommen hat. Rational weißt du das. Aber es spielt keine Rolle, oder? Fühlt sich deswegen nicht weniger beschissen an.“
Überrascht hob Harry (der noch immer untätig an ein und derselben Stelle des Raumes stand) den Kopf und war diesmal fast ein wenig enttäuscht, dass Saphira mit dem Zurechtrücken der Stühle beschäftigt war und seinen Blick deshalb nicht erwiderte. Er hatte sich selten so verstanden gefühlt.
„Mummy, Mummy, wir haben U-Boot gespielt, das kann schwimmen – unter Wasser!“, brabbelte Sophie los, die plötzlich zurück in den Raum getapst kam, dicht gefolgt von Andromeda, in deren Armen der schläfrige Teddy lag.
„Unter Wasser, wirklich?“, wiederholte Saphira mit einem breiten Lächeln, die Euphorie ihrer Tochter so aufrichtig teilend, dass es Harry warm ums Herz wurde. Fröhlich hielt Sophie ihr ein Plastikspielzeug unter die Nase, das tatsächlich ein U-Boot darstellte.
Hier wirkte sie deutlich aufgeschlossener und weniger schüchtern als im Haus am Grimmauldplatz und nun verstand Harry, was Saphira mit ihrer Scheu vor fremden Umgebungen und Menschen gemeint hatte, froh darum, dass seine Anwesenheit sie heute zumindest nicht verschreckte. Es war das Haus, dieses verfluchte Haus. Er musste da raus.
„Du musst doch auch ganz müde sein“, meinte Andromeda plötzlich, deren Anwesenheit Harry noch gar nicht richtig registriert hatte. „Schau mal, Teddy schläft schon fast, den bringe ich jetzt ins Bett. Willst du mitkommen?“
„Nicht müde!“, widersprach Sophie überdreht, ließ das U-Boot fallen und verschränkte trotzig die kleinen Ärmchen.
„Nein, gar nicht müde?“, fragte Saphira amüsiert. „Und du wirst gleich auch gar nicht knatschig?“
„Ich … nicht“, begann Sophie mit quengeliger Stimme. Den Rest verstand Harry nicht mehr, da sie mitten im Satz zu weinen anfing.
„Komisch, warum war ich eigentlich immer so schlecht in Wahrsagen? Ich finde, ich kann das ganz gut“, scherzte Saphira in Richtung Harry, wischte Sophie die Tränen vom Gesicht und nahm sie auf den Arm. „Komm, wir bringen dich nach oben.“
Stumm in sich hinein lächelnd sah Harry den Vieren nach und gestand sich ein, dass er Saphira bei weitem nicht mehr so unausstehlich fand wie früher. Eigentlich war sie sogar ganz … angenehm.
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Sonntag, 12.03.2000
Da es sich bei dem darauffolgenden Tag um einen Sonntag handelte und Sonntag nun einmal sein Teddy-Besuchs-Tag war, schlug Harry auch am nächsten Mittag wieder im Hause Tonks auf, obwohl – und auf keinen Fall weil – er wusste, dass der Portschlüssel, den Andromeda für Saphira besorgt hatte, sie erst am Montag zurück zu Ariadne nach Cornwall bringen würde.
Zur Begrüßung winkte Sophie ihm heute eigenständig vom anderen Ende des Wohnzimmers aus zu, nur noch ein winziges bisschen schüchtern, wenn auch noch weit davon entfernt, Teddys Begeisterung für sein Auftauchen zu teilen, der beim Versuch, auf seinen Paten zuzustürmen, glatt über die eigenen Füße stolperte. Ganz so schrecklich, dass man sich vor ihm verstecken musste, war Harry also gar nicht, stellte er erleichtert fest.
„Du bist doch hier die Zugexpertin“, begann Harry nach dem Mittagessen unbeholfen an Saphira gewandt. „Wie ist die Verbindung von hier nach London so?“
„Kommt drauf an, wo genau du hinwillst.“
„Winkelgasse?“
„Ein Stündchen wirst du da schon einplanen müssen“, gab sie zu Bedenken. „Wieso? Hast du deine Apparierlizenz verloren?“
„Nein, ich … Ich dachte nur, wir könnten vielleicht … Fortescues Eissalon hat gestern seine Neueröffnung gefeiert. Wir könnten ihm einen Besuch abstatten.“
„Du und Teddy?“, hakte Saphira nach.
„Ich und Teddy und … du und Sophie. Andromeda freut sich bestimmt über einen freien Nachmittag. – Also falls das für dich in Ordnung ist, wenn ich Teddy mitnehme …“, fragend drehte er sich zu Andromeda um, die hinter ihm den Zauberstab wie einen Taktstock durch die Luft tanzen ließ und die Wäsche dazu brachte, sich selbst akkurat Ecke auf Ecke zu falten. Immer wieder faszinierend, wie spielend leicht dieser Zauber bei ihr aussah, den Harry nicht einmal im Ansatz beherrschte.
„Solange du Saphira mitnimmst, mache ich mir keine Sorgen“, scherzte sie. Und nun waren alle Augen gespannt auf die einzige Blondine im Raum gerichtet.
„Aber … wurde Fortescue nicht umgebracht? Ich dachte, ich hätte da etwas drüber gelesen“, wandte diese ein und verpasste Harrys Laune damit einen ordentlichen Dämpfer.
„Schon …“, bestätigte er nicht länger lächelnd. „Aber sein Neffe hat den Laden übernommen.“
„Ah“, machte Saphira, ähnlich niedergeschlagen dreinblickend wie Harry sich fühlte. „Aber ich weiß wirklich nicht, ob das eine gute Idee ist. Also … dass ich mitkomme, meine ich. Für mich sowieso nicht; und du wirst dich nicht rechtfertigen wollen, dich mit jemandem wie mir abzugeben.“
Unschlüssig zuckte Harry die Schultern. Ganz Unrecht hatte sie nicht. Ihm lag durchaus wenig daran, den Leuten einen weiteren Grund zu geben, ihn anzustarren, auszufragen und grenzüberschreitende Artikel über sein Privatleben zu verfassen. Aber daran hatte er bis eben zum ersten Mal seit Wochen gar nicht gedacht. Tatsächlich war ihm ernsthaft daran gelegen, für Teddy nicht nur der Onkel zu sein, der ihn einmal die Woche fast schon heimlich zu Hause besuchte, aber sich ja nie mit ihm in der Öffentlichkeit blicken ließ. So gerne wollte er dem kleinen Mann die Welt zeigen, die er selbst einst so geliebt hatte, und wenn das bedeutete, sich einen Nachmittag lang zusammenreißen zu müssen, bekam er das auch irgendwie auf die Reihe. Verdammt nochmal, er hatte Voldemort besiegt, da würde er es wohl schaffen, mit seinem Patensohn ein Eis essen zu gehen, oder nicht?
Andromeda schien der gleichen Meinung zu sein.
„Na los, ab mit euch!“, forderte sie aus Richtung der Türe, die zum Flur führte, wo sie den Kindern bereits ihre dick gefütterten Winterjacken überzog, die sie aussehen ließen wie zwei kleine Kugeln mit Beinen.
„Was hab ich mir nur eingehandelt“, murrte Saphira, erhob sich seufzend, und entlockte Harry, der sich kaum erklären konnte, woher seine gute Laune auf einmal stammte, damit ein triumphierendes Grinsen.
„Keine Sorge, Saphira, der Retter der Magierwelt ist interessanter als Malfoys Exfreundin, glaub mir“, stichelte er ironisch, setzte auf ihren ernsten Blick hin, den er nicht zu deuten vermochte, jedoch nach: „Oder seid ihr wieder …?“
„Nein“, entgegnete sie in einem Tonfall, der dieses Thema für mehr als beendet erklärte.
~
„Arm, Arm!“, bettelte Sophie auf den letzten Metern zu Fortescues Eissalon und wurde von ihrer Mutter folgsam hochgehoben, was jedoch nicht konsequenzlos blieb.
„Saffy, auch Arm!“, rief Teddy begeistert und streckte fordernd die Arme nach Saphira aus, was Harry gleichzeitig belustigte wie kränkte. Teddy hätte genauso gut ihn fragen können … Das Wort Saffy allerdings hatte er schon des Öfteren aus Teddys Mund gehört, damit bislang jedoch nichts anfangen können. Saphira hieß das also … Kein Wunder, dass Teddy daraufhin nur selten einen von Harry angebotenen Saft hatte trinken wollen.
„Saffy gleich Bandscheibenvorfall“, grummelte Saphira noch immer nicht sonderlich gut gelaunt in sich hinein.
Harry hingegen konnte über seine mit jedem Sonnenstrahl, der seine Nase kitzelte, besser werdende Stimmung heute ausnahmsweise nicht klagen.
„Komm, Teddy, wir fliegen zum Eis!“, grinste er, schnappte sich den Jungen und hob ihn hoch über seinen Kopf, bis sie vor der Eisdiele angelangt waren. So gelassen wie schon lange nicht mehr setzte er den ausgelassen kichernden Teddy ab und zerwuschelte dessen (heute türkisgrünen) Haare.
Nachdem er zahlreiche Hände geschüttelt und sich hohle Glückwunschfloskeln angehört hatte, die in seinen Ohren nur noch abgedroschen und hölzern klangen, dachte er für einen kurzen Schreckmoment, Saphira sei mitsamt der Kinder einfach ohne ihn wieder verschwunden.
Dann entdeckte er sie in der hintersten Ecke des Ladens – stocksteif aufrecht sitzend, als bestünde ihre Wirbelsäule aus einem einzigen, unbiegsamen Knochen, sodass man sie auf den ersten Blick für eine Schaufensterpuppe hätte halten können. Einzig die lebhafte Freude der Kinder, die sich gemeinsam über einen Eisbecher hermachten, brach die Illusion. Für sich selbst hingegen schien Saphira nichts gekauft zu haben.
„Irgendetwas sagt mir, dass du gerne Zitrone isst“, behauptete Harry, als er ihr wenige Minuten später eine Waffel so dicht unter die Nase hielt, dass sie diese erschrocken hineintunkte.
„Oh, das war keine Absicht“, entschuldigte er sich rasch und biss die Zähne zusammen, um mehr schlecht als recht ein Lachen zu unterdrücken, da er Saphiras Reaktion fürchtete.
„Auch ein Wahrsageprofi, mh?“, gab sie zu seiner Erleichterung lediglich zurück, nahm ihm die Waffel ab und wischte sich mit einer Serviette das Eis vom Gesicht, die Andeutung eines winzigen Lächelns auf den schmalen Lippen.
„Jah … Okay, nein, Andromeda hat es mir beim Rausgehen verraten“, gestand er und starrte unsicher auf den Klecks Zitroneneis, der auf ihrer Nasenspitze zurückgeblieben war.
„Was?“, fragte sie skeptisch.
Anstatt einer Erwiderung hob er den Zeigefinger und wischte es ihr verlegen grinsend weg. Mindestens genauso peinlich berührt schlug Saphira errötend die Augen nieder und Harry erwischte sich dabei, ihre erhitzte Wange berühren zu wollen, schüttelte über diesen seltsamen Gedanken aber sogleich irritiert den Kopf, was Saphiras Aufmerksamkeit wieder auf ihn zog.
„Was?“, fragte sie ein weiteres Mal – und Harry war noch nie so froh gewesen, von einem über und über mit Eis bekleckerten Teddy einen klebrigen Löffel auf die frisch gewaschene Hose gehauen zu bekommen.
„Haiiiiry!“, rief er ungeduldig und deutete dabei auf seinen weit geöffneten Mund, eine sehr unmissverständliche Aufforderung, gefüttert werden zu wollen, der Harry mit dem größtmöglichen Eifer nachkam (was aber auch wirklich gar nichts damit zu tun hatte, dass er vehement versuchte, Saphiras Blick auszuweichen).
~
„Hier komme ich oft her“, erklärte Harry eine Stunde später (nachdem sie der Winkelgasse so rasch entflohen waren, wie es mit zwei neugierigen Kleinkindern eben gelingen konnte) am Eingang des Regent’s Parks. „Muggellondon ist zwar bei Weitem nicht frei von Magiern, aber deutlich anonymer. Wenigstens für ein paar Stunden kann man hier durchatmen.“
„Wow“, murmelte Saphira und sah sich in dem langsam aus dem Winterschlaf erwachenden Park um. „Dass man so schöne Orte in dieser Betonwüste noch findet, hätte ich nicht gedacht. Ich kenne London nicht gut. Mum hat es immer gehasst, herkommen zu müssen.“
„Fehlt sie dir?“, erwiderte Harry gedankenlos und ärgerte sich sogleich über diese unsensible Frage.
„Fehlt dir deine Mutter?“, gab sie zynisch zurück und Harry konnte es ihr nicht verdenken.
„Wir wären wohl beide besser dran, würden unsere Eltern noch leben“, meinte Harry, mehr um irgendetwas zu sagen, das nicht schon wieder eine Entschuldigung für sein dummes Gerede war.
„Das kann man wohl sagen.“ Saphiras Stimme klang so bitterernst, dass es Harry fröstelte und er den Eindruck gewann, es steckte noch mehr dahinter, etwas, das er nicht verstand. Diesmal hatte er wohl einen empfindlichen Nerv bei ihr getroffen. Aber er fragte nicht weiter danach.
„Schaut mal, ein Spielplatz!“, rief er stattdessen, erleichtert über die Ablenkung, und ließ den augenblicklich zapplig werdenden Teddy von seinen Schultern, der so schnell ihn seine kurzen Beinchen trugen dorthin rannte. Sophie begnügte sich damit, an der Hand ihrer Mutter gemütlich darauf zuzuspazieren.
„Wo habt ihr das Medaillon schlussendlich eigentlich gefunden?“, nahm Saphira das Gespräch wieder auf, als sie sich auf einer Bank ein paar Meter vom Sandkasten entfernt niedergelassen hatten, in welchem Sophie und Teddy fleißig mit dem Graben eines Tunnels beschäftigt waren. Ausnahmsweise wirkte es mal so, als wäre nun ihr die Stille unangenehm, obgleich Harry nicht anzweifelte, dass Saphira die Antwort auf diese Frage tatsächlich interessierte und sie im Gegensatz zu ihm nicht bloß kopflos daher brabbelte.
„Puh, jah“, stieß er aus und zerzauste sich die ohnehin niemals ordentlich liegenden Haare, während er das Wirrwarr in seinem Kopf ordnete. Fast schon paranoid blickte er sich um, abwägend, ob er in der Öffentlichkeit überhaupt darüber sprechen wollte, doch kursierten bereits so viele falsche Gerüchte, dass es nicht schaden konnte, schnappte jemand im Vorübergehen ein Fünkchen Wahrheit auf.
„Nachdem Regulus … also, nachdem dein Vater das echte Medaillon ausgetauscht hatte, war es die ganze Zeit in Kreachers Besitz. Er hatte ihm befohlen, es zu zerstören und mit niemandem darüber zu sprechen … jemals. Aber Kreacher konnte es nicht und so … hat er es all die Jahre über behalten. Es ist so …“ Er machte ein ärgerliches Geräusch und schüttelte den Kopf, noch immer fassungslos darüber, dass er den Horkurx längst in Händen gehalten hatte, unwissend, was er bedeutete, wie dieses grässliche Schmuckstück sein Leben beeinflussen und die Freundschaft zwischen ihm, Ron und Hermione auf die Probe stellen sollte … Jahre später. Hätte er sich nur daran erinnert, als er das Medaillon in Bob Ogdens Erinnerung an Merope Gaunts Hals gesehen hatte … Was wäre ihm und Dumbledore erspart geblieben, wenn sie nur im Haus der Blacks oder bei Mundungus danach hätten suchen müssen … Wie viel Leid wäre ihm, Ron und Hermione nicht widerfahren … vielleicht wäre Ron nie abgehauen, hätte der Einfluss des Medaillons ihn nicht mürbe gemacht.
„Wir haben das Medaillon sogar gefunden, als wir das Haus der Blacks in den Sommerferien vor dem fünften Schuljahr grob gereinigt und zum Hauptquartier für den Phönixorden umfunktioniert haben. Als es noch Sirius gehörte … Wenn wir nur geahnt hätten … aber wir haben es einfach weggeworfen.“ Einen Moment hielt er inne, in guten wie schlechten Erinnerungen schwelgend, doch Saphira verhinderte ein vollkommenes Abdriften in längst vergangene Zeiten, indem sie nun irritierter denn je fragte:
„Und wie habt ihr es dann jemals wieder auftreiben können?“
„Oh, Kreacher, die alte Elster, hat es aus dem Müll gerettet – wie so vieles. Nach Sirius‘ Tod allerdings“, Harry riss sich zusammen und sprach so rasch weiter, dass kein Raum für hinderliche Emotionen blieb, „hat Mundungus Fletcher einen kleinen Diebesfeldzug durch das Haus veranstaltet und es mitgenommen, um es zu Geld zu machen. Und dann wurde er von Umbridge bei seinen kleinen Gaunereien erwischt … und gab ihr das Medaillon als Bestechungsgeschenk.“
Gebannt lauschte Saphira jedem seiner Worte und hauchte an dieser Stelle: „Oh, na ihr würde ich ungerne versuchen, so etwas wieder abzuschwatzen. Sie hat doch damals die Prozesse gegen Muggelstämmige geführt … Ich war nicht dabei, aber … Freunde von mir. Es muss furchtbar gewesen sein.“
Gebannt lauschte Saphira jedem seiner Worte und hauchte an dieser Stelle: „Oh, na ihr würde ich ungerne versuchen, so etwas wieder abzuschwatzen. Sie hat doch damals die Prozesse gegen Muggelstämmige geführt … Ich war nicht dabei, aber … Freunde von mir. Es muss furchtbar gewesen sein.“
„Haben wir auch gar nicht erst versucht“, pflichtete Harry ihr bei. „Obwohl sie nicht einmal erkannt hat, was das eigentlich ist. Sie dachte, es gehört der Familie Selwyn und wollte damit ihre reinblütige Abstammung beweisen.“
„Selwyn?“, schnappte Saphira. „Das halte ich für höchst fragwürdig, wo doch die Selwyns jahrhundertelang nicht in Großbritannien ansässig waren. Morten Selwyn war der erste und einzige dieser Familie, der in den fünfziger Jahren zurückkehrte – und er hat nur einen Sohn: Drew … Andrew.“
„Ich wusste, ich spreche mit einer Expertin, was die Reinblutdynastien anbelangt“, lächelte Harry in einem Versuch, die Stimmung weiter aufzulockern, doch Saphira zuckte nur die Schultern und blickte irgendwie … wehmütig melancholisch drein, sodass er wieder nicht wusste, was er sagen sollte.
„Ich kannte ihn ganz gut“, sprach sie unvermittelt weiter, die Augen wie haltsuchend auf die spielenden Kinder gerichtet.
„Wen?“
„Drew Selwyn“, seufzte sie. „Wir wollten sogar mal heiraten.“
„Heiraten?“, wiederholte er perplex. „Aber du und Draco wart doch immer …“
„Ach, Harry, wie oft muss ich dir das eigentlich noch ausbuchstabieren?“, spottete sie nun ein wenig entspannter denn zuvor. „Draco und ich sind seit Beginn des sechsten Schuljahres getrennt. Und daran hat sich nie wieder etwas geändert.“
„Hm, krieg ich irgendwie schwer in meinem Kopf.“
Mühsam gelang es ihm, sein Urteil über ihren fragwürdigen Männergeschmack herunterzuschlucken.
„Aber nun erzähl schon, wie habt ihr das Medaillon von Umbridge stehlen können?“, drängte sie nach kurzem Schweigen weiter und Harry begann (so geordnet und nachvollziehbar, wie sein chaotisches Hirn es erlaubte), von ihrer waghalsigen Aktion im Ministerium zu berichten, erstaunt, wie leicht ihm das heute fiel.
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Als die Sonne sich neigte, fischte Saphira – die so viel mehr Konsequenz und liebevolle Strenge zeigen konnte denn Harry – die Kinder aus dem Sandkasten und pustete ihnen mit warmer Luft aus ihrem Zauberstab den Sand aus Haaren und Kleidung, was Teddy mit einem Lachen und Sophie mit einem quengligen Nörgeln quittierte.
Um sich nicht als vollkommen nutzlos zu erweisen, kniete Harry sich neben sie und zupfte Teddys Schal und Mütze zurecht, ehe er den müde gespielten fast Zweijährigen in die Arme schloss und Saphira dabei beobachtete, ihre Tochter abmarschbereit zu machen. Im Tageslicht und aus der Nähe betrachtet wirkte ihre Haut gar nicht mehr so unecht, besaß Poren, hatte Struktur und sogar Rötungen wie von abheilenden Pickeln entdeckte Harry auf ihrer Stirn. Doch nicht aus Porzellan, sondern aus Fleisch und Blut, eigentlich ganz menschlich, nicht annähernd so unheimlich wie die Puppe, wegen derer er die Tür zu Regulus‘ Zimmer inzwischen abgesperrt hatte. Er wusste, dass es lächerlich war, mehr als das, doch Harry konnte sich nicht helfen: Das knarzende, atmende, hinterlistige Haus hatte ihm schon den ein oder anderen Streich gespielt und bei Merlin, er wollte es nicht gewinnen lassen!
Harry schüttelte diesen Gedanken ab und richtete sich, zur Abreise bereit, gemeinsam mit Saphira auf – im selben Moment, da die Wolke, welche die Sonne bis gerade bedeckt hatte, weiterzog und Saphira gegen das gleißend helle Licht blinzeln musste. Einige Sekunden lang glänzte das Grün ihrer Augen strahlender denn je – als wären sie aus Glas.
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Meine eigenen Kommentare zu diesem Kapitel:
In manchen Wochen schaffte er es ja kaum, seine Briefe zu beantworten …
#kleinerselfinsert
Harry war froh, dass sie sich in diesem Moment wegdrehte, um einen ungesagten Reinigungszauber auf den Fußboden zu wirken. Fälschlicherweise hatte sie damit nicht angegeben, darin war sie wirklich gut.
Wow, Saphira ist ne tolle Putzfrau, das ist ja mal sowas von wifeymaterial, schnapp sie dir.
Fragend weiteten sich ihre Augen – dass das überhaupt noch möglich war, machte ihn wirklich fertig – und er lenkte den Blick rasch auf das nun zerknüllte Backpapier in seinen Händen, wodurch er den von ihr gerade gereinigten Boden wieder vollkrümelte.
Schau es dir genau an, Saphira. Mann daheim ist wie ein zweites Kind, krümelt alles voll. Willst du das wirklich?
Wie um ihm Zeit zu geben nahm Saphira ihm das Backpapier aus den Händen, fegte die Krümel mit einem Schlenker ihres Zauberstabes vom Boden auf und verschwand für einige Minuten in der Küche (wo sie hingehörte).
„Arm! Arm!“, beschimpfte Harry die Geringverdiener in London auf den letzten Metern zu Fortescues Eissalon.
Über Kommentare eurerseits würde ich mich auch sehr freuen (:
Das dritte Kapitel ist fast fertig, muss aber noch gebetat werden und da sowohl ich Stress habe, als auch meine Beta nicht auf der Höhe ist … kommt es entweder am 02.12 oder am 09.12 (und weil LeiaZ am 06.12. eine mündliche Prüfung hat und ein neues Kapitel sie zu sehr ablenken würde).