Enslaved By Blood
von Seto-Chan
Kurzbeschreibung
Versklavt von deinem eigenen Blut bist du in einem Schicksal gefangen, was du dir nie gewünscht hast. Du hast es zwar geschafft, dich aus einer aussichtslosen, psychisch vernichtenden Situation zu befreien, doch der Preis war hoch. Mit dem Gefühl im Herzen, dass es nicht mehr schlimmer kommen kann und eigentlich alles egal ist, lenken dich deine Schritte nach Piltover und Zhaun, und letztlich weiter bis hin zum Letzten Tropfen, wo du Bekanntschaft mit dem inoffiziellen König von Zhaun und seinem Schützling machst. Dinge geraten daraufhin ins Rollen, die nicht mehr aufzuhalten sind - unter anderem dein Herz, was sich entgegen deines besseren Wissens zu verselbstständigen droht und eine ganze Wagenladung Probleme mit sich bringt. Diese Begegnung muss wohl Schicksal gewesen sein... Eine knisternde Netflix: Arcane: Silco x Reader Fanfiction mit Gefühl, Leidenschaft, Mystik und einer Prise Gewalt.
GeschichteRomance, Fantasy / P18 / Het
Jinx
OC (Own Character)
Silco
21.10.2022
01.11.2022
2
5.210
1
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21.10.2022
2.246
Hallöchen, Seto-Chan mal wieder hier. =) Nach einer langen, von fehlender Muße und viel zu viel Real Life erzeugten Pause melde ich mich mit einem neuen Passion-Project zurück und hoffe, dass es euch gefällt.
Disclaimer: Die Rechte an den Örtlichkeiten, einigen Eckpunkten der Story und vor allem an den Charakteren liegen bei Riot Games und Fortiche Production!
Viel Vergnügen!
1. A Meeting Made By Destiny... ?
Das Rauschen des Flusses rechts neben mir ist wie Gift in meinen Ohren. Es erinnert mich an meine verfahrene, aussichtslose, fürchterliche Situation und obwohl ich es mittlerweile besser wissen sollte, stirbt dieser eine kleine, nervige Teil in meinem Inneren einfach nicht ab, der sich wünscht ich könnte entkommen. Entkommen aus dem Netz, welches aus meinem eigenen Blut gesponnen ist, was mich festhält in einem Schicksal, was ich nicht mal eigenhändig zu beenden in der Lage bin. Ich habe jedoch einen Teilsieg erringen können. Meine Füße verharren am Ufer und mein Blick wandert über meine Schulter nach hinten zum Weg, den ich gekommen bin. Der mächtige Fluss schlängelt sich scheinbar endlos in Richtung Norden ins Gebirge und entschwindet in der Ferne meinem Blick nach einer Biegung. Wie viele Tage bin ich jetzt schon unterwegs? Ich habe nicht darauf geachtet und sowohl die Müdigkeit als auch die Schmerzen in meinen Füßen und Beinen habe ich schnell zu ignorieren gelernt. Mein einziges Ziel war es gewesen so schnell wie möglich Abstand zu allem Bisherigen zu gewinnen, was bedeutet da schon ein bisschen Schmerz am Körper? Der Körper ist ohnehin nur eine Hülle, die sich im Zweifel selbst reparieren kann, doch die Seele - der Geist - das ist ein völlig anderes, gefährlicheres Terrain. Wenn sich die Seele vor der völligen Zerstörung sieht, ist der Körper vollkommen bedeutungslos...
Eine kräftige Windböe huscht plötzlich heran, erfasst meinen grauen, bodenlangen Samtkapuzenumhang, reißt ihn förmlich von meinem Körper und legt diesen frei. Das ärmellose Vokuhila-Kleid aus weißer Baumwolle weht ebenfalls in der Böe, jedoch nicht annähernd so bauschig wie mein langer Mantel. Mein Blick gleitet unweigerlich an meiner Person hinab: über die kniehohen weißen Stiefel mit golden anmaßenden Verzierungen an der oberen Naht, über den Vokuhilarock-Teil des Kleides, den schlichten aber vergoldeten Gürtel, der meine Hüfte eventuell ein bisschen zu gut zur Geltung bringt, über das ebenfalls mit goldigen Verzierungen geschmückte Dekolletee und bleibt schließlich an meinen Unterarmen hängen, die in zwei weißen Stoffstulpen stecken. Vor allem ist meine Aufmerksamkeit wie angeklebt an meinen rechten Unterarm, während ich spüre, wie meine Gedanken in sehr dunkle Gefilde abdriften. Ich schüttele schnell den Kopf, die Böe ist vorüber und der Mantel geht wieder seinem Zweck nach: Meinen Körper komplett vor Blicken Dritter zu verstecken. Ich ziehe mir die große Kapuze noch ein wenig tiefer ins Gesicht und laufe weiter. Vor mir - ich hatte sie schon aus einiger Entfernung erahnen können - ragt eine große Stadt in den Himmel. Sie wird von ebenjenem Fluss entzweigeteilt, der mir sowohl Weggefährte als auch Gefängniswärter ist. Meine blauen Augen wandern über die auffällige Skyline der Stadt. Von mir aus rechts auf der anderen Seite des Flusses wirkt die Stadt extrem vorzeigbar, nahezu edel und modern, links jedoch - also auf meinem Ufer, ist sie geradezu blasphemisch dunkel, heruntergekommen und alles andere als einladend.
Je näher ich komme, desto klarer wird die Rolle des Gewässers neben mir. Es ist eine Grenze zwischen den beiden ungleichen Stadthälften, nur verbunden über zwei massive Brücken und mein Instinkt - gemeinsam mit dem ersten visuellen Eindruck - sagt mir, dass diese Übergänge vermutlich ab und an auch mal abgesperrt wurden und noch werden. Obwohl das vor mir augenscheinlich eine Stadt sein muss, wirkt der Fluss mit sein Brücken eher wie eine gewollte und ausgenutzte Grenze, und weniger wie die Lebensader, wie es sonst bei großen Städten der Fall sein sollte. Meine Augen wandern von der rechten, nahezu glitzernden Stadthälfte über die zwei Brücken, weiter zu dem Teil der Stadt, der vor mir liegt und schließlich weiter zum Wasser des Flusses. Scheinbar mit jeden Schritt den ich näher an die Gebäude komme wird er ungesünder, giftiger, mehr durchzogen von Müll und mit schimmernden Ölflecken auf der Oberfläche durchsetzt. Es ist so schlimm, dass man regelrecht tödlich krank von dem Wasser wird, wenn man es nur ansieht. Allein der Gedanke schüttelt mich instinktiv.
Weiter und weiter verschwindet die Sonne allmählich im Westen hinter dem Horizont. Nicht mehr viel weiter, dann habe ich die Ausläufer der Stadt erreicht. Je dunkler es wird, desto deutlicher zeichnet sich vor mir auf einmal der Unterschied der beiden Flussseiten ab - als wenn er nicht schon vorher auf der Hand gelegen hätte. Während die rechte Seite allmählich mit warmen Lichttönen aus Straßenlaternen und den Fenstern der Häuser erwacht und mehr denn je zu glitzern scheint, erwacht die linke Seite in gefühlt allen Farben des Regenbogens außer denen der anderen Flussseite zum Leben. Unzählige Neonschilder flackern hier und da auf und beglücken die Straßen unter sich daraufhin mit ihrem vorwiegend grünen, aber auch violetten oder roten Licht, welches vom in der Luft hängenden Rauch aufgefangen und wieder zurückgeworfen wird. Ich bleibe stehen. Vor mir führt eine Treppe in den ‚bunten‘ Teil der Stadt. So wie es aussieht muss ich diesen ohnehin durchqueren, wenn ich auf die andere Seite des Flusses wechseln möchte. Aber... will ich das? Mein Blick wandert zwischen beiden Seiten hin und her, während sich in meinem Kopf eine innere Stimme, gespeist aus meinen Erinnerungen zu Wort meldet und mahnend kommentiert: ‚Das Äußere kann und wird dich täuschen. Hinter blendender Schönheit verbirgt sich meist der dunkelste Abgrund, denk‘ an deine Mutter, denk an deine Heimat!‘
Ich habe gar nicht bemerkt, wie mein Herzschlag zugelegt und meine Atmung ein bisschen die Arbeitsleistung erhöht hat. Ich sammle mich, schüttele meinen Kopf und damit auch meine Gedanken ab und erklimme dann die Stufen vor mir. Ich habe kein bestimmtes Ziel, und da ich nun weiß, dass mich die Brücken und alles was dahinter liegt nicht interessieren, wende ich mein Schritte weiter ins Innere des linken Stadtteils. Sacht weht mein Mantel um mich und hinter mir her. Wenn ich laufe bleibt es nicht aus, dass man ab und zu durch den Spalt vorn einen Blick auf meine darunterliegende Tracht werfen kann, dennoch versuche ich diesen Effekt durch die Art und Weise wie ich mich bewege zu minimieren. Meine Augen huschen ständig um mich herum und nehmen so viel wie möglich auf. Die Farben der Schilder, die verhärmten und vielerorts aufgrund von Unterernährung hageren Gesichter, die dazu noch eine Härte ausstrahlen, die nur Zustande kommt, wenn man regelmäßig ums Überleben kämpfen muss. Misstrauen wird mir von jeder Ecke entgegengeworfen. Obwohl mein Mantel farblich gesehen eher unauffällig ist, scheine ich wie ein bunter Paradiesvogel aufzufallen. Ich mache mir gar nicht erst die Mühe die Köpfe zu zählen, die sich nach mir umdrehen. Als ich an einer schmalen, pechschwarzen Seitengasse vorbeikomme bleibe ich kurz erschrocken stehen. Am anderen Ende prügeln sich sechs junge Männer, wobei einer davon noch keine 13 sein kann. Sie scheinen um eine Dose essen zu kämpfen. Ich zwinge meinen Blick dazu, sich von der traurig grausamen Szene loszureißen und gehe weiter, vollkommen ziellos in diesem Labyrinth aus beinahe schon verführerischen Neonlichtern, meine Augen nun auf den Boden vor meinen Füßen gerichtet, dafür meine Ohren empfänglicher für die Geräusche um mich herum. Viel Gebrüll, ein paar Schreie, und vielerorts aus den verschiedenen Lokalen laute, wummernde, bassträchtige Musik, oder schlichtweg fast schon obszöne Melodien bei und in den Bordellen. Eine eigenwillige Symphonie, die doch auf ihre Art fast schon trotzig vibrierend das Leben zu repräsentieren scheint.
Ich hebe meinen Blick als ich vor mir deutlich mehr Stimmen als bisher vernehme und gleichzeitig alles in ein helles, kräftiges, neongrünes Licht getaucht wird, welches von einem übergroßen Schild an einem der größten und am besten gepflegten Gebäude dieses Stadtteils hängt. ‚Der Letzte Tropfen‘ prangt es groß über der Tür, vor der ein Bär von einem Mann als Türsteher fungiert und durch seine Präsenz allein schon viele Besucher vom bloßen Versuch einzutreten abhält. Ich weiß nicht wieso - vielleicht ist es meine leicht trockene Kehle und der doch aufkommende Wunsch nach ein wenig Ruhe für meine Füße - aber ich lenke meine Schritte in Richtung des Türstehers. Ich hebe meinen Kopf, da ich nicht unterwürfig oder ängstlich erscheinen will - was ich nicht bin, im Grunde ist mir alles egal - achte jedoch weiterhin darauf, dass man nicht zu viel unter meinem Umhang erkennen kann. Als ich mich auf einer Höhe mit dem Türsteher wiederfinde sehe ich zu ihm herüber. Er überragt mich um locker zwei Köpfe und jeder Zentimeter seiner freien Haut wird von Tattoos in Beschlag genommen, selbst seine Glatze. Unsere Blicke treffen sich. Für einen winzigen Moment zuckt sein Augenlid, ich kann förmlich die Räder in seinem Kopf klacken hören als er abwägt, ob er mich passieren lassen soll oder nicht, doch dann wendet er sich von mir ab - ein stummes Zeichen, dass ich passieren kann. Das alles geschah im Bruchteil einer Sekunde, sodass ich effektiv ohne einmal innezuhalten einfach an diesem Bullen vorbei in das Lokal gehen kann. Ich drücke die Tür vor mir auf und sofort schlägt mir eine von Zigarren, Parfüm, Aftershave und Alkohol trächtige Luft entgegen. Die Sicht ist leicht verschwommen aufgrund der vielen unterschiedlichen Rauchschwaden, aus großen Boxen hämmert ein vor Bass triefender Beat, der den Boden und die Wände erzittern lässt, aber doch irgendwie nicht aufdringlich ist und viele Besucher zum Tanzen auf den dafür vorgesehenen Flächen und Bühnen verführt. Auf den Bühnen geben vor allem spärlich gekleidete Frauen und Männer ihr überdurchschnittliches Können zum Besten. Aha. Das ist also einer von diesen Nachtclubs, von denen ich schon mal gelesen habe. Meine Augen wandern schnell von links, nach rechts und wieder nach links, streifen dabei eine bunte Vielfalt von Menschen aber auch andere Spezies, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Um nicht unhöflich zu sein und mehr auf mich aufmerksam zu machen lasse ich meine Augen nicht lange auf diesen anderen Spezies, aber in Wahrheit würde ich mich am liebsten sofort über sie informieren. Aufregung. Ich fühle mich aufgeregt wegen all dem Neuen, was mich umgibt. Wie lange ist dieses Gefühl schon her? Ich komme indes der Bar immer näher, die eine merkwürdige Sitzverteilung zu zelebrieren scheint. Auf einem Hocker sitzt - mir den Rücken zukehrend - tief auf den Tresen gebeugt und gelangweilt auf einem Arm gestützt ein Mann in einem burgunderroten Hemd, darüber eine maßgeschneiderte, schwarze Weste mit ein paar Lederriemen, Schnallen und mit goldenen Blenden sowie Knöpfen. Seine schwarzen Haare sind in einem Undercut geschnitten und die längeren Haare fein säuberlich nach hinten gestyled. Direkt vor ihm läuft ein dünnes, sehr freizügig gekleidetes, schätzungsweise 17- oder 18-jähriges Mädchen mit bis zum Boden reichenden blauen Haaren, welche sie zu zwei Flechtzöpfen mit gelegentlichen Messingverzierungen geflochten trägt, auf dem Tresen auf und ab, ausgelassen über etwas redend. Links und rechts neben den Beiden sind die Barhocker völlig verwaist, obwohl es im Club nicht an Gästen mangelt.
Ein Teil von mir hinterfragt diesen Umstand zwar, doch mein Wunsch nach einer Pause nach der langen Reise, die nun hinter mir liegt, ist zu groß, und so gehe ich ohne meine Geschwindigkeit zu verringern und weiterhin durch Körpersprache Selbstsicherheit ausstrahlend weiter und setze mich auf den Barhocker drei Plätze zur Rechten von dem auffälligen Gespann. Ich kann den Moment, wo sie und der Barkeeper meiner Gewahr werden, in der kompletten Atmosphäre um mich herum spüren, ohne, dass ich mich auch nur minimal umschauen muss. Das Mädchen ist verstummt, der Mann, der gelegentlich geantwortet hat, ebenfalls und ich spüre an dem Kribbeln in meinem Nacken, dass sie mich ansehen - nein - mit ihren Blicken durchbohren müssen. Der Barkeeper hingegen sieht mich an, dann den Mann zu meiner Linken und kommt schließlich nervös schluckend zu mir.
„Was kann ich dir bringen?“, will er von mir wissen, als er direkt vor meinem Platz auf seiner Seite des Tresens zum Stehen kommt.
„Überrasch‘ mich, ich bin nicht wählerisch... Irgendwas, was gerade angesagt ist.“, präzisiere ich nach meiner zunächst schwammigen Antwort, als ich seine Skepsis gemerkt habe. Ich greife in den Beutel an meinem Gürtel, ziehe eine Goldmünze hervor und lege sie ihm auf den Tisch. Seine Augen werden etwas größer und er kommentiert nur „Das reicht für ein paar Runden.“ ehe er zu seiner Bar verschwindet um den Drink zuzubereiten.
„Uuuuuuh, sieh‘ mal Silco. Frischfleisch!“, höre ich das Mädchen links plötzlich sagen, gefolgt von einem Gackern. „Jemand der sich ganz offensichtlich nicht auskennt - oder hierher gehört.“ Ich verdrehe genervt die Augen und bin mir sicher, dass sie das gesehen haben müssen, da ich meine Kapuze beim Betreten des Etablissements ein bisschen zurückgezogen hatte, damit ich meine Umgebung besser betrachten konnte. Zwar verdeckt sie noch immer meine Haare, aber bei Weitem nicht mehr mein Gesicht von den Seiten. Ich behalte meine Augen starr nach vorne gerichtet. Aktuell benötige ich keinen Blickkontakt, mit niemanden, wenn es sich vermeiden lässt. Ein Kratzen ertönt links von mir. Ein Hocker, der auf dem Boden verschoben wird, ein paar sichere, aber leise Schritte, die näher kommen. Abermals das Kratzen eines Hockers, dieses Mal direkt links neben mir und gleich darauf erscheint in meinem peripheren Sichtfeld ein Arm in einem fein geschneiderten burgunderroten Hemd mit breiter goldornamentverzierter Borte am Handgelenk, welcher locker auf dem Tresen abgelegt wird, dicht gefolgt vom Rest des dazugehörigen Torsos. In diesem Moment kommt der Barkeeper zurück, setzt fast schon zitternd das Glas vor mir ab und verschwindet auffallend schnell zur anderen Seite seines Arbeitsplatzes. Toll.
„Was sucht ein unbekanntes Gesicht der Oberstadt Piltover hier unten in Zhaun?“
Disclaimer: Die Rechte an den Örtlichkeiten, einigen Eckpunkten der Story und vor allem an den Charakteren liegen bei Riot Games und Fortiche Production!
Viel Vergnügen!
1. A Meeting Made By Destiny... ?
Das Rauschen des Flusses rechts neben mir ist wie Gift in meinen Ohren. Es erinnert mich an meine verfahrene, aussichtslose, fürchterliche Situation und obwohl ich es mittlerweile besser wissen sollte, stirbt dieser eine kleine, nervige Teil in meinem Inneren einfach nicht ab, der sich wünscht ich könnte entkommen. Entkommen aus dem Netz, welches aus meinem eigenen Blut gesponnen ist, was mich festhält in einem Schicksal, was ich nicht mal eigenhändig zu beenden in der Lage bin. Ich habe jedoch einen Teilsieg erringen können. Meine Füße verharren am Ufer und mein Blick wandert über meine Schulter nach hinten zum Weg, den ich gekommen bin. Der mächtige Fluss schlängelt sich scheinbar endlos in Richtung Norden ins Gebirge und entschwindet in der Ferne meinem Blick nach einer Biegung. Wie viele Tage bin ich jetzt schon unterwegs? Ich habe nicht darauf geachtet und sowohl die Müdigkeit als auch die Schmerzen in meinen Füßen und Beinen habe ich schnell zu ignorieren gelernt. Mein einziges Ziel war es gewesen so schnell wie möglich Abstand zu allem Bisherigen zu gewinnen, was bedeutet da schon ein bisschen Schmerz am Körper? Der Körper ist ohnehin nur eine Hülle, die sich im Zweifel selbst reparieren kann, doch die Seele - der Geist - das ist ein völlig anderes, gefährlicheres Terrain. Wenn sich die Seele vor der völligen Zerstörung sieht, ist der Körper vollkommen bedeutungslos...
Eine kräftige Windböe huscht plötzlich heran, erfasst meinen grauen, bodenlangen Samtkapuzenumhang, reißt ihn förmlich von meinem Körper und legt diesen frei. Das ärmellose Vokuhila-Kleid aus weißer Baumwolle weht ebenfalls in der Böe, jedoch nicht annähernd so bauschig wie mein langer Mantel. Mein Blick gleitet unweigerlich an meiner Person hinab: über die kniehohen weißen Stiefel mit golden anmaßenden Verzierungen an der oberen Naht, über den Vokuhilarock-Teil des Kleides, den schlichten aber vergoldeten Gürtel, der meine Hüfte eventuell ein bisschen zu gut zur Geltung bringt, über das ebenfalls mit goldigen Verzierungen geschmückte Dekolletee und bleibt schließlich an meinen Unterarmen hängen, die in zwei weißen Stoffstulpen stecken. Vor allem ist meine Aufmerksamkeit wie angeklebt an meinen rechten Unterarm, während ich spüre, wie meine Gedanken in sehr dunkle Gefilde abdriften. Ich schüttele schnell den Kopf, die Böe ist vorüber und der Mantel geht wieder seinem Zweck nach: Meinen Körper komplett vor Blicken Dritter zu verstecken. Ich ziehe mir die große Kapuze noch ein wenig tiefer ins Gesicht und laufe weiter. Vor mir - ich hatte sie schon aus einiger Entfernung erahnen können - ragt eine große Stadt in den Himmel. Sie wird von ebenjenem Fluss entzweigeteilt, der mir sowohl Weggefährte als auch Gefängniswärter ist. Meine blauen Augen wandern über die auffällige Skyline der Stadt. Von mir aus rechts auf der anderen Seite des Flusses wirkt die Stadt extrem vorzeigbar, nahezu edel und modern, links jedoch - also auf meinem Ufer, ist sie geradezu blasphemisch dunkel, heruntergekommen und alles andere als einladend.
Je näher ich komme, desto klarer wird die Rolle des Gewässers neben mir. Es ist eine Grenze zwischen den beiden ungleichen Stadthälften, nur verbunden über zwei massive Brücken und mein Instinkt - gemeinsam mit dem ersten visuellen Eindruck - sagt mir, dass diese Übergänge vermutlich ab und an auch mal abgesperrt wurden und noch werden. Obwohl das vor mir augenscheinlich eine Stadt sein muss, wirkt der Fluss mit sein Brücken eher wie eine gewollte und ausgenutzte Grenze, und weniger wie die Lebensader, wie es sonst bei großen Städten der Fall sein sollte. Meine Augen wandern von der rechten, nahezu glitzernden Stadthälfte über die zwei Brücken, weiter zu dem Teil der Stadt, der vor mir liegt und schließlich weiter zum Wasser des Flusses. Scheinbar mit jeden Schritt den ich näher an die Gebäude komme wird er ungesünder, giftiger, mehr durchzogen von Müll und mit schimmernden Ölflecken auf der Oberfläche durchsetzt. Es ist so schlimm, dass man regelrecht tödlich krank von dem Wasser wird, wenn man es nur ansieht. Allein der Gedanke schüttelt mich instinktiv.
Weiter und weiter verschwindet die Sonne allmählich im Westen hinter dem Horizont. Nicht mehr viel weiter, dann habe ich die Ausläufer der Stadt erreicht. Je dunkler es wird, desto deutlicher zeichnet sich vor mir auf einmal der Unterschied der beiden Flussseiten ab - als wenn er nicht schon vorher auf der Hand gelegen hätte. Während die rechte Seite allmählich mit warmen Lichttönen aus Straßenlaternen und den Fenstern der Häuser erwacht und mehr denn je zu glitzern scheint, erwacht die linke Seite in gefühlt allen Farben des Regenbogens außer denen der anderen Flussseite zum Leben. Unzählige Neonschilder flackern hier und da auf und beglücken die Straßen unter sich daraufhin mit ihrem vorwiegend grünen, aber auch violetten oder roten Licht, welches vom in der Luft hängenden Rauch aufgefangen und wieder zurückgeworfen wird. Ich bleibe stehen. Vor mir führt eine Treppe in den ‚bunten‘ Teil der Stadt. So wie es aussieht muss ich diesen ohnehin durchqueren, wenn ich auf die andere Seite des Flusses wechseln möchte. Aber... will ich das? Mein Blick wandert zwischen beiden Seiten hin und her, während sich in meinem Kopf eine innere Stimme, gespeist aus meinen Erinnerungen zu Wort meldet und mahnend kommentiert: ‚Das Äußere kann und wird dich täuschen. Hinter blendender Schönheit verbirgt sich meist der dunkelste Abgrund, denk‘ an deine Mutter, denk an deine Heimat!‘
Ich habe gar nicht bemerkt, wie mein Herzschlag zugelegt und meine Atmung ein bisschen die Arbeitsleistung erhöht hat. Ich sammle mich, schüttele meinen Kopf und damit auch meine Gedanken ab und erklimme dann die Stufen vor mir. Ich habe kein bestimmtes Ziel, und da ich nun weiß, dass mich die Brücken und alles was dahinter liegt nicht interessieren, wende ich mein Schritte weiter ins Innere des linken Stadtteils. Sacht weht mein Mantel um mich und hinter mir her. Wenn ich laufe bleibt es nicht aus, dass man ab und zu durch den Spalt vorn einen Blick auf meine darunterliegende Tracht werfen kann, dennoch versuche ich diesen Effekt durch die Art und Weise wie ich mich bewege zu minimieren. Meine Augen huschen ständig um mich herum und nehmen so viel wie möglich auf. Die Farben der Schilder, die verhärmten und vielerorts aufgrund von Unterernährung hageren Gesichter, die dazu noch eine Härte ausstrahlen, die nur Zustande kommt, wenn man regelmäßig ums Überleben kämpfen muss. Misstrauen wird mir von jeder Ecke entgegengeworfen. Obwohl mein Mantel farblich gesehen eher unauffällig ist, scheine ich wie ein bunter Paradiesvogel aufzufallen. Ich mache mir gar nicht erst die Mühe die Köpfe zu zählen, die sich nach mir umdrehen. Als ich an einer schmalen, pechschwarzen Seitengasse vorbeikomme bleibe ich kurz erschrocken stehen. Am anderen Ende prügeln sich sechs junge Männer, wobei einer davon noch keine 13 sein kann. Sie scheinen um eine Dose essen zu kämpfen. Ich zwinge meinen Blick dazu, sich von der traurig grausamen Szene loszureißen und gehe weiter, vollkommen ziellos in diesem Labyrinth aus beinahe schon verführerischen Neonlichtern, meine Augen nun auf den Boden vor meinen Füßen gerichtet, dafür meine Ohren empfänglicher für die Geräusche um mich herum. Viel Gebrüll, ein paar Schreie, und vielerorts aus den verschiedenen Lokalen laute, wummernde, bassträchtige Musik, oder schlichtweg fast schon obszöne Melodien bei und in den Bordellen. Eine eigenwillige Symphonie, die doch auf ihre Art fast schon trotzig vibrierend das Leben zu repräsentieren scheint.
Ich hebe meinen Blick als ich vor mir deutlich mehr Stimmen als bisher vernehme und gleichzeitig alles in ein helles, kräftiges, neongrünes Licht getaucht wird, welches von einem übergroßen Schild an einem der größten und am besten gepflegten Gebäude dieses Stadtteils hängt. ‚Der Letzte Tropfen‘ prangt es groß über der Tür, vor der ein Bär von einem Mann als Türsteher fungiert und durch seine Präsenz allein schon viele Besucher vom bloßen Versuch einzutreten abhält. Ich weiß nicht wieso - vielleicht ist es meine leicht trockene Kehle und der doch aufkommende Wunsch nach ein wenig Ruhe für meine Füße - aber ich lenke meine Schritte in Richtung des Türstehers. Ich hebe meinen Kopf, da ich nicht unterwürfig oder ängstlich erscheinen will - was ich nicht bin, im Grunde ist mir alles egal - achte jedoch weiterhin darauf, dass man nicht zu viel unter meinem Umhang erkennen kann. Als ich mich auf einer Höhe mit dem Türsteher wiederfinde sehe ich zu ihm herüber. Er überragt mich um locker zwei Köpfe und jeder Zentimeter seiner freien Haut wird von Tattoos in Beschlag genommen, selbst seine Glatze. Unsere Blicke treffen sich. Für einen winzigen Moment zuckt sein Augenlid, ich kann förmlich die Räder in seinem Kopf klacken hören als er abwägt, ob er mich passieren lassen soll oder nicht, doch dann wendet er sich von mir ab - ein stummes Zeichen, dass ich passieren kann. Das alles geschah im Bruchteil einer Sekunde, sodass ich effektiv ohne einmal innezuhalten einfach an diesem Bullen vorbei in das Lokal gehen kann. Ich drücke die Tür vor mir auf und sofort schlägt mir eine von Zigarren, Parfüm, Aftershave und Alkohol trächtige Luft entgegen. Die Sicht ist leicht verschwommen aufgrund der vielen unterschiedlichen Rauchschwaden, aus großen Boxen hämmert ein vor Bass triefender Beat, der den Boden und die Wände erzittern lässt, aber doch irgendwie nicht aufdringlich ist und viele Besucher zum Tanzen auf den dafür vorgesehenen Flächen und Bühnen verführt. Auf den Bühnen geben vor allem spärlich gekleidete Frauen und Männer ihr überdurchschnittliches Können zum Besten. Aha. Das ist also einer von diesen Nachtclubs, von denen ich schon mal gelesen habe. Meine Augen wandern schnell von links, nach rechts und wieder nach links, streifen dabei eine bunte Vielfalt von Menschen aber auch andere Spezies, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Um nicht unhöflich zu sein und mehr auf mich aufmerksam zu machen lasse ich meine Augen nicht lange auf diesen anderen Spezies, aber in Wahrheit würde ich mich am liebsten sofort über sie informieren. Aufregung. Ich fühle mich aufgeregt wegen all dem Neuen, was mich umgibt. Wie lange ist dieses Gefühl schon her? Ich komme indes der Bar immer näher, die eine merkwürdige Sitzverteilung zu zelebrieren scheint. Auf einem Hocker sitzt - mir den Rücken zukehrend - tief auf den Tresen gebeugt und gelangweilt auf einem Arm gestützt ein Mann in einem burgunderroten Hemd, darüber eine maßgeschneiderte, schwarze Weste mit ein paar Lederriemen, Schnallen und mit goldenen Blenden sowie Knöpfen. Seine schwarzen Haare sind in einem Undercut geschnitten und die längeren Haare fein säuberlich nach hinten gestyled. Direkt vor ihm läuft ein dünnes, sehr freizügig gekleidetes, schätzungsweise 17- oder 18-jähriges Mädchen mit bis zum Boden reichenden blauen Haaren, welche sie zu zwei Flechtzöpfen mit gelegentlichen Messingverzierungen geflochten trägt, auf dem Tresen auf und ab, ausgelassen über etwas redend. Links und rechts neben den Beiden sind die Barhocker völlig verwaist, obwohl es im Club nicht an Gästen mangelt.
Ein Teil von mir hinterfragt diesen Umstand zwar, doch mein Wunsch nach einer Pause nach der langen Reise, die nun hinter mir liegt, ist zu groß, und so gehe ich ohne meine Geschwindigkeit zu verringern und weiterhin durch Körpersprache Selbstsicherheit ausstrahlend weiter und setze mich auf den Barhocker drei Plätze zur Rechten von dem auffälligen Gespann. Ich kann den Moment, wo sie und der Barkeeper meiner Gewahr werden, in der kompletten Atmosphäre um mich herum spüren, ohne, dass ich mich auch nur minimal umschauen muss. Das Mädchen ist verstummt, der Mann, der gelegentlich geantwortet hat, ebenfalls und ich spüre an dem Kribbeln in meinem Nacken, dass sie mich ansehen - nein - mit ihren Blicken durchbohren müssen. Der Barkeeper hingegen sieht mich an, dann den Mann zu meiner Linken und kommt schließlich nervös schluckend zu mir.
„Was kann ich dir bringen?“, will er von mir wissen, als er direkt vor meinem Platz auf seiner Seite des Tresens zum Stehen kommt.
„Überrasch‘ mich, ich bin nicht wählerisch... Irgendwas, was gerade angesagt ist.“, präzisiere ich nach meiner zunächst schwammigen Antwort, als ich seine Skepsis gemerkt habe. Ich greife in den Beutel an meinem Gürtel, ziehe eine Goldmünze hervor und lege sie ihm auf den Tisch. Seine Augen werden etwas größer und er kommentiert nur „Das reicht für ein paar Runden.“ ehe er zu seiner Bar verschwindet um den Drink zuzubereiten.
„Uuuuuuh, sieh‘ mal Silco. Frischfleisch!“, höre ich das Mädchen links plötzlich sagen, gefolgt von einem Gackern. „Jemand der sich ganz offensichtlich nicht auskennt - oder hierher gehört.“ Ich verdrehe genervt die Augen und bin mir sicher, dass sie das gesehen haben müssen, da ich meine Kapuze beim Betreten des Etablissements ein bisschen zurückgezogen hatte, damit ich meine Umgebung besser betrachten konnte. Zwar verdeckt sie noch immer meine Haare, aber bei Weitem nicht mehr mein Gesicht von den Seiten. Ich behalte meine Augen starr nach vorne gerichtet. Aktuell benötige ich keinen Blickkontakt, mit niemanden, wenn es sich vermeiden lässt. Ein Kratzen ertönt links von mir. Ein Hocker, der auf dem Boden verschoben wird, ein paar sichere, aber leise Schritte, die näher kommen. Abermals das Kratzen eines Hockers, dieses Mal direkt links neben mir und gleich darauf erscheint in meinem peripheren Sichtfeld ein Arm in einem fein geschneiderten burgunderroten Hemd mit breiter goldornamentverzierter Borte am Handgelenk, welcher locker auf dem Tresen abgelegt wird, dicht gefolgt vom Rest des dazugehörigen Torsos. In diesem Moment kommt der Barkeeper zurück, setzt fast schon zitternd das Glas vor mir ab und verschwindet auffallend schnell zur anderen Seite seines Arbeitsplatzes. Toll.
„Was sucht ein unbekanntes Gesicht der Oberstadt Piltover hier unten in Zhaun?“
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