Der Besucher
Kurzbeschreibung
Wie steht es tatsächlich um Gisburne? - Zeitrahmen: Die Geschichte spielt nach „The Knights of the Apocalypse“
GeschichteDrama / P16 / Gen
Guy of Gisburne
Robin of Loxley / Robert of Huntingdon
03.11.2022
03.11.2022
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1.110
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Als Loxley ihn das erste Mal besuchen kam, dauerte es geraume Zeit, bis ihm wieder einfiel, dass der Gesetzlose bereits seit vielen Jahren tot war. Aber dann stellte er fest, dass ihn dies nicht störte, denn er war froh, weil er trotzdem gekommen war. Zuvor hatte er sich ziemlich einsam gefühlt.
Und bei jedem weiteren Besuch dachte er immer seltener daran. Stattdessen staunte er darüber, wie gut Loxley aussah. Der Gesetzlose schien sich völlig von seinen Verletzungen erholt zu haben und auch darüber war er sehr froh. Nur mit einem Schaudern erinnerte er sich daran, was er damals auf dem Hügel vorgefunden und im Wald beerdigt hatte. Die Überreste hatten nichts mehr von dem anderen gehabt, er war nicht mehr zu erkennen.
Aber nun war er erneut in der Lage, die Schönheit des Gesetzlosen zu bewundern, das lange dunkle Haar, die grünen, intelligenten Augen, das ausdrucksstarke Gesicht, die kräftigen Hände und die wohlgeformte Gestalt. Es war die reine Freude, ihn zu betrachten, wenn er vor ihm im Sonnenlicht stand.
Aber sobald Loxley seine Augen auf ihn richtete, konnte er nicht anders, als den Blick zu senken. Er wollte einfach nicht sehen, wie sich der Gesichtsausdruck des anderen veränderte, sobald er auf ihn blickte. Er wusste nur zu genau, was der andere zu sehen bekam und darum schaute er ihn in diesen Momenten nicht an.
Trotzdem konnte er nicht vermeiden, dass er damit begann, sie beide zu vergleichen. Er erinnerte sich an Loxleys Füße, die in sauberen Stiefeln steckten und an seine muskulösen Beine und dann blickte er auf seine eigenen nackten und schmutzigen Füße, die mit getrocknetem Blut bedeckt waren und mit Wunden übersät. Er blickte auf die metallenen Fesseln, die seine Fußknöchel umschlossen und immer wieder die Haut darunter aufscheuerten. Und er blickte auf seine Beine, die nicht viel dicker waren als die Knochen, die direkt unter der Haut lagen.
Dies erinnerte ihn auch daran, für wie lange er Hunger gelitten hatte, der so extrem geworden war, dass er sich sogar auf den Abfall stürzte, den sie zu ihm hineinwarfen und von dem er zu Beginn angenommen hatte, es handele sich um das, was die Schweine verweigert hatten zu fressen. Später war er sich darüber nicht mehr so sicher. Aber weil der Hunger inzwischen wieder verschwunden war, hatte er auch vergessen, wann er seine letzte Mahlzeit erhalten hatte.
Jetzt wollte er sich lieber an der Schönheit des anderen Mannes erfreuen, bevor er seinen Blick erneut auf sich selbst richtete. Auf seine schmutzigen, zerschundenen Hände, deren Finger er immer wieder versucht hatte, in die richtige Form zu bringen, nur um dann feststellen zu müssen, dass seine Mühen immer wieder zunichte gemacht wurden. Aber er hatte nicht vor, dies zuzulassen, weil er seine Hände intakt benötigte, um ein Schwert zu halten. Wie sollte er sonst je wieder kämpfen können?
Loxleys Hände hingegen wiesen lange kräftige Finger auf, die nicht nur gut zupacken konnten, sondern auch zärtlich streicheln. Dies bewies er bei jedem seiner Besuche. Der andere pflegte einen Finger unter sein Kinn zu legen und seinen Kopf anzuheben, der ansonsten so schwer geworden war, dass er ihn aus eigener Kraft nicht mehr bewegen konnte. Und dabei versicherte er ihm jedes Mal, er wäre der schönste Mann, der ihm in seinem Leben begegnet sei.
Und dann wanderten Loxleys Finger weiter. Durch den schmutzigen und zotteligen Bart, der sein Kinn und seine Wangen bedeckte. Über die Lippen, die er fest geschlossen hielt, damit der andere nicht entdecken konnte, was dahinter alles fehlte. Über die Wangen, die durch die Brandwunden verunstaltet waren. Über die gebrochene Nase und über die Stelle, an der sich sein linkes Auge befunden hatte. Zärtlich berührten die Finger all diese Stellen und sandten einen wohligen Schauder seinen Rücken hinab.
Aber dies gab ihm auch die Kraft, dem anderen erneut ins Gesicht zu blicken. Wenn sein Mund nicht so fürchterlich trocken wäre, dann hätte er ihm ebenfalls versichert, er sei der schönste Mann, dem er jemals begegnet war, denn dies war nichts als die reine Wahrheit.
Erst später erinnerte er sich daran, dass er dem anderen dies niemals würde sagen können. Diejenigen, die ihn hierbehielten, hatten dafür gesorgt, dass er nicht mehr sprechen konnte. Allerdings hatten sie damit gewartet, bis sie ihm etwas anderes genommen hatten, was für ihn viel wichtiger war. Für eine lange Zeit war es ihm gelungen, den anderen nicht die Genugtuung zu geben, ihn schreien zu hören, aber als der König kam, um selbst dabei zuzusehen, wie man ihm seine Männlichkeit nahm, da hatte er keine Kraft mehr, um zu widerstehen. Er hatte geschrien, bis er heiser war, allerdings nicht wegen der Schmerzen, sondern wegen der Demütigung.
Danach hatte es ihn nicht mehr interessiert, was man ihm noch nahm. Oder was man ihm noch antat. Aber das war auch der Zeitpunkt, als Loxley ihn das erste Mal besuchte, was viel wichtiger war, als das, was mit ihm geschah.
Er beobachtete den Gesetzlosen gerne, wenn er im Sonnenlicht stand und war gleichzeitig froh darüber, selbst im Dunkel der fensterlosen Zelle verschwinden zu können, denn er schämte sich für das, was aus ihm geworden war. Und doch bereitete es ihm Vergnügen, wenn Loxleys Blick auf ihn fiel und seine Finger ihn liebkosten. Dies hatte nicht nur etwas damit zu tun, dass es die einzige Abwechslung für ihn war, weil sich die Tür zu seiner Zelle schon lange nicht mehr geöffnet hatte. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie lange das her war, weil auch das nicht wichtig war. Er dachte lieber über den Gesetzlosen nach, während er auf dem kalten, feuchten Boden lag, bewegungslos gehalten von den schweren Fesseln um seine Handgelenke und Fußknöchel.
Dann kam endlich der Tag heran, auf den er gewartet hatte. Der Tag, an dem Loxley ihn schließlich bat, ihn zu begleiten. Der Tag, als er dieser Bitte glücklich zustimmen konnte.
„Ich muss keine Rücksicht mehr auf Marion nehmen“, versicherte Loxley ihm und er selbst dachte daran, dass auch er sich nicht mehr zurückhalten musste, weil eines der ersten Dinge, die der König ihm genommen hatte, der Titel als Ritter war. Damals hatte er das als eine große Demütigung angesehen, aber inzwischen empfand er es wie eine Befreiung, denn nun konnte er Dinge tun, die ihm früher untersagt waren.
„Du bist für mich der schönste Mann und ich liebe dich“, bestätigte Loxley ihm, als er ihm seine Hand reichte.
„Ich liebe dich auch“, antwortete er ihm, während er dem Mann folgte, den er liebte, seit er ihn das erste Mal begegnet war. Endlich konnte er sein Glück genießen.
„Ich werde dich niemals verlassen, Gisburne“, versprach ihm der Gesetzlose und er hatte keinen Zweifel daran, dass Loxley dieses Versprechen halten würde. Für alle Ewigkeiten.
Und bei jedem weiteren Besuch dachte er immer seltener daran. Stattdessen staunte er darüber, wie gut Loxley aussah. Der Gesetzlose schien sich völlig von seinen Verletzungen erholt zu haben und auch darüber war er sehr froh. Nur mit einem Schaudern erinnerte er sich daran, was er damals auf dem Hügel vorgefunden und im Wald beerdigt hatte. Die Überreste hatten nichts mehr von dem anderen gehabt, er war nicht mehr zu erkennen.
Aber nun war er erneut in der Lage, die Schönheit des Gesetzlosen zu bewundern, das lange dunkle Haar, die grünen, intelligenten Augen, das ausdrucksstarke Gesicht, die kräftigen Hände und die wohlgeformte Gestalt. Es war die reine Freude, ihn zu betrachten, wenn er vor ihm im Sonnenlicht stand.
Aber sobald Loxley seine Augen auf ihn richtete, konnte er nicht anders, als den Blick zu senken. Er wollte einfach nicht sehen, wie sich der Gesichtsausdruck des anderen veränderte, sobald er auf ihn blickte. Er wusste nur zu genau, was der andere zu sehen bekam und darum schaute er ihn in diesen Momenten nicht an.
Trotzdem konnte er nicht vermeiden, dass er damit begann, sie beide zu vergleichen. Er erinnerte sich an Loxleys Füße, die in sauberen Stiefeln steckten und an seine muskulösen Beine und dann blickte er auf seine eigenen nackten und schmutzigen Füße, die mit getrocknetem Blut bedeckt waren und mit Wunden übersät. Er blickte auf die metallenen Fesseln, die seine Fußknöchel umschlossen und immer wieder die Haut darunter aufscheuerten. Und er blickte auf seine Beine, die nicht viel dicker waren als die Knochen, die direkt unter der Haut lagen.
Dies erinnerte ihn auch daran, für wie lange er Hunger gelitten hatte, der so extrem geworden war, dass er sich sogar auf den Abfall stürzte, den sie zu ihm hineinwarfen und von dem er zu Beginn angenommen hatte, es handele sich um das, was die Schweine verweigert hatten zu fressen. Später war er sich darüber nicht mehr so sicher. Aber weil der Hunger inzwischen wieder verschwunden war, hatte er auch vergessen, wann er seine letzte Mahlzeit erhalten hatte.
Jetzt wollte er sich lieber an der Schönheit des anderen Mannes erfreuen, bevor er seinen Blick erneut auf sich selbst richtete. Auf seine schmutzigen, zerschundenen Hände, deren Finger er immer wieder versucht hatte, in die richtige Form zu bringen, nur um dann feststellen zu müssen, dass seine Mühen immer wieder zunichte gemacht wurden. Aber er hatte nicht vor, dies zuzulassen, weil er seine Hände intakt benötigte, um ein Schwert zu halten. Wie sollte er sonst je wieder kämpfen können?
Loxleys Hände hingegen wiesen lange kräftige Finger auf, die nicht nur gut zupacken konnten, sondern auch zärtlich streicheln. Dies bewies er bei jedem seiner Besuche. Der andere pflegte einen Finger unter sein Kinn zu legen und seinen Kopf anzuheben, der ansonsten so schwer geworden war, dass er ihn aus eigener Kraft nicht mehr bewegen konnte. Und dabei versicherte er ihm jedes Mal, er wäre der schönste Mann, der ihm in seinem Leben begegnet sei.
Und dann wanderten Loxleys Finger weiter. Durch den schmutzigen und zotteligen Bart, der sein Kinn und seine Wangen bedeckte. Über die Lippen, die er fest geschlossen hielt, damit der andere nicht entdecken konnte, was dahinter alles fehlte. Über die Wangen, die durch die Brandwunden verunstaltet waren. Über die gebrochene Nase und über die Stelle, an der sich sein linkes Auge befunden hatte. Zärtlich berührten die Finger all diese Stellen und sandten einen wohligen Schauder seinen Rücken hinab.
Aber dies gab ihm auch die Kraft, dem anderen erneut ins Gesicht zu blicken. Wenn sein Mund nicht so fürchterlich trocken wäre, dann hätte er ihm ebenfalls versichert, er sei der schönste Mann, dem er jemals begegnet war, denn dies war nichts als die reine Wahrheit.
Erst später erinnerte er sich daran, dass er dem anderen dies niemals würde sagen können. Diejenigen, die ihn hierbehielten, hatten dafür gesorgt, dass er nicht mehr sprechen konnte. Allerdings hatten sie damit gewartet, bis sie ihm etwas anderes genommen hatten, was für ihn viel wichtiger war. Für eine lange Zeit war es ihm gelungen, den anderen nicht die Genugtuung zu geben, ihn schreien zu hören, aber als der König kam, um selbst dabei zuzusehen, wie man ihm seine Männlichkeit nahm, da hatte er keine Kraft mehr, um zu widerstehen. Er hatte geschrien, bis er heiser war, allerdings nicht wegen der Schmerzen, sondern wegen der Demütigung.
Danach hatte es ihn nicht mehr interessiert, was man ihm noch nahm. Oder was man ihm noch antat. Aber das war auch der Zeitpunkt, als Loxley ihn das erste Mal besuchte, was viel wichtiger war, als das, was mit ihm geschah.
Er beobachtete den Gesetzlosen gerne, wenn er im Sonnenlicht stand und war gleichzeitig froh darüber, selbst im Dunkel der fensterlosen Zelle verschwinden zu können, denn er schämte sich für das, was aus ihm geworden war. Und doch bereitete es ihm Vergnügen, wenn Loxleys Blick auf ihn fiel und seine Finger ihn liebkosten. Dies hatte nicht nur etwas damit zu tun, dass es die einzige Abwechslung für ihn war, weil sich die Tür zu seiner Zelle schon lange nicht mehr geöffnet hatte. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie lange das her war, weil auch das nicht wichtig war. Er dachte lieber über den Gesetzlosen nach, während er auf dem kalten, feuchten Boden lag, bewegungslos gehalten von den schweren Fesseln um seine Handgelenke und Fußknöchel.
Dann kam endlich der Tag heran, auf den er gewartet hatte. Der Tag, an dem Loxley ihn schließlich bat, ihn zu begleiten. Der Tag, als er dieser Bitte glücklich zustimmen konnte.
„Ich muss keine Rücksicht mehr auf Marion nehmen“, versicherte Loxley ihm und er selbst dachte daran, dass auch er sich nicht mehr zurückhalten musste, weil eines der ersten Dinge, die der König ihm genommen hatte, der Titel als Ritter war. Damals hatte er das als eine große Demütigung angesehen, aber inzwischen empfand er es wie eine Befreiung, denn nun konnte er Dinge tun, die ihm früher untersagt waren.
„Du bist für mich der schönste Mann und ich liebe dich“, bestätigte Loxley ihm, als er ihm seine Hand reichte.
„Ich liebe dich auch“, antwortete er ihm, während er dem Mann folgte, den er liebte, seit er ihn das erste Mal begegnet war. Endlich konnte er sein Glück genießen.
„Ich werde dich niemals verlassen, Gisburne“, versprach ihm der Gesetzlose und er hatte keinen Zweifel daran, dass Loxley dieses Versprechen halten würde. Für alle Ewigkeiten.