Schatten des Waldes
von Poetic Mind
Kurzbeschreibung
Mitten im Schuljahr ziehen die junge Wölfin Cina und ihre Mutter in eine unbekannte Kleinstadt. Nicht, weil sie wollen, sondern müssen. Sie sind auf der Flucht vor ihrem Alpha und froh Hilfe von einem anderen Rudelführer zu bekommen. Aber was, wenn sie trotz alledem gefunden werden? Können sie sich für immer verstecken? Und dann ist da noch dieser Noah... Er darf nicht wissen was Cina ist, obwohl er sich in keiner Weise von ihr unterscheidet. Er ist mysteriös, gefährlich, wild und unberechenbar, und obwohl die beiden etwas verbindet wehrt er sich vehement dagegen. Werden sie vielleicht sogar zusammenfinden? Ja, hat die Flucht gar ein Ende? Ihr werdet einige Überraschungen in dieser Geschichte erleben und eine Wendung, die wohl niemand erwartet!!!
GeschichteFantasy, Übernatürlich / P16 / Het
03.11.2022
29.03.2023
84
196.839
2
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18.03.2023
2.357
Ein lauter Schrei durchbrach meine Lippen. Meine Mutter hielt sich die Hände vor den Mund und Taylor schnappte sich meinen Arm, sodass ich nicht die Möglichkeit hatte nach vorn zu preschen. Ich wollte nämlich zu ihm. Fassungslos schaute ich auf die Szenerie vor mir, als Elliott zischte: »Noch einmal stellst du meine Entscheidungen in Frage, dann werde ich dich um dein Leben betteln lassen, auch wenn du mein Sohn bist!« Seine Worte drangen nur gedämpft in mein Ohr. Mein Schock saß zu tief. Einen kurzen Moment musste ich an Ray denken. Er war tot. Ich glaubte auch nicht daran, dass er Sebastian verschonte, auch wenn sie verwandt waren. Nicht umsonst wuchs seine Tochter bei jemand anderem auf.
Ungeachtet dessen konnte ich mir nicht vorstellen, dass man so etwas seinem eigenen Kind antat. Das war verrückt. Er war es. Ich wollte gar nicht wissen, wenn er herausfand, dass uns sein Sohn eventuell half hier wieder wegzukommen. Allerdings glaubte ich nicht daran. Immerhin erwähnte er sogar, dass ich hierbleiben sollte. Und wieder wurde mir bewusst, dass ich nicht die Wölfin war, die in solch ein Rudel passte. Lieber wäre ich allein gewesen.
Taylors Griff wurde nun noch fester und er riss mich zu sich, dabei flüsterte in mein Ohr, sodass bloß ich es hörte: »Vergiss nicht, was mit Ray passiert ist. Ich glaube nicht, dass du mehr Rechte, wie er hast. Du kannst nicht dazwischengehen« und auch Annika tat nichts dergleichen. Sie schaute lediglich auf den Boden und ihre nackten Zehen an.
Verbissen taumelte ich einen Schritt nach hinten, sodass ich näher bei Taylor stand, konnte den Blick aber nicht von Sebastian abwenden, der nun von seinem Vater losgelassen wurde und auf die Knie sank. Sein Gesicht war leicht verzerrt. Ich wusste, dass er unendliche Schmerzen erlitt, doch er gab keinen Ton von sich. Er versuchte sogar eine undurchdringbare Miene beizubehalten, obwohl er verletzt wurde. »Ich hoffe es ist dir ehe Lehre, dass du mir über den Mund gefahren bist.« Kurz schaute der Alpha zu mir. Jedoch versuchte ich diesen Schalter wiederzufinden, um ihm nicht viel von meinem Innersten zu zeigen, was Gott sei Dank auch klappte.
Elliott hob eine Braue in die Höhe, musterte mich einen Moment, dass ich wahrscheinlich doch nicht so stark war und machte schlussendlich auf dem Absatz kehrt. Er blickte nicht einmal zurück. Es interessierte überhaupt nicht, ob sein Sohn verletzt war.
Als er endlich nach gefühlten Stunden verschwunden war, eilte ich sofort zu ihm hin, weil man mich losließ. Sebastian hatte Probleme wieder aufzustehen und Taylor schnappte sich die andere Seite von ihm. Wir zogen ihn beide nach oben, obwohl ich ihn hätte lieber hingelegt. Sofort stach mir das Blut ins Auge, was nun über seine Hose lief und kurz überkam mich Übelkeit. »Was sollen wir tun?«, hauchte ich und Sebastian antwortete: »Bringt mich zum Feuer.« Was wir schließlich auch taten. Dort setzten wir ihn auf einem Baumstamm ab. Ich hatte gar nicht mitbekommen, wie meine Mutter zum Fluss hetzte und mit ein paar nassen Stofffetzen wiederkam.
Nun eilte auch Annika zu uns, die sich vor ihren Bruder auf die Knie fallen ließ. »Er wird sich nie ändern. Egal was du tun wirst. Ein falsches Wort, was ihm nicht passt...«, äußerte sie sich. Zwar ließ sie ihren Bruder nicht aus den Augen, doch trotzdem gab er ihr keine Antwort, sondern schnappte sich den Stoff, den ihm meine Mutter reichte, drückte sich diesen auf die große Wunde und stand augenblicklich schwerfällig auf. Ich wollte ihn festhalten, stützen, doch er schüttelte mit dem Kopf.
Ohne überhaupt etwas zu sagen, stieg er über den Baumstamm, hielt sich den Bauch und lief auf die Tannen zu. Perplex schaute ich Taylor an, der die Stirn in Falten legte. Dann fiel sein Blick auf mich, als er unverhofft sprach: »Du solltest ihm nachgehen!« Es verwirrte mich erst, doch er setzte noch nach: »Ich glaube wir werden seine Hilfe irgendwann gebrauchen können. Also kümmere dich um ihn, aber so, dass dich keiner bemerkt.«
Ich nickte und ohne weitere Aufforderung hetzte ich Sebastian nach, der in diesem Moment zwischen den Bäumen verschwand. Es dauerte nur wenige Sekunden, da kam ich bei ihm an. Er hörte mich sofort, deswegen nahm ich auch zugleich seine Stimme wahr. Sie wirkte kraftlos, doch trotzdem besaß er solch einen starken Willen, dass er nicht einknickte, sondern weiter nach vorn lief.
»Wo willst du jetzt hin?« und mein Blick fiel auf seine rechte Hand, die er noch immer mit dem Stoff gegen seinen Bauch drückte. In der Dunkelheit erkannte ich, dass die Tücher vollständig rot waren. Ich machte mir sofort Sorgen. Was, wenn es nicht rechtzeitig zusammenwuchs und er mir noch verblutete? Sebastian sah meinen panischen Gesichtsausdruck und versuchte mich zu beruhigen: »Mein Vater weiß genau, wie er jemandem Schaden zufügt. Er hat mich nur für ein paar wenige Tage aus der Bahn geworfen. Mach dir keinen Kopf. Es wird bald heilen. Hätte er gewollt, dass ich sterbe, wäre ich längst tot.«
Das sagte er ohne Emotionen. Im Anschluss drehte er sich von mir weg und lief weiter. Dieses Mal jedoch in eine andere Richtung, die ich nicht kannte. Nämlich nach links. Nur ein Stück. Durch die Gabelung des schmalen Flusses, hatte ich die einfache Überführung gar nicht gesehen. Dort lief er nun drüber, blieb aber auf der Hälfte stehen, drehte sich noch einmal zu mir herum und sprach: »Mach dir nicht so viele Sorgen. Ich bin zäh!« Irgendwie vergaß ich vollkommen, dass er eigentlich wollte, dass ich von ihm Abstand nahm. Außerdem litt er. Das sah ich und ich wollte das nicht. Hinzukommend wäre es nicht richtig gewesen ihn allein zu lassen.
»Wo willst du hin?«, musste ich in einem flüsternden Ton wissen, weil er plötzlich auf der anderen Seite verschwand. Ich hätte zurück zu den anderen gehen können. Allerdings wollte ich es nicht. Außerdem lief er in eine Richtung, in der nichts zu sein schien. »Sebastian?«, rief ich seinen Namen gedämpft, als ich nun lautlos auf der anderen Seite des Flusses ankam. Dort wirkten die Tannen noch dichter. Meine Füße trugen mich weiter. Kurz musste ich mich sammeln, weil umso dichter alles wurde, umso mehr musste ich meine Wölfin an die Oberfläche holen. Es war wirklich stockdunkel.
Ich hielt inne, konzentrierte mich und schloss die Augen. Da war ein Geräusch. Es war eine Maus, die auf dem Untergrund herumwühlte. Und da eine Eule, die leise gurrte. Es würde nicht lange dauern und sie schnappte sich den Nager. Zugleich schlug ich die Lider wieder nach oben. Meine Sicht hatte sich nun komplett verändert. Meine Augen passten sich perfekt meiner Umgebung an und ich musste nicht lange suchen, da sah ich Sebastian, wie er sich in einigen Metern Entfernung an einem Stamm abstieß, um weiterhin in die Dunkelheit zu taumeln.
Sofort folgte ich ihm lautlos, ließ meiner Wölfin den Vortritt, die nun mit der Schwärze komplett eins wurde. Auch als Mädchen war es mir möglich im Schatten zu verschmelzen. Aus diesem Grund nahm mich kein Tier wahr. Ich hätte mich verwandeln können, doch dann hätte ich keine Klamotten mehr und nackt brauchte ich nicht vor Sebastian stehen.
Ich leckte mir über die trockenen Lippen und erstarrte plötzlich, als er komplett verschwand. Da war auf einmal nichts mehr. Verwirrt drehte ich mich um meine eigene Achse. Ich hatte ihn einen Moment aus den Augen gelassen. Zugleich suchte ich den Boden ab. Nichts. Ich hob meinen Kopf im Anschluss an und starrte in die Bäume, suchte etwas weiter oben und siehe da. In den Kronen der Tannen befand sich tatsächlich solch ein Haus, wie ich schon in dem Dorf sah. Doch das hier lag höher, abgeschiedener.
Meine Schritte trugen mich nun eilig zu dem Stamm, zu dem ich musste. Dort angekommen, hob ich erneut das Kinn in die Höhe, woraufhin plötzlich ein kleines Licht erleuchtete. Eine Kerze. Am Baum waren nur ein paar schmale Bretter befestigt, die mit langen Nägeln in das Holz geschlagen wurden. Es war für mich nicht schwierig nach oben zu klettern und ich beeilte mich weiterhin lautlos zu bleiben. Als ich jedoch oben ankam und auf einem Podest stand, der keinen Ton von sich gab, war eine Tür, die einen Spalt offenstand. »Da du schon mal hier bist, kannst du mir die Schüssel aus dem Schrank neben dir geben!«, forderte er mich auf. »Du hast mich gehört?«, fragte ich. »Nein. Das habe ich nicht. Aber gerochen«, gab er zurück und ließ sich auf ein Schafsfell fallen.
»Wenn du es richtig anstellst, könntest du es schaffen gar nicht entdeckt zu werden. Es wäre für dich ziemlich leicht.« Sebastian schaute mir kurz in die Augen. Er wusste, dass ich anders war. Und wie es den Anschein hatte, kannte er sich damit aus. »Woher willst du das wissen?«, fragte ich ihn. Nebenbei suchte ich ihm die Schüssel heraus. Er hingegen schnappte sich eine Flasche Wasser und wartete bis ich bei ihm ankam. »Ich weiß es halt!«, lächelte er leicht.
Kurz blieb ich an seinen Lippen hängen. Kleine Grübchen machten sich auf seinen Wangen breit, wenn er das tat. Ich glaubte jedoch nicht daran, dass er das oft machte, denn er schien sich selbst dabei unwohl zu fühlen. Trotz alledem machte ihn das zu einem komplett anderen Menschen. Somit wirkte er nicht so ernst.
Zugleich ließ ich mich vor ihm auf die Knie sinken. Das Holz unter mir machte kein einiges Geräusch, was mich zuerst wunderte. Ungeachtet dessen sorgte man sicher dafür, dass man lautlos sein konnte. Zumindest kam ich mir so vor, als wäre das ein Ort, wo niemand weiter herkam. »Schläfst du hier?«, fragte ich und sah mich dabei etwas um. Sebastian hingegen füllte die Schüssel mit Wasser. Er musste sich schon frische Tücher bereitgelegt haben. Erst ging ich davon aus, dass er nichts dazu sagte, doch seine Lippen öffneten sich dann doch zu ein paar Worten. Zwar erst einige Minuten später, doch besser als nichts.
In der Zwischenzeit positionierte er sich so, dass er an die Wunden kam. »Ich komme her, wenn ich allein sein will. Hier stört mich keiner.« Kurz nickte ich und antwortete: »Aber dein Vater weiß wo du steckst?« Ein trockenes Lachen erfüllte den Raum und er befeuchtete erneut ein Stück Stoff. »Die Frage erübrigt sich doch wohl von selbst, oder? Natürlich weiß er wo ich stecke. Ich bin sein Sohn. Außerdem kennt er diesen Ort. Jedoch ist es ihm lieber, wenn ich hier bin, anstatt durch die Berge zu streifen. Sogar er kommt nicht her. Die Tannen stehen sehr dicht. Wir lassen die Natur so wie sie ist und leben mit ihr. Hier ist kein Platz für viele von uns. Deswegen bleibt alles unberührt und ich habe schon als kleiner Junge diesen Ort für mich ausgesucht.«
Mein Blick streifte zu seinem Bauch, den er mit dem Wasser abwusch. Da er sich jedoch etwas nach vorn beugen musste, spürte ich auch bei ihm, dass es ihn schmerzte. Egal was und wer wir waren, so etwas konnte keiner komplett verstecken. Aus diesem Grund kam ich näher auf ihn zu und griff nach dem Lappen. Zugleich berührten sich unsere Hände. Kurz zuckte ich zusammen. Sebastian hingegen hob den Kopf an und schaute mir direkt in die Augen. Sofort begann mein Herz zu flattern. Er hatte solch eine enorme Präsenz, dass er mich komplett mit einem Blick vereinnahmte.
Wenn ich so darüber nachdachte, obwohl wir uns kaum kannten, war er zwar etwas zurückhaltend mit mir, was ja klar war, aber er war weder böse zu mir gewesen, noch zu jemand anderem. Verglich ich ihn mit Noah, war Sebastian doch ganz anders. Keine Ahnung warum, aber ich war mir sicher, er hätte mich niemals im Leben so verletzt. Prompt schüttelte ich mit dem Kopf und unterdrückte das Verlangen meine Lippen auf seine zu setzen. Er bemerkte das ebenfalls und räusperte sich leise.
Im Anschluss nahm ich ihm den Lappen komplett ab und murmelte: »Leg dich hin. Ich mache das.« Er diskutierte nicht, folgte meinen Anweisungen und ließ sich auf die Decke fallen. Dabei versuchte er keine Miene zu verziehen. Ich glaubte aber nicht daran, dass er vor mir verbergen wollte, dass es wehtat, sondern er es nicht anders kannte und seine Gefühle allgemein ständig versteckte.
»Bist du oft hier?«, begann ich nach ein paar Minuten schließlich. Sebastian starrte geradewegs nach oben. Durch die Dachschräge und einem Fenster, war es möglich, in den dunklen Himmel zu schauen. »Ja. Irgendwie schon!« Er schien das erste Mal überhaupt richtig darüber nachzudenken. »Immer allein?«, wollte ich wissen. »Hm«, machte er und nickte. »Wir sind nicht so, wie du, Cina!« Als er meinen Namen über seine Lippen brachte, huschte eine Gänsehaut über meinen Körper. Was soll das heißen?, ging mir durch den Kopf »Wie meinst du das?« Noch immer nahm er den Blick nicht von der Stelle zu der er schaute. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er ziemlich oft zu den Sternen sah.
»Das Rudel ist anders wie du vielleicht denken magst. Die Kämpfe untereinander bis hin und wieder zum Tod, bringt uns nicht näher. Wir leben zwar miteinander, doch richtige Freundschaften wie du sie kennst entstehen nicht.« Prompt dachte ich an die Wölfe mit denen ich aufwuchs. »Das hatte ich in meinem alten Rudel auch nicht. Dort hatte ich keine Freunde.« Wir erlebten es ähnlich.
»Aber du bist von Menschen umgeben. Du hast die Zivilisation. Das ist anders, als bei uns. Wir haben nur uns. Und wenn man keine tiefgründigeren Beziehungen zueinander hat, sondern alles ziemlich oberflächlich ist, dann ist die Bindung zueinander nicht wirklich gegeben.« Das stimmte natürlich, was er da sagte. »Heißt es, dass du niemals Freunde hattest?« Darüber dachte ich nie nach. Ganz im Gegenteil. Ich ging eigentlich davon aus, dass man sich zumindest hier respektierte und füreinander da war, auch wenn man Fremde hasste. Dem Anschein nach nicht.
»Freunde? Ich weiß nicht. Vielleicht als ich klein war. Ja. Da hatte ich mal einen besten Freund.« Meine Neugier war auf der Stelle geweckt. »Wer ist es? Werde ich ihn kennenlernen?«, doch Sebastian wirkte nach meiner Antwort kalt. Zugleich wollte er sich nach oben hieven. Er war wütend und wollte Abstand? Das konnte er vergessen. Sofort steckte ich die Hand aus, drückte seinen Oberkörper wieder auf die Decke, woraufhin er vor Schmerz zischte und mich wütend anfunkelte.
Ungeachtet dessen konnte ich mir nicht vorstellen, dass man so etwas seinem eigenen Kind antat. Das war verrückt. Er war es. Ich wollte gar nicht wissen, wenn er herausfand, dass uns sein Sohn eventuell half hier wieder wegzukommen. Allerdings glaubte ich nicht daran. Immerhin erwähnte er sogar, dass ich hierbleiben sollte. Und wieder wurde mir bewusst, dass ich nicht die Wölfin war, die in solch ein Rudel passte. Lieber wäre ich allein gewesen.
Taylors Griff wurde nun noch fester und er riss mich zu sich, dabei flüsterte in mein Ohr, sodass bloß ich es hörte: »Vergiss nicht, was mit Ray passiert ist. Ich glaube nicht, dass du mehr Rechte, wie er hast. Du kannst nicht dazwischengehen« und auch Annika tat nichts dergleichen. Sie schaute lediglich auf den Boden und ihre nackten Zehen an.
Verbissen taumelte ich einen Schritt nach hinten, sodass ich näher bei Taylor stand, konnte den Blick aber nicht von Sebastian abwenden, der nun von seinem Vater losgelassen wurde und auf die Knie sank. Sein Gesicht war leicht verzerrt. Ich wusste, dass er unendliche Schmerzen erlitt, doch er gab keinen Ton von sich. Er versuchte sogar eine undurchdringbare Miene beizubehalten, obwohl er verletzt wurde. »Ich hoffe es ist dir ehe Lehre, dass du mir über den Mund gefahren bist.« Kurz schaute der Alpha zu mir. Jedoch versuchte ich diesen Schalter wiederzufinden, um ihm nicht viel von meinem Innersten zu zeigen, was Gott sei Dank auch klappte.
Elliott hob eine Braue in die Höhe, musterte mich einen Moment, dass ich wahrscheinlich doch nicht so stark war und machte schlussendlich auf dem Absatz kehrt. Er blickte nicht einmal zurück. Es interessierte überhaupt nicht, ob sein Sohn verletzt war.
Als er endlich nach gefühlten Stunden verschwunden war, eilte ich sofort zu ihm hin, weil man mich losließ. Sebastian hatte Probleme wieder aufzustehen und Taylor schnappte sich die andere Seite von ihm. Wir zogen ihn beide nach oben, obwohl ich ihn hätte lieber hingelegt. Sofort stach mir das Blut ins Auge, was nun über seine Hose lief und kurz überkam mich Übelkeit. »Was sollen wir tun?«, hauchte ich und Sebastian antwortete: »Bringt mich zum Feuer.« Was wir schließlich auch taten. Dort setzten wir ihn auf einem Baumstamm ab. Ich hatte gar nicht mitbekommen, wie meine Mutter zum Fluss hetzte und mit ein paar nassen Stofffetzen wiederkam.
Nun eilte auch Annika zu uns, die sich vor ihren Bruder auf die Knie fallen ließ. »Er wird sich nie ändern. Egal was du tun wirst. Ein falsches Wort, was ihm nicht passt...«, äußerte sie sich. Zwar ließ sie ihren Bruder nicht aus den Augen, doch trotzdem gab er ihr keine Antwort, sondern schnappte sich den Stoff, den ihm meine Mutter reichte, drückte sich diesen auf die große Wunde und stand augenblicklich schwerfällig auf. Ich wollte ihn festhalten, stützen, doch er schüttelte mit dem Kopf.
Ohne überhaupt etwas zu sagen, stieg er über den Baumstamm, hielt sich den Bauch und lief auf die Tannen zu. Perplex schaute ich Taylor an, der die Stirn in Falten legte. Dann fiel sein Blick auf mich, als er unverhofft sprach: »Du solltest ihm nachgehen!« Es verwirrte mich erst, doch er setzte noch nach: »Ich glaube wir werden seine Hilfe irgendwann gebrauchen können. Also kümmere dich um ihn, aber so, dass dich keiner bemerkt.«
Ich nickte und ohne weitere Aufforderung hetzte ich Sebastian nach, der in diesem Moment zwischen den Bäumen verschwand. Es dauerte nur wenige Sekunden, da kam ich bei ihm an. Er hörte mich sofort, deswegen nahm ich auch zugleich seine Stimme wahr. Sie wirkte kraftlos, doch trotzdem besaß er solch einen starken Willen, dass er nicht einknickte, sondern weiter nach vorn lief.
»Wo willst du jetzt hin?« und mein Blick fiel auf seine rechte Hand, die er noch immer mit dem Stoff gegen seinen Bauch drückte. In der Dunkelheit erkannte ich, dass die Tücher vollständig rot waren. Ich machte mir sofort Sorgen. Was, wenn es nicht rechtzeitig zusammenwuchs und er mir noch verblutete? Sebastian sah meinen panischen Gesichtsausdruck und versuchte mich zu beruhigen: »Mein Vater weiß genau, wie er jemandem Schaden zufügt. Er hat mich nur für ein paar wenige Tage aus der Bahn geworfen. Mach dir keinen Kopf. Es wird bald heilen. Hätte er gewollt, dass ich sterbe, wäre ich längst tot.«
Das sagte er ohne Emotionen. Im Anschluss drehte er sich von mir weg und lief weiter. Dieses Mal jedoch in eine andere Richtung, die ich nicht kannte. Nämlich nach links. Nur ein Stück. Durch die Gabelung des schmalen Flusses, hatte ich die einfache Überführung gar nicht gesehen. Dort lief er nun drüber, blieb aber auf der Hälfte stehen, drehte sich noch einmal zu mir herum und sprach: »Mach dir nicht so viele Sorgen. Ich bin zäh!« Irgendwie vergaß ich vollkommen, dass er eigentlich wollte, dass ich von ihm Abstand nahm. Außerdem litt er. Das sah ich und ich wollte das nicht. Hinzukommend wäre es nicht richtig gewesen ihn allein zu lassen.
»Wo willst du hin?«, musste ich in einem flüsternden Ton wissen, weil er plötzlich auf der anderen Seite verschwand. Ich hätte zurück zu den anderen gehen können. Allerdings wollte ich es nicht. Außerdem lief er in eine Richtung, in der nichts zu sein schien. »Sebastian?«, rief ich seinen Namen gedämpft, als ich nun lautlos auf der anderen Seite des Flusses ankam. Dort wirkten die Tannen noch dichter. Meine Füße trugen mich weiter. Kurz musste ich mich sammeln, weil umso dichter alles wurde, umso mehr musste ich meine Wölfin an die Oberfläche holen. Es war wirklich stockdunkel.
Ich hielt inne, konzentrierte mich und schloss die Augen. Da war ein Geräusch. Es war eine Maus, die auf dem Untergrund herumwühlte. Und da eine Eule, die leise gurrte. Es würde nicht lange dauern und sie schnappte sich den Nager. Zugleich schlug ich die Lider wieder nach oben. Meine Sicht hatte sich nun komplett verändert. Meine Augen passten sich perfekt meiner Umgebung an und ich musste nicht lange suchen, da sah ich Sebastian, wie er sich in einigen Metern Entfernung an einem Stamm abstieß, um weiterhin in die Dunkelheit zu taumeln.
Sofort folgte ich ihm lautlos, ließ meiner Wölfin den Vortritt, die nun mit der Schwärze komplett eins wurde. Auch als Mädchen war es mir möglich im Schatten zu verschmelzen. Aus diesem Grund nahm mich kein Tier wahr. Ich hätte mich verwandeln können, doch dann hätte ich keine Klamotten mehr und nackt brauchte ich nicht vor Sebastian stehen.
Ich leckte mir über die trockenen Lippen und erstarrte plötzlich, als er komplett verschwand. Da war auf einmal nichts mehr. Verwirrt drehte ich mich um meine eigene Achse. Ich hatte ihn einen Moment aus den Augen gelassen. Zugleich suchte ich den Boden ab. Nichts. Ich hob meinen Kopf im Anschluss an und starrte in die Bäume, suchte etwas weiter oben und siehe da. In den Kronen der Tannen befand sich tatsächlich solch ein Haus, wie ich schon in dem Dorf sah. Doch das hier lag höher, abgeschiedener.
Meine Schritte trugen mich nun eilig zu dem Stamm, zu dem ich musste. Dort angekommen, hob ich erneut das Kinn in die Höhe, woraufhin plötzlich ein kleines Licht erleuchtete. Eine Kerze. Am Baum waren nur ein paar schmale Bretter befestigt, die mit langen Nägeln in das Holz geschlagen wurden. Es war für mich nicht schwierig nach oben zu klettern und ich beeilte mich weiterhin lautlos zu bleiben. Als ich jedoch oben ankam und auf einem Podest stand, der keinen Ton von sich gab, war eine Tür, die einen Spalt offenstand. »Da du schon mal hier bist, kannst du mir die Schüssel aus dem Schrank neben dir geben!«, forderte er mich auf. »Du hast mich gehört?«, fragte ich. »Nein. Das habe ich nicht. Aber gerochen«, gab er zurück und ließ sich auf ein Schafsfell fallen.
»Wenn du es richtig anstellst, könntest du es schaffen gar nicht entdeckt zu werden. Es wäre für dich ziemlich leicht.« Sebastian schaute mir kurz in die Augen. Er wusste, dass ich anders war. Und wie es den Anschein hatte, kannte er sich damit aus. »Woher willst du das wissen?«, fragte ich ihn. Nebenbei suchte ich ihm die Schüssel heraus. Er hingegen schnappte sich eine Flasche Wasser und wartete bis ich bei ihm ankam. »Ich weiß es halt!«, lächelte er leicht.
Kurz blieb ich an seinen Lippen hängen. Kleine Grübchen machten sich auf seinen Wangen breit, wenn er das tat. Ich glaubte jedoch nicht daran, dass er das oft machte, denn er schien sich selbst dabei unwohl zu fühlen. Trotz alledem machte ihn das zu einem komplett anderen Menschen. Somit wirkte er nicht so ernst.
Zugleich ließ ich mich vor ihm auf die Knie sinken. Das Holz unter mir machte kein einiges Geräusch, was mich zuerst wunderte. Ungeachtet dessen sorgte man sicher dafür, dass man lautlos sein konnte. Zumindest kam ich mir so vor, als wäre das ein Ort, wo niemand weiter herkam. »Schläfst du hier?«, fragte ich und sah mich dabei etwas um. Sebastian hingegen füllte die Schüssel mit Wasser. Er musste sich schon frische Tücher bereitgelegt haben. Erst ging ich davon aus, dass er nichts dazu sagte, doch seine Lippen öffneten sich dann doch zu ein paar Worten. Zwar erst einige Minuten später, doch besser als nichts.
In der Zwischenzeit positionierte er sich so, dass er an die Wunden kam. »Ich komme her, wenn ich allein sein will. Hier stört mich keiner.« Kurz nickte ich und antwortete: »Aber dein Vater weiß wo du steckst?« Ein trockenes Lachen erfüllte den Raum und er befeuchtete erneut ein Stück Stoff. »Die Frage erübrigt sich doch wohl von selbst, oder? Natürlich weiß er wo ich stecke. Ich bin sein Sohn. Außerdem kennt er diesen Ort. Jedoch ist es ihm lieber, wenn ich hier bin, anstatt durch die Berge zu streifen. Sogar er kommt nicht her. Die Tannen stehen sehr dicht. Wir lassen die Natur so wie sie ist und leben mit ihr. Hier ist kein Platz für viele von uns. Deswegen bleibt alles unberührt und ich habe schon als kleiner Junge diesen Ort für mich ausgesucht.«
Mein Blick streifte zu seinem Bauch, den er mit dem Wasser abwusch. Da er sich jedoch etwas nach vorn beugen musste, spürte ich auch bei ihm, dass es ihn schmerzte. Egal was und wer wir waren, so etwas konnte keiner komplett verstecken. Aus diesem Grund kam ich näher auf ihn zu und griff nach dem Lappen. Zugleich berührten sich unsere Hände. Kurz zuckte ich zusammen. Sebastian hingegen hob den Kopf an und schaute mir direkt in die Augen. Sofort begann mein Herz zu flattern. Er hatte solch eine enorme Präsenz, dass er mich komplett mit einem Blick vereinnahmte.
Wenn ich so darüber nachdachte, obwohl wir uns kaum kannten, war er zwar etwas zurückhaltend mit mir, was ja klar war, aber er war weder böse zu mir gewesen, noch zu jemand anderem. Verglich ich ihn mit Noah, war Sebastian doch ganz anders. Keine Ahnung warum, aber ich war mir sicher, er hätte mich niemals im Leben so verletzt. Prompt schüttelte ich mit dem Kopf und unterdrückte das Verlangen meine Lippen auf seine zu setzen. Er bemerkte das ebenfalls und räusperte sich leise.
Im Anschluss nahm ich ihm den Lappen komplett ab und murmelte: »Leg dich hin. Ich mache das.« Er diskutierte nicht, folgte meinen Anweisungen und ließ sich auf die Decke fallen. Dabei versuchte er keine Miene zu verziehen. Ich glaubte aber nicht daran, dass er vor mir verbergen wollte, dass es wehtat, sondern er es nicht anders kannte und seine Gefühle allgemein ständig versteckte.
»Bist du oft hier?«, begann ich nach ein paar Minuten schließlich. Sebastian starrte geradewegs nach oben. Durch die Dachschräge und einem Fenster, war es möglich, in den dunklen Himmel zu schauen. »Ja. Irgendwie schon!« Er schien das erste Mal überhaupt richtig darüber nachzudenken. »Immer allein?«, wollte ich wissen. »Hm«, machte er und nickte. »Wir sind nicht so, wie du, Cina!« Als er meinen Namen über seine Lippen brachte, huschte eine Gänsehaut über meinen Körper. Was soll das heißen?, ging mir durch den Kopf »Wie meinst du das?« Noch immer nahm er den Blick nicht von der Stelle zu der er schaute. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er ziemlich oft zu den Sternen sah.
»Das Rudel ist anders wie du vielleicht denken magst. Die Kämpfe untereinander bis hin und wieder zum Tod, bringt uns nicht näher. Wir leben zwar miteinander, doch richtige Freundschaften wie du sie kennst entstehen nicht.« Prompt dachte ich an die Wölfe mit denen ich aufwuchs. »Das hatte ich in meinem alten Rudel auch nicht. Dort hatte ich keine Freunde.« Wir erlebten es ähnlich.
»Aber du bist von Menschen umgeben. Du hast die Zivilisation. Das ist anders, als bei uns. Wir haben nur uns. Und wenn man keine tiefgründigeren Beziehungen zueinander hat, sondern alles ziemlich oberflächlich ist, dann ist die Bindung zueinander nicht wirklich gegeben.« Das stimmte natürlich, was er da sagte. »Heißt es, dass du niemals Freunde hattest?« Darüber dachte ich nie nach. Ganz im Gegenteil. Ich ging eigentlich davon aus, dass man sich zumindest hier respektierte und füreinander da war, auch wenn man Fremde hasste. Dem Anschein nach nicht.
»Freunde? Ich weiß nicht. Vielleicht als ich klein war. Ja. Da hatte ich mal einen besten Freund.« Meine Neugier war auf der Stelle geweckt. »Wer ist es? Werde ich ihn kennenlernen?«, doch Sebastian wirkte nach meiner Antwort kalt. Zugleich wollte er sich nach oben hieven. Er war wütend und wollte Abstand? Das konnte er vergessen. Sofort steckte ich die Hand aus, drückte seinen Oberkörper wieder auf die Decke, woraufhin er vor Schmerz zischte und mich wütend anfunkelte.
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