Das Leben
von melodream
Kurzbeschreibung
Das Leben. Substantiv. Einmalige Sache mit begrenzter Dauer. Das Leben kennt jeder. Jeder hat nur eines. Jeder definiert es anders. Und manchmal treffen zwei komplett unterschiedliche Leben aufeinander. So unterschiedliche Leben, dass sie offensichtlich überhaupt nicht zueinander passen können. Oder etwa doch?
GeschichteDrama / P16 / Het
OC (Own Character)
11.11.2022
11.03.2023
19
40.026
8
Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
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10.02.2023
1.986
>>Wir leben zu sehr in der Vergangenheit, haben Angst vor der Zukunft und vergessen dabei völlig, die Gegenwart.<<
-Unbekannt-
-Unbekannt-
Juli 2022
--Vetles Sicht--
Die letzten Wochen waren wirklich anstrengend gewesen. Das Training in der letzten Zeit war ziemlich intensiv gewesen und seine Laune war auch nicht die Beste und daran war noch nicht einmal das anstrengende Training Schuld. Nein, daran war JEMAND Schuld oder besser gesagt die Funkstille, die zwischen ihnen herrschte. Thea!
Als sie im April zu seinem Date ja gesagt hatte und es dann auch noch so perfekt lief, hatte er wirklich geglaubt es bei ihr geschafft zu haben. Aber da hatte er sich getäuscht. Nachdem er sie damals zu Hause abgesetzt hatte, hatte er von ihr nichts mehr gehört oder gesehen. Sie antwortete auf keine Nachricht oder Anrufe von ihm. Zu ihrer Tante wollte er nicht schon wieder gehen. Er verstand Thea nicht. Weshalb küsste sie ihn und wollte danach scheinbar so überhaupt nichts mehr mit ihm zu tun haben? Es ergab für ihn einfach keinen Sinn.
Vetle war mittlerweile an dem Punkt angelangt Thea nicht mehr zu kontaktieren und er versuchte auch nicht mehr an die hübsche Blondine zu denken, aber das klappte nicht so wie er es gerne wollen würde. Er wusste, dass er sich noch zu sehr über ihr Verhalten ärgerte, als das er wirklich mit ihr abschließen konnte und außerdem war es ihm auch bewusst, dass er mittlerweile auch tiefe Gefühle für sie entwickelt hatte. Und die konnte man nicht so einfach abstellen. Zudem war es auch nicht gerade hilfreich, dass er wusste das sie für ihn aktuell zum greifen nah war.
Er war gerade in Geilo um den Ausbau der Familienhütte weiter zu kontrollieren und ihr Auto stand in der Einfahrt des Nachbarhauses. Seufzend wandte er seinen Blick von ihrem Auto ab und begann entschlossen mit seiner Joggingrunde, die er eigentlich nur laufen wollte um auf andere Gedanken zu kommen. Vetle war eigentlich viel zu kaputt von seinem heutigen Training um jetzt noch eine Runde joggen zu gehen, aber seine Gedanken kreisten unaufhörlich um Thea und er konnte es nicht länger ertragen.
Sein Atem kam ihm nach kurzer Zeit stoßweise von seinen Lippen und endlich konnte er loslassen. Vetle konzentrierte sich auf seine regelmäßige Atmung. Für Thea war kein Platz mehr in seinem Kopf und das tat so gut. Er lief ohne groß darüber nachzudenken einfach immer weiter. Die Gegend rund um Geilo kannte er wie seine Westentasche, von daher machte er sich keine Gedanken darum wohin seine Beine ihn führen würden.
Umso geschockter war er, wohin seine Beine ihn nun tatsächlich geführt hatten.
Von Weitem erkannte er sofort wer da saß. Ganz allein auf weiter Flur saß Thea und hatte ihr Gesicht hinter ihren Knien verborgen. Vetle musste ihr noch nicht einmal ins Gesicht schauen, um zu erkennen, dass es ihr nicht gut ging. Alles in ihm schrie, dass er sofort umdrehen sollte. Doch er konnte es einfach nicht. Vetle verringerte sein Tempo und blieb vor ihr stehen. Langsam ging er vor der kleineren Blondine in die Hocke und griff ihr vorsichtig an den Arm. Durch Theas Körper ging ein Ruck und erschrocken sah sie in sein Gesicht. Sie hatte ihn scheinbar nicht kommen hören.
„Keine Angst, ich bin´s nur“, beschwichtigend hob Vetle beide Arme nach oben, doch Thea versteifte sich vor ihm. Vetle musste ein Seufzen unterdrücken, als er etwas von ihr zurückwich um ihr damit mehr Raum zu geben.
„Alles gut bei dir?“, eigentlich musste Vetle ihr diese Frage gar nicht stellen. Es war total offensichtlich, dass es Thea nicht gut ging. Thea nickte und wischte sich gleichzeitig die Tränen schniefend weg. Mit hochgezogenen Augenbrauen sah er auf die zusammengekauerte Frau herab. Wem wollte sie das erzählen? Er glaubte ihr kein Wort.
„Kannst du bitte gehen?“, ihre Stimme war nur ein Krätzen.
„Du glaubst doch nicht allen Ernstes, dass ich dich in diesem Zustand alleine lasse“, das konnte doch nicht ihr Ernst sein. Vetle machte es sich nun erst einmal auf den Boden gemütlich und streckte seine langen Beine aus. Zu hocken war auf Dauer wirklich sehr unbequem. Von Thea schien nichts weiter zu kommen. Ihr Blick ging an Vetle vorbei in die Ferne.
„Wenn du mir schon nicht erzählen willst, was gerade mit dir los ist, dann erzähl mir doch wenigstens, weshalb du mir auf keine Nachricht geantwortet hast und weshalb du mir scheinbar aus dem Weg gehst?“, eigentlich wollte er ja mit ihr abschließen, aber jetzt war sie hier und konnte ihm hoffentlich endlich die Antworten geben, die er so dringend für sich selber brauchte. Doch Thea blieb weiterhin stumm.
„Thea meinst du nicht, dass du mir da eine Antwort schuldig bist?“, Theas Augen suchten seine. Sie schien wütend zu sein, so wie ihre Augen blitzten. Doch sie blieb stumm.
„Bin ich zu weit gegangen?“, diese Frage hatte er sich die letzten Wochen immer wieder gestellt. War er zu weit gegangen an diesem Abend im Mai? Aber er war doch die ganze Zeit ehrlich zu ihr gewesen. Mit seiner Einladung zu einem Date war er doch offensichtlich in die Offensive gegangen. Er hatte damit seine Absichten deutlich zu verstehen geben wollen. Und sie hatte sich doch darauf eingelassen. Deswegen verstand er sie nicht.
„Du hast nichts falsch gemacht“, jetzt verstand er es noch weniger. Sie sprach für ihn in Rätseln.
„ICH bin der Grund. Vetle, ICH wäre ein Fehler, den du nicht begehen solltest“, so dachte sie? Wie kam sie darauf?
„Wie kommst du darauf?“, er wollte sie ja verstehen, aber er kam beim besten Willen nicht mit.
„Weil ich weiß, wer ich bin. Glaube mir, es ist besser so“, er konnte es nicht glauben, was sie ihm hier sagte.
„Das kannst du doch nicht ernst meinen?!“, Thea stand nun auf und schaute auf ihn herab.
„Es tut mir wahnsinnig leid, dass ich dir Hoffnungen gemacht habe, die es nicht gibt. Glaube mir Vetle, du bist ohne uns besser dran“, ohne uns. Also ging es hier nicht nur um sie, sondern auch um Mads? Er verstand es immer noch nicht, doch er ließ sie gehen. Er hatte mit vielem gerechnet. War gedanklich mehrere Varianten durchgegangen, weshalb sie ihn seit ihrem Kuss ignorierte. Doch seine Vermutungen kamen nicht im Ansatz an die Wahrheit, die Thea ihm gerade eröffnet hatte. Doch war es auch die Wahrheit? Vetle wusste es in diesem Moment einfach nicht einzuschätzen. Glauben konnte er es jedoch nicht.
--Theas Sicht--
Noch aufgelöster wie vor ihrer Joggingrunde rannte sie so schnell sie konnte von Vetle davon. Und sie rannte nicht nur vor dem großen Norweger davon, sondern auch vor ihren Gefühlen für diesen Mann. Das war ihr durchaus bewusst, auch wenn sie Vetle etwas anderes gesagt hatte. Es war vielleicht nicht unbedingt fair Vetle gegenüber, aber sie empfand es als eine Notwendigkeit.
Vetle und sie hatten keine Chance auf eine gemeinsame Zukunft und Vetle durfte sich keine großen Hoffnungen machen. Das war sie ihm schuldig. Schlimm genug, dass sie es soweit hatte kommen lassen.
Mit mächtig Seitenstechen kam sie wieder an dem Haus ihrer Tante an. Fix und fertig stützte sie sich mit ihren Armen auf den brennenden Oberschenkel ab. Sie bekam kaum noch Luft, so verausgabt hatte sie sich. Thea brauchte ein paar Augenblicke, bis sie die wenigen Stufen zur Haustür erklomm. Ihre Beine fühlten sich wie Wackelpudding an, sodass sie sich mit ihren Händen krampfhaft am Geländer festhalten musste. Eigentlich hätte sie ihrem Körper noch etwas Ruhe gönnen müssen, aber in ihrem Zustand wollte sie nicht länger als nötig in der Öffentlichkeit verweilen. Es war schon schlimm genug, dass Vetle sie eben gerade in diesem Zustand gefunden hatte.
Erschöpft rutschte sie drinnen angekommen an der wieder geschlossenen Haustür nach unten. Ließ ihre sowieso schon ziemlich ramponierte Maske komplett fallen und musste richtig schlurzen, als nun ihre ganzen Gefühle auf sie einprasselten. Die positiven Gefühle, die sie mit Vetle verband. Das Kribbeln auf der Haut, wenn er sie berührte. Das Kribbeln im Bauch, wenn er sie ansah. Ihr starkes Herzklopfen, wenn sie an ihn dachte. Und all die negativen Gefühle, woran sie selber Schuld war. Sie vermisste ihn jede Sekunde, in der er nicht an ihrer Seite war. Sie trauerte um die gemeinsame Zukunft, die sie nicht zulassen konnte, weil sie so eine starke Angst davor hatte. Sie konnte kaum atmen, so sehr tat es ihr weh.
„Du meine Güte Thea“, sie erkannte an der Stimme schon ihre Tante. Sie musste gar nicht aufsehen. Keine Sekunde später spürte sie ihre Wärme um sich, als Sigrid sie versuchte in den Arm zu nehmen.
„Was ist passiert?“, fragte Tante Sigrid sanft und strich ihr immer weiter beruhigend über den Rücken. Doch Thea schüttelte nur mit dem Kopf. Sie hatte keine Kraft jetzt auch noch ein Gespräch mit ihrer Tante zu führen. Ihr Gespräch mit Vetle hatte ihr schon alles abverlangt.
„MAMMA!“, erschrocken hob Thea ihren Kopf. Mads stand oben an der Treppe und sah sie ängstlich an. Ihr wurde richtig schlecht. Es war die eine Sache, dass es ihr aktuell wirklich schlecht ging, aber eine andere Sache, dass es Mads sah. Thea versuchte sich zusammenzureißen und bündelte alle Energie, die sie noch hatte, wischte sich die Tränen weg und stand auf. Sigrid musste sie stützen, sonst hätte sie sofort wieder auf dem Boden gesessen, so sehr war ihr Kreislauf gerade im Keller.
„Es ist alles in Ordnung Schatz. Ich bin nur etwas zu schnell gejoggt und nun etwas K.O.“, flunkerte sie nun Mads an. Er durfte sich keine Sorgen um sie machen. Sie musste doch stark für sie Beide sein. Doch gerade war sie das komplette Gegenteil. Sie war schwach.
„Wirklich?“, Thea nickte.
„Ich geh jetzt duschen und dann komm ich zu dir, okay?“, unsicher nickte Mads und verschwand aus ihrem Sichtfeld. Tief atmete sie durch. Das was gerade passiert war, durfte ihr nie wieder passieren. Das schwörte sie sich, so sehr ekelte sie sich gerade vor sich selber.
Erschöpft ließ sie sich nun in die Arme ihre Tante fallen und fing wieder hemmungslos an zu weinen. Tante Sigrid zog sie sanft aber bestimmend ins Wohnzimmer und sie war ihr dafür mehr als dankbar. Sie wollte nicht, dass Mads sie so noch einmal sehen musste. Lange hielt sie sich wie eine Ertrinkende an Sigrid fest, welche sie weiterhin einfach nur stumm im Arm hielt. Erst als ihre Tränen versiegt waren und sie nicht mehr schlurzen musste löste ihre Tante die feste Umarmung.
„Was ist passiert?“, fragte Tante Sigrid nun abermals.
„Vetle“, Theas Stimme hörte sich für sie selbst so fremd an, so belegt war sie von dem ganzen Weinen.
Alleine nur seinen Namen in den Mund zu nehmen tat unfassbar weh.
„Er stand eben plötzlich vor mir“, ihr Kopf war gerade so leergefegt und sie wusste gar nicht, wie sie es ihrer Tante weiter erzählen sollte.
„Habt ihr endlich miteinander gesprochen?“, Thea nickte.
„Wie hat er reagiert?“, Sigrid wusste was sie ihm sagen wollte. Seit mehreren Wochen war ihr Entschluss mit Vetle komplett abzuschließen und ihn ziehen zu lassen immer wieder von ihrer Tante aufgewärmt und diskutiert worden. Sigrid hielt nicht viel davon, dass wusste sie. Aber Thea wusste, dass sie selber noch nicht bereit war und Vetle es definitiv nicht verdient hatte, dass sie es miteinander probierten. Er hatte etwas besseres verdient. Eine Frau, die psychisch nicht so kaputt war vom Leben. Denn das war sie. Ein psychisches Wrack, welches kurz davor war einzubrechen. Sie wäre ihm nur ein Klotz am Bein. Er brauchte sie nicht. Auch war ihre Angst wieder verletzt und verlassen zu werden viel zu groß. Ihr Entschluss war seit längeren in Stein gemeißelt, sie wusste das es richtig war. Doch es fühlte sich gerade so falsch an.
„Nicht gut“, es tat ihr in der Seele weh sich an das vorherige Gespräch mit ihm zu erinnern. Seine traurigen Augen in ihren Gedanken wieder vor Augen zu sehen. Sie hatte gewusst, dass dieses Gespräch nicht einfach werden würde, aber das es so weh tat überforderte sie immens.