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But I'm only human

Kurzbeschreibung
GeschichteAngst, Schmerz/Trost / P12 / MaleSlash
Alexander "Alec" Gideon Lightwood Isabelle "Izzy" Sophia Lightwood Jonathan Christopher "Jace" Herondale Magnus Bane
10.11.2022
18.11.2022
2
5.727
6
Alle Kapitel
1 Review
Dieses Kapitel
noch keine Reviews
 
 
10.11.2022 3.061
 
A/N: Sup guys? Willkommen zu meiner ersten Story hier. Denkt an die Triggerwarnung von der   Summary und solltet ihr Probleme damit haben, solche dark Storys zu lesen, dann verlasst diese Geschichte bitte wieder. Die mentale Gesundheit geht definitiv vor und ist wichtiger, als sich irgendeine Fanfiction durchzulesen.
Ich übernehme keine Verantwortung für Menschen, die trotz der Warnung hier reinschauen.
Ansonsten viel Spaß mit der Fanfic^^

PS: Hab die Bücher grad erst angefangen und bin echt begeistert. Lore und so könnte aber etwas off sein, also gern auf inhaltliche Fehler, wie auch auf Rechtschreib- und Grammtikfehler hinweisen ;)
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A waste of space

Alec’s POV

Ich hatte Zahlen noch nie gemocht.
Schon als ich klein war bereitete es mir Kopfschmerzen, mich über meine Mathehausaufgaben zu beugen und sie lösen zu müssen. Wenn es nach mir gegangen wäre, dann hätte ich meine Eltern angefleht, niemals wieder etwas mit Zahlen machen zu müssen, denn die meiste Zeit ergaben sie ohnehin keinen Sinn für mich.
Manche von ihnen musste man dividieren, andere musste man multiplizieren und manchmal gab es noch diese winzigen Zahlen, die schräg über den normal großen Zahlen standen und die mich höhnisch angrinsten, denn ich verstand ihre Bedeutung einfach nicht.
Und was Dinge wie Pi oder geometrische Formeln anging… die hatte ich bis heute nicht kapiert.
Vielleicht war es deshalb so einfach für mich, ein Shadowhunter zu sein. Es gab keine dämlichen Zahlen, die mir im Weg standen, nichts zu berechnen, nichts zu denken.
Ich musste nur kämpfen, meinen Körper spüren und mich voll und ganz auf meine Sinne verlassen, die geschärfter waren, als sich ein
normaler Mundi jemals vorstellen konnte.
Ja, ich hasste Zahlen.
Und ich hätte mir niemals vorstellen können, dass Zahlen eines Tages mein gesamtes Leben bestimmen würden.
~~~~~~~~~~

Alles begann an einem Mittwoch Abend, in Magnus gemütlichem Wohnzimmer, innerhalb seines riesigen Lofts.
Wir waren noch nicht lange zusammen, seit einigen Wochen erst und um meine Familie besser kennenzulernen hatte Magnus eingewilligt, meine Geschwister und Clary zu sich nach Hause einzuladen.
Es sollte nichts Großartiges werden (zumindest, wenn man mich fragte), nur ein netter Abend zu fünft.
Doch ich kannte Magnus, meinen wunderschönen, liebevollen Magnus, und ich hätte von vornherein wissen müssen, dass das Ganze schneller ausarten würde, als ich blinzeln konnte.
„Krieg ich auch noch einen Drink?“
Izzys Stimme riss mich aus den Gedanken.
Die Schwarzhaarige hatte sich auf ihrem Stuhl vorgebeugt und hielt Magnus grinsend ihr Martini Glas hin, während meiner Hexenmeister sich bereits selbst den Raziel-weiß-wie-vielten-Drink einschenken wollte.
„Selbstverständlich, meine Liebe.“
Magnus stellte die Flasche ab, griff nach ihrem Glas und platzierte es neben seinem eigenen, ehe er den Alkohol abermals in die Hand nahm.
Die roten LED Leisten des Wohnzimmers waren gedimmt, laute Musik einer Band, die ich nicht kannte, dudelte im Hintergrund.
Jace und Clary saßen rechts von mir, kabbelten albern herum und versuchten sich gegenseitig ihre Sandwiches zu klauen.
Mental verdrehte ich die Augen, bei der Art, wie mein Bruder sich in der Nähe der Rothaarigen aufführte, dann wandte ich mich meiner Schwester zu.
„Bist du dir sicher, dass du noch einen willst?“, fragte ich, während ich das dümmliche Grinsen in ihrem Gesicht kritisch beäugte.
Sie war bereits angetrunken, ihre geröteten Wangen waren ein klares Indiz dafür.
Doch sie machte lediglich eine abwertende Handbewegung.
„Komm schon, Alec, sei kein Spielverderber“, schnaubte sie, „wenn Magnus noch einen trinken kann, dann ich auch!“
„Er hat aber auch gut 300 Jahre Erfahrung im Trinken“, warf ich augenblicklich ein, doch Magnus lachte neben mir nur.
„400“, korrigierte er mich automatisch, verschüttete ein wenig von dem Martini, als ich ihm leicht meinen Ellbogen in die Rippen rammte und gab Izzy dann ihr, etwas klebriges, Glas zurück, „und wenn du meine Meinung hören willst: Man kann nie zu viel trinken.“
„Danke.“
Isabelle betonte das Wort unnötig, während sie mich bedeutsam anblickte.
Ich schüttelte den Kopf.
„Du bist ein furchtbarer Einfluss!“, wisperte ich meinem Freund zu, dann blickte ich zurück zu meiner Schwester, „Und da Magnus das nicht sagt, tue ich es: Sei nicht wie er und wirf dein Leben weg, nur aufgrund von Alkohol.“
Meine Stimme klang wohl etwas dramatischer, als ich es geplant hatte und da die Anwesenden selbst bei meinem grausigen Humor wohl wussten, dass ich nur scherzte, fingen sie an zu lachen.
„Ich bitte dich, Alexander, ich werfe mein Leben nicht weg. Ich habe nur ein bisschen Halsschmerzen“, versuchte sich Magnus kichernd zu rechtfertigen.
Clary blickte von ihrem Gezanke mit Jace auf.
„Und trinken hilft da?“, wollte die Rothaarige mit zusammengezogenen Brauen wissen.
„Natürlich. Wunden desinfiziert man doch bekanntlich mit Alkohol. Ich mache nichts anderes.“
Nun konnte ich ebenfalls mein Lachen nicht mehr zurück halten.
Ungewollt prustete ich durch geschlossene Lippen.
„So funktioniert das nicht!“, widersprach ich bestimmt, keuchend zwischen den Lachanfällen.
Magnus schenkte mir einen liebevollen Blick, ein spöttisches Grinsen auf den Lippen.
„Doch das tut es, meine geliebte, ungebildete Erdnuss.“
„Erdnuss!“, widerholte Jace laut und noch während ich dabei war, rot anzulaufen, fing mein Bruder vor Lachen beinahe an zu grölen, „Ich glaube, so speicher ich dich im Handy ein!“
„Wag dich!“, knurrte ich zurück und stützte mein Gesicht in meine Handflächen, um meine vor Scham heißen Wangen verbergen zu können.
„Kommst du heute eigentlich zurück ins Institut oder bleibst du hier im Loft?“
Meine wundervolle, angetrunkene Schwester bewies doch tatsächlich am meisten Taktgefühl von all diesen Neandertalern.
Anscheinend hatte sie ledglich helfen wollen, dass Thema zu ändern, doch genauso gut könnte es auch sein, dass sie wissen wollte, ob ich hier blieb um später ungestört…. Was auch immer…. Mit Magnus zu machen.
Mein Kopf fühlte sich an, als würde er zu einem Feuerball mutieren.
„Wir schlafen nicht miteinander!“, platzte es auch schon aus mir heraus.
Verdammt, Magnus und ich waren erst seit vier Wochen zusammen!
„Tun wir nicht?“
Gespielt unschuldig ließ Magnus seinen Zeigefinger über den Rand seines Glases wandern.
„Na, in dem Fall kann ich die Bestellung extra großer Kondome wieder stonieren.“
„Magnus!“
Entgeistert starrte ich meinen Freund an; Isabelle ließ, laut kichernd, beinahe ihr Glas fallen.
Als Antwort zwinkerte mir mein Hexenmeister liebevoll zu und, verdammt, wenn dieser idiotische Schattenweltler nicht alles für mich bedeuten würde, hätte ich ihn erwürgt.
„Wann wurde dieser Abend eigentlich zu einem Macht-Alec-fertig-Event?“, nuschelte ich halblaut.
„Vermutlich, als Magnus beschlossen hat uns einzuladen“, antwortete Jace automatisch, klaute Clary den letzten Bissen ihres Sandwiches und tippte mit der linken Hand etwas auf seinem Smartphone herum.
Wenn der Kerl sich Notizen über diesen Abend machte, um mich hinterher damit aufzuziehen, dann…
„Aber ja, ich hatte geplant hier zu übernachten“, beantwortete ich Izzys Frage, um mich selbst von künftigen Mordgedanken gegenüber meines Bruders abzuhalten, „natürlich nur, wenn es für dich okay ist.“
Rasch drehte ich den Kopf in Richtung meines Freundes.
Ich wusste, dass ich hier immer willkommen war und wenn es nach meinem glitzernden Hexenmeister ging, wäre ich schon lange hier eingezogen.
Doch dazu fühlte ich mich noch längst nicht bereit.
„Natürlich, Darling.“
Magnus trank sein Glas leer und stellte es zurück auf den Beistelltisch, ehe er mich grinsend anblickte.
„Aber wehe, du nimmst wieder so viel Platz im Bett ein.“
Es war nur ein gutgemeinter Satz, ein paar Worte, die meine Geschwister und Clary zum Lachen bringen sollten.
Es war nichts böses an dem, was er sagte, nichts, worüber ich mir Gedanken machen sollte.
Und dennoch warfen mich seine Worte beinahe von den Füßen.
Es sei denn, du nimmst wieder so viel Platz ein.
So viel Platz…
Es waren diese, so unschuldig gemeinten Worte, die etwas innerhalb meiner Erinnerungen wachkitzelten, etwas, dass ich so lange hatte sehnlichst vergessen wollen.
Zu viel Platz einzunehmen bedeutete, dass ich fett war.
Und ich konnte nicht fett sein, nicht nach allem, was ich getan hatte um dafür zu sorgen, dass das nie wieder passierte. Nie wieder.
Es hatte Jahre gedauert um zu einer Größe zusammenzuschrumpfen, für die ich mich nicht länger zu schämen brauchte.
Und jetzt sagte mir Magnus, dass das alles umsonst gewesen war?
Eine Mahlzeit alle zehn Tage, hin und wieder der einzelne Bissen eines Snacks, endlose Trainingseinheiten, Tabletten, Tränen, Panikattacken, Wut, Verzweiflung, Hilf-
Nein.
Ich sollte nicht weiter an diese düstere Zeit zurückdenken und doch wurde sie von jetzt auf gleich wachgerüttelt, nur durch diesen einzelnen Satz.
Hielt Magnus mich für fett? War es das, was er hatte ausdrücken wollen?
„…Alec?“
Jace stubste mich sanft, aber bestimmt, in die Seite, um mich aus dem Gedankenstrudel zu reißen, in dem ich zu ertrinken drohte.
„Hä?“, machte ich, wenig gestreich und blickte zu meinem Bruder, welcher mich besorgt von der Seite musterte.
„Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte er mich leise, vermutlich, um niemand anderen auf meine momentane Gefühlslage aufmerksam zu machen.
Clary hatte sich zu Isabelle gesetzt, vermutlich, da Jace eine zu große Zumutung für sie zu sein schien und ich hörte im Hintergrund, wie die Mädchen wild mit Magnus über etwas diskutierten.
Über was, vermochte ich nicht zu sagen, doch es interessierte mich auch nicht wirklich.
„Ja, doch, alles…“
Ich verstummte.
Warum sprach ich nicht weiter? Es war alles okay. Das, was ich hier empfand… das war nichts als eine kleine, unbedeutende Unsicherheit, nicht wahr? Jeder der hier Anwesenden hatte Unsicherheiten, da war ich mir sicher. Ich sollte kein riesen Thema aus nichts machen, denn genau das war das hier: Nichts.
Und doch konnte ich mich nicht dazu bringen, das zu glauben.
„Denkst du, dass ich dick bin?“
Die Worte entwischten meinen Lippen, ohne mich um Erlaubnis zu fragen.
Das Lächeln auf Jace‘ Gesicht verschwand, stattdessen tauchte eine steile Sorgenfalte auf seiner Stirn auf.
Und schon wünschte ich mir, ich könnte meine Worte wieder einsammeln und zurück in meine Kehle stopfen.
„Nein, das denke ich nicht“, begann mein Bruder langsam, die Stimme noch immer gedämpft, „du bist schlank, Alec, das warst du schon immer.“
Ich nickte abwesend.
Es war nicht wahr, was Jace sagte, das war mir bewusst.
Natürlich musste er mir das sagen; er war immerhin mein Bruder. Ich könnte zweihundert Kilo wiegen und aussehen, wie ein Ravener Dämon und Jace würde mir trotzdem sagen, dass ich toll aussah.
Denn genau so funktionierte das.
Er würde mir niemals die Wahrheit sagen und dass obwohl ich doch wusste, dass er log.
Langsam, beinahe reflexartig wanderte meine Hand zu meinem Shirt und ich drückte die Haut oberhalb meines Bauchnabels zusammen, um zu sehen, wie weit ich sie von meinem Körper wegziehen konnte.
Es war zu weit.
Jace bemerkte die Bewegung nicht, die ich da tat, oder vielleicht tat er das und er wollte mich nicht darauf hinweisen.
So oder so, sein besorgter Blick vertiefte sich.
„Alec“, murmelte er und rutschte näher zu mir, während ich aus dem Augenwinkel bemerkte, wie Clary die betrunkene Isabelle zum Tanzen aufforderte, „du weißt, dass du nicht dick bist, oder?“
Ich wollte ihm sagen, dass er dieses Schauspiel lassen sollte, dass er mir sagen sollte, was für mich selbst nur zu offentsichtlich zu sehen war.
Zum Beispiel meine Oberschenkel, die mir plötzlich viel zu breit erschienen, so, wie sie gegen den flachen Untergrund der Couch gepresst waren.
Und doch traute ich mich nicht, meinem Parabatai zu sagen, was in mir vorging.
„Ja, klar“, erwiderte ich rasch und bemühte mich um ein Lächeln, „du hast recht. Ich… ich bin nur müde, das ist alles.“
Schnell stand ich von meinem Platz auf und durchquerte das Zimmer, doch Jace, der nur bedingt beruhigt durch meine Aussge zu sein schien, lief mir nach und hielt mich am Arm fest.
„Hör mal“, flüsterte er, „Komm doch heute zurück ins Institut. Wir trainieren ein bisschen, kriegen den Kopf frei und dann reden wir, okay?“
Ich wollte ja sagen.
Wenn ich das getan hätte, dann wäre vielleicht all das innerhalb der nächsten Wochen, was mir bevorstand, vielleicht nicht passiert.
Doch ich konnte nicht.
Ich wollte nicht alles wieder hochwühlen, was ich so sorgsam in den hintersten Ecken meines Gedächtnisses vergraben hatte.
„Ist schon gut, Jace“, hörte ich mich ablehnen, ehe ich es verhindern konnte, „ich komme schon klar. Es ist alles gut, ehrlich. Und würdest du mich jetzt bitte aufs Klo lassen?“
Jace öffnete den Mund, vermutlich um etwas zu erwidern.
Doch dann besann er sich eines besseren und ließ meinen Arm los.
„Ja, natürlich. Fall nur nicht rein“, versuchte er zu scherzen, doch die Besorgnis ließ seine hellen Augen dunkler erscheinen.
Ich nickte nur, erwiderte nichts darauf und lief aus dem Wohnzimmer.
Während ich die Treppen nach oben in Richtung Badezimmer lief, wanderte mein Blick abermals zu meinen Oberschenkeln und ich hätte beinahe humorlos aufgelacht.
Natürlich sahen sie plötzlich dünner aus, jetzt, wo es keinen Stuhl und keine Couch gab, die sich in sie hinein bohrten.
Doch ich fiel nicht auf dieses Täuschung herein, denn ich hatte gesehen, wie sie wirklich aussahen.
Und ich hasste sie.

Ich stieß, oben angekommen, die Tür zum Bad auf, verschloss sie hinter mir und lehnte mich gegen sie, um zu Atem zu kommen.
Als ich Jace sagte, ich müsse aufs Klo war das eigentlich eine himmelschreiende Lüge gewesen.
Und doch war ich froh hier zu sein, alleine, denn unter all den anderen hätte ich es nicht länger ausgehalten.
Es sei denn, du nimmst wieder so viel Platz ein.
Magnus Worte dröhnten in meinen Ohren und schütteten beißende Säure über meinen Innereien aus.
Ich hatte diese Worte schon einmal gehört oder zumindest so ähnlich und es war vor einer lange Zeit gewesen.
Damals als-
„Egal!“, zischte ich in die Stille des Badezimmers hinein.
Ich sollte… Ich durfte nicht weiter darüber nachdenken.
Denn wenn ich es tat, würde ich unter dem Gewicht dieser Gedanken zerbrechen.
Langsam ballten sich meine Hände zu Fäusten, ehe mein Blick an dem großen Ganzkörperspiegel hängen blieb, der sich weiter rechts von mir befand.
Warum Magnus so ein Teil besaß, war mir unbegreiflich.
Ich hasste Spiegel.
Ein Blick und sie würden dir all deine Fehler aufzeigen ohne Rücksicht auf deine Gefühle, ohne Rücksicht darauf, wie sehr sie dich verletzten.
Und ich wusste, was der Spiegel mir zeigen würde, immerhin hatte ich die Wahrheit über mich selbst schon vor fünf Jahren erkannt.
Ich wusste, dass meine Hüften zu breit waren und meine Arme Baumstämmen glichen.
Ich wusste, dass mein Bauch zu rund war, dass meine Oberschenkel so breit waren, wie Türrahmen.
Und wenn ich könnte, dann würde ich eine Kreissäge nehmen um mir das Fett vom Körper zu schneiden, so lange, bis ich eine Figur hatte, mit der ich leben konnte.
Der Schmerz spielte keine Rolle, so lange ich nur perfekt sein könnte.
Und genau das hatte ich für Magnus immer gewollt.
Ich hatte gewollt, dass Magnus, der selbst aussah wie ein Gott, auf mich herabblickte und mich als perfekt ansehen konnte.
Das tat er nicht, natürlich nicht, aber immerhin hatte er sich getraut, mir das heute zu sagen.
Wie hatte ich nur glauben können, jemand wie er würde auch nur etwas an mir auch nur ansatzweise als schön empfinden.
Mein Blick löste sich schließlich von dem Spiegel, wanderte weiter nach unten… und blieb an etwas hängen, dass ich seit Jahren nicht mehr gesehen hatte.
Eine Waage.
Natürlich hatte Magnus eine Waage.
Wie hatte ich nur glauben können, in dieses Badezimmer zu flüchten und vor allem geschützt zu sein?
Langsam machte ich einen Schritt nach vorn und meine Knie beugten sich, während meine verräterischen Finger nach dem glänzenden, gläsernen Gerät griffen, um es unter dem Waschbecken hervorzuziehen.
Ich sollte das nicht tun, denn ich wusste, wie gefählich es war.
Es war eine Eintrittskarte direkt zurück in den dunklen Kaninchenbau, in den ich vor Jahren fiel und aus dem ich nur mühsam entkommen war.
Und doch schien mich die Waage lächelnd zu begrüßen, als ich sie vor mir auf den kalten Marmorfließen platzierte.
Es war so lange her, dass ich auf sie gestiegen war und die Freundschaft, die wir damals hatten, war stark, beinahe stärker als jeder Parabtai-Bund den ich je eingehen könnte.
Es spielte keine Rolle, dass diese Freundschaft gefährlich, toxisch und gewalttätig war.
Denn das hier… das war eine einmalige Sache.
Ich würde auf sie steigen, um mir selbst ins Gedächtnis zu rufen, dass Magnus nur Witze machte, dass ich nicht dick war und dass ich mir um nichts Sorgen zu machen brauchte.
Und dann würde auch meine Neugier befriedigt werden und ich würde es nie wieder tun müssen.
Nur ein einziges Mal und ich würde auch nicht zulassen, dass es mir in irgendeiner Art und Weise zu schaffen machte.
Ich würde nicht zulassen, dass dieses eine Mal mich zurück in die Dunkelheit zog, die am Rande meines Verstands auf mich lauerte.
Ich war stärker als damals.
Noch ehe ich ganz wusste, was ich tat, war ich bereits auf die Waage gestiegen, die Stimme der Vernunft hatte sich schon längst aus dem Staub gemacht.
Mein Blick klebte an der blau leuchtenden Anzeige, darauf wartend, dass all meine Fehler und Sünden in Zahlen auf ihr auftauchten.
Und als die Waage schließlich mit einem leisen Piepen das Ergebnis verkündete, ließ ich den Atem entweichen, von dem ich nicht einmal merkte, dass ich ihn anhielt.
Es war… okay.
Nicht toll, nicht schön, nicht perfekt.
Aber okay.
Beinahe lächelnd hüpfte ich von der Waage wieder hinunter, zufrieden mit mir selbst.
Ich hatte mich gewogen und mir ging es gut.
Es gab keine dunklen Gedanken, die in meinem Kopf auftauchten und ich spürte auch, dass ich nicht dabei war, einen Rückfall zu erleiden.
Alles war in bester Ordnung.
Es sei denn…
Lass es, Alec, wisperte mir mein gesunder Menschenverstand zu, geh zurück zu den anderen.
Doch das konnte ich nicht.
Denn ein Gedanke war lauter, als alle anderen.
Wenn ich meine Klamotten auszog… dann würde ich leichter sein, oder?
Nur einmal meine Kleidung ausziehen und noch einmal ganz kurz auf die Waage und dann…
Dann würde ich mit der ganzen Sache endlich wirklich abschließen können.
Ohne zu zögern entledigte ich mich meinem Shirt und warf es zu Boden, meine Hose und die Schuhe folgten ebenfalls.
Sogar die Socken zog ich aus und nun, nur noch in Boxershorts bekleidet, stieg ich noch einmal auf die Waage, dessen glatte Oberfläche mich in eine eiskalte Umarmung zog.
Erneut piepte das kleine Gerät und als ich auf die Zahlen blickte, war ich doch tatsächlich beinahe ein ganzes Kilogramm leichter, als zuvor.
Ein warmes Gefühl, dass ich seit langer Zeit nicht mehr gespürt hatte, breitete sich in meiner Brust aus.
Ich wusste, dass dieses Gefühl mein Untergang sein würde.



Und gleichzeitig wusste ich auch, dass ich es noch einmal spüren wollte.



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